Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
SG Karlsruhe (BWB)
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 4 U 3896/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 10 U 1779/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ein Guillain-Barré-Syndrom (GBS) und eine chronisch-inflammatorische demyelinisierende Polyneuropathie (CIDP) können nach derzeitigem wissenschaftlichen Erkenntnisstand nicht als Folge einer vom Arbeitgeber veranlassten Meningokokkenimpfung und damit auch nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden.
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Impfvorgangs (Meningokokkenimpfung) als Arbeitsunfall im Streit.
Der Kläger ist angestellter Assistenzarzt im A-Klinikum in B. Auf Anweisung seines Arbeitgebers erhielt er am 02.07.2009 eine aktive Meningokokkenimpfung mit dem Präparat Neis-Vac-C. Nach ca. 14 Tagen verspürte der Kläger ein zunehmendes Krankheitsgefühl sowie Muskelschmerzen, welche sich im Verlauf zunächst komplett zurückbildeten. Ab dem 16.07.2009 traten aufsteigende Kribbelparästhesien im Bereich der Finger und Füße auf, zudem verspürte der Kläger Schmerzen im Kniegelenk, im Rücken und der Schulter.
Der Kläger war vom 23.07. bis 31.07.2009 in stationärer Behandlung im C-Klinikum. In dem Entlassungsbericht gaben die Neurologen Prof. Dr. X., Dr. Y. und Z. an, dass beim Kläger ein Guillain-Barré-Syndrom [akut auftretendes neurologisches Krankheitsbild mit entzündlichen Veränderungen des peripheren Nervensystems - GBS -], ein Verdacht auf Morbus Meulengracht sowie ein Tinnitus (1997) diagnostiziert worden seien. Eine aufgetretene Belastungsinkontinenz mit Restharnbildung werde am ehesten als Begleitreaktion des GBS interpretiert.
Der Kläger war erneut vom 19.08. bis 25.08.2009 und vom 24.09. bis 30.09.2009 in stationä-rer Behandlung im C-Klinikum. Prof. Dr. X., Dr. Y. und Z. teilten im Anschluss hieran mit, dass unter Immunglobulingabe eine durchgreifende klinische Besserung erfolgt sei. Zur wei-teren Abklärung sei eine Nervenbiopsie empfohlen worden. Prinzipiell seien auch die diag-nostischen Kriterien einer chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropa-thie [entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven, die sich durch eine allmählich zuneh-mende Schwäche in den Beinen und mitunter auch Armen bemerkbar macht - CIDP -] erfüllt.
Der Neurologe Prof. Dr. W. vom Klinikum der T-Universität vertrat am 20.11.2009 nach einer Untersuchung des Klägers die Ansicht, dass im Falle des Klägers eher von einer CIDP auszugehen sei. Für den Zusammenhang mit dem Impfereignis spreche momentan lediglich das Zeitfenster von zwei Wochen. Unbedingt müsste ein Impferfolg in Form eines Titers dokumentiert sein. Die bisherigen in der Literatur verfügbaren Stellungnahmen ließen lediglich für die Vaccine MCV4 einen Zusammenhang möglich erscheinen. Dies müsse formal begutachtet werden.
Der Kläger gab anschließend umfassend Auskunft zu seinen bisher erfolgten Impfungen und ärztlichen Behandlungen. Der Infektiologe und Facharzt für Allgemeinmedizin PD Dr. H. teilte auf Anfrage der Beklagten am 05.03.2010 mit, dass grundsätzlich nach Impfung gegen Meningokokken eine aktive Erkrankung nicht ausgelöst werden könne, weil es sich um einen sogenannten Totimpfstoff handele. Trotzdem werde weltweit immer wieder diskutiert, ob ein GBS in Kausalzusammenhang mit Impfungen auftreten könne. Bei verschiedenen Grippeimpfstoffen sei dies zumindest für möglich gehalten worden, auch wenn seiner Kenntnis nach ein Zusammenhang bisher nicht habe wahrscheinlich gemacht werden können. Das GBS sei eine vermutlich durch Autoimmunprozesse ausgelöste Entzündung der Nerven, dessen Ursache letztlich unklar sei. Es gebe auch Arbeiten, die ein GBS hauptsächlich im Zusammenhang mit vorausgegangenen Campylobacter-Infektionen sehen. Beim derzeitigen Kenntnisstand könne eine Kausalität weder ausgeschlossen noch bejaht werden, weswegen eine Begutachtung empfohlen werde.
Anschließend schlug die Beklagte dem Kläger drei Gutachter zur Auswahl vor. Der Kläger schlug daraufhin von sich aus Prof. Dr. V. vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität D. vor und erklärte sich auf Nachfrage der Beklagten ausdrücklich damit einverstanden, dass im Falle der Auswahl dieses Gutachters eine längere Wartezeit für die Erstellung des Gutachtens einzukalkulieren sei. Prof. Dr. V. hatte am 14.06.2011 gegen-über der Beklagten vorab unter anderem mitgeteilt, dass er einen Zusammenhang für sehr wenig wahrscheinlich halte und ihm ein derartiger Fall bisher noch nie bekannt geworden sei, er dies aber abschließend erst nach sehr intensivem Literaturstudium beantworten könne.
Nach Beiziehung weiterer Unterlagen vertrat Prof. Dr. V. in seinem Gutachten vom 21.08.2012 nach Aktenlage die Auffassung, dass eindeutige Zusammenhänge zwischen einer Impfung gegen Meningokokken und dem Auftreten eines GBS bzw. einer CIDP bisher nicht hätten hergestellt werden können. Die beiden einzigen Studien zu einem möglichen Zusam-menhang zwischen einem GBS und einer Meningokokkenimpfung hätten kein gehäuftes Auftreten feststellen können. Zur Beurteilung der Impfung im Hinblick auf eine CIDP lägen außer einer Einzelfallbeschreibung keine weiteren Daten vor. Falls man trotzdem an einem möglichen Zusammenhang zwischen der Meningokokkenimpfung und einem GBS bzw. einer CIDP festhalte, müsse man davon ausgehen, dass ein solches Ereignis extrem selten sei, und zwar wesentlich seltener als eine spontan auftretende derartige Erkrankung. Damit ergebe sich vor dem Zusammenhang zwischen saisonaler Influenzaimpfung und GBS die Situation, dass ein in dem kritischen Zeitraum von sechs Wochen nach einer Impfung beobachtetes GBS immer mit höherer Wahrscheinlichkeit spontan aufgetreten sei als durch die Impfung bedingt. Für eine CIDP müsse man dies aufgrund der fehlenden Daten umso mehr verlangen; bei den Untersuchungen zu GBS und Impfungen wäre das prinzipiell ähnliche Krankheitsbild mit Sicherheit aufgefallen, wenn es auch nur mit ähnlicher Häufigkeit wie ein GBS aufgetreten wäre. Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass die bei dem Kläger aufgetretene Erkrankung, CIDP wie GBS, durch die Impfung ausgelöst worden sein könne, jedoch sei die Wahrscheinlichkeit einer impfinduzierten derartigen Erkrankung immer niedriger als die Wahrscheinlichkeit ihres spontanen Auftretens. Die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Impfschaden vorliege, sei daher prinzipiell nicht zu beantworten.
