L 5 KR 4298/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 15 KR 1664/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 5 KR 4298/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.10.2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt Krankengeld vom 01.05.2012 bis 20.02.2013.

Der 1968 geborene Kläger war zuletzt von 01.02.2011 bis 14.11.2011 als Mitglied der Krankenversicherung der Arbeitslosen (§ 5 Abs. 1 Nr. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch, SGB V) bei der Beklagten krankenversichert. Mit Bescheid vom 15.11.2011 hob die Agentur für Arbeit L. die Bewilligung von Arbeitslosengeld I ab 15.11.2011 auf.

Am 04.10.2011 stellte der Internist Dr. D. dem Kläger einen Auszahlschein für Krankengeld (Auszahlschein) mit den Diagnosen Bronchitis (J 40), Angina pectoris (I 20.0) und Radikulopathie (M 54.14) aus. Der Kläger sei ab 04.10.2011 arbeitsunfähig. Weitere Auszahlscheine stellte Dr. D. (mit den genannten Diagnosen) wie folgt aus:

Datum Noch arbeitsunfähig Arbeitsunfähig bis 18.11.2011 Ja Bis auf Weiteres 02.12.2011 Ja Bis auf Weiteres 15.12.2011 Ja Bis auf Weiteres

Ab 02.01.2012 stellte der Allgemeinarzt Dr. M. (Praxisnachfolger des Dr. D.) Auszahlscheine wie folgt aus:

Datum Noch arbeitsunfähig Arbeitsunfähig bis Diagnosen 02.01.2012 Ja Bis auf Weiteres Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet M 53.99 G 13.01.2012 Ja Kein Eintrag; nächster Praxisbesuch ebenfalls kein Eintrag Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet M 53.99 G 03.02.2012 Ja Kein Eintrag; nächster Praxisbesuch ebenfalls kein Eintrag Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet M 53.99 G 13.03.2012 Ja Kein Eintrag; nächster Praxisbesuch ebenfalls kein Eintrag Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet M 53.99 G 27.03.2012 Ja Kein Eintrag; nächster Praxisbesuch ebenfalls kein Eintrag Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet M 53.99 G 17.04.2012 Ja Kein Eintrag; nächster Praxisbesuch ebenfalls kein Eintrag Artherosklerotische Herzkrankheit und sonstige Brustschmerzen I 25.19 G, R 07.3 G 14.05.2012 Ja 30.04.2012 (letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit) Krankheit der Wirbelsäule und des Rückens, nicht näher bezeichnet M 53.99 G

Die Beklagte gewährte dem Kläger Krankengeld ab 15.11.2011 (bis 30.04.2012) i.H.v. 34,99 EUR brutto (34,81 EUR netto) kalendertäglich. Der Kläger war mit Merkblatt vom 21.11.2011 darauf hingewiesen worden, dass die Fortdauer der Arbeitsunfähigkeit zur Vermeidung der Beendigung des Krankengeldanspruchs (bzw. der Mitgliedschaft mit Krankengeldanspruch) lückenlos ärztlich festgestellt werden müsse. Hierfür müsse das Fortbestehen der Arbeitsunfähigkeit spätestens am letzten Tag der bisher bescheinigten Arbeitsunfähigkeit ärztlich festgestellt werden.

Am 09.01.2012 teilte Dr. D. der Beklagten im Zuge der Arztbefragung mit, der Wiedereintritt von Arbeitsfähigkeit sei nicht absehbar. Der Orthopäde Dr. M. äußerte sich unter dem 27.01.2012 in gleicher Weise.

