L 3 AS 156/17 NZB

Land
Rheinland-Pfalz
Sozialgericht
LSG Rheinland-Pfalz
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Rheinland-Pfalz
Aktenzeichen
L 3 AS 156/17 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wert des Beschwerdegegenstandes nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bei Versagungsbescheid
Eine Klage gegen einen Versagungsbescheid gemäß § 66 SGB I betrifft einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG
Die Wirkung eines Versagungsbescheides nach § 66 SGB I ist, auch wenn Leistungen nach dem SGB II betroffen sind, nicht auf einen Bewilligungszeitraum begrenzt. Er wirkt grundsätzlich unbegrenzt in die Zukunft. Eine den gerichtlichen Streitgegenstand begrenzende Zäsur kann eintreten, wenn später ein neuer Leistungsantrag gestellt und beschieden wird.
Die Höhe der Beschwer errechnet sich nach der Leistungshöhe, die dem Betroffenen im streitigen Zeitraum zustehen würde. Dies ist nach allen vorliegenden Erkenntnissen im maßgeblichen Zeitpunkt der Einlegung der Berufung zu ermitteln. Wenn ein Zeitraum von über einem Jahr betroffen ist, ist die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig.
1. Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.03.2017 wird zurückgewiesen.
2. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.
3. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe:
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 15.03.2017 ist zulässig, aber unbegründet.
Die Nichtzulassungsbeschwerde ist statthaft, da die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts vom 15.03.2017 der Zulassung bedarf und vom Sozialgericht nicht zugelassen worden ist. Nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) bedarf die Berufung der Zulassung, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes bei einer Klage, die eine Geld-, Dienst- oder Sachleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, 750,00 EUR nicht übersteigt. Durch das Urteil hat das Sozialgericht die Klage auf die Feststellung, dass der dem Kläger gegenüber ergangene Versagungsbescheid vom 10.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 02.10.2015 rechtswidrig war, abgewiesen. Dieses Begehren ist vom Sozialgericht zutreffend als Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG angesehen worden.
Diese Klage betrifft einen auf eine Geldleistung gerichteten Verwaltungsakt im Sinne von § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG. Durch den Bescheid wurden Geldleistungen, nämlich die vom Kläger beantragten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), gemäß § 66 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) versagt (vgl. dazu Peter Kummer, NZS 1993, 285ff). Die Tatsache, dass der Kläger nach Erledigung des angefochten Verwaltungsaktes durch Erlass des Leistungsbewilligungsbescheides vom 29.04.2016 sein Begehren im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht statt als Anfechtungsklage als Fortsetzungsfeststellungsklage weiterverfolgt, ändert nichts daran, dass Gegenstand des Verfahrens der Versagungsbescheid war.
Das Sozialgericht ist – allerdings ohne nähere Begründung - zutreffend davon ausgegangen, dass der Wert des Beschwerdegegenstandes unter 750,00 EUR liegt. Im vorliegenden Fall ist der Wert mit insgesamt 502,30 EUR anzusetzen. Dies ist der Betrag, den der Beklagte dem Kläger durch den nach Vorlage der geforderten Unterlagen am 29.04.2016 erlassenen Leistungsbescheid bewilligt hat (236,88 EUR für September 2015 und 265,42 EUR für Oktober 2015, bei Ablehnung eines Anspruchs des Klägers für Juli und August 2015.) Die der Partnerin des Klägers als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gewährten Leistungen bleiben hier außer Betracht, da nur der Kläger in eigenem Namen Klage gegen den Versagungsbescheid erhoben hat.
Die Regelungswirkung des angefochtenen Versagungsbescheides bezog sich im vorliegenden Fall auf den Leistungszeitraum von Juli 2015 (den Monat, in dem der Kläger den Antrag beim Beklagten gestellt hatte) bis Oktober 2015. Zwar ist die Wirkung eines (wie hier ohne zeitliche Befristung ergangenen) Versagungsbescheides nach Auffassung des Senats grundsätzlich nicht auf einen bestimmten Bewilligungszeitraum begrenzt. Der Senat geht, entsprechend der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Fall einer Ablehnung von Leistungen nach dem SGB II (vgl. Urteil 31.10.2007, B 14/11b AS 59/06 R, in juris), davon aus, dass eine Versagung grundsätzlich unbegrenzt in die Zukunft wirkt. Eine Zäsur kann aber, wie hier, dadurch eintreten, dass danach ein neuer Antrag gestellt und (positiv oder negativ) beschieden wird. Eine solche Bescheidung liegt hier vor, weil der Beklagte dem Kläger auf seinen neuen Antrag hin ab November 2015 durch Bescheid vom 19.11.2015, also noch während des Klageverfahrens gegen den Versagungsbescheid, vorläufige Leistungen gewährt hat. Damit konnte sich die Wirkung des Versagungsbescheides –jedenfalls ab diesem Zeitpunkt- nur noch auf den Zeitraum bis Oktober 2015 beziehen, der Kläger war also nur noch bzgl. dieses Zeitraumes durch den Versagungsbescheid beschwert.
