L 5 R 1994/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 14 R 218/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 R 1994/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31.03.2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Zuerkennung einer Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1965 geborene Kläger war (zuletzt) bis 1994 als Lagerarbeiter versicherungspflichtig beschäftigt. Danach ging er verschiedenen geringfügigen Beschäftigungen nach, war, zum Teil selbstständig, als Verkäufer (auf Trödelmärkten) tätig und bezieht seit 01.01.2005 Sozialleistungen.

Seinen ersten Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 04.07.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.11.2012 ab, da der Kläger noch in der Lage sei, auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr werktäglich zu verrichten. Im sich anschließenden sozialgerichtlichen Verfahren vor dem Sozialgericht Mannheim (SG; S 14 R 3851/12) schlossen die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vom 09.01.2014 einen Vergleich. Hierin verpflichtete sich die Beklagte, dem Kläger eine ambulante medizinische Rehabilitationsmaßnahme zu gewähren. Im Gegenzug nahm der Kläger die Klage zurück.

Die Rehabilitationsmaßnahme wurde in der Folge nicht durchgeführt.

Im Juni 2015 stellte der Kläger unter Einreichung von ärztlichen Befundberichten den streit-gegenständlichen Antrag auf Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Die Beklagte beauftragte daraufhin die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. mit der Begutachtung des Klägers. In ihrem Gutachten vom 23.09.2015 aufgrund der ambulanten Untersuchung des Klägers am 14.09.2015 diagnostizierte sie eine unbehandelte funktionell leichtgradige Agoraphobie, eine abstinente Alkoholkrankheit sowie eine Low-Dose-Benzodiazepinabhängigkeit, rezidivierende Rückenbeschwerden ohne radikuläre Ausfälle, ein leichtes Engpasssyndrom (CTS) rechts ohne funktionel¬le Bedeutung, einen Tinnitus ohne funktionelle Bedeutung, geringfügige degenerative Veränderung der Brustwirbelsäule (BWS) und der Halswirbelsäule (HWS), eine leichtgradige Entzündung des rechten Gelenkknochens des Ellenbogens, eine leichte Pansinusitis und ein leichtes Schlafapnoe-Syndrom. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen sei der Kläger zu leichten Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt noch mindestens sechs Stunden täglich in der Lage. Auf dieser Grundlage lehnte die Beklagte den Antrag mit Bescheid vom 01.10.2015 ab.

Der Kläger erhob hiergegen am 16.10.2015 Widerspruch. Seine behandelnden Ärzte, sein Psychotherapeut und die "A." seien der Meinung, dass er nicht mehr arbeiten könne. Dies werde auch durch die von ihm vorgelegten Atteste belegt. Insoweit legte der Kläger unter anderem wie schon mit dem Antrag Schreiben seines behandelnden Psychotherapeuten Dipl.-Psych. Sch. vom 20.03. und 05.05. 2014 vor, in denen dieser eine depressive Störung und eine Angststörung als Diagnosen angab. Durch die Psy¬chotherapie sei eine gewisse Besserung eingetreten. Die Behandlung habe supportiven Charakter zur Bewältigung der aktuellen Lebens- und Krankheitssituation. Aktuell halte er eine Arbeitszeit von unter drei Stunden täglich für möglich. Die Depression des Klägers führe zu einem stark reduzierten Antrieb und zu massiven Beeinträchtigungen im Lebensalltag. Die generalisierte Angststörung führe zu schnellem Aufgeben beim Antreffen größerer Menschenansammlungen und zu Fluchtverhalten.

Mit Widerspruchsbescheid vom 25.01.2016 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Der Kläger sei nicht erwerbsgemindert. Die vorgelegten Bescheinigungen von Dipl.-Psych. Sch. habe sie bereits bei ihrer Ausgangsentscheidung berücksichtigt.

Hiergegen richtete sich die 29.01.2016 erhobene Klage zum SG. Wegen seines Gesundheitszustandes könne er, der Kläger, einer Erwerbstätigkeit auch teilweise nicht mehr nachgehen. Er habe seit 2007 erhebliche psychische Probleme und stehe deswegen in ständiger ärztlicher Behandlung. Außerdem habe er seit 20 Jahren chronische Rückenschmerzen und seit drei Jahren einen linksseitigen Tinnitus. Sein Psychotherapeut bestätige seine Auffassung. Der Versuch der Beklagten, im Widerspruchsverfahren bei diesem aktuelle Befundberichte anzufordern, sei gescheitert, so dass keine aktuellen psychotherapeutischen Berichte vorgelegen hätten. Ergänzend legte der Kläger den Bescheid des Landratsamts R., Versorgungsamt, vom 26.10.2016 vor, mit welchem ihm ab 01.07.2016 ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 zuerkannt worden war.

Die Beklagte trat der Klage entgegen und verwies auf den Widerspruchsbescheid.

Das SG erhob zunächst Beweis durch die Einholung einer sachverständige Zeugenauskunft von Dipl.-Psych. Sch ... In seiner Stellungahme vom 31.03.2016 teilte dieser die Diagnose einer depressiven Störung mit Angst mit. Leichte Tätigkeiten seien dem Kläger nur unter drei Stunden täglich zumutbar. Das SG beauftragte daraufhin den Internisten, Neurologen und Psychiater Dr. Sch. mit der ambulanten Begutachtung des Klägers. In seinem Gutachten vom 15.08.2016, nach der ambulanten Untersuchung des Klägers am 10.08.2016, gab Dr. Sch. an, der Kläger leide unter einer leicht ausgeprägten Agoraphobie, einer Angst und depressiven Störung gemischt, einer Alkoholmissbrauchserkrankung ohne Anhalt für eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung, einem Wirbelsäulensyndrom ohne relevante sensomotorische Ausfälle, einem Tennisellenbogen rechts, einer arteriellen Hypertonie (ohne aktuelle medikamentöse Behandlung), einem Tinnitusleiden links (ohne psychovegetative Begleiterscheinungen) und einer akuten Kleinzehenfraktur rechts. Unter Berücksichtigung qualitativer Einschränkungen (keine Nachtschicht, kein vermehrter Publikumsverkehr, keine vermehrt emotionalen Belastungen, kein erhöhtes Konfliktpotential, keine Zwangshaltungen der Wirbelsäule, Möglichkeit zum Wechsel der Körperhaltung, keine widrigen klimatischen Bedingungen und keine vermehrte Lärmexposition) könne der Kläger leichte bis gelegentlich mittelschwere Tätigkeiten noch mindestens sechs Stunden täglich ausüben.