Die Beklagte befragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK). Dr. A. stellte im (auf Grund einer am 13.04.2012 erfolgten Untersuchung des Klägers) erstellten MDK-Gutachten vom 19.04.2012 folgende Diagnosen: chronisch rezidivierendes HWS- und LWS-Syndrom bei NPP C 6/7 und Protrusio C 5/6, Spinalkanalstenose ohne Myelopathie, koronare 3-Gefäßerkrankung, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie, Adipositas, klinisch V.a. Steatosis hepatis, indirekte Leistenhernie rechts, Struma nodosa. Angesichts der bereits erfolgten Beschwerdereduktion und mit weiterer positiver Prognose sei mit einer Besserung der Fähigkeitsstörungen zu rechnen. Tätigkeiten ohne Heben über 3 kg, ohne Wirbelsäulenzwangshaltungen, ohne Überkopfarbeiten, in Wechselhaltung und ohne vermehrte Kälte-, Wärme- und Zugluftexposition seien ab 01.05.2012 zumutbar. Letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit sei der 30.04.2012. Eine Gefährdung oder Minderung der Erwerbsfähigkeit liege nicht vor.

Mit Bescheid vom 19.04.2012 beendete die Beklagte die Zahlung von Krankengeld zum 30.04.2012. Nach den Feststellungen des MDK sei der Kläger ab 01.05.2012 auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt vermittelbar. Mit dem Ende des Krankengeldanspruchs ende auch die Mitgliedschaft des Klägers.

Mit Schreiben vom 19.04.2012 übersandte die Beklagte das MDK-Gutachten vom 19.04.2012 an Dr. M ... Dieser legte dagegen Widerspruch nicht ein.

Am 25.04.2012 erhob der Kläger Widerspruch gegen den Bescheid vom 19.04.2012. Bei der Begutachtung durch Dr. A. seien seine Angaben nicht richtig aufgenommen bzw. fehlerhaft interpretiert worden. Außerdem habe Dr. A. bei Dr. M. angerufen und diesem ultimativ mitgeteilt, er halte ihn, den Kläger, für gesund (Schriftsatz vom 29.06.2012).

Unter dem 22.05.2012 stellte Dr. M. eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung mit der Diagnose Muskelkrankheit, nicht näher bezeichnet (M 62.9 G) aus. Arbeitsunfähigkeit bestehe voraussichtlich bis 28.05.2012.

Nachdem der Kläger Arztbriefe (Radiologische Gemeinschaftspraxis Dres. R. u.a. vom 24.07.2012; Neurochirurg G. vom 27.04.2012; Orthopädische Klinik M. vom 06.06.2012; Klinikum L. vom 10.09.2012) vorgelegt hatte, befragte die Beklagte erneut den MDK.

Im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 18.10.2012 stellte Dr. B. folgende Diagnosen: chronisch rezidivierendes HWS- und LWS-Syndrom bei Bandscheibenvorfall C 6/7 und Protrusio C 5/6 sowie Spinalkanalstenose ohne Myelopathie, KHK 3-Gefäßerkrankung, arterielle Hypertonie und Adipositas. Eine leichte körperliche oder geistige Arbeit im Wechselrhythmus vorwiegend sitzend, gelegentlich gehend und stehend, ohne Zwangshaltungen der Wirbelsäule und der oberen Extremität und ohne Exposition von Nässe, Kälte und Zugluft sei unter Berücksichtigung der zur Widerspruchsbegründung vorgelegten Arztberichte vollschichtig möglich. Der Kläger habe sich der Arbeitsvermittlung für die genannten Tätigkeiten ab Anfang Mai 2012 vollschichtig zur Verfügung stellen können. Durch die nachgereichten Arztunterlagen ergebe sei keine vom MDK-Gutachten vom 19.04.2012 abweichende Beurteilung. Letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit sei der 30.04.2012.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24.04.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Arbeitsunfähigkeit über den 30.04.2012 hinaus liege nach den Feststellungen des MDK nicht vor. Arbeitsunfähigkeit sei zuletzt bis 30.04.2012 festgestellt worden (Auszahlschein vom 14.05.2012). Bei Ausstellung der (nächsten) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22.05.2012 sei der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen.

