L 6 AS 519/16

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
6
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 1 AS 374/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AS 519/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 14 AS 19/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
I. Soweit die Klägerin zu 2) Kosten für ein Jugendbett und einen Schreibtisch begehrt, wird die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Juni 2016 als unzulässig verworfen. Im Übrigen wird die Berufung der Klägerinnen als unbegründet zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander auch für das Berufungsverfahren keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerinnen, Mutter und Töchter, machen mit der vorliegenden, am 14. Juli 2016 beim Sozialgericht Kassel erhobenen Klage eine Vielzahl unterschiedlicher Begehren geltend.

1. Die Klägerinnen lebten bis zum März 2015 im Zuständigkeitsbereich des Beklagten und bezogen von diesem Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II). Weil die Räumung des bisher gemieteten Hauses drohte, verzogen die Klägerinnen in ein Haus A-Straße, in A-Stadt, welches die Klägerin zu 1) gemeinsam mit ihrem späteren Ehemann (Heirat am xx. xxx 2016) am 3. März 2015 erworben hatte. Am 20. März 2015 beantragte die Klägerin zu 1) erstmals die Bewilligung der Umzugskosten (einschließlich Verpflegungskosten) für den auf den 27. und 28. März 2015 geplanten Umzug. Ausweislich eines beigefügten Angebots der Firma D. D. sollte der Umzug 2.759,02 Euro kosten. Die Klägerin zu 1) legte zudem unter dem 13. Mai 2015 eine so bezeichnete "Auftragsbestätigung/Bestätigung der Einlagerung" ihres späteren Ehemannes vom 26. März 2015 vor, wonach der Festbetrag für den Umzug 2.600,00 Euro betrage. Weiter wurde ausgeführt: "Da Sie den Umzug nicht per Vorkasse zahlen können, Sie aber zum 31. März 2015 aus dem Haus ausgezogen sein müssen, werden die Möbel kostenpflichtig eingelagert und als Pfand einbehalten." Später legte sie eine von ihr selbst und ihrem späteren Ehemann unterschriebene "Zahlungsbestätigung" vom 20. April 2015 vor, in der es heißt "2.600 Euro erhalten von E. für Umzugskosten A. C.". Außerdem machte die Klägerin Verpflegungskosten in Höhe von 130,00 Euro geltend. Das Begehren lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. Juni 2015. Die geltend gemachten Kosten im Umfang von 2.600,00 Euro als Festbetrag für einen dreitägigen Umzug sowie die pauschalen Verpflegungskosten in Höhe von 130,00 Euro seien nicht plausibel nachvollziehbar. Dagegen legte die Klägerin zu 1) mit Schreiben vom 10. Juni 2015 am 12. Juni 2015 Widerspruch ein, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2015 zurückwies. Hilfebedürftige hätten ihren Umzug grundsätzlich selbst zu organisieren und durchzuführen. Erstattungsfähig seien daher in der Regel nur die Aufwendungen für einen in Eigenregie durchgeführten Umzug unter Anmietung von Fahrzeug, Umzugskartons sowie der Kosten für die Versorgung mithelfender Familienangehöriger. Vor diesem Hintergrund seien die gemachten Umzugskosten weder angemessen noch plausibel und nachvollziehbar. Der den Umzug durchführende F. A. habe gemeinsam mit der Klägerin zu 1) mit notariellem Kaufvertrag vom 3. März 2015 das Haus in A-Stadt käuflich erworben und stehe im familiären Leben mit der Klägerin.

Hiergegen hat die Klägerin zu 1) Klage erhoben und sinngemäß beantragt, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 8. Juni 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 23. Juli 2015 zu verpflichten, ihr die Umzugskosten in Höhe von 2600,00 Euro zzgl. Verpflegungskosten in Höhe von 130,00 Euro zu bewilligen.

2. Auf den Antrag der Klägerin zu 3) auf Lernförderung, forderte der Beklagte mit Schreiben vom 13. April 2015 die Klägerin zur 1) zur Mitwirkung auf und bat diese, Kopien der letzten drei Zeugnisse sowie drei schriftliche Angebote von Lernhilfeanbietern vorzulegen. Die Klägerin zu 1) wurde dahin belehrt, dass die Leistungen ganz versagt werden könnten, wenn sie nicht bis zum genannten Termin am 30. April 2015 reagiere oder die erforderlichen Unterlagen nicht einreiche. Dem kam die Klägerin zu 1) zunächst insoweit nach, als sie am 10. Juni 2015 zwei Zeugnisse und am 6. Juli 2015 nochmals ein Zeugnis, nicht jedoch das gewünschte Abgangszeugnis 2013/2014, übersandte. Angebote von Lernhilfeanbietern legte sie nicht vor. Hierauf versagte der Beklagte mit Bescheid vom 8. Juli 2015 die für die Klägerin zu 3) beantragte Lernförderung ab dem 1. Februar 2015 zur Gänze, weil die letzten drei Zeugnisse weiterhin nicht vollständig vorlägen und ein Nachweis über die Qualifikation der Nachhilfelehrerin nicht erbracht worden sei. Den gegen den Versagungsbescheid vom 8. Juli 2015 eingelegten Widerspruch vom 10. Juli 2015, mit dem die Klägerin zu 3) das Abgangszeugnis 2013/2014 vorlegte, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2015 zurück. Die Mitwirkung sei erforderlich gewesen, weil die begehrten Leistungen nur hätten erbracht werden können, soweit die Lernförderung geeignet und zusätzlich erforderlich sei, um die nach den schulrechtlichen Bestimmungen festgelegten wesentlichen Lernziele zu erreichen. Die Klägerin zu 3) habe für das gesamte Schuljahr 2013/2014 Leistungen für Lernförderung erhalten. Deshalb sei die Einsicht in die Schuljahresabschlusszeugnisse erforderlich, um die Geeignetheit der Nachhilfe zu prüfen, die Tatbestandsvoraussetzung für die Bewilligung der begehrten Leistungen sei. Die Klägerin sei dieser Mitwirkung trotz Belehrung über die Rechtsfolgen innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht nachgekommen. Die erforderliche Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch - Allgemeiner Teil (SGB I) liege vor. Ermessensfehler seien nicht ersichtlich.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zu 3) begehrt, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 8. Juli 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 21. Juli 2015 zu verpflichten, ihr Leistungen der Lernförderung für die Klägerin zu 3) für die Monate Februar und März 2015 zu bewilligen. Zwischenzeitlich ist eine Entscheidung des Beklagten über die Lernförderung der Klägerin zu 3) nach § 67 SGB I ergangen, gegen die unter dem Aktenzeichen S 1 AS 491/15 eine Klage bei dem Sozialgericht Kassel anhängig ist.

3. Auf den Antrag auf Lernförderung für die Klägerin zu 2) vom 1. Februar legte die Klägerin zu 1) einen Vordruck vor, wonach Frau G. G. (die Schwester der Klägerin zu 1) ihrer Nichte B. im Monat Februar 2015 32 Nachhilfestunden zu je 8,00 Euro (gesamt 256,00 Euro) und im Monat März 2015 40 Nachhilfestunden zu je 8 Euro (gesamt 320,00 Euro) erteilt habe. Eine Unterschrift von G. G. tragen diese Vordrucke nicht. Ihr Name ist lediglich unter den Rubriken "Leistungsanbieter" und "Ansprechpartnerin" auf dem Formular eingetragen. Der Beklagte bewilligte der Klägerin zu 2) mit Bescheid vom 8. Juli 2015 Leistungen der Lernförderung für die Hauptfächer Mathematik, Deutsch und Englisch für maximal jeweils 2 Unterrichtseinheiten à 45 Minuten pro Woche für den Zeitraum 1. Februar 2015 bis 31. März 2015 dem Grunde nach. Eine Auszahlung erfolge noch nicht. Die eingereichten Kostenbelege stammten nicht von der Nachhilfelehrerin. Weder Qualifikation der Nachhilfelehrerin, noch Kosten der Nachhilfe hätten bisher glaubhaft nachgewiesen werden können. Dagegen legte die Klägerin zu 1) am 10. Juli 2015 Widerspruch ein und trug vor, der Beklagte habe alle Kostenbelege erhalten. Dem begegnete der Beklagte mit Schreiben vom 23. Juli 2015, man wolle die Nachhilfelehrerin G. G. persönlich zu dem Sachverhalt befragen. Sie möge deshalb einen Besprechungstermin beim Jobcenter vereinbaren. Den Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14. September 2015 zurück.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zu 2) begehrt, den Beklagten unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 8. Juli 2015 und des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2015 zu verpflichten, ihr Kosten für die Nachhilfe für die Monate Februar und März 2015 der Höhe nach festzusetzen und auszuzahlen.