Mit Bescheid vom 24.10.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Versicherungsfalles ab. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. V. könne ein Zusammenhang zwischen der Impfung und der aufgetretenen Erkrankung nicht hergestellt werden.
Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass die Impfung auf Anweisung des Ar-beitgebers erfolgt sei und die im Anschluss aufgetretenen Erkrankungen hierauf zurückzuführen seien. Er habe mehrfach stationär behandelt und medikamentös therapiert werden müssen. Zutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass der vorliegende Sachverhalt prinzipiell der Kategorie des Arbeitsunfalls und nicht der Berufskrankheit unterfalle, da das schädigende Ereignis innerhalb einer einzelnen Arbeitsschicht aufgetreten sei (mit Hinweis auf BSGE 15, 112; 24, 216). Für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs sei es in diesem Zusammenhang ausreichend, wenn das Ereignis grundsätzlich geeignet gewesen sei, den Gesundheitsschaden hervorzurufen. Für die Kausalbeziehungen zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der Krankheit genüge der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, der dann erfüllt sei, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spreche bzw. wenn bei der Berücksichtigung aller Umstände, die für den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gegründet werden könne, wobei die bloße Möglichkeit hingegen nicht ausreiche (mit Hinweis auf BSGE 32, 203). Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Krankheiten des Klägers grundsätzlich durch die streitgegenständliche Impfung hätten ausgelöst werden können. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit werde nicht gefordert. Der Kausalzusammenhang sei zu bejahen, weil die Erkrankung in zeitlicher Nähe zu der Impfung aufgetreten sei und alternative Ursachen bereits ansatzweise nicht festgestellt worden seien. Darüber hinaus hätten auch neuere Studien des Paul-Ehrlich-Instituts, beispielsweise über Zeitraum vom 01.11.2009 bis 31.12.2010 einen ursächlichen Zusammenhang des GBS mit einer Impfung gegen Influenza A/H1N1v gerade im Zeitraum von 5- 42 Tagen nach der Impfung bestätigt, was einen Beleg für einen medizinischen Kausalzusammenhang darstelle.
Prof. Dr. V. wurde ergänzend gutachterlich zu den Ausführungen in der Widerspruchsbe-gründung angehört. Mit Stellungnahme vom 18.07.2013 vertrat er die Auffassung, dass der Klägerbevollmächtigte in seiner Argumentationskette einige wesentliche Faktoren nicht berücksichtige. Zudem sei die Ätiologie des GBS und der CIDP nach wie vor unklar. Die von dem Klägerbevollmächtigten genannte Studie habe die Grippeimpfung während der Pandemie 2009/2010 betroffen, wobei die konstatierten Fälle von GBS jedoch nur einen kleinen Teil aller GBS-Erkrankungen ausgemacht hätten; auch hier hätte für die überwiegende Mehrheit der Fälle kein auslösender Faktor gefunden werden können. Zudem könne nicht von einem möglichen Ursachenzusammenhang durch Influenzaimpfstoffe auf einen Ursachenzusammenhang bei einem Meningokokken-Impfstoff geschlossen werden. Aufgrund der Seltenheit eines in dieser Form beschriebenen möglichen Phänomens sei es nicht möglich, einen Ursachenzusammenhang anzunehmen. Zusätzlich könne auf eine aktuelle Studie aus den USA (Baxter u.a., 2013) hingewiesen werden, wonach ein Hinweis auf eine Assoziation der beobachteten GBS-Fälle mit einer Impfung nicht habe hergestellt werden können.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2013 zurück, wo-bei sie sich erneut auf die Argumentation von Prof. Dr. V. stützte.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat am 08.11.2013 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er seine Argumentation zur Zusammenhangsbeurteilung vertieft hat. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte lege einen zu strengen Maßstab im Hinblick auf die für die Bejahung des Zusammenhang erforderliche Wahrscheinlichkeit an.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.10.2012 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 23.10.2013 zu verurteilen, das Ereignis vom 02.07.2009 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII i.V.m. mit § 2 SGB VII anzuerkennen und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ist ein weiteres Gutachten bei dem Neurologen Dr. H. vom T-Klinikum in C. eingeholt worden. Der Gutachter hat den Ausführungen des Prof. Dr. V. insoweit zugestimmt, dass die Wahrscheinlichkeit einer impfinduzierten derartigen Erkrankung aufgrund aller gegenwärtig verfügbaren Daten immer niedriger sein werde als die Wahrscheinlichkeit ihres spontanen Auftretens. Deswegen sei die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Impfschaden vorliege, prinzipiell nicht zu beantworten. Dieser infekti-onsimmunologischen Aussage habe er als Kliniker nichts entgegenzusetzen, wobei er aller-dings zu differenten Schlussfolgerungen komme. Unbestritten sei, dass durch Impfungen verursachte Autoimmunerkrankungen äußerst selten seien und dass dies insbesondere auch auf das GBS und die CIDP zutreffe. Unbestritten sei auch, dass es nach den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Daten keine Hinweise darauf gebe, dass eine Meningokokkenimpfung ein GBS oder eine CIDP verursachen könne, dass dies aber umgekehrt auch nicht ausgeschlossen werden könne. Dennoch liege es aus klinischer Sicht auf der Hand, dass, wenn denn tatsächlich ein Impfschaden vorliegt, eine Irrtumsmöglichkeit in der Hinsicht gegeben sei, dass ein Impfschaden irrtümlich allein aufgrund seiner extremen Seltenheit verkannt werde. Aus klinischer Sicht stelle sich die Frage, ob es nicht doch Plausibilitätskriterien gebe, die einen Impfschaden wahrscheinlich machten, auch wenn dieser extrem selten und bisher wissenschaftlich nicht beschrieben sei. Ein solches Plausibilitätskriterium sei der zeitliche Zusammenhang, wozu auf die Stellungnahme des Prof. W. vom 20.11.2009 hingewiesen werde, dass für den Zusammenhang mit dem Impfereignis momentan lediglich das Zeitfenster von zwei Wochen spreche. Nachdem die grundsätzliche Möglichkeit einer Verursachung bestehe und die einschlägige Erkrankung zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten sei, sei aus klinischer Sicht der Ursachenzusammenhang vorliegend zu bejahen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des BG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet.