Am 17.05.2013 erhob der Kläger Klage beim Sozialgericht Heilbronn (SG). Er sei seit 04.10.2011 ununterbrochen arbeitsunfähig. Die MDK-Gutachten seien unzutreffend; bei der Begutachtung hätten nicht alle maßgeblichen Unterlagen vorgelegen. Zur Ausstellung des Auszahlscheins vom 14.05.2012 (letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit 30.04.2012) sei Dr. M. vom MDK-Gutachter Dr. A. ultimativ aufgefordert worden. In der Folgezeit seien weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen (vom 12.06.2013 (gemeint wohl: 2012) und vom 02.07.2012 ausgestellt worden. Die Beklagte habe Akteneinsicht nur unzureichend gewährt. Sie hätte die Beendigung der Krankengeldzahlung nach Maßgabe des § 48 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) verfügen müssen.

Die Beklagte trat der Klage unter Bezugnahme auf die Begründung des Widerspruchsbescheids entgegen. Ab 01.05.2012 sei der Kläger nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen.

Das SG befragte behandelnde Ärzte:

Dr. M. gab im Bericht vom 21.02.2014 an, er behandele den Kläger hausärztlich seit 02.01.2012. Beim Kläger liege ein komplexes Krankheitsbild vor, wobei es im Laufe der Jahre sicher zu einer psychischen Überlagerung gekommen sei. Dr. A. habe ihn am 13.04.2012 darauf hingewiesen, dass er das Ende der Arbeitsunfähigkeit auf Ende April festgelegt habe, was für den Kläger und ihn als behandelnden Arzt verbindlich sei; diesen Hinweis habe er nicht als Nötigung empfunden. Er habe den Kläger am 17.04.2012 darauf hingewiesen, dass er sich der Arbeitsverwaltung für leichte Arbeiten zur Verfügung stellen müsse und sich bei entsprechenden Beschwerden wieder vorstellen solle. Wegen einer aktuell aufgetretenen Muskelschwäche und Muskelzittern habe er den Kläger (auf Grund einer neuen Erkrankung) vom 01.05.2012 bis 20.07.2012 krankgeschrieben. Am 16.12.2013 (gemeint wohl: 2012) sei es zur Entwicklung eines erneuten Herzinfarktes gekommen mit Behandlung im Klinikum L. und anschließender Rehabilitationsbehandlung vom 16.01.2013 bis 06.02.2013 (Entlassung als arbeitsunfähig). Zusammenfassend bestehe der kardiale Krankheitskomplex mit mehreren Infarkten seit 2005; hinzugetreten seien - zeitweise im Vordergrund stehend - die Wirbelsäulenbeschwerden, die Arbeitsunfähigkeit vom 01.10.2011 bis 30.04.2012 bedingt hätten. Unmittelbar nach dem vom MDK festgelegten Ende der Arbeitsunfähigkeit seien neue Beschwerden von Seiten der Beine aufgetreten, deren Ursache nicht habe geklärt werden können. Wegen dieser Schwächezustände sei erneut Arbeitsunfähigkeit vom 01.05.2012 bis 20.07.2012 festgestellt worden. Am 16.12.2012 sei der erneute Herzinfarkt mit entsprechender Behandlung aufgetreten. Der Kläger erscheine auch für leichte Tätigkeiten nicht mehr arbeitsfähig. Nach dem Telefongespräch mit Dr. A. sei er, Dr. M., der Meinung gewesen, dass ein Arbeitsversuch ab 01.05.2012 vertretbar sei. Freilich seien bereits am 25.04.2012 die beschriebenen Schwächezustände mit Muskelzittern aufgetreten. Ergänzend gab Dr. M. unter dem 06.06.2014 an, er habe dem Kläger seinerzeit am 22.05.2012 eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung als Folgebescheinigung ausgestellt; eine Erstbescheinigung sei von ihm nicht ausgestellt worden.

Dr. N. (Klinikum L.) gab im Bericht vom 24.04.2014 an, er habe den Kläger einmalig am 27.12.2012 untersucht (poststationäre Kernspinuntersuchung des Herzens; zuvor stationäre Behandlung vom 16.12.2012 bis 21.12.2012). Schwere Arbeit könne der Kläger nicht leisten.

Mit Beschluss vom 03.08.2015 (- S 15 KR 1664/13 -) lehnte das SG einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Klage ab. Die dagegen eingelegte Beschwerde des Klägers wies das Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg mit Beschluss vom 12.08.2016 (- L 4 KR 3449/15 B -) zurück.

Mit Gerichtsbescheid vom 17.10.2016 wies das SG die Klage ab. Der Kläger könne Krankengeld über den 30.04.2012 hinaus bis 20.02.2013 nicht beanspruchen. Bei erstmaliger Feststellung von Arbeitsunfähigkeit durch Dr. D. am 04.10.2011 sei der Kläger Mitglied der Krankenversicherung der Arbeitslosen gewesen. Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 44 SGB V liege für solche Versicherte nur vor, wenn sie aus gesundheitlichen Gründen Arbeiten nicht mehr verrichten könnten, für die sie sich der Arbeitsverwaltung zur Vermittlung in Arbeit zur Verfügung gestellt hätten. Maßgeblich für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit Arbeitsloser seien im Grundsatz alle arbeitslosenversicherungsrechtlich zumutbaren Tätigkeiten, wozu alle leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts gehörten. Berufsschutz gebe es insoweit nicht. Der Kläger habe ab 01.05.2012 jedenfalls leichte Tätigkeiten vollschichtig verrichten können. Das gehe aus den MDK-Gutachten der Dres. A. und B. vom 19.04.2012 bzw. 18.10.2012 hervor. Dr. B. habe die Einschätzung des Dr. A. in Kenntnis aller im Verwaltungsverfahren vorgelegter ärztlicher Unterlagen bestätigt. Aus den im Widerspruchsverfahren vorgelegten Arztberichten gingen keine Befunde hervor, die (auch) leichte Tätigkeiten im Sitzen ausschließen würden. Die Gutachten des MDK seien nach Maßgabe der Arbeitsunfähigkeits-Richtlinie grundsätzlich verbindlich. Der behandelnde Arzt Dr. M. habe gegen die MDK-Gutachten keinen Widerspruch eingelegt. Von den Feststellungen des MDK abweichende Befunde habe er ausweislich des Berichts vom 21.02.2014 auch nicht erhoben und ein (MDK-)Zweitgutachten nicht beantragt, vielmehr im Auszahlschein vom 24.05.2012 bestätigt, dass die Arbeitsunfähigkeit am 30.04.2012 geendet habe. Dass sich der Kläger bei Dr. M. am 25.04.2012 wegen akuter Schwäche in den Beinen vorgestellt habe, weswegen er an eine neurochirurgische Praxis überwiesen worden sei, sei ebenso unerheblich wie die rückwirkend zum 01.05.2012 ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung des Dr. M. vom 22.05.2012. Am 22.05.2012 sei der Kläger nämlich nicht mehr mit Anspruch auf Krankengeld versichert gewesen. Deshalb wäre auch die Ausstellung weiterer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Juni 2012 rechtlich unerheblich. Gründe für die Nachholung der Arbeitsunfähigkeitsfeststellung rückwirkend zum Ende des letzten Bewilligungsabschnitts lägen nicht vor. Ein nachgehender Leistungsanspruch (§ 19 Abs. 2 Satz 1 SGB V) auf Gewährung von Krankengeld für Mai 2012 bestehe nicht. Ab 01.05.2012 sei der Kläger versicherungspflichtig zur Auffangversicherung (§ 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V) gewesen, die einen Anspruch auf Krankengeld nicht umfasse und dem nachgehenden Leistungsanspruch vorgehe. Einer Aufhebung der Krankengeldbewilligung (§ 48 SGB X) habe es nicht bedurft, da Krankengeld abschnittsweise und nicht für die gesamte Anspruchshöchstdauer (78 Wochen) bewilligt worden sei.