4. Mit ihrer Klage haben die Klägerinnen außerdem Leistungen für die erstmalige Beschaffung von Einrichtungsgegenständen begehrt. Eine Verwaltungsentscheidung des Beklagten ist hierzu nicht ergangen.

5. Soweit die Klägerin zu 2) mit ihrer Klage Leistungen für ein Jugendbett und einen Schreibtisch begehrt hat, ist diesbezüglich im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2016 zwischen den Beteiligten ein Vergleich geschlossen worden, wonach der Beklagte 50,00 Euro zu zahlen hat.

6. Die Klägerin zu 3) beantragte die Kosten für eine Klassenfahrt am 22. September 2014, die nach telefonischer Auskunft der Klassenlehrerin 7,00 Euro. Mit Bescheid vom 14. Januar 2015 bewilligte der Beklagte die Kostenerstattung in Höhe von 7,00 Euro. Hiergegen legte die Klägerin zu 3) keinen Widerspruch ein.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zu 3) Fahrtkosten für die Klassenfahrt in Höhe von insgesamt 42,00 Euro geltend gemacht.

7. Die Klägerin zu 1) begehrte zudem mit Antrag vom 30. Oktober 2014 die Bewilligung weiterer Heizkosten für die Monate Oktober 2014 bis März 2014. Diesen Antrag lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 9. April 2015 ab. Es seien bereits Leistungen in Höhe von 1948,63 Euro bewilligt worden. Hiergegen legte die Klägerin zu 1) keinen Widerspruch ein.

Mit ihrer Klage hat die Klägerin zu 1) pauschal weitere Heizkosten im Zeitraum Oktober 2014 bis März 2015 geltend gemacht.

8. Des Weiteren hat die Klägerin zu 1) mit ihrer Klage die Bewilligung aller Unkosten, die durch den Umzug entstanden seien, und Verzugszinsen seit August 2014 bis März 2015, begehrt. Ein Verwaltungsverfahren zu dieser Frage fand nicht statt.

Das Sozialgericht hat sämtliche am 14. Juli 2015 erhobenen Klagebegehren mit Urteil vom 28. Juni 2016 zum Teil als unzulässig und zum Teil als unbegründet abgewiesen.

Zu 1.: Soweit die Klägerin die Übernahme von Umzugskosten verlange, sei die Klage zulässig, aber nicht begründet. Die Umzugskosten seien von dem Zeugen A., dem späteren Ehemann der Klägerin zu 1), aufgebracht worden. Ausweislich des Protokolls des Erörterungstermins vom 9. Juni 2015 in den Verfahren S 1 AS 64/15 ER u.a. habe der Zeuge A. und jetzige Ehemann der Klägerin zu 1) angegeben, dass die Klägerin zu 1) "gar nicht" bezahlt habe (Bl. 5 des Protokolls). Das Fahrzeug habe der Zeuge von seinem Chef geliehen, er habe lediglich für die Betriebskosten zu sorgen gehabt. Insofern lege die Kammer zugrunde, dass letztlich der Umzug in Eigenregie und soweit erforderlich finanziert durch den späteren Ehemann, den Zeugen A., durchgeführt worden sei. Dass hier 2.600,00 Euro zzgl. Verpflegungskosten ernsthaft gefordert und seitens der Klägerinnen aufzubringen gewesen wären, sei nicht ersichtlich.

