S 37 KR 901/12

Land
Hamburg
Sozialgericht
SG Hamburg (HAM)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
37
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 37 KR 901/12
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.662,75 EUR nebst 5% Zinsen seit dem 09.12.2011 zu zahlen. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streitwert wird auf 1.662,75 EUR festgesetzt.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Zahlung einer Krankenhausvergütung. Im Wesentlichen ist im Streit, ob die bei einem operativen Eingriff im Juni 2011 durchgeführte Prozedur von der Klägerin zutreffend kodiert wurde.

Der Versicherte der Beklagten, Herr H., wurde vom 01.06.2011 bis zum 10.06.2011 in der Abteilung Lungen- und Bronchialheilkunde der von der Klägerin betriebenen Klinik stationär behandelt. Im Rahmen des stationären Aufenthalts kam es am 03.06.2011 u. a. zu einem operativen Eingriff (Bronchoskopie) zur Gewinnung von Zellmaterial, um die weitere Diagnose zu ermöglichen.

Die Klägerin stellte der Beklagten für den stationären Aufenthalt des Versicherten insgesamt 3.325,85 EUR in Rechnung, wobei sie den OPS-Kode 1-430.2 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Lunge) verwendete und nach der DRG E71A (Neubildungen der Atmungsorgane, mehr als ein Belegungstag, mit äußerst schweren CC oder starrer Bronchoskopie oder mit komplexer Biopsie der Lunge) abrechnete. Die Beklagte zahlte die Rechnung zunächst in voller Höhe und beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) mit einer Prüfung. Der MDK gelangte in seiner Stellungnahme vom 27.10.2011 zu der Auffassung, dass im Behandlungsfall der OPS 1-430.1 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Bronchus) zu kodieren sei. Hierdurch ergebe sich die DRG E71B (statt E71A) mit einem geringeren Kostengewicht. Die Beklagte verrechnete am 09.12.2011 aus einem anderen Behandlungsfall 1.662,75 EUR und vertrat gegenüber der Klägerin die Auffassung, dass eine Leistungspflicht im Behandlungsfall lediglich in Höhe von 1.663,10 EUR bestehe.

Die Klägerin hat am 03.08.2012 die vorliegende Klage vor dem Sozialgericht Hamburg erhoben. Das Gericht hat nach Beiziehung der Krankenhausunterlagen ein Sachverständigengutachten eingeholt. Der Sachverständige Herr Dr. V. hat in seinem Gutachten vom 14.06.2013 die Auffassung vertreten, dass die von der Klägerin verwendete Kodierung zutreffend gewesen sei. Im Einzelnen hat er ausgeführt, dass zunächst nachvollziehbar gewesen sei, dass bei dem Versicherten die Gewinnung von Lungengewebe (durch gezielte Biopsie pulmonaler Herdbefunde unter Durchleuchtung) aus medizinischen Gründen indiziert gewesen sei. Aus der Dokumentation des Krankenhauses gehe des Weiteren hervor, dass anlässlich der dann am 03.06.2011 in Lokalanästhesie durchgeführten Bronchoskopie eine Bronchiallavage sowie eine Bürstenbiopsie unter Durchleuchtung aus dem Segment S 6 rechts erfolgt seien. Zudem sei eine Biopsie im Bereich der rechten Oberlappencarina erfolgt. Ausweislich des Operationsberichts sei es entgegen der ursprünglichen Planung nicht möglich gewesen, aus dem Bereich der im CT gesehenen Raumforderungen weitere Proben zu entnehmen, da unter Durchleuchtung keine adäquate Herddeckung habe erreicht werden können. Ausweislich des pathologisch-anatomischen Berichts vom 07.06.2011 habe es sich bei dem eingesandten Biopsiematerial aus dem Segment S6 wie der Oberlappencarina jeweils um kleine Bronchusbiopsiepartikel mit geringer Stromaelastose gehandelt. Zusammenfassend gehe aus der Dokumentation des Krankenhauses zweifelsfrei hervor, dass bei dem Versicherten im strittigen Zeitraum unter Durchleuchtung eine endoskopische Biopsie an der Lunge, nämlich eine Bürstenbiopsie im Bereich des Segmentes S6 rechts sowie eine Biopsie im Bereich der rechten Oberlappencarina vorgenommen worden sei. Die Kodierung der Prozedur 1-430.2 sei daher bereits aus diesem Grunde nicht zu beanstanden. Zutreffend sei ferner die Argumentation der Klägerin, wonach die Prozedur die erbrachte Leistung, jedoch tatsächlich nicht den Erfolg bzw. das Ergebnis abbilde. Der Umstand, dass – wie die Beklagte argumentiere – Lungengewebe bei der Biopsie tatsächlich nicht getroffen worden sei, sei daher für die Wahl der korrekten Prozedur nicht entscheidend. Es sei unzweifelhaft mit erheblichem Aufwand und unter Inkaufnahme erheblicher Risiken – wenngleich frustrane – Biopsien an der Lunge und nicht lediglich an einem Bronchus vorgenommen worden. Zugestimmt werde der Klägerin schließlich auch dahingehend, dass die strittige Prozedur eine Biopsie "an" und nicht "von" respiratorischen Organen beschreibe. In Übereinstimmung mit der Klägerin sei daher nach der DRG E71A abzurechnen.

