L 16 RJ 100/99

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
16
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 28 RJ 919/96
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 16 RJ 100/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 1999 wird zurückgewiesen. Die Beklagte trägt ein Drittel der außergerichtlichen Kosten des Klägers erster Instanz; im Übrigen sind außergerichtliche Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist der Rentenbeginn bzw. die Gewährung von Übergangsgeld für die Zeit vom 19. Februar 1993 bis zum 31. März 1994, hilfsweise die Berücksichtigung dieser Zeit als Anrechnungszeit bei der Feststellung der bewilligten Rente wegen Erwerbsunfähigkeit (EU).

Der Kläger, geboren 1959, hatte vom 1. April 1975 bis 3. März 1978 den Beruf des Stukkateurs erlernt und am 18. Februar 1987 die Meisterprüfung in diesem Beruf abgelegt. Vom 1. April 1987 bis 18. Februar 1993 war er als selbständiger Stukkateurmeister tätig und in dieser Zeit als selbständiger Handwerker bei der Beklagten pflichtversichert. Am 19. Februar 1993 gab er seinen selbständigen Handwerksbetrieb auf (Bescheinigung des Bezirksamts Ch von B - Abteilung Wirtschaft - vom 19. Februar 1993).

Ebenfalls am 19. Februar 1993 meldete der Kläger sich arbeitslos. Sein Antrag auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe wurde abgelehnt (Bescheid des Arbeitsamtes III B-West vom 19. Februar 1993) mit der Begründung, der Kläger habe nicht die erforderliche Anwartschaftszeit erfüllt und auch keinen eine Leistungsverpflichtung begründenden Ersatztatbestand zurückgelegt. Ab 23. November 1993 bezog der Kläger Hilfe zum Lebensunterhalt nach den Vorschriften des Bundessozialhilfegesetzes (BSHG).

Nachdem der Kläger sich am 15. November 1993 in nervenfachärztliche Behandlung bei der Ärztin B-H begeben hatte, stellte er im April 1994 bei der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) einen Antrag auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation. Die BfA bewilligte ihm eine sechswöchige Kur in der Klinik M in B-K, die in der Zeit vom 7. März 1995 bis 18. April 1995 durchgeführt wurde. In dem Entlassungsbericht dieser Kurklinik vom 25. April 1995 wird der Kläger bei einem Zustand nach Ausbildung einer psychotischen Symptomatik mit paranoiden Zügen im November 1993 als nicht mehr arbeitsfähig bezeichnet, und zwar für keinerlei Tätigkeiten.

Nach der Rentenantragstellung bei der Beklagten im April 1995 holte diese ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten von Dr. T vom 9. Juni 1995 ein. Dieser Arzt vertrat die Auffassung, der Kläger sei nicht mehr in der Lage, regelmäßig eine Berufstätigkeit auszuüben. Das eingeschränkte bzw. aufgehobene Leistungsvermögen bestehe sicherlich seit der Betriebsaufgabe im Februar 1993, mindestens aber seit April 1993.

Mit Rentenbescheid vom 27. Juli 1995 gewährte die Beklagte dem Kläger Rente wegen EU ab dem 1. April 1995 befristet bis zum 30. Juni 1997; im Versicherungsverlauf waren Pflichtversicherungszeiten als Handwerker bis einschließlich 31. Dezember 1992 enthalten, die Zeit vom 19. Februar bis zum 28. Februar 1993 war als Zeit der Arbeitslosigkeit mit dem Zusatz keine Anