L 19 R 181/16

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
19
1. Instanz
SG Bayreuth (FSB)
Aktenzeichen
S 2 R 650/13
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 19 R 181/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Bewilligung einer Altersteilzeit an einen Beamten nach beamtenrechtlichen Vorgaben stellt keine Altersteilzeitarbeit iS des § 235 Abs 2 S 3 Nr 1 SGB VI dar, aufgrund derer von einer Anhebung der Regelaltersgrenze abzusehen wäre (Anschluss an LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29.01. 2014 – L 2 R 332/13).
I. Die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.02.2016 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob der Kläger Anspruch auf Regelaltersrente bereits ab dem 01.07.2013 oder erst - wie von der Beklagten mit Bescheid vom 09.09.2013 zuerkannt - ab dem 01.09.2013 hat.

Der Kläger war als Beamter auf Lebenszeit zuletzt als Justizamtsrat am Amtsgericht B-Stadt beschäftigt. Auf seinen Antrag vom 02.05.2006 hin wurde dem Kläger eine Reduzierung seiner Arbeitszeit vom 01.07.2006 bis zum Ruhestand, der voraussichtlich am 30.06.2008 beginne, auf die Hälfte der regelmäßigen Arbeitszeit gemäß Art. 80d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) bewilligt (sogenanntes Blockmodell; Schreiben des Präsidenten des Oberlandesgerichts C-Stadt vom 16.05.2006). Seit 01.09.2008 bezieht der Kläger Versorgung nach dem Beamtenversorgungsgesetz (damals laut Bescheid vom 30.07.2008 in Höhe von 2.690,24 EUR brutto monatlich).