Zu 2.: Soweit die Klägerin zu 3) sich gegen den Versagungsbescheid vom 8. Juli 2015 und den Widerspruchsbescheid vom 21. Juli 2015 wende, vermöge die Klage ebenso keinen Erfolg haben. Nach § 66 Abs. 1 SGB I könne der Leistungsträger ohne weitere Ermittlung die Leistung bis zur Nachholung der Mitwirkung ganz oder teilweise versagen, wenn derjenige, der eine Sozialleistung beantrage, seinen Mitwirkungspflichten nach den §§ 60 – 62, 65 SGB I nicht nachkomme und hierdurch die Aufklärung des Sachverhalts erheblich erschwere, soweit die Voraussetzungen der Leistung nicht nachgewiesen seien. Vorliegend sei die Klägerin zu 3) darauf hingewiesen worden, dass zur Bescheidung ihres entsprechenden Antrages noch das zweite Halbjahreszeugnis 2013/2014 fehle. Zutreffend habe der Beklagte darauf hingewiesen, dass die Einsicht in das Schuljahresabschlusszeugnis erforderlich gewesen sei, um die Geeignetheit der in Anspruch genommenen Nachhilfe zu prüfen, die Tatbestandsvoraussetzung für die Bewilligung der begehrten Leistungen sei. Der geforderten Mitwirkung sei die Klägerin zu 1) erst mit Widerspruch gegen den Bescheid vom 8. Juli 2015 nachgekommen. Gegen die Rechtmäßigkeit dieses Bescheides bestünden keine Bedenken. Insbesondere habe der Beklagte erkannt, dass es sich bei der Entscheidung nach § 66 SGB I um eine Ermessensentscheidung handele und ausgeführt, dass keine Gesichtspunkte erkennbar oder vorgetragen worden seien, die im Rahmen einer Ermessensentscheidung zugunsten der Klägerin hätten berücksichtigt werden können. Überdies sei, worauf der Beklagte ebenso zutreffend hingewiesen habe, der Nachweis über die Qualifikation der Nachhilfelehrerin nicht erbracht worden. Anlass, einen solchen zu erbringen, habe bestanden: Die Kammer habe im Rahmen einer mündlichen Verhandlung in dem Verfahren S 1 AS 167/15 u.a. am 23. Juni 2015 versucht, die den Nachhilfeunterricht ausführende Schwester der Klägerin zu 1), G. G., zum Umfang der geleisteten Nachhilfestunden zu vernehmen. Diese habe in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2015 von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht und keine Angaben zur Sache gemacht.

Zu 3.: Soweit die Klägerin zu 2) Lernhilfe begehre, sei die Klage zulässig, aber unbegründet. Die angegriffenen Bescheide seien rechtmäßig und verletzten die Klägerin zu 2) nicht in ihren Rechten. Mit Bescheid vom 8. Juli 2015 seien der Klägerin zu 2) dem Grunde nach Leistungen zur Lernförderung für die Monate Februar und März 2015 bewilligt worden. Beschwert sei die Klägerin zu 2) nur insoweit, als eine Festsetzung in der Höhe nicht erfolgt sei. Es bestünden auch seitens der Kammer nach wie vor erhebliche Zweifel, ob jemals tatsächlich Zahlungen an die angebliche Nachhilfelehrerin, die Schwester der Klägerin zu 1) und Tante der Klägerin zu 2), G. G., erfolgt seien. Diese Zweifel hätten auch in der mündlichen Verhandlung vom 23. Juni 2015 in dem Verfahren S 1 AS 216/15 nicht beseitigt werden können, weil die Schwester der Klägerin zu 1) als Zeugin keine Angaben zur Sache machen wollte. Quittungen im Original lägen im Übrigen weder dem Beklagten noch dem Gericht vor. Angesichts der Weigerung der Zeugin im Termin am 23. Juni 2015, Angaben zur Sache zu machen, habe sich die Kammer auch nicht mehr veranlasst gesehen, eine solche Zeugenbefragung erneut zu versuchen.

Zu 4.: Soweit die Klägerinnen gegenüber dem Beklagten Aufwendungen für die Erstbeschaffung von Hausrat für die neue Wohnung im Schwalm-Eder-Kreis geltend machten, sei diesbezüglich ein Verwaltungsverfahren beim Beklagten nicht anhängig (gewesen). Insofern sei die Klage unzulässig. Zuständig sei im Übrigen das Jobcenter des Schwalm-Eder-Kreises.