Die Höhe der Beschwer ergibt sich mittelbar aus der Höhe der Leistungen, die ihm nach Vorlage der angeforderten Unterlagen durch den Bewilligungsbescheid vom 29.04.2016 für den Zeitraum Juli bis Oktober 2015 gewährt wurden. Durch sie ist bekannt, in welcher Höhe dem Kläger Leistungen zustanden, und damit wird abgebildet, was dem Kläger durch den angefochtenen Bescheid tatsächlich versagt wurde. Bedenken an der Berechnung sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.
Wie die Berechnung vorzunehmen wäre, wenn ein Leistungsbescheid nicht (oder noch nicht) ergangen ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Der Senat erlaubt sich aber, auf Folgendes hinzuweisen: Wenn ein Zeitraum von über einem Jahr betroffen wäre, wäre die Berufung gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG zulässig. Ist nur ein beschränkter, unter einem Jahr liegender, Zeitraum im Streit, ist eine prognostische Berechnung der zu erwartenden Leistungen aufgrund der bekannten Fakten angezeigt. Im Grundsatz ist dabei von dem höchstmöglichen Betrag auszugehen, den die klagende Partei beanspruchen kann. Dies ist nicht zwingend der volle gesetzliche Bedarf, vielmehr wäre es in die Berechnung einzustellen, wenn einzelne, die Leistungshöhe bestimmende Faktoren bekannt und diesbezügliche Änderungen nicht zu erwarten sind, etwa ein festes monatliches Einkommen eines der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft. Da es für die Frage, ob die Berufung zulässig ist, auf den Zeitpunkt der Berufungseinlegung ankommt (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 144, Rn. 19), sind alle bis dahin vorhandenen Erkenntnisse zu berücksichtigen.
Die Beschwerde ist aber unbegründet. Nach § 144 Abs. 2 SGG ist die Berufung zuzulassen, wenn (1.) die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, (2.) das Urteil von einer Entscheidung des Landessozialgerichts, des Bundessozialgerichts (BSG) oder des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder (3.) ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
Die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG sind nicht erfüllt. Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Streitsache, wenn sie eine Rechtsfrage abstrakter Art aufwirft, die im Interesse der Fortbildung des Rechts oder seiner einheitlichen Auslegung klärungsbedürftig ist (vgl. BSG, Urteil vom 07.10.2005, B 1 KR 107/04 B, in juris; Beschluss des Senats vom 12.10.2011, L 3 AS 19/11 NZB, mwN). Eine solche ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Der Kläger trägt zur Begründung der Beschwerde vor, dass eine subjektive Rechtsverletzung vorgelegen und er ein Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides hat. Dieser Vortrag bezieht sich auf den Inhalt des angefochtenen Urteils, in dem ein Feststellungsinteresse verneint wird, eine grundsätzliche Bedeutung wird damit nicht dargelegt.
Auch die Voraussetzungen des Zulassungsgrundes nach § 144 Abs. 2 Nr. 2 SGG sind nicht erfüllt. Eine Divergenz im Sinn dieser Vorschrift liegt vor, wenn das Sozialgericht seine Entscheidung auf einen abstrakten Rechtssatz gestützt hat, der von einem anderen abstrakten Rechtssatz, auf dem eine Entscheidung eines der genannten Gerichte beruht, abweicht (Leitherer aaO., § 144 Rn. 30 und § 160 Rn. 13). Ein abstrakter Rechtssatz wird nur mit einer fallübergreifenden, nicht aber einer lediglich auf die rechtliche Würdigung des Einzelfalls bezogenen rechtlichen Aussage aufgestellt (Leitherer aaO., § 160 Rn. 13). Ein solcher ist hier ebenfalls nicht ersichtlich.
Ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel im Sinne von § 144 Abs. 2 Nr. 3 SGG liegt ebenfalls nicht vor. Der Kläger hat, wie oben ausgeführt, in seiner Beschwerde allein auf die seiner Auffassung nach unrichtige Würdigung des Sachverhaltes hingewiesen. Verfahrensfehler sind damit nicht vorgetragen.
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Nach den obigen Ausführungen ist der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die vorliegende Beschwerde mangels hinreichender Erfolgsaussichten gemäß § 73a SGG iVm. § 114 Zivilprozessordnung abzulehnen.
Dieser Beschluss kann nicht mit der Beschwerde angefochten werden (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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