Am 27.12.2012 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Regelaltersrente ab dem 01.07.2013. Die Beklagte lehnte mit streitgegenständlichem Bescheid vom 08.02.2013 die Gewährung der Regelaltersrente ab, weil der Kläger die notwendige Regelaltersgrenze noch nicht erreicht habe. Er habe erst nach Vollendung eines Lebensalters von 65 Jahren und 2 Monaten einen Anspruch auf Regelaltersrente. Der beantragte Rentenbeginn ab 01.07.2013 sei nicht möglich, da die Vertrauensschutzregelungen des § 235 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) nicht erfüllt seien. Diese würden sich ausschließlich auf Altersteilzeitvereinbarungen nach dem Altersteilzeitgesetz (AtG) beziehen. Beamte, die mit ihrem Dienstherrn vor dem 01.01.2007 eine Altersteilzeitvereinbarung getroffen hätten, würden nicht von dieser Regelung erfasst, da die Vereinbarung nicht nach dem AtG geschlossen worden sei. Es werde gebeten, im Juni 2013 die Regelaltersrente erneut zu beantragen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 09.03.2013 Widerspruch ein, den er mit Schreiben vom 20.03.2013 dahingehend begründete, dass ihm in der Rentenauskunft vom 25.06.2009 erstmals von der Beklagten mitgeteilt worden sei, dass auch bei ihm die Anhebung der Altersgrenze nach dem RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz erfolge. Gegen diese Auskunft habe er mit Schreiben vom 11.07.2009 Einwände erhoben, weil er mit seinem Arbeitgeber bereits vor dem 01.01.2007 Altersteilzeit vereinbart gehabt habe. Eine Kopie der Altersteilzeitbewilligung sei beigefügt gewesen. Die Rentenauskunft vom 25.06.2009 sei dahingehend berichtigt worden, dass bei ihm nun doch keine Anhebung der Altersgrenze erfolge, weil der Vertrauensschutztatbestand gegeben sei. Die gleiche Rentenbeginnzeit (= 01.07.2013) hätte ihm die Beklagte mit Rentenauskünften in den Jahren 2010, 2011 und 2012 bestätigt. Ohne dies näher zu erläutern, sei ihm plötzlich mit Rentenauskunft vom 31.01.2013 mitgeteilt worden, dass er die Regelaltersgrenze erst am 15.08.2013 erreiche und Rentenbeginn der 01.09.2013 sei. Zu diesem Zeitpunkt, d. h. am 31.01.2013, habe er jedoch bereits am 22.12.2012 im guten Glauben und im Vertrauen auf die Richtigkeit der Rentenauskünfte der Beklagten in den Jahren 2009, 2010, 2011 und 2012 die Bewilligung von Regelaltersrente für die Zeit ab 01.07.2013 beantragt. Für ihn bestehe deshalb Vertrauensschutz nach Treu und Glauben, was den Beginn seiner Regelaltersrente mit dem 01.07.2013 betreffe. Die Rechtsauffassung der Beklagten, dass sich die Vertrauensschutzregelung des § 235 SGB VI ausschließlich auf Altersteilzeitvereinbarungen nach dem AtG beziehe, sei seines Erachtens nicht richtig. Hinzu komme, dass er vor dem 16.11.1950 geboren und am 16.11.2000 schwerbehindert nach dem am 31.12.2000 geltenden Recht gewesen sei. Auch nach dieser Vertrauensschutzregelung dürfte seines Erachtens nach Treu und Glauben eine Anhebung der Altersgrenze nicht erfolgen. Vorgelegt wurde hierzu eine Kopie des Schwerbehindertenausweises, mit dem ein Grad der Behinderung (GdB) von 50 ab 09.10.1999 bestätigt ist.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 31.07.2013 als unbegründet zurück, nachdem sie dem Kläger mit Schreiben vom 20.03.2013 nochmals ihre Rechtsauffassung dargelegt hatte und der Kläger trotzdem seinen Widerspruch aufrechterhalten hatte. Zur Begründung führte die Beklagte aus, dass die Vereinbarung mit dem Dienstherrn keine Altersteilzeitregelung nach dem AtG sei. Dies ergebe sich unmittelbar aus dem Gesetz, so dass eine Information darüber, beispielsweise im Rahmen des Vordrucks R 240, für die Anwendbarkeit dieser Regelung nicht Voraussetzung sei. Es sei zwar zutreffend, dass dem Kläger in den Rentenauskünften der Jahre 2009 bis einschließlich 2012 mitgeteilt worden sei, dass er unter die Vertrauensschutzregelung des § 235 SGB VI falle und die Regelaltersgrenze am 15.06.2013 erreichen würde. Als Rentenbeginn sei ihm der 01.07.2013 genannt worden. Rentenauskünfte hätten jedoch keinen rechtsverbindlichen Charakter. Unter Beachtung der gesetzlichen Regelung in § 109 Abs. 2 SGB VI enthielten sowohl die Renteninformation als auch die Rentenauskunft den Hinweis, dass die getroffenen Aussagen und Berechnungen auf der Basis der im Versicherungskonto gespeicherten Daten unter Anwendung des derzeit geltenden Rechts erstellt worden seien. Es handle sich lediglich um Informationen ohne Regelungscharakter. Weder die Renteninformation noch die Rentenauskunft sei ein Verwaltungsakt im Sinne des § 31 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X). Auch über das Rechtsinstitut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches bestehe kein Anspruch auf Regelaltersrente ab dem 01.07.2013. Über das Institut des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches könnten nur Ansprüche abgeleitet werden, die dem geltenden Recht entsprechen würden. Der vom Kläger begehrte frühere Rentenbeginn stehe im Widerspruch zur Regelung des § 235 SGB VI. Soweit sich der Kläger auf die Anerkennung der Schwerbehinderteneigenschaft zum 16.11.2000 beziehe, könne die Vertrauensschutzregelung des § 236a SGB VI nur für eine Altersrente für schwerbehinderte Menschen in Anspruch genommen werden. Diese verlange aber auch eine Erfüllung einer Wartezeit von 35 Jahren. Diese sei beim Kläger aber nicht erfüllt. Der Kläger habe lediglich 63 Monate an Beitragszeiten.

Zur Begründung der hiergegen am 16.08.2013 zum Sozialgericht Bayreuth (SG) erhobenen Klage hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass für den Kläger nach § 235 SGB VI Vertrauensschutz bestehe, zumindest jedoch auch aufgrund der Zusicherungen im Rahmen der Rentenauskünfte der Jahre 2009 bis einschließlich 2012. Der Kläger habe bereits am 16.05.2006 mit seinem Dienstherrn eine Altersteilzeitvereinbarung abgeschlossen. Richtig sei zwar, dass § 235 SGB VI auf Altersteilzeit im Sinne der §§ 2 und 3 des AtG verweise. Es sei jedoch davon auszugehen, dass hier Versicherten besonderer Vertrauensschutz zugesprochen werde, die vor dem 01.01.1955 geboren seien und bereits vor dem 01.01.2007 mit ihrem Arbeitgeber Altersteilzeit verbindlich vereinbart hätten. Es sei ausreichend, dass es sich um eine Vereinbarung über eine Verminderung der Arbeitszeit handle, die den Anforderungen der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AtG genügen würde und spätestens zum 31.01.2006 abgeschlossen worden sei (unter Bezugnahme auf den Kasseler Kommentar, Kommentierung von Gürtner, § 235 SGB VI, Rn. 7). Es sei nicht ersichtlich, warum hier unter Verletzung von Art. 3 Grundgesetz (GG) Beamte schlechter gestellt werden sollten, die vor ihrer Verbeamtung Ansprüche aus der gesetzlichen Rentenversicherung erworben hätten. Unabhängig davon seien die Ausführungen der Beklagten korrekt, dass Rentenauskünfte keinen Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X darstellen würden. Sie seien jedoch als Zusicherung gemäß § 34 SGB X nicht unverbindlich. Insoweit sei bei der Beurteilung sicherlich auch zu berücksichtigen, dass sich der Hinweis der Beklagten in der Rentenauskunft zuletzt vom 15.06.2012 "die Rentenauskunft ist deshalb nicht rechtsverbindlich" unter der Rubrik Rentenhöhe und Beiträge zur Krankenversicherung finde. Diese Aussage finde sich lediglich unmittelbar im Anschluss an die erworbenen Rentenanwartschaften. Es finde sich wiederum kein Hinweis darauf, dass die Ausführungen zum Rentenbeginn und in einzelnen Rentenarten nicht verbindlich wären.

Im Rahmen eines Erörterungstermins des SG vom 22.10.2014 wurde die Frage einer "individualisierten Renteninformation" erörtert und zum Zweck der Überprüfung durch die Beklagte die Sitzung vertagt.

Mit Schriftsatz vom 12.02.2015 hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass in früheren Zeiten auch reine Rentenauskünfte den Zusatz "- Versicherungsunterlage - bitte sorgfältig aufbewahren" enthalten hätten. Erst durch eine Programmänderung im Jahr 2011 sei dieser Hinweis von den Rentenauskünften entfernt worden. Daher enthielten die Rentenauskünfte nach diesem Zeitpunkt diesen Zusatz nicht mehr. Durch Entfernung dieses Zusatzes ändere sich jedoch nichts am Charakter der Rentenauskunft. Soweit in den Rentenauskünften vom 16.09.2009 und 15.06.2012 dem Kläger mitgeteilt worden sei, dass die Vertrauensschutzregelung bei ihm anzuwenden sei und er daher Altersrente ab dem 01.07.2013 in Anspruch nehmen könne, handle es sich nicht um eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X, da die Rentenauskunft vom Rechtscharakter her eine unverbindliche Auskunft sei.