Zu 5.: Soweit die Klägerin zu 2) mit der vorliegenden Klage Leistungen für ein Jugendbett und einen Schreibtisch begehre, sei diesbezüglich im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 28. Juni 2016 ein Vergleich geschlossen worden.

Zu 6.: Soweit sich die Klägerin zu 3) gegen den Bescheid des Beklagten vom 14. Januar 2015 bzgl. der Bewilligung von Kosten für die Klassenfahrt wende, sei die Klage unzulässig, weil ein Widerspruchsverfahren hierüber nicht durchgeführt worden sei. Der Bescheid vom 14. Januar 2015 sei zwischen den Beteiligten bindend geworden (§ 77 Sozialgerichtsgesetz - SGG).

Zu 7.: Soweit die Klägerin zu 1) sich gegen einen Bescheid vom 9. April 2015 über die Bewilligung weiterer Heizkosten wende, sei die Klage ebenso unzulässig; auch hier sei mangels Widerspruchs der Bescheid zwischen den Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG).

Zu 8.: Soweit die Klägerin zu 1) die Bewilligung aller Unkosten aus dem Umzug beantrage, sei diese weitere Klage neben der Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 8. Juni 2015 und dem Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2015 unzulässig. Soweit die Klägerin zudem Verzugszinsen begehre, sei nicht ersichtlich, auf welchen Verwaltungsakt sie sich dabei beziehe.

Die Klägerinnen haben gegen das ihnen am 7. Juli 2016 zugestellte Urteil am 8. Juli 2016 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt. Sie machen – soweit ihr Vortrag den Gegenstand des angegriffenen Urteils betrifft – geltend, es würden auch Leistungen für die Anschaffung eines Jugendbettes inklusive Matratze und Schreibtisch verlangt. Nachweise über die Nachhilfeerteilung an die Klägerinnen zu 2) und zu 3) lägen vor. Frau G. könne auch noch eine schriftliche Bestätigung machen.

Die Klägerinnen, die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2016 nicht erschienen und nicht vertreten gewesen sind betragen sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 28. Juni 2016 aufzuheben und

1) den Bescheid vom 8. Juni 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 23. Juli 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Umzugskosten in Höhe von 2.600,00 Euro zzgl. Verpflegungskosten in Höhe von 130,00 Euro zu bewilligen;

2) den Bescheid vom 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 21. Juli 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin zu 3) Leistungen der Lernförderung für die Monate Februar und März 2015 zu bewilligen;

3) den Bescheid vom 8. Juli 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. September 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Kosten für die Nachhilfe für die Klägerin zu 2) für die Monate Februar und März 2015 in der geltend gemachten Höhe auszuzahlen;

4) den Beklagten zu verpflichten, ihnen Leistungen für die erstmalige Beschaffung von Einrichtungsgegenständen zu bewilligen;

5) den Beklagten zu verpflichten, weitere Leistungen an die Klägerin zu 2) mit für die Anschaffung eines Jugendbettes und eines Schreibtisch zu erbringen;

6) den Bescheid vom 14. Januar 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, Leistungen für die Klassenfahrt der Klägerin zu 3) in Höhe von 42,00 Euro zu bewilligen, abzüglich bereits bewilligter 7,00 Euro;

7) den Bescheid vom 9. April 2015 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, der Klägerin zu 1) weitere Leistungen für die Beschaffung von Heizöl zu bewilligen;

8) den Klägerinnen alle Unkosten, die durch den Umzug entstanden sind, zu erstatten und Verzugszinsen seit August 2014 bis März 2015 zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.

Er verweist auf die seines Erachtens überzeugenden Ausführungen des erstinstanzlichen Urteils.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und den beigezogenen Behördenvorgang Bezug genommen. Die Akten des Verfahrens L 6 AS 477/15 B ER sind zum Verfahren beigezogen worden. Sämtliche Unterlagen sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Der Senat konnte im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14. Dezember 2016 in der Sache verhandeln und eine Entscheidung treffen, obwohl die Klägerinnen nicht erschienen und auch nicht vertreten gewesen sind. Denn alle Beteiligten sind rechtzeitig und ordnungsgemäß geladen und dabei nach Maßgabe von § 153 Abs. 1 i.V.m. § 110 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) darauf hingewiesen worden, dass auch im Falle ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne.