Die Beklagte hat nach Erhalt des Gutachtens den MDK hierzu ergänzend befragt. In seiner weiteren Stellungnahme vom 28.11.2013 hat der MDK an seiner bisherigen Auffassung festgehalten. Insbesondere handele sich um einen Bürstenabstrich (zur Gewinnung einzelner Zellen), aber nicht um eine "Biopsie". Hierzu hat das Gericht den Sachverständige Herr Dr. V. erneut befragt. Der Sachverständige hat in seiner ergänzenden Stellungnahme vom 19.05.2014 an seiner bisherigen Einschätzung festgehalten. Es handele sich bei der Bürstenbiopsie um eine endoskopische Biopsie im Sinne des OPS-2011.

Die Klägerin ist der Ansicht, dass die von ihr verwendete Kodierung und Abrechnung inhaltlich richtig sei, was auch der vom Gericht bestellte Sachverständige bestätigt habe. Hieraus ergebe sich für die Klägerin der geltend gemachte Zahlungsanspruch.

Die Klägerin beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 1.662,75 EUR nebst 5% Zinsen seit dem 09.12.2011 zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie beruft sich auf die Stellungnahmen des MDK und ist der Auffassung, dass die Gewinnung von Zellen durch eine Bürstenbiopsie keine Biopsie im Sinne der OPS-Ziffer 1-430.2 gewesen sei. Eine Biopsie der Lunge sei daher nicht durchgeführt worden.

Wegen der weiteren Einzelheiten, insbesondere im Vorbringen der Beteiligten und in den medizinischen Unterlagen, wird auf die Gerichtsakte und die von den Beteiligten beigezogenen Unterlagen Bezug genommen, soweit deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die nach § 54 Abs. 5 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Klage ist begründet.

Rechtsgrundlage des Vergütungsanspruchs der Klägerin ist § 109 Abs. 4 S. 3 SGB V, § 17b Abs. 1 S. 10 Krankenhausfinanzierungsgesetz und § 2 Abs. 2 Nr. 2, 7 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) in Verbindung mit dem maßgeblichen Fallpauschalenkatalog sowie mit dem Landesvertrag nach § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.

Zwischen den Beteiligten ist allein streitig, ob die Klägerin bei der Abrechnung des stationären Aufenthalts vom 01.06.2011 bis zum 10.06.2011 die Prozedur 1-430.2 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Lunge) zu Grunde legen durfte oder – wie es von der Beklagten vertreten wird – OPS 1-430.1 (Endoskopische Biopsie an respiratorischen Organen: Bronchus) zu berücksichtigen war, was zu einer jeweils unterschiedlichen DRG (E71A oder E71B) mit einem unterschiedlichen Kostengewicht führt. Nach Auffassung des Gerichts ist die von der Klägerin verwendete Kodierung richtig. Die Überzeugung des Gerichts stützt sich vor allem auf das im Gerichtsverfahren eingeholte Sachverständigengutachten von Herrn Dr. V. vom 14.06.2013 und der ergänzenden Stellungnahme des Gutachters vom 19.05.2014. Die Kammer sieht keine Veranlassung, von den Feststellungen des Sachverständigen abzuweichen. Das Gericht hält es insbesondere für nachvollziehbar und überzeugend, dass die von den Beteiligten unterschiedlich bewertete Frage, ob die Gewinnung von Zellen mittels einer Bürstenbiopsie eine Biopsie im Sinne der maßgeblichen Kodierungen ist, dahingehend zu beantworten ist, dass auch bei dieser Methode von einer Biopsie auszugehen ist. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt das Gericht auf die Ausführungen des Sachverständigen Bezug. Das Gericht folgt darüber hinaus der vom Sachverständigen bestätigten Ansicht der Klägerin, dass die Durchführung der Prozedur ihre Kodierung rechtfertigt. Dass letztlich verdächtiges Gewebe mit der Bürste nicht getroffen werden konnte, ist somit nicht entscheidend. Durch die Berücksichtigung der Prozedur 1-430.2 war auch die DRG E71A abzurechnen. Weitere Punkte in der Abrechnung waren – soweit ersichtlich – zwischen den Beteiligten nicht streitig.

Damit war die Beklagte zur Zahlung von 1.662,75 EUR zu verurteilen. Die Zinsforderung ergibt sich aus § 14 des Vertrags über die allgemeine Bedingung der Krankenhausbehandlung gem. § 112 Abs. 2 Nr. 1 SGB V.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG in Verbindung mit § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i. V. m. § 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz (GKG).
Rechtskraft
Aus
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