Im Rahmen eines Erörterungstermins vom 06.05.2015 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid erklärt. Das SG hat sodann mit Gerichtsbescheid vom 15.02.2016 die Klage als unbegründet abgewiesen und sich hierzu nach § 136 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Gründe des Widerspruchsbescheides vom 31.07.2013 bezogen. Lediglich ergänzend hat das SG darauf hingewiesen, dass der Kläger die Regelaltersgrenze erst mit 65 Jahren und 2 Monaten, d.h. am 15.08.2013, erreicht habe und deshalb nach dieser Vorschrift Regelaltersrente erst ab dem 01.09.2013 beziehen könne. Ab diesem Zeitpunkt sei sie ihm von der Beklagten auch zuerkannt worden. Die Ausnahmeregelung des Satzes 3 des § 235 Abs. 2 SGB VI greife nicht, da der Kläger als Beamter nicht Arbeitnehmer im Sinne der §§ 2 und 3 des AtG sei (unter Bezugnahme auf ein Urteil des Sozialgerichts Potsdam vom 21.06.2011, S 6 R 6/09 und LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 29.01.2014, L 2 R 332/13). Es liege auch keine verbindliche Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X vor. Die Mitteilung eines Versicherungsträgers hinsichtlich einer Vertrauensschutzregelung sei - jedenfalls solange noch kein Rentenantrag gestellt sei - kein feststellender Verwaltungsakt oder Zusicherung, durch welchen eine unklare Rechtslage geklärt werde, sondern eine Wissenserklärung und damit eine Auskunft. Bei der Rentenauskunft vom 16.07.2009 sowie den nachfolgenden handle es sich weder in formeller noch in materieller Hinsicht um einen Verwaltungsakt, es liege auch keine Zusicherung im Sinne des § 34 Abs. 1 SGB X vor. Schon der Form nach handle es sich bei den genannten Schreiben lediglich um eine Auskunft. Dies werde deutlich und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht durch die fettgedruckte Überschrift "Rentenauskunft - kein Rentenbescheid". Angesichts dieser Überschrift fehle es nicht nur an der Kennzeichnung des Schriftstücks als Verwaltungsakt, vielmehr werde dem unbefangenen Versicherten durch diese Überschrift suggeriert, es handle sich gerade nicht um eine der Bindungswirkung fähige Verwaltungsentscheidung. Eine solche Rentenauskunft sei bereits nach § 109 Abs. 4 Satz 2 SGB VI nicht rechtsverbindlich. Bei einer Auskunft handle es sich nach allgemeiner Auffassung lediglich um individuelle Tatsachenmitteilung oder unverbindliche Rechtsmitteilung einer Verwaltungsbehörde. Es liege auch keine Zusicherung im Sinne des § 34 Abs. 1 SGB X vor. Während sich eine Verwaltungsbehörde durch eine Rechtsauskunft nicht zum Erlass späterer Verwaltungsakte verpflichte, liege eine bindende Zusicherung nur dann vor, wenn eine entsprechende Erklärung als hoheitliche Selbstverpflichtung mit Bindungswillen zu einem Tun und/oder Unterlassen in der Zukunft abgegeben werde. Die Auskunft als Wissenserklärung erschöpfe sich hingegen in der Mitteilung von Wissen, sie lasse nur erkennen, wie die Behörde den Fall regeln würde, wenn sie darüber zu befinden hätte. Bei einer Zusicherung hingegen, die in ihren Wirkungen dem Verwaltungsakt nahe komme, sei ein auf die Setzung einer Rechtsfolge gerichtete Regelungswille der Behörde vorhanden. Die Behörde verpflichte sich bereits vorab, den Fall später in zugesicherter Weise zu regeln. Hiervon sei vorliegend nicht auszugehen. Die Beklagte habe gerade keinen entsprechenden Regelungswillen, da ein solcher nicht möglich sei, wenn er sich auf eine Rentengewährung beziehe, die vom Kläger noch nicht einmal beantragt sei. Auch im Hinblick auf den Empfängerhorizont komme es vorliegend zu keinem anderen Ergebnis, da der Kläger als Dipl.-Rechtspfleger gerade nicht davon habe ausgehen können, dass sich die Beklagte ohne Rentenantragstellung zu einem bestimmten Rentenbeginn habe verpflichten wollen. Dies werde auch dadurch gestützt, dass die Änderung der Rentenauskunft vom 31.01.2013 auf Initiative des Klägers erfolgt sei, der in einem Telefonat um Überprüfung gebeten habe, ob im Hinblick auf seinen Beamtenstatus die gespeicherte Vertrauensschutzregelung zutreffend sei. Auch der Umstand, dass die begehrte Rentenauskunft vom 16.07.2009 erst nach Intervention und Hinweis des Klägers auf die von ihm abgeschlossene Altersteilzeitvereinbarung mit Bejahung des Vertrauensschutzes erfolgt sei, vermöge am Rechtscharakter der Rentenauskunft nichts zu ändern. Die Beklagte habe keinerlei Verpflichtungswillen gerichtet auf den späteren Erlass eines Verwaltungsaktes gehabt.