Die Kammer konnte für die Entscheidung offen lassen, inwieweit es sich bei dem weiterge-henden Leistungsantrag des Klägers auf Entschädigung entsprechend den gesetzlichen Best-immungen um ein zulässiges Klagebegehren handelte, solange noch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls dem Grunde nach streitig ist und bestimmte Leistungen nicht abgelehnt worden sind (vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R unter Hinweis auf BSG vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R; BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - SGb 2007, 748, anders zum Teil noch BSGE 65, 138, 144 = SozR 2200 § 539 Nr. 133 S 399; BSG SozR 3-1500 § 145 Nr. 2). Da die Beklagte zu Recht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, bedarf es insoweit keiner gerichtlichen Feststellung.
Die Beklagte hat auf das vorliegende Geschehen zutreffend die Kategorien des Arbeitsunfalls und nicht diejenige der Berufskrankheit angewendet, da der gegenständliche Impfvorgang sich innerhalb einer einzigen Arbeitsschicht ereignet hat (BSG, Urteil vom 28. Januar 1966 – 2 RU 151/63 –, BSGE 24, 216, SozR Nr. 3 zu § 1739 RVO, Rn. 2).
Streitgegenstand ist daher vorliegend die Frage nach dem Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Da von der Beklagten ausschließlich das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne von § 8 SGB VII verneint worden ist, sind auch keine Ausführungen dazu veranlasst, ob es sich bei dem Vorfall um einen gegebenenfalls nach § 52 Abs. 1 S. 1 BSeuchG anzuerkennenden und zu entschädigenden Impfschaden handelt, zumal für dessen Feststellung auch ein anderer Beklagter zuständig wäre (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 1985 – 9b RU 36/83 –, SozR 5670 Anl. 1 Nr 3102 Nr. 1, Rn. 14).
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität (st. Rspr., vgl. jüngst BSG, Urteil vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 10/13 R –, BSGE (vorgesehen), juris Rn. 11, m.w.N.).
Ein Arbeitsunfall ist danach bei der vom Arbeitgeber veranlassten Impfung des Klägers grundsätzlich möglich. Zwar bestehen hieran gewisse Zweifel aufgrund der Tatsache, dass der Kläger die Impfung selbst auch gewollt hat und damit das Merkmal eines ungewollten Ereignisses alleine durch den Impfvorgang nicht erfüllt ist. Es ist in der Rechtsprechung jedoch anerkannt, dass für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles bei Impfschäden auch die negativen (ungewollten) Folgen einer Impfung selbst ausreichen können, wenn die Impfung auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgte und die Impfung auch dem Unternehmen diente (BSG, Urteil vom 31. Januar 1974 – 2 RU 277/73 –, SozR 2200 § 548 Nr. 2, Rn. 21).
Erforderlich ist jedoch auch, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in inne-rem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f.; st.Rspr., vgl. BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st.Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.).
Der Umstand alleine, dass keine berufsfremden Ursachen für einen Schadensverlauf benannt werden könnten, führt nicht zu einer Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung für den Kläger, wonach etwa an den Nachweis der Kausalität geringere Anforderungen gestellt wer-den könnten. Es gibt im Bereich des Unfallversicherungsrechts keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R).
Wahrscheinlich im Sinne des Unfallversicherungsrechts ist nur diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Mög-lichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ur-sächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahr-scheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Fest-stellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52).
Nach diesen Kriterien der Rechtsprechung ist nach dem Gesamtergebnis des vorliegenden Verfahrens ein Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und dem aufgetretenen GBS bzw. der aufgetretenen CIDP nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Kammer stützt sich hier-bei auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des Prof. Dr. V., wonach bereits die Ätiologie [Ursache der Entstehung] des GBS und der CIDP unklar ist. Es liegen insgesamt nur zwei Studien betreffend eine Impfung gegen Meningokokken vor, die jedoch kein gehäuftes Auftreten von Folgeerkrankungen nahelegen. Selbst bei Annahme einer Möglichkeit der Verursachung durch eine Impfung wie beim Kläger ist eine solche Erkrankung wesentlich seltener als eine spontan auftretende derartige Erkrankung. Deswegen ist auch ein nach einer saisonalen Influenzaimpfung in dem kritischen Zeitraum von sechs Wochen nach der Impfung beobachtetes GBS immer mit höherer statistischer Wahrscheinlichkeit spontan aufgetreten als durch die Impfung bedingt in Erscheinung getreten.
Auch die Stellungnahme des Prof. Dr. W. vom 20.11.2009 spricht gegen einen Zusammen-hang, da danach lediglich für die Vaccine MCV4 ein Zusammenhang als möglich angesehen wurde.
Diesen grundsätzlichen und schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. V. und des Prof. Dr. W. hat auch der vom Kläger benannte weitere Gutachter Dr. H. argumentativ nur wenig entge-gen zu setzen. Dr. H. stimmt den grundsätzlichen Aussagen des Prof. Dr. V. sogar ausdrück-lich zu, dass es keine aktuellen wissenschaftlichen Daten gibt, die einen Zusammenhang nahelegen, dies andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden könne. Aus seiner klini-schen Sicht sei wegen des Zeitfensters von zwei Wochen ein Zusammenhang anzunehmen.