Die Berufung der Klägerinnen ist bis auf die Berufung der Klägerin zu 2) betreffend die Anschaffung eines Jugendbettes und eines Schreibtisches (Punkt 5) zulässig, aber unbegründet.

Soweit die Klägerin zu 2) mit der Berufung weitere Leistungen für ein Jugendbett und einen Schreibtisch begehrt, ist die Berufung unzulässig. Die Klägerin zu 2) verkennt, dass hinsichtlich der Möbel im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Kassel vom 28. Juni 2016 ein Vergleich geschlossen worden, wonach der Beklagte 50,00 Euro an die Klägerin zu 2) zu zahlen hat. Ein Urteil, gegen das Berufung eingelegt werden könnte, ist zu dieser Frage nicht ergangen.

Soweit das Sozialgericht im angefochtenen Urteil vom 28. Juni 2016 die Klagen zu den Streitpunkten 1, 2 und 3 als unbegründet abgewiesen hat, ist dies nicht zu beanstanden. Die angegriffenen im Tatbestand genannten Bescheide sind rechtmäßig. Sie verletzen die jeweiligen Klägerinnen nicht in ihren Rechten.

Zu 1.: Ein Anspruch der Klägerinnen auf Erstattung von Umzugskosten nach § 22 Abs. 6 SGB II besteht nicht. Zwar können Umzugskosten bei vorheriger Zusicherung durch den bis zum Umzug zuständigen Leistungsträger als Bedarf anerkannt werden. Vorliegend fehlt es aber an einer solchen Zusicherung. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine solche Zusicherung von dem Beklagten hätte erteilt werden müssen. Hinsichtlich des zunächst eingereichte Kostenvoranschlags der Firma D. D. reduzierte sich das nach § 22 Abs. 6 SGB II bestehende Ermessen des Beklagten zur Erteilung der Zustimmung jedenfalls nicht auf Null, weil ein Betrag von 2.759,02 Euro die Angemessenheitsgrenze im Sinne des SGB II für einen Umzug dreier Personen von H-Stadt nach A-Stadt (nicht mehr als 80 km) bei Weitem übersteigt. Gleiches gilt für die so bezeichnete "Auftragsbestätigung/Bestätigung der Einlagerung" des späteren Ehemanns der Klägerin zu 1) vom 26. März 2015 vor, wonach der Festbetrag für den Umzug 2.600,00 Euro betrage.

Weiter ist in keiner Weise nachgewiesen, in welcher Höhe tatsächlich Umzugskosten angefallen sind. Die sogenannte Auftragsbestätigung des späteren Ehemanns ist zum Nachweis tatsächlich angefallener Kosten ungeeignet. Auch die von der Klägerin zu 1) und ihrem späteren Ehemann unterschriebene, an die Klägerin zu 1) gerichtete "Zahlungsbestätigung" vom 20. April 2015 vor, in der es heißt "2.600 Euro erhalten von E. für Umzugskosten A. C." ist ungeeignet, angefallene Umzugskosten nachzuweisen. Sollte der spätere Ehemann der Klägerin zu 1) tatsächlich 2.600,00 Euro von E. für den von ihm durchgeführten Umzug der Klägerinnen erhalten haben, ist auch nicht ersichtlich, warum die Klägerinnen für den von einer dritten Person angeblich bezahlten Umzug einen Erstattungsanspruch gegen den Beklagten haben sollten.

Zu 2.: Die Klage auf Leistung gegen den Versagungsbescheid des Beklagten war unbegründet und ist unzulässig geworden. Inzwischen hat der Beklagte über den Leistungsantrag gemäß § 67 SGB I entschieden. Hiergegen ist eine Klage vor dem Sozialgericht Kassel unter dem Aktenzeichen S 1 AS 491/15 anhängig. Die Versagung mit Bescheid vom 8. Juli 2015 war rechtmäßig. Insoweit wird auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angegriffenen Urteil verwiesen. Die von der Klägerin erstrebte Verurteilung zur Leistung kann im Verfahren gegen einen Versagungsbescheid ohnehin nicht erstritten werden, weil dieser nicht in der Sache über die Bewilligung entscheidet. Eine (ablehnende) Bescheidung in der Sache ist aber zwischenzeitlich erfolgt. Damit hat sich der Streit über die vorhergehende Versagung erledigt, und ist die Klage unzulässig geworden.