Das SG hat im Gerichtsbescheid die Berufung zugelassen.

Mit der am 14.03.2016 zum Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegten Berufung verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter, im Wesentlichen unter Wiederholung seines bisherigen Vorbringens.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2017 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers darauf hingewiesen, dass es ihr um die "individualisierte Rentenauskunft" gehe. Diese stelle eine Zusicherung dar, die auch im Ergebnis wie ein Verwaltungsakt zu betrachten sei.

Die Prozessbevollmächtigte des Klägers beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.02.2016 sowie den Bescheid der Beklagten vom 08.02.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 31.07.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger Regelaltersrente bereits ab dem 01.07.2013 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt, die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Bayreuth vom 15.02.2016 zurückzuweisen.

Bezüglich der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Rentenakten der Beklagten sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig, weil sie vom SG im Gerichtsbescheid vom 15.02.2016 zugelassen wurde. Der an sich für die Statthaftigkeit einer Berufung erforderliche Mindeststreitwert wird mit dem hier streitigen Betrag von 122,72 EUR bei weitem nicht erreicht. Der Kläger begehrt statt dem mit Bescheid der Beklagten vom 09.09.2013 zuerkannten Rentenbeginn für seine Regelaltersrente ab dem 01.09.2013 in Höhe von monatlich 61,36 EUR einen um 2 Monate früheren Rentenbeginn, nämlich ab dem 01.07.2013. Der Senat ist jedoch nach § 144 Abs 3 SGG an die Zulassung der Berufung durch das SG gebunden.

Die Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf einen frühzeitigeren Beginn seiner Regelaltersrente. Die Voraussetzungen für eine Anwendung der Übergangsvorschrift des § 235 Abs 2 S 3 SGB VI liegen nicht vor. Diese Vorschrift ist auch nicht entsprechend auf den Kläger anzuwenden. Eine von der Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemachte "individualisierte Rentenauskunft" ist keine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X und entfaltet deshalb keine Bindungswirkung für die Beklagte, Rente bereits ab dem 01.07.2013 gewähren zu müssen.

Die Voraussetzungen des § 235 Abs 2 S 3 SGB VI erfüllt der Kläger nicht. Das LSG Niedersachsen-Bremen hat in seinem Beschluss vom 29.01.2014 - auf den sich bereits das SG in seinem Gerichtsbescheid vom 15.02.2016 bezogen hat - entschieden, dass nach dem klaren Wortlaut der §§ 2 und 3 Abs. 1 Nr. 1 AtG, auf den § 235 SGB VI Bezug nehme, lediglich Arbeitnehmer mit ihren Arbeitgebern Altersteilzeit im Sinne des Gesetzes vereinbaren könnten. Beamte seien hingegen nicht Arbeitnehmer in diesem Sinne (unter Hinweis auf § 5 Abs. 2 Arbeitsgerichtsgesetz - ArbGG). Eine Verletzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes nach Art. 3 Abs. 1 GG könne schon bereits aufgrund des weiten Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Bereich des Sozialrechts nicht gesehen werden, insbesondere, was die Abgrenzung des begünstigten Personenkreises und die Bezugsdauer der einzelnen Sozialleistungen anbelange (BSG, Urteil vom 19.02.2009 - B 10 KG 2/07 R, m.w.N., insbesondere auch zur verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung). Eine Überschreitung dieser weiten verfassungsrechtlichen Grenzen bei der Wahrnehmung des gesetzgeberischen Regelungsermessens sei im vorliegend zu beurteilenden Zusammenhang in keiner Weise ersichtlich. Bei Versicherten, bei denen eine Altersteilzeit nicht nach dem Altersteilzeitgesetz vereinbart werde, dürfe der Gesetzgeber für den Regelfall und damit im Rahmen der ihm allein möglichen typisierenden Bewertung davon ausgehen, dass die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung nicht den wesentlichen Teil der Altersvorsorge, sondern nur eine zusätzliche Absicherung von finanziell meist deutlich untergeordneter Bedeutung darstelle. Schon darin sei ein wesentlicher, die Ungleichbehandlung rechtfertigender Unterschied zu sehen. Im Rahmen einer sachlich gebotenen typisierenden Betrachtung dürfe der Gesetzgeber überdies davon ausgehen, dass Versicherte, die Altersteilzeit nach beamtenrechtlichen Vorgaben und damit nicht nach Maßgabe der §§ 2 und 3 AtG in Anspruch nehmen, auch in einem nur geringeren Umfang Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet hätten, was ebenfalls einen verfassungsrechtlich zulässigen Differenzierungsgesichtspunkt darstelle (LSG Niedersachsen-Bremen, L 2 R 332/13, Rn. 19, veröffentlicht bei juris).