Die Kammer stimmt dem Gutachter Dr. H. insoweit zu, als es misslich wäre, wenn aus-schließlich aus grundsätzlichen Erwägungen ein extrem seltenes Ereignis wegen seiner Sel-tenheit nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden könnte. Allerdings ist vorliegend nicht be-kannt, ob diese Fallgestaltung vorliegt. Die Feststellungslast hierfür liegt beim Kläger, wei-tergehende Beweiserleichterungen sind insoweit nicht ersichtlich.
Die Kammer weist darauf hin, dass vorliegend bereits - auch nach Dr. H. - die Diagnose des Gesundheitserstschadens unklar und offenbar nicht mehr feststellbar ist. Soweit Dr. H. die Möglichkeit einer Verursachung deswegen sieht, weil eine Verursachung nicht ausgeschlos-sen werden kann, wendet er nicht den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Maßstab der Verursachung an.
Es gibt keinen Erfahrungssatz dergestalt, dass bei bloßen Hinweisen auf eine traumatische Schädigung, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen ist. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf. vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch juristische Betrachtungen vorbeizugehen (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 44; juris-Rn. 52). Demnach gibt es im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 17, BSGE 96, 196-209, juris-Rn. 20).
Die von ihm und dem Klägerbevollmächtigten behauptete Möglichkeit einer Verursachung kann vorliegend nur im Sinne von "nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen" angenommen werden, was für die positive Feststellung der Wahrscheinlichkeit der Verursachung nicht ausreicht.
Die entscheidende Aussage des Prof. Dr. V. über die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer spontan aufgetretenen einschlägigen Erkrankung lässt sich zudem nicht argumentativ widerlegen. Dr. H. verkennt insoweit den Begriff der Koinzidenz, wenn er meint, dass das Auftreten der Erkrankung nach der Impfung ein wesentliches Indiz für die Kausalität darstellen könne. Die Wahrscheinlichkeit des spontanen Auftretens eines GBS oder einer DICP ist immer gleich hoch, und zwar mit oder ohne vorherige Impfung. Da die nicht auszuschließende Verursachung durch eine Impfung nach Prof. Dr. V. immer als noch weniger wahrscheinlich anzusehen ist, gehen auch die Fälle, in denen eine Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen ist, in diesem stärkeren "statistischen Rauschen" unter. Dies ist für den Kläger unbefriedigend, letztlich aber Ausfluss der allgemeinen vor Gericht geltenden Grundsätze der Beweis- bzw. Feststellungslast.
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass es sich auch im Impfschadensrecht zu Lasten des Klägers auswirkt, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs sich nicht ermitteln lässt. Insofern gelten dort die gleichen Maßstäbe wie in den Fällen des BVG und keine weitergehenden Beweiserleichterungen. Auch angesichts der im Impfschadensrecht typischerweise anzutreffenden Beweisschwierigkeiten kommt bei unaufgeklärtem Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und dauerndem Gesundheitsschaden eine Beweislastumkehr nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 9 VJ 2/97 R –, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Anerkennung eines Impfvorgangs (Meningokokkenimpfung) als Arbeitsunfall im Streit.
Der Kläger ist angestellter Assistenzarzt im A-Klinikum in B. Auf Anweisung seines Arbeitgebers erhielt er am 02.07.2009 eine aktive Meningokokkenimpfung mit dem Präparat Neis-Vac-C. Nach ca. 14 Tagen verspürte der Kläger ein zunehmendes Krankheitsgefühl sowie Muskelschmerzen, welche sich im Verlauf zunächst komplett zurückbildeten. Ab dem 16.07.2009 traten aufsteigende Kribbelparästhesien im Bereich der Finger und Füße auf, zudem verspürte der Kläger Schmerzen im Kniegelenk, im Rücken und der Schulter.
Der Kläger war vom 23.07. bis 31.07.2009 in stationärer Behandlung im C-Klinikum. In dem Entlassungsbericht gaben die Neurologen Prof. Dr. X., Dr. Y. und Z. an, dass beim Kläger ein Guillain-Barré-Syndrom [akut auftretendes neurologisches Krankheitsbild mit entzündlichen Veränderungen des peripheren Nervensystems - GBS -], ein Verdacht auf Morbus Meulengracht sowie ein Tinnitus (1997) diagnostiziert worden seien. Eine aufgetretene Belastungsinkontinenz mit Restharnbildung werde am ehesten als Begleitreaktion des GBS interpretiert.
Der Kläger war erneut vom 19.08. bis 25.08.2009 und vom 24.09. bis 30.09.2009 in stationä-rer Behandlung im C-Klinikum. Prof. Dr. X., Dr. Y. und Z. teilten im Anschluss hieran mit, dass unter Immunglobulingabe eine durchgreifende klinische Besserung erfolgt sei. Zur wei-teren Abklärung sei eine Nervenbiopsie empfohlen worden. Prinzipiell seien auch die diag-nostischen Kriterien einer chronisch-inflammatorischen demyelinisierenden Polyneuropa-thie [entzündliche Erkrankung der peripheren Nerven, die sich durch eine allmählich zuneh-mende Schwäche in den Beinen und mitunter auch Armen bemerkbar macht - CIDP -] erfüllt.
Der Neurologe Prof. Dr. W. vom Klinikum der T-Universität vertrat am 20.11.2009 nach einer Untersuchung des Klägers die Ansicht, dass im Falle des Klägers eher von einer CIDP auszugehen sei. Für den Zusammenhang mit dem Impfereignis spreche momentan lediglich das Zeitfenster von zwei Wochen. Unbedingt müsste ein Impferfolg in Form eines Titers dokumentiert sein. Die bisherigen in der Literatur verfügbaren Stellungnahmen ließen lediglich für die Vaccine MCV4 einen Zusammenhang möglich erscheinen. Dies müsse formal begutachtet werden.
Der Kläger gab anschließend umfassend Auskunft zu seinen bisher erfolgten Impfungen und ärztlichen Behandlungen. Der Infektiologe und Facharzt für Allgemeinmedizin PD Dr. H. teilte auf Anfrage der Beklagten am 05.03.2010 mit, dass grundsätzlich nach Impfung gegen Meningokokken eine aktive Erkrankung nicht ausgelöst werden könne, weil es sich um einen sogenannten Totimpfstoff handele. Trotzdem werde weltweit immer wieder diskutiert, ob ein GBS in Kausalzusammenhang mit Impfungen auftreten könne. Bei verschiedenen Grippeimpfstoffen sei dies zumindest für möglich gehalten worden, auch wenn seiner Kenntnis nach ein Zusammenhang bisher nicht habe wahrscheinlich gemacht werden können. Das GBS sei eine vermutlich durch Autoimmunprozesse ausgelöste Entzündung der Nerven, dessen Ursache letztlich unklar sei. Es gebe auch Arbeiten, die ein GBS hauptsächlich im Zusammenhang mit vorausgegangenen Campylobacter-Infektionen sehen. Beim derzeitigen Kenntnisstand könne eine Kausalität weder ausgeschlossen noch bejaht werden, weswegen eine Begutachtung empfohlen werde.
Anschließend schlug die Beklagte dem Kläger drei Gutachter zur Auswahl vor. Der Kläger schlug daraufhin von sich aus Prof. Dr. V. vom Institut für Medizinische Mikrobiologie und Hygiene der Universität D. vor und erklärte sich auf Nachfrage der Beklagten ausdrücklich damit einverstanden, dass im Falle der Auswahl dieses Gutachters eine längere Wartezeit für die Erstellung des Gutachtens einzukalkulieren sei. Prof. Dr. V. hatte am 14.06.2011 gegen-über der Beklagten vorab unter anderem mitgeteilt, dass er einen Zusammenhang für sehr wenig wahrscheinlich halte und ihm ein derartiger Fall bisher noch nie bekannt geworden sei, er dies aber abschließend erst nach sehr intensivem Literaturstudium beantworten könne.
Nach Beiziehung weiterer Unterlagen vertrat Prof. Dr. V. in seinem Gutachten vom 21.08.2012 nach Aktenlage die Auffassung, dass eindeutige Zusammenhänge zwischen einer Impfung gegen Meningokokken und dem Auftreten eines GBS bzw. einer CIDP bisher nicht hätten hergestellt werden können. Die beiden einzigen Studien zu einem möglichen Zusam-menhang zwischen einem GBS und einer Meningokokkenimpfung hätten kein gehäuftes Auftreten feststellen können. Zur Beurteilung der Impfung im Hinblick auf eine CIDP lägen außer einer Einzelfallbeschreibung keine weiteren Daten vor. Falls man trotzdem an einem möglichen Zusammenhang zwischen der Meningokokkenimpfung und einem GBS bzw. einer CIDP festhalte, müsse man davon ausgehen, dass ein solches Ereignis extrem selten sei, und zwar wesentlich seltener als eine spontan auftretende derartige Erkrankung. Damit ergebe sich vor dem Zusammenhang zwischen saisonaler Influenzaimpfung und GBS die Situation, dass ein in dem kritischen Zeitraum von sechs Wochen nach einer Impfung beobachtetes GBS immer mit höherer Wahrscheinlichkeit spontan aufgetreten sei als durch die Impfung bedingt. Für eine CIDP müsse man dies aufgrund der fehlenden Daten umso mehr verlangen; bei den Untersuchungen zu GBS und Impfungen wäre das prinzipiell ähnliche Krankheitsbild mit Sicherheit aufgefallen, wenn es auch nur mit ähnlicher Häufigkeit wie ein GBS aufgetreten wäre. Zusammenfassend lasse sich feststellen, dass die bei dem Kläger aufgetretene Erkrankung, CIDP wie GBS, durch die Impfung ausgelöst worden sein könne, jedoch sei die Wahrscheinlichkeit einer impfinduzierten derartigen Erkrankung immer niedriger als die Wahrscheinlichkeit ihres spontanen Auftretens. Die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Impfschaden vorliege, sei daher prinzipiell nicht zu beantworten.
Mit Bescheid vom 24.10.2012 lehnte die Beklagte die Anerkennung eines Versicherungsfalles ab. Nach dem Gutachten des Prof. Dr. V. könne ein Zusammenhang zwischen der Impfung und der aufgetretenen Erkrankung nicht hergestellt werden.
Der Kläger begründete seinen Widerspruch damit, dass die Impfung auf Anweisung des Ar-beitgebers erfolgt sei und die im Anschluss aufgetretenen Erkrankungen hierauf zurückzuführen seien. Er habe mehrfach stationär behandelt und medikamentös therapiert werden müssen. Zutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass der vorliegende Sachverhalt prinzipiell der Kategorie des Arbeitsunfalls und nicht der Berufskrankheit unterfalle, da das schädigende Ereignis innerhalb einer einzelnen Arbeitsschicht aufgetreten sei (mit Hinweis auf BSGE 15, 112; 24, 216). Für die Bejahung des Ursachenzusammenhangs sei es in diesem Zusammenhang ausreichend, wenn das Ereignis grundsätzlich geeignet gewesen sei, den Gesundheitsschaden hervorzurufen. Für die Kausalbeziehungen zwischen dem unfallbringenden Verhalten und der Krankheit genüge der Beweismaßstab der hinreichenden Wahrscheinlichkeit, der dann erfüllt sei, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spreche bzw. wenn bei der Berücksichtigung aller Umstände, die für den Ursachenzusammenhang sprechenden Umstände so stark überwiegen, dass die Entscheidung darauf gegründet werden könne, wobei die bloße Möglichkeit hingegen nicht ausreiche (mit Hinweis auf BSGE 32, 203). Es sei zwischen den Beteiligten unstreitig, dass die Krankheiten des Klägers grundsätzlich durch die streitgegenständliche Impfung hätten ausgelöst werden können. Eine an Sicherheit grenzende Wahrscheinlichkeit werde nicht gefordert. Der Kausalzusammenhang sei zu bejahen, weil die Erkrankung in zeitlicher Nähe zu der Impfung aufgetreten sei und alternative Ursachen bereits ansatzweise nicht festgestellt worden seien. Darüber hinaus hätten auch neuere Studien des Paul-Ehrlich-Instituts, beispielsweise über Zeitraum vom 01.11.2009 bis 31.12.2010 einen ursächlichen Zusammenhang des GBS mit einer Impfung gegen Influenza A/H1N1v gerade im Zeitraum von 5- 42 Tagen nach der Impfung bestätigt, was einen Beleg für einen medizinischen Kausalzusammenhang darstelle.