Mit Gerichtsbescheid vom 31.03.2017 wies das SG die Klage ab. Die zulässige Klage sei nicht begründet. Nach der Überzeugung des Gerichts sei der Kläger mit qualitativen Einschränkungen noch in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes vollschichtig zu verrichten. Mit diesem Leistungsvermögen sei der Kläger weder voll, noch teilweise erwerbsgemindert. Der Kläger leide rentenrelevant an einer leicht ausgeprägten Agoraphobie, einer Angst- und depressiven Störung gemischt, einer Alkoholmissbrauchserkrankung ohne Anhalt für eine aktuelle sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung, einem Wirbelsäulensyndrom ohne relevante sensomotorische Ausfälle, einem Tennisellenbogen rechts, einer arteriellen Hypertonie (ohne aktuelle medikamentöse Behandlung) und einem Tinnitusleiden links (ohne psychovegetative Begleiterscheinungen). Die rentenrelevanten Gesundheitsstörungen des Klägers führten zu qualitativen Einschränkungen. Dies entnehme das Gericht dem Sachverständigengutachten von Dr. Sch. vom 15.08.2016 und dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. H. vom 23.09.2015. Die beim Kläger als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führten indes zu keiner Einschränkung des Leistungsvermögens des Klägers in quantitativer Hinsicht. Der Kläger sei noch in der Lage, jedenfalls leichte körperliche Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Leistungseinschränkungen in einem Umfang von mindestens sechs Stunden täglich zu verrichten. Hiervon sei das Gericht aufgrund des Sachverständigengutachtens von Dr. Sch. überzeugt. Der Kläger leide unter keinen Bewusstseinsstörungen. Die Orientierung, die Aufmerksamkeit und die Konzentration seien ungestört. Dr. Sch. habe auch weder eine Antriebsminderung noch eine psychomotorische Hemmung festgestellt. Zwar verhalte sich der Kläger themenbezogen weinerlich, er habe aber auch spontan und authentisch lachen können. Die abweichende Leistungsbeurteilung von Dipl.-Psych. Sch. vermöge das Gericht nicht zu überzeugen. Denn sie sei nicht mit objektiven Befunden belegt. Vielmehr spreche gerade die von ihm angegebene niedrigfrequente Behandlung mit lediglich supportivem Charakter gegen eine schwerer ausgeprägte depressive Störung oder Angststörung. Im Übrigen sei zu berücksichtigen, dass nach ständiger Rechtsprechung psychische Erkrankungen erst dann rentenrechtlich relevant würden, wenn trotz adäquater Behandlung (medikamentös, therapeutisch, ambulant oder stationär) davon auszugehen sei, dass der Versicherte die psychischen Einschränkungen weder aus eigener Kraft noch mit ärztlicher oder therapeutischer Hilfe dauerhaft überwinden könne (Bundessozialgericht [BSG], Urteile vom 12.09.1990 - 5 RJ 88/89 und vom 29.03.2006 - B 13 RJ 31/05 R; Bayerisches Landessozialgericht [LSG], Urteil vom 27.06.2016 - L 19 R 395/14, alle in juris). Wie der Sachverständige Dr. Sch. für die Kammer überzeugend ausgeführt habe, seien die therapeutischen Optionen des psychiatrischen Fachgebietes noch nicht ausgeschöpft. Insbesondere stünden weitere medikamentöse Behandlungsmöglichkeiten offen. Es sei auch nicht erkennbar, inwieweit der Kläger bislang die von ihm behauptete Angststörung verhaltenstherapeutisch angegangen sei. Die von der Beklagten im Jahr 2014 im Vergleichswege bewilligte ambulante Rehabilitation habe offensichtlich nicht stattgefunden. Ein Anspruch auf die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsun¬fähigkeit nach § 240 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) bestehe ebenfalls nicht, da der Kläger nicht vor dem 02.01.1961 geboren sei.

Der Gerichtsbescheid wurde dem Bevollmächtigten des Klägers am 29.04.2017 mittels Empfangsbekenntnis zugestellt.

Hiergegen richtet sich die vom Kläger am 12.05.2017 zum SG erhobene Berufung, die dem LSG Baden-Württemberg am 18.05.2017 vorgelegt, jedoch nicht weiter begründet worden ist.

Der Kläger beantragt - sinngemäß -,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 31.03.2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.01.2016 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 01.06.2015 eine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte ist der Berufung entgegen getreten. Aufgrund der deutlichen Gutachtenlage, sei eine quantitative Leistungsminderung nicht ersichtlich. Es lägen lediglich qualitative Leistungseinschränkungen vor. Eine erneute Begutachtung sei nicht erforderlich.

Im Erörterungstermin vor dem Berichterstatter am 08.11.2017 haben die Beteiligten das Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte des Senats und des SG sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte (vgl. §§ 143, 144 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)) Berufung des Klägers, über die der Senat nach dem erklärten Einverständnis der Beteiligten nach §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist form- und fristgerecht eingelegt worden (vgl. § 151 SGG), sie ist hiernach zulässig.

Die Berufung führt jedoch für den Kläger inhaltlich nicht zum Erfolg; das SG hat die Klage in nicht zu beanstandender Weise abgewiesen. Der Bescheid der Beklagten vom 01.10.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 25.01.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte hat die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung zu Recht abgelehnt.

Der geltend gemachte Anspruch richtet sich nach § 43 SGB VI in der ab 01.01.2008 geltenden Fassung des Art. 1 Nr. 12 RV Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20.04.2007 (BGBl. I, 554).

Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze, wenn sie voll- bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeinen Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden und den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

Der Kläger ist weiterhin in der Lage sein, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes sechs Stunden und mehr in einer Fünf-Tage-Woche zu verrichten. Der Senat stützt seine Überzeugung auf das Gutachten des Internisten, Neurologen und Psychiaters Dr. Sch. vom 15.08.2016 sowie das Gutachten der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. H. vom 23.09.2015, welches der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwertet. Hiernach leidet der Kläger in rentenrelevantem Maße an nachfolgenden Erkrankungen:

1. Agoraphobie, leicht ausgeprägt 2. Angst und depressiver Störung, gemischt 3. Bekannter Alkoholmissbrauchserkrankung, gegenwärtig geringer Alkoholkonsum ohne Anhalt für eine sozialmedizinisch relevante Suchterkrankung 4. Arterieller Hypertonie, gegenwärtig keine medikamentöse Behandlung 5. Wirbelsäulensyndrom ohne relevante snsomotorische Ausfälle 6. Tennisellenbogen rechts 7. Tinnitusleiden links (ohne psychovegetative Begleiterscheinungen)

Hieraus leiten die Gutachter nachvollziehbar und schlüssig qualitative Leistungseinschränkungen ab. Wegen der Wirbelsäulenerkrankung sind das Heben von schweren Lasten sowie Tätigkeiten mit Zwangshaltungen der Wirbelsäule zu vermeiden. Auch sind widrige klimatische Bedingungen weitestgehend zu meiden. Wegen der geminderten seelischen Belastbarkeit sind Tätigkeiten in Nachtschicht, mit großen Menschenansammlungen und solche mit erhöhtem Konfliktpotential oder emotionalen Belastungen sowie solche mit vermehrter Lärmexposition nicht leidensgerecht. Unter Berücksichtigung dieser qualitativen Leistungseinschränkungen ist der Kläger jedoch noch in der Lage, leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes auszuüben. Im Rahmen der Begutachtung wies der Kläger eine gute geistige Flexibilität auf. Kognitive Defizite relevanten Ausmaßes lagen nicht vor. Es zeigte sich auch keine Antriebsminderung oder gar psychomotorische Hemmung. Eine soziale Phobie lag nicht vor. Es bestand und besteht keine soziale Desintegration. Das Umstellungs- und Anpassungsvermögen war nicht relevant eingeschränkt. Der Kläger besitzt im Übrigen die erforderliche Umstellungs- und Anpassungsfä¬higkeit, um sich innerhalb von drei Monaten in eine neue Berufstätigkeit einarbeiten zu können. Einschränkungen der Handlungsfähigkeit liegen nicht vor. Der Kläger kann sein Handeln einschätzen und entsprechend reagieren bzw. modifizieren. Die Urteilskraft und die Kritik- und Einsichtsfähigkeit zur eigenen Person und zum sozialen Umfeld sind nicht eingeschränkt. Eine unüberwindbare psychische Hemmung oder Sucht liegt nicht vor. Die psychische Symptomatik entzieht sich nicht der zumutbaren Willensanstrengung. Die kognitiven Funktionen, insbesondere die Denkfunktionen sind nicht leistungsrelevant eingeschränkt. Auch ergeben sich keine Einschränkungen der Psychomotorik. Der Kläger ist bei zumutbarer Willensanstrengung in der Lage, seinen Tagesablauf angemessen bzw. den Anforderungen entsprechend zu strukturieren. Es bestehen keine Einschränkungen des Zeitmanagements. Auch liegen keine nachvollziehbaren, relevanten Störungen der sozialen Kompetenzen und der Alltagskompetenzen vor. Eine weitgehende, objektivierbare bzw. ausreichend begründbare Einschränkung der Fähigkeit zur Teilhabe an den Aktivitäten des täglichen Lebens beispielsweise in den Bereichen Mobilität, Selbstversorgung, Kommunikation, Antrieb, Konzentrationsfähigkeit, Interesse und Aufmerksamkeit liegt bei dem Kläger nicht vor.