Zu 3.: Die Klägerin zu 2) konnte nicht nachweisen, dass die geltend gemachten Kosten für Nachhilfestunden durch ihre Tante, die in J-Stadt 25 km entfernt von H-Stadt wohnt, tatsächlich entstanden sind. Die von der Klägerin zu 1) ausgefüllten Vordrucke über angebliche Nachhilfestunden für die Klägerin zu 2) durch ihre Schwester sind nicht geeignet zu belegen, dass diese Nachhilfestunden tatsächlich stattgefunden haben und hieraus entweder ein Zahlungsanspruch der Schwester in Höhe von 256,00 Euro für Februar 2015 und in Höhe von 320,00 Euro für März 2015 besteht oder aber dieser Anspruch von der Klägerin zu 1) schon durch Zahlung an ihre Schwester befriediget wurde.

Das Gericht musste sich auch nicht veranlasst sehen, G. G. als Zeugin erneut zu laden, da sie in erster Instanz von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht hat und von den Klägerinnen auch nicht als Zeugin vor dem Hessischen Landessozialgericht benannt worden ist. Die Klägerin zu 1) hat zwar mit Schriftsatz vom 14. Juli 2016 vorgetragen, Frau G. wolle sich für den 23. Juni 2015 entschuldigen. Es sei ihr nicht gut gegangen, sie habe Ärger mit dem Chef gehabt, weil es so lange gedauert habe und sie habe nur schnell zur Arbeit zurückgewollt. Sie werde eine schriftliche Bestätigung abgeben, wenn das gewünscht werde. Ein Antrag auf erneute Zeugenvernehmung ist in diesem Vortrag nicht zu sehen.

Die weiteren Begehren hat das Sozialgericht zu Recht als unzulässig abgewiesen:

Zu 4.: Soweit die Klägerinnen gegenüber dem Beklagten Aufwendungen für die Erstbeschaffung von Hausrat für die neue Wohnung im Schwalm-Eder-Kreis geltend machen, fehlt es schon an einem diesbezüglichen Verwaltungsverfahren bei dem Beklagten, so dass die Klage unzulässig ist (§ 78 SGG).

Zu 6.: Soweit sich die Klägerin zu 3) gegen den Bescheid des Beklagten vom 14. Januar 2015 bzgl. der Bewilligung von Kosten für die Klassenfahrt wendet, ist die Klage unzulässig, weil auch hierzu ein Widerspruchsverfahren nicht durchgeführt wurde. Der Bescheid vom 14. Januar 2015 ist bestandskräftig geworden (§ 77 SGG).

Zu 7.: Soweit die Klägerin zu 1) sich gegen einen Bescheid vom 9. April 2015 wegen der Ablehnung der Bewilligung weiterer Heizkosten wendet, ist mangels Widerspruchs der Bescheid zwischen den Beteiligten bindend geworden (§ 77 SGG), so dass auch diese Klage unzulässig ist.

Zu 8.: Soweit die Klägerin zu 1) die Bewilligung aller Umzugskosten beantragt, ist diese Klage neben der Verpflichtungsklage gegen den Bescheid vom 8. Juni 2015 und dem Widerspruchsbescheid vom 23. Juli 2015 wegen doppelter Rechtshängigkeit unzulässig. Soweit die Klägerin außerdem Verzugszinsen begehrt, scheidet mangels Anspruchs auf Umzugskostenerstattung gegen den Beklagten (Klagepunkt 1) ein Anspruch auf Verzugszinsen wegen Nichtzahlung der Umzugskosten aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil für das Vorliegen von Revisionszulassungsgründen nach § 160 SGG nichts ersichtlich ist.
Rechtskraft
Aus
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