Gegen den ihm am 20.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am (Montag, dem) 21.11.2016 Berufung eingelegt. Er bekräftigt sein bisheriges Vorbringen. Dr. B. habe seine Stellungnahme zum Gutachten des Dr. A. (Schriftsatz vom 26.06.2012) nicht vorgelegen; auch sei nicht ersichtlich, ob Dr. B. die im Auszahlschein vom 17.04.2012 genannten (neuen) Diagnosen berücksichtigt habe. Das MDK-Gutachten des Dr. B. könne daher nicht Grundlage einer Entscheidung sein. Außerdem sei nicht ersichtlich, ob den MDK-Gutachtern die Einnahme von Valoron bzw. Tilidin (Opiate) bekannt gewesen sei. Schon die Einnahme dieser Arzneimittel begründe Arbeitsunfähigkeit. Der Auszahlschein des Dr. M. vom 14.05.2012 mit der Benennung des 30.04.2012 als letzten Tag der Arbeitsunfähigkeit gebe nur die Diagnose M 53.99 G, nicht jedoch die im Auszahlschein vom 17.04.2012 angegebenen (weiteren) Diagnosen an und treffe zur Arbeitsunfähigkeit wegen dieser Diagnosen daher keine Aussage. Der Auszahlschein vom 14.05.2012 sei ihm nicht ausgehändigt, sondern der Beklagten unmittelbar vorgelegt worden. Er habe das Fortbestehen von Arbeitsunfähigkeit daher nicht durch einen anderen Arzt feststellen lassen können. Das SG hätte Gutachten erheben müssen und sich nicht auf die im Verwaltungsverfahren eingeholten MDK-Gutachten stützen dürfen. Im Auszahlschein vom 17.04.2012 sei die Bewilligung von Krankengeld nicht befristet worden; sie hätte daher aufgehoben werden müssen, was nicht geschehen sei. Arbeitsunfähigkeit sei lückenlos festgestellt worden.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 17.10.2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 19.04.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24.04.2013 zu verurteilen, ihm Krankengeld vom 01.05.2012 bis 20.02.2013 zu gewähren,

hilfsweise, wird zum Beweis der Tatsache, dass bei dem Kläger über den 30.04.2012 hinaus bis zum 20.02.2013 Arbeitsunfähigkeit vorlag, die Einholung eines Sachverständigengutachtens beantragt.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend.

Mit Beschluss vom 09.02.2017 (- L 5 KR 4298/17 -) hat der Senat einen Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren mangels hinreichender Erfolgsaussichten der Berufung abgelehnt. Der Senat u.a. Folgendes ausgeführt:

Der Senat wird im Berufungsverfahren offen lassen können, wie sich der Versicherungsstatus des Klägers (Versicherung mit oder ohne Krankengeldanspruch) im Hinblick auf das Erfordernis lückenloser Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen nach Maßgabe des § 46 Satz 1 Nr. 2 SGB V a.F. entwickelt hat, namentlich, ob es an einer Lücke in der Abfolge der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im Mai 2012 fehlen könnte, weil der Auszahlschein für Krankengeld (Auszahlschein) des Dr. M. vom 17.04.2012 mit dem Eintrag "ja" im Feld "noch arbeitsunfähig?" und dem Fehlen eines Eintrags in dem Feld "ggf. voraussichtlich bis" als Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung auf unbestimmte Zeit einzustufen wäre (vgl. etwa LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 21.01.2014, - L 11 KR 4174/12 -, in juris) und weil außerdem der Auszahlschein des Dr. M. vom 14.05.2012 (Ende der Arbeitsunfähigkeit 30.04.2012; danach erst wieder Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung vom 22.05.2012, ab 29.05.2012 - so die Beklagte - keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen mehr) - wie vom Kläger geltend gemacht - auf einen Telefonanruf der Beklagten (vom 14.05.2012) ausgestellt und dieser ohne Kenntnis des Klägers unmittelbar zugeleitet worden sein könnte. Auf all das wird es aller Voraussicht nach nicht ankommen, weil für die Zeit nach dem 30.04.2012 (schon) das (Fort-)Bestehen von Arbeitsunfähigkeit nicht festzustellen sein dürfte. Das SG, ebenso das LSG Baden-Württemberg im Beschluss vom 12.08.2016 (a.a.O.), hat sich hierfür maßgeblich auf die Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) vom 19.04.2012 (Dr. A.) und vom 18.10.2012 (Dr. B.) - jeweils letzter Tag der Arbeitsunfähigkeit 30.04.2012 - gestützt. Auf diese Gutachten wird auch der Senat im Berufungsverfahren abstellen müssen. Den MDK-Gutachtern haben die Befundtatsachen, die für die sozialmedizinische Beurteilung des (krankenversicherungsrechtlich beachtlichen) Leistungsvermögens des Klägers jeweils not-wendig gewesen sind, vorgelegen, nämlich die einschlägigen Arztunterlagen sowie die bei der Untersuchung des Klägers am 13.04.2012 erhobenen Befunde. Dass Dr. B. (außerdem) die Stellungnahme des (Prozessbevollmächtigten des) Klägers vom 29.06.2012 zum MDK-Gutachten des Dr. A. offenbar nicht vorgelegen hat, wird die Schlüssigkeit seiner Beurtei¬lung nicht in Zweifel ziehen können. Dr. B. hat die von Dr. M. in seinem Bericht vom 21.02.2014 (für das SG) geschilderte weitere Entwicklung des Gesundheitszustands des Klägers im April 2012 (Auftreten von Schwächezuständen und Muskelzittern) in die sozialmedizinische Leistungseinschätzung einbezogen und die deswegen durchgeführte Behandlung des Klägers im Klinikum L. (Neurologische Klinik, 30.05.2012 bis 06.06.2012) sowie die Untersu¬chungen in der Praxis Dr. K. und Partner (25. und 26.04.2012) und in der Orthopädischen Klinik M. (24.05.2012) gewürdigt. Die Herzkrankheit des Klägers, die dem Auszahlschein des Dr. M. vom 17.04.2012 (Diagnosen: arteriosklerotische Herzkrankheit bzw. sonstige Brustschmerzen) zugrunde gelegen hat, ist ebenfalls bekannt und Grundlage der sozial¬medizinischen Beurteilung gewesen; das geht aus dem MDK-Gutachten des Dr. A. vom 19.04.2012 (Seite 2) hervor, auf das sich das MDK-Gutachten des Dr. B. vom 18.10.2012 bezieht. Dass Dr. A. der Auszahlschein des Dr. M. vom 17.04.2012 (noch) nicht vorge¬legen hat, ist deswegen nicht von Belang, zumal auch Dr. M. (zunächst) Arbeitsfähigkeit des Klägers ab 01.05.2012 angenommen und die erneute Annahme von Arbeitsunfähigkeit nicht auf Herzbeschwerden bzw. Brustschmerzen, sondern auf am 25.04.2012 wieder aufgetretene Schwächezustände und Muskelzittern gestützt hat (Bericht für das SG vom 21.02.2014), weswegen freilich die vorstehend genannten Behandlungen bzw. Untersuchungen des Klägers stattgefunden haben, deren Ergebnisse Dr. B. im MDK-Gutachten vom 18.10.2012 sozialmedizinisch gewürdigt hat. Die Einnahme von Arzneimitteln (Schmerzmitteln) oder die Behandlungsbedürftigkeit einer Erkrankung für sich allein begründet Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 44 SGB V nicht. Davon abgesehen hat Dr. M. ungeachtet der stattfindenden Behandlung der Einschätzung des Dr. A. in dessen MDK-Gutachten nicht widersprochen. Bei dieser Sachlage wird der Senat weitere Ermittlungen nicht durchführen müssen. Davon ab-gesehen steht der Erhebung medizinischer Gutachten in Fällen der vorliegenden Art regelmäßig entgegen, dass aus dem derzeitigen Gesundheitszustand eines Versicherten hinreichend sichere Rückschlüsse darauf, ob vor längerer Zeit - hier vor nahezu 5 Jahren - vorübergehend Arbeitsun-fähigkeit (im Sinne des Krankenversicherungsrechts) vorgelegen hat, grundsätzlich nicht gezo¬gen werden können.

Der Kläger hat bei der Beklagten die Änderung des MDK-Gutachtens des Dr. A. vom 19.04.2012 beantragt und weitere Arztberichte (aus den Jahren 2005, 2009 und 2011) vorgelegt.

Dr. B. hat hierzu im MDK-Gutachten (nach Aktenlage) vom 04.05.2017 ausgeführt, aus den vorgelegten Arztberichten ergäben sich keine neuen Gesichtspunkte. Der im Jahr 2011 erhobene kardiologische Befund habe eine stabile koronare Herzerkrankung ohne Krankheitsprogress ergeben. Der objektivierbare Befund (leicht eingeschränkte LV-Funktion, Ergometrie bis 95 Watt) sei mit der Verrichtung leichter Arbeit im Wechselrhythmus vereinbar. Befunde aus dem Jahr 2009 (wegen akutem Herzinfarkt) hätten eine leichtgradig eingeschränkte linksventrikuläre Pumpfunktion des Herzens ergeben, was mit einer leichten körperlichen und geistigen Arbeit im Wechselrhythmus (ebenfalls) vereinbar sei. Eine weiter berichtete nicht operierte Leistenhernie bds. stehe leichter Arbeit nicht entgegen. Es bleibe bei der bisherigen Leistungseinschätzung. Der Kläger habe sich ab 01.05.2012 der Arbeitsvermittlung im Rahmen des genannten Leistungsbilds zur Verfügung stellen können.

Der Kläger hat zum MDK-Gutachten des Dr. B. vom 04.05.2017 abschließend Stellung genommen.

Am 22.11.2017 hat die mündliche Verhandlung des Senats stattgefunden. Die Vertreterin der Beklagten hat mitgeteilt, dass der Kläger vom 01.05.2012 bis 20.07.2012 nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V, vom 21.07.2012 bis 05.10.2012 in der Krankenversicherung der Arbeitslosen und vom 06.10.2012 bis 31.12.2014 als Rentenantragsteller versichert gewesen ist; seit 01.01.2015 ist er als Bezieher von Arbeitslosengeld II versichert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten, des SG und des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthaft; der Beschwerdewert des § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG (750 EUR) ist bei mit der Berufung begehrtem Krankengeld für die Zeit vom 01.05.2012 bis 20.02.2013 i.H.v. kalendertäglich 34,99 EUR brutto (34,81 EUR netto) überschritten. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt worden und daher auch im Übrigen gemäß § 151 SGG zulässig. Sie ist aber nicht begründet. Die Beklagte hat die Gewährung von Krankengeld für die streitige Zeit ohne Rechtsfehler abgelehnt.