Aus den medizinischen Unterlagen ergibt sich ein Bild lediglich qualitativer Leistungseinschränkungen. Bei einer Gesamtbetrachtung sind dauerhafte gravierende Leistungseinschränkungen nicht ersichtlich. Anhaltspunkte dafür, dass beim Kläger eine Summierung ungewöhnlicher Leistungsbeeinträchtigungen oder eine spezifische Leistungsbeeinträchtigung gegeben sind, bestehen nicht. Ein Großteil der qualitativen Beschränkungen wird bereits durch den Umstand, dass nur leichte Arbeiten zumutbar sind, mitberücksichtigt. Schließlich ist hier auch nicht von einem verschlossenen Arbeitsmarkt im Sinne der Rechtsprechung des BSG und der dort aufgestellten Kriterien auszugehen (siehe BSG, Urteil vom 30.11.1983, - 5 ARKn 28/82 - ; siehe insbesondere auch hierzu den bestätigenden Beschluss des Großen Senats vom 19.12.1996, GS 2/95; siehe auch BSG, Urteil vom 05.10.2005, - B 5 RJ 6/05 R -, alle in juris). Es ist im Übrigen im Hinblick auf das zur Überzeugung des Senats bestehende Leistungsvermögen von mindestens sechs Stunden pro Arbeitstag unter Berücksichtigung nicht arbeitsmarktunüblicher qualitativer Leistungseinschränkungen zu der Frage, inwieweit welche konkrete Tätigkeit dem Kläger leidensgerecht unzumutbar ist, keine Prüfung durchzuführen, da die jeweilige Arbeitsmarktlage bei einer Leistungsfähigkeit von sechs Stunden täglich oder mehr nicht zu berücksichtigen ist (§ 43 Abs. 3 letzter Halbsatz SGB VI).

Auch die Anerkennung eines Grades der Behinderung von inzwischen 50 belegt nicht, dass der Kläger erwerbsgemindert ist. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 – 5b BJ 156/87, in juris, Rn. 3). Für die Erwerbsminderung nach § 43 SGB VI sind die Erwerbsmöglichkeiten des Betroffenen maßgeblich, während § 69 Abs. 1 Satz 5 SGB IX in der bis zum 14.01.2015 geltenden Fassung und § 159 Abs. 7 SGB IX in der seit dem 15.01.2015 geltenden Fassung (geändert durch Art. 1a des Gesetzes vom 07.01.2015, BGBl. II, S. 15) auf die abstrakten Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) verweist (BSG, Beschluss vom 08.08.2001 – B 9 SB 5/01 B –, in juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 09.12.1987 – 5b BJ 156/87 –, in juris, Rn. 3).

Die Zuerkennung der begehrten Erwerbsminderung ergibt sich auch nicht aus der sachverständigen Zeugenauskunft des Dipl.-Psych. Sch ... Insoweit lässt die sachverständige Zeugenaussage bereits eine Unterscheidung zwischen quantitativer und qualitativer Leistungseinschätzung vermissen. Eine quantitative Leistungseinschränkung für leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkt ist aus der Auskunft im Übrigen auch nicht ableitbar. Insbesondere ist durch das gerichtliche Sachverständigengutachten aber auch geklärt, dass die psychische Erkrankung keine derart gravierende Auswirkung hat. Die Leistungseinschätzung des Dipl.-Psych. Sch. ist damit widerlegt. Der Beurteilung der beruflichen Leistungsfähigkeit eines Versicherten durch gerichtliche Sachverständige kommt nach st Rspr des Senats (statt vieler Urteil des Senats vom 22.02.2017, L 5 R 791/15; vgl. auch LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.01.2012, L 11 R 4953/10, beide n.v.) grundsätzlich ein höherer Beweiswert zu als der Einschätzung der behandelnden Ärzte. Bei der Untersuchung von Patienten unter therapeutischen Gesichtspunkten spielt die Frage nach der Einschätzung des beruflichen Leistungsvermögens idR keine Rolle. Dagegen ist es die Aufgabe des gerichtlichen Sachverständigen, die Untersuchung gerade im Hinblick darauf vorzunehmen, ob und in welchem Ausmaß gesundheitliche Beschwerden zu einer Einschränkung des beruflichen Leistungsvermögens führen. In diesem Zusammenhang muss der Sachverständige auch die Beschwerdeangaben eines Versicherten danach überprüfen, ob und inwieweit sie sich mit dem klinischen Befund erklären lassen.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit (§ 240 SGB VI). Voraussetzung eines solchen Rentenanspruchs ist, dass der Kläger vor dem 02.01.1961 geboren ist. Der Kläger ist 1965 und damit nach dem Stichtag geboren.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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