Der Senat schließt sich dieser Argumentation in vollem Umfang an. Der Kläger hat vor Eintritt in die Beamtenlaufbahn gerade 63 Kalendermonate mit Pflichtbeiträgen absolviert und erzielt hieraus ab dem 01.09.2013 eine monatliche Altersrente, die sich im Zeitpunkt der Bewilligung auf 61,36 EUR monatlich belaufen hat. Es ist damit offensichtlich, dass es sich hierbei nicht um die wesentliche Altersvorsorge und Absicherung des Klägers handelt, der aus seinem Beamtenverhältnis damals bereits eine Pension in Höhe von knapp 2.800,00 EUR monatlich bezogen hat. § 235 SGB VI stellt eine Übergangsregelung im Zusammenhang mit der Anhebung der Regelaltersgrenzen mit Wirkung zum 01.01.2008 dar. Es sollten dadurch ältere Arbeitnehmer vor einer Versorgungslücke infolge der Anhebung der Altersgrenzen geschützt werden, die aufgrund ihres Alters nicht mehr in der Lage gewesen wären, Versicherungslücken durch ausreichende eigene Beitragsleistungen bis zum Rentenbeginn schließen zu können. Deshalb ist die Regelung auf Personen begrenzt, die vor dem 01.01.1955 geboren waren und im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Altersgrenzenneuregelungsgesetzes zum 01.01.2008 sich bereits in Altersteilzeit befunden haben, d. h. vor dem 01.01.2007 bereits Altersteilzeit mit ihrem Arbeitgeber vereinbart hatten. Die Übergangsregelung des § 235 Abs 2 S 3 SGB VI bezieht sich deshalb auf rentennahe Jahrgänge, die vor Anhebung der Regelaltersgrenzen ein vorzeitiges Ausscheiden aus dem Erwerbsleben geplant bzw. bereits in Gang gesetzt hatten. Dass der Gesetzgeber hierbei Stichtagsgrenzen einsetzte, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden, da hierfür nachvollziehbare Gründe vorliegen.

Soweit in der Literatur vereinzelt die Auffassung eines erweiterten Anwendungsbereichs für alle denkbaren Formen von Arbeitszeitermäßigungen wegen Alters diskutiert wird (z. B. Jüttner, in: Hauck/Noftz, SGB VI, Stand 04/2015, § 235 SGB VI, Rdnr 10-12 unter Hinweis auf den Wortlaut des § 235 Abs 2 S 3 SGB VI: "im Sinne der" statt "gemäß der" §§ 2, 3 AtG), ist dem nicht zu folgen. Der Gesetzgeber hat in § 69 h Abs 2 Nr 3 Beamtenversorgungsgesetz eine vergleichbare Regelung für Beamte in Altersteilzeit nach beamtenrechtlichen Vorschriften geschaffen, die ebenfalls nicht entsprechend auf den umgekehrten Fall Anwendung finden würde, wenn der Hauptteil der Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung zurückgelegt worden wäre. Aufgrund des Charakters der Übergangsregelung und der dahinterstehenden Motive des Gesetzgebers verbietet sich eine analoge Anwendung des § 235 Abs 2 S 3 SGB VI, da eine unbewusste Regelungslücke gerade nicht vorliegt.

Auch soweit die Prozessbevollmächtigte des Klägers in der mündlichen Verhandlung die Argumentation eines Verstoßes gegen Art 3 Abs 1 GG nicht weiter verfolgt hat und entscheidend auf eine sog. "individualisierte Rentenauskunft" abstellt, die den Charakter einer Zusicherung nach § 34 SGB X habe, kann diese Argumentation keinen Erfolg haben. Es scheint zwar nach der Aktenlage zutreffend zu sein, dass dem Kläger im Jahr 2009 zunächst die - zutreffende - Renteninformation gegeben wurde, dass auch er von der Anhebung der Regelaltersgrenze um 2 Monate betroffen sei und dass diese Information auf sein Schreiben vom 11.07.2009 hin von der Beklagten dahingehend korrigiert wurde, dass er Vertrauensschutz genieße. Die gleiche Passage taucht in den Rentenauskünften der Jahre 2010, 2011 und 2012 auf. Erst in der Rentenauskunft vom 31.01.2013 war darauf hingewiesen, dass die Voraussetzungen für die Anwendung des § 235 Abs 2 S 3 SGB VI nicht gegeben seien. Es ist auch zutreffend, dass der Kläger die Regelaltersrente zum 01.07.2013 bereits am 27.12.2012 bei der Beklagten beantragt hatte. Nach Antragstellung ist von der Beklagten aber keine fehlerhafte Rentenauskunft mehr erteilt worden, sondern die der Rechtslage des § 235 SGB VI entsprechende Rentenauskunft vom 31.01.2013. Gleichwohl kann sich der Kläger auf einen "aus Treu und Glauben" folgenden Vertrauensschutz nicht berufen. Die fehlerhaften Angaben der Beklagten waren in den Rentenauskünften enthalten und diese waren jeweils mit den Hinweisen gekennzeichnet, dass es sich bei diesen umfassenden Schreiben nicht um einen Rentenbescheid handele, sondern dass diese nur Auskunft über die derzeit bei der Beklagten gespeicherten Daten gebe. Ausdrücklich ist unter Gliederungspunkt A. noch fettgedruckt der Hinweis enthalten, dass die Rentenauskunft unverbindlich ist. Auf die zutreffenden Ausführungen des SG in seinem Gerichtsbescheid vom 15.02.2016 hierzu wird verwiesen. Der rechtliche Charakter der Rentenauskunft ebenso wie der der Renteninformation ist in § 109 SGB VI geregelt und wird nicht bereits dadurch verändert, dass der Kläger bei der Beklagten wegen einer darin enthaltenen Angabe nachfragt. Wären in der Rentenauskunft für den Kläger negative Feststellungen enthalten gewesen, würde der Kläger diese sicherlich nicht gegen sich gelten lassen wollen.

Eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X kann in diesen Rentenauskünften ebenfalls nicht gesehen werden, da sie von ihrem Regelungscharakter her nicht verbindlich sind und auch nicht verbindlich werden, nur weil die Beklagte auf Nachfrage des Klägers eine Änderung der unverbindlichen Rentenauskunft vornimmt. Auch insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen des SG in den Entscheidungsgründen seines Gerichtsbescheids vom 15.02.2016 verwiesen.

Um eine Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X annehmen zu können, muss der Kläger nachweisen, dass die Beklagte ihm eine verbindliche Zusage geben wollte, dass er ab dem 01.07.2013 eine Regelaltersrente erhalte, obwohl er die Voraussetzungen hierfür nicht erfüllen würde. Diese Zusage hätte schriftlich und unter konkreter Bezugnahme auf die Regelung des § 235 Abs 2 S 3 SGB VI erfolgen müssen. Die Abgabe einer solchen Erklärung mit Bindungswirkung hat der Kläger von der Beklagten aber gerade nicht verlangt.

Nach alledem war die Berufung gegen den Gerichtsbescheid des SG vom 15.02.2016 als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision gemäß § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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