Der Senat nimmt zunächst auf die Gründe des im Prozesskostenhilfeverfahren ergangenen Senatsbeschlusses vom 09.02.2017 (- L 5 KR 4298/17 -) Bezug; er hält nach erneuter und abschließender Prüfung an seiner Einschätzung im Prozesskostenhilfeverfahren fest. Für die sozialmedizinische Beurteilung des Bestehens von Arbeitsunfähigkeit (i.S.d. § 44 SGB V) sind die - zeitnahen - Gutachten des MDK ausschlaggebend. Aus ihnen (MDK-Gutachten vom 19.04.2012 und 18.10.2012) geht hervor, dass unter Zugrundelegung der damals vorliegenden Erkrankung von Seiten des Herzen, der Wirbelsäule und mit Blick auf die Gangstörung und angegebene Muskelschwäche Arbeitsunfähigkeit für die Zeit ab 01.05.2012 nicht festgestellt werden kann. Die vom Kläger erhobenen Einwendungen und vorgelegten weiteren Arztunterlagen aus den Jahren 2005, 2009 und 2011, die Gegenstand der sozialmedizinischen Prüfung im MDK-Gutachten vom 04.05.2017 gewesen sind, können daran nichts ändern. Dr. A. hat den Kläger am 13.04.2012 persönlich untersucht und seine Einschätzung nachvollziehbar auf die dabei erhobenen Diagnosen und Befunde und auf die anamnestischen Angaben des Klägers (auch zur Medikation) gestützt; ihm haben die einschlägigen Arztunterlagen vorgelegen, in denen u.a. über die Herzerkrankung des Klägers berichtet worden ist (Berichte des Dr. M. vom 27.03.2012 und der Dr. St. vom 19.12.2011). Bei der Erstellung des MDK-Gutachtens (nach Aktenlage) des Dr. B. vom 18.10.2012 sind die Herzerkrankung des Klägers (KHK 3-Gefäßerkrankung) und das vom Kläger angegebene Schwächegefühl in den Beinen sowie Muskelzucken ebenfalls in der sozialmedizinischen Gesamtbeurteilung berücksichtigt worden.

Bei dieser Sachlage musste sich der Senat angesichts der ihm vorliegenden sozialmedizinischen Gutachten und Arztunterlagen nicht gedrängt fühlen, ein (weiteres) Gutachten zu erheben, zumal Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 44 Abs. 1 SGB V (anders als Erwerbsminderung i.S.d. § 43 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, SGB VI) einen zeitlich vorübergehenden Zustand darstellt, der zeitnah (und nicht durch eine Begutachtung nach nunmehr über 5 Jahren) beurteilt werden muss, was namentlich durch die MDK-Begutachtung des Klägers (einschließlich persönlicher Untersuchung) im April 2012 geschehen ist. Der Sachverhalt ist auf der Grundlage der MDK-Gutachten und der vorgelegten Arztbriefe geklärt. Der in der mündlichen Verhandlung am 22.11.2017 gestellte Beweisantrag erfüllt im Übrigen auch nicht die an einen Beweisantrag zu stellenden Anforderungen. Es mangelt an der Bezeichnung einer bisher nicht aufgeklärten Gesundheitsstörung und deren Einfluss auf die Arbeitsunfähigkeit der Klägers. Auch hat es der Kläger unterlassen darzulegen, welcher konkrete Sachverständige auf welchem Fachgebiet ein Gutachten erstatten soll (BSG, Beschluss vom 28.09.2015, - B 9 SB 41/15 B -, in juris).

Während der Zeit der Krankenhausbehandlung des Klägers im Klinikum L. (nach erneutem Herzinfarkt am 16.12.2012) und der anschließenden Rehabilitationsbehandlung (§ 44 Abs. 1 2. Alternative SGB V) ist der Kläger Mitglied der Krankenversicherung der Rentenantragsteller gewesen (§ 189 SGB V). Diese schließt einen Krankengeldanspruch nicht ein; anderes würde nur dann gelten, wenn der Kläger bei Entstehen des Krankengeldanspruchs aus einer Beschäftigung oder Tätigkeit der Beitragsberechnung unterliegendes Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen erzielt hätte (vgl. BSG, Urteil vom 26.06.2007, - B 1 KR 8/17 R -, in juris Rdnr. 19,20; LSG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 02.04.2015, - L 9 KR 13/15 B ER -, in juris Rdnr. 7); das ist nicht der Fall gewesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision bestehen nicht (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Saved