Prof. Dr. V. wurde ergänzend gutachterlich zu den Ausführungen in der Widerspruchsbe-gründung angehört. Mit Stellungnahme vom 18.07.2013 vertrat er die Auffassung, dass der Klägerbevollmächtigte in seiner Argumentationskette einige wesentliche Faktoren nicht berücksichtige. Zudem sei die Ätiologie des GBS und der CIDP nach wie vor unklar. Die von dem Klägerbevollmächtigten genannte Studie habe die Grippeimpfung während der Pandemie 2009/2010 betroffen, wobei die konstatierten Fälle von GBS jedoch nur einen kleinen Teil aller GBS-Erkrankungen ausgemacht hätten; auch hier hätte für die überwiegende Mehrheit der Fälle kein auslösender Faktor gefunden werden können. Zudem könne nicht von einem möglichen Ursachenzusammenhang durch Influenzaimpfstoffe auf einen Ursachenzusammenhang bei einem Meningokokken-Impfstoff geschlossen werden. Aufgrund der Seltenheit eines in dieser Form beschriebenen möglichen Phänomens sei es nicht möglich, einen Ursachenzusammenhang anzunehmen. Zusätzlich könne auf eine aktuelle Studie aus den USA (Baxter u.a., 2013) hingewiesen werden, wonach ein Hinweis auf eine Assoziation der beobachteten GBS-Fälle mit einer Impfung nicht habe hergestellt werden können.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 23.10.2013 zurück, wo-bei sie sich erneut auf die Argumentation von Prof. Dr. V. stützte.
Die Bevollmächtigte des Klägers hat am 08.11.2013 beim Sozialgericht Karlsruhe (SG) Klage erhoben, mit der er seine Argumentation zur Zusammenhangsbeurteilung vertieft hat. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte lege einen zu strengen Maßstab im Hinblick auf die für die Bejahung des Zusammenhang erforderliche Wahrscheinlichkeit an.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24.10.2012 in der Gestalt des Wi-derspruchsbescheides vom 23.10.2013 zu verurteilen, das Ereignis vom 02.07.2009 als Arbeitsunfall im Sinne von § 8 SGB VII i.V.m. mit § 2 SGB VII anzuerkennen und entsprechend den gesetzlichen Bestimmungen zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.
Auf Antrag und Kostenrisiko des Klägers ist ein weiteres Gutachten bei dem Neurologen Dr. H. vom T-Klinikum in C. eingeholt worden. Der Gutachter hat den Ausführungen des Prof. Dr. V. insoweit zugestimmt, dass die Wahrscheinlichkeit einer impfinduzierten derartigen Erkrankung aufgrund aller gegenwärtig verfügbaren Daten immer niedriger sein werde als die Wahrscheinlichkeit ihres spontanen Auftretens. Deswegen sei die Frage, ob im vorliegenden Fall ein Impfschaden vorliege, prinzipiell nicht zu beantworten. Dieser infekti-onsimmunologischen Aussage habe er als Kliniker nichts entgegenzusetzen, wobei er aller-dings zu differenten Schlussfolgerungen komme. Unbestritten sei, dass durch Impfungen verursachte Autoimmunerkrankungen äußerst selten seien und dass dies insbesondere auch auf das GBS und die CIDP zutreffe. Unbestritten sei auch, dass es nach den bisher vorliegenden wissenschaftlichen Daten keine Hinweise darauf gebe, dass eine Meningokokkenimpfung ein GBS oder eine CIDP verursachen könne, dass dies aber umgekehrt auch nicht ausgeschlossen werden könne. Dennoch liege es aus klinischer Sicht auf der Hand, dass, wenn denn tatsächlich ein Impfschaden vorliegt, eine Irrtumsmöglichkeit in der Hinsicht gegeben sei, dass ein Impfschaden irrtümlich allein aufgrund seiner extremen Seltenheit verkannt werde. Aus klinischer Sicht stelle sich die Frage, ob es nicht doch Plausibilitätskriterien gebe, die einen Impfschaden wahrscheinlich machten, auch wenn dieser extrem selten und bisher wissenschaftlich nicht beschrieben sei. Ein solches Plausibilitätskriterium sei der zeitliche Zusammenhang, wozu auf die Stellungnahme des Prof. W. vom 20.11.2009 hingewiesen werde, dass für den Zusammenhang mit dem Impfereignis momentan lediglich das Zeitfenster von zwei Wochen spreche. Nachdem die grundsätzliche Möglichkeit einer Verursachung bestehe und die einschlägige Erkrankung zwei Wochen nach der Impfung aufgetreten sei, sei aus klinischer Sicht der Ursachenzusammenhang vorliegend zu bejahen.
Für die weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten und die Akten des BG Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage zulässig, aber nicht begründet.
Die Kammer konnte für die Entscheidung offen lassen, inwieweit es sich bei dem weiterge-henden Leistungsantrag des Klägers auf Entschädigung entsprechend den gesetzlichen Best-immungen um ein zulässiges Klagebegehren handelte, solange noch das Vorliegen eines Arbeitsunfalls dem Grunde nach streitig ist und bestimmte Leistungen nicht abgelehnt worden sind (vgl. BSG vom 07.09.2004 - B 2 U 35/03 R = SozR 4-2700 § 8 Nr. 6; BSG vom 02.12.2008 - B 2 U 17/07 R unter Hinweis auf BSG vom 18.03.2008 - B 2 U 2/07 R; BSG vom 30.01.2007 - B 2 U 6/06 R - SGb 2007, 748, anders zum Teil noch BSGE 65, 138, 144 = SozR 2200 § 539 Nr. 133 S 399; BSG SozR 3-1500 § 145 Nr. 2). Da die Beklagte zu Recht die Anerkennung eines Arbeitsunfalls abgelehnt hat, bedarf es insoweit keiner gerichtlichen Feststellung.
Die Beklagte hat auf das vorliegende Geschehen zutreffend die Kategorien des Arbeitsunfalls und nicht diejenige der Berufskrankheit angewendet, da der gegenständliche Impfvorgang sich innerhalb einer einzigen Arbeitsschicht ereignet hat (BSG, Urteil vom 28. Januar 1966 – 2 RU 151/63 –, BSGE 24, 216, SozR Nr. 3 zu § 1739 RVO, Rn. 2).
Streitgegenstand ist daher vorliegend die Frage nach dem Vorliegen eines Arbeitsunfalls. Da von der Beklagten ausschließlich das Vorliegen eines Arbeitsunfalls nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung im Sinne von § 8 SGB VII verneint worden ist, sind auch keine Ausführungen dazu veranlasst, ob es sich bei dem Vorfall um einen gegebenenfalls nach § 52 Abs. 1 S. 1 BSeuchG anzuerkennenden und zu entschädigenden Impfschaden handelt, zumal für dessen Feststellung auch ein anderer Beklagter zuständig wäre (vgl. BSG, Urteil vom 24. Juli 1985 – 9b RU 36/83 –, SozR 5670 Anl. 1 Nr 3102 Nr. 1, Rn. 14).
Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 begründenden Tätigkeit (§ 8 Abs. 1 SGB VII). Unfälle sind nach § 8 Abs. 1 Satz 2 SGB VII zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen. Ein Arbeitsunfall setzt daher voraus, dass der Verletzte durch eine Verrichtung vor dem fraglichen Unfallereignis den gesetzlichen Tatbestand einer versicherten Tätigkeit erfüllt hat und deshalb "Versicherter" ist. Die Verrichtung muss ein zeitlich begrenztes, von außen auf den Körper einwirkendes Ereignis und dadurch einen Gesundheitserstschaden oder den Tod des Versicherten objektiv und rechtlich wesentlich verursacht haben (Unfallkausalität und haftungsbegründende Kausalität (st. Rspr., vgl. jüngst BSG, Urteil vom 04. Dezember 2014 – B 2 U 10/13 R –, BSGE (vorgesehen), juris Rn. 11, m.w.N.).
Ein Arbeitsunfall ist danach bei der vom Arbeitgeber veranlassten Impfung des Klägers grundsätzlich möglich. Zwar bestehen hieran gewisse Zweifel aufgrund der Tatsache, dass der Kläger die Impfung selbst auch gewollt hat und damit das Merkmal eines ungewollten Ereignisses alleine durch den Impfvorgang nicht erfüllt ist. Es ist in der Rechtsprechung jedoch anerkannt, dass für das Vorliegen eines Arbeitsunfalles bei Impfschäden auch die negativen (ungewollten) Folgen einer Impfung selbst ausreichen können, wenn die Impfung auf Veranlassung des Arbeitgebers erfolgte und die Impfung auch dem Unternehmen diente (BSG, Urteil vom 31. Januar 1974 – 2 RU 277/73 –, SozR 2200 § 548 Nr. 2, Rn. 21).
Erforderlich ist jedoch auch, dass sowohl ein kausaler Zusammenhang zwischen der in inne-rem Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehenden Verrichtung und dem Unfall als auch zwischen dem Unfall und dem Gesundheitsschaden besteht. Diese so genannte doppelte Kausalität wird nach herkömmlicher Dogmatik bezeichnet als die haftungsbegründende und die haftungsausfüllende Kausalität. Für beide Bereiche der Kausalität gilt die Theorie der wesentlichen Bedingung sowie der Beweismaßstab der - überwiegenden - Wahrscheinlichkeit (vgl. BSG, Urteil vom 15.02.2005 - B 2 U 1/04 R -, SozR 4-2700 § 8 Nr. 12). Nach der im Sozialrecht anzuwendenden Theorie der wesentlichen Bedingung werden als kausal und rechtserheblich nur solche Ursachen angesehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich mitgewirkt haben (BSGE 1, 72, 76; BSGE 1, 150, 156 f.; st.Rspr., vgl. BSG vom 12.04.2005 - B 2 U 27/04 R - BSGE 94, 269 = SozR 4-2700 § 8 Nr. 15). Welche Ursache wesentlich ist und welche nicht, muss aus der Auffassung des praktischen Lebens über die besondere Beziehung der Ursache zum Eintritt des Erfolgs bzw. Gesundheitsschadens abgeleitet werden (BSGE 1, 72, 76).
Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG Urteil vom 7. September 2004 - B 2 U 34/03 R). Für die Feststellung dieses Ursachenzusammenhangs - der haftungsbegründenden und der haftungsausfüllenden Kausalität - genügt hinreichende Wahrscheinlichkeit (st.Rspr. BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 32, 203, 209 = SozR Nr. 15 zu § 1263 aF RVO; BSGE 45, 285, 287 = SozR 2200 § 548 Nr. 38, BSGE 58, 80, 83 = SozR 2200 § 555a Nr. 1). Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG SozR Nr. 41 zu § 128 SGG; BSG SozR Nr. 20 zu § 542 a.F. RVO; BSGE 19, 52 = SozR Nr. 62 zu § 542 a.F. RVO; BSG SozR 3-1300 § 48 Nr. 67). Dagegen müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i. S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden (BSG SozR 3-5670 Anl. 1 Nr. 2108 Nr. 2 m.w.N.).
Der Umstand alleine, dass keine berufsfremden Ursachen für einen Schadensverlauf benannt werden könnten, führt nicht zu einer Beweislastumkehr oder Beweiserleichterung für den Kläger, wonach etwa an den Nachweis der Kausalität geringere Anforderungen gestellt wer-den könnten. Es gibt im Bereich des Unfallversicherungsrechts keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexen Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG vom 09.05.2006 - B 2 U 1/05 R).
Wahrscheinlich im Sinne des Unfallversicherungsrechts ist nur diejenige Möglichkeit, der nach sachgerechter Abwägung aller wesentlichen Umstände gegenüber jeder anderen Mög-lichkeit ein deutliches Übergewicht zukommt (vgl. BSGE 45, 286). Eine Möglichkeit verdichtet sich dann zur Wahrscheinlichkeit, wenn nach der herrschenden medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen den ur-sächlichen Zusammenhang spricht (BSGE 60, 58). Ein Kausalzusammenhang ist insbesondere nicht schon dann wahr-scheinlich, wenn er nicht auszuschließen oder nur möglich ist. Lässt sich eine Tatsache nicht nachweisen oder ein Kausalzusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast (Fest-stellungslast) zu Lasten dessen, der einen Anspruch aus der nicht erwiesenen Tatsache bzw. dem nicht wahrscheinlich gemachten Kausalzusammenhang für sich herleitet (BSGE 19,52).
Nach diesen Kriterien der Rechtsprechung ist nach dem Gesamtergebnis des vorliegenden Verfahrens ein Kausalzusammenhang zwischen der Impfung und dem aufgetretenen GBS bzw. der aufgetretenen CIDP nicht hinreichend wahrscheinlich. Die Kammer stützt sich hier-bei auf das schlüssige und überzeugende Gutachten des Prof. Dr. V., wonach bereits die Ätiologie [Ursache der Entstehung] des GBS und der CIDP unklar ist. Es liegen insgesamt nur zwei Studien betreffend eine Impfung gegen Meningokokken vor, die jedoch kein gehäuftes Auftreten von Folgeerkrankungen nahelegen. Selbst bei Annahme einer Möglichkeit der Verursachung durch eine Impfung wie beim Kläger ist eine solche Erkrankung wesentlich seltener als eine spontan auftretende derartige Erkrankung. Deswegen ist auch ein nach einer saisonalen Influenzaimpfung in dem kritischen Zeitraum von sechs Wochen nach der Impfung beobachtetes GBS immer mit höherer statistischer Wahrscheinlichkeit spontan aufgetreten als durch die Impfung bedingt in Erscheinung getreten.
Auch die Stellungnahme des Prof. Dr. W. vom 20.11.2009 spricht gegen einen Zusammen-hang, da danach lediglich für die Vaccine MCV4 ein Zusammenhang als möglich angesehen wurde.
Diesen grundsätzlichen und schlüssigen Ausführungen des Prof. Dr. V. und des Prof. Dr. W. hat auch der vom Kläger benannte weitere Gutachter Dr. H. argumentativ nur wenig entge-gen zu setzen. Dr. H. stimmt den grundsätzlichen Aussagen des Prof. Dr. V. sogar ausdrück-lich zu, dass es keine aktuellen wissenschaftlichen Daten gibt, die einen Zusammenhang nahelegen, dies andererseits aber auch nicht ausgeschlossen werden könne. Aus seiner klini-schen Sicht sei wegen des Zeitfensters von zwei Wochen ein Zusammenhang anzunehmen.
Die Kammer stimmt dem Gutachter Dr. H. insoweit zu, als es misslich wäre, wenn aus-schließlich aus grundsätzlichen Erwägungen ein extrem seltenes Ereignis wegen seiner Sel-tenheit nicht als Arbeitsunfall anerkannt werden könnte. Allerdings ist vorliegend nicht be-kannt, ob diese Fallgestaltung vorliegt. Die Feststellungslast hierfür liegt beim Kläger, wei-tergehende Beweiserleichterungen sind insoweit nicht ersichtlich.
Die Kammer weist darauf hin, dass vorliegend bereits - auch nach Dr. H. - die Diagnose des Gesundheitserstschadens unklar und offenbar nicht mehr feststellbar ist. Soweit Dr. H. die Möglichkeit einer Verursachung deswegen sieht, weil eine Verursachung nicht ausgeschlos-sen werden kann, wendet er nicht den in der gesetzlichen Unfallversicherung geltenden Maßstab der Verursachung an.
Es gibt keinen Erfahrungssatz dergestalt, dass bei bloßen Hinweisen auf eine traumatische Schädigung, ohne dass eine andere Schädigung als der Arbeitsunfall örtlich-zeitlich in Rede steht, ein naturwissenschaftlicher Zusammenhang regelmäßig als wahrscheinlich anzusehen ist. Denn der juristische Überzeugungsgrad der Wahrscheinlichkeit knüpft an die Würdigung der Einzelfallumstände nach Maßgabe der im jeweiligen Lebensbereich vorhandenen aktuell anerkannten wissenschaftlichen Erfahrung, hilfsweise der sonstigen einschlägigen Fachkunde, und deren ggf. vorhandene Unsicherheiten an. Er erlaubt es aber nicht, an dem vorhandenen Erfahrungswissen durch juristische Betrachtungen vorbeizugehen (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 – B 2 U 9/11 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 44; juris-Rn. 52). Demnach gibt es im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R –, SozR 4-2700 § 8 Nr 17, BSGE 96, 196-209, juris-Rn. 20).
Die von ihm und dem Klägerbevollmächtigten behauptete Möglichkeit einer Verursachung kann vorliegend nur im Sinne von "nicht mit letzter Sicherheit auszuschließen" angenommen werden, was für die positive Feststellung der Wahrscheinlichkeit der Verursachung nicht ausreicht.
Die entscheidende Aussage des Prof. Dr. V. über die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer spontan aufgetretenen einschlägigen Erkrankung lässt sich zudem nicht argumentativ widerlegen. Dr. H. verkennt insoweit den Begriff der Koinzidenz, wenn er meint, dass das Auftreten der Erkrankung nach der Impfung ein wesentliches Indiz für die Kausalität darstellen könne. Die Wahrscheinlichkeit des spontanen Auftretens eines GBS oder einer DICP ist immer gleich hoch, und zwar mit oder ohne vorherige Impfung. Da die nicht auszuschließende Verursachung durch eine Impfung nach Prof. Dr. V. immer als noch weniger wahrscheinlich anzusehen ist, gehen auch die Fälle, in denen eine Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen ist, in diesem stärkeren "statistischen Rauschen" unter. Dies ist für den Kläger unbefriedigend, letztlich aber Ausfluss der allgemeinen vor Gericht geltenden Grundsätze der Beweis- bzw. Feststellungslast.
Lediglich ergänzend weist die Kammer darauf hin, dass es sich auch im Impfschadensrecht zu Lasten des Klägers auswirkt, wenn die Wahrscheinlichkeit eines Ursachenzusammenhangs sich nicht ermitteln lässt. Insofern gelten dort die gleichen Maßstäbe wie in den Fällen des BVG und keine weitergehenden Beweiserleichterungen. Auch angesichts der im Impfschadensrecht typischerweise anzutreffenden Beweisschwierigkeiten kommt bei unaufgeklärtem Ursachenzusammenhang zwischen Impfung und dauerndem Gesundheitsschaden eine Beweislastumkehr nicht in Betracht (vgl. BSG, Urteil vom 27. August 1998 – B 9 VJ 2/97 R –, juris).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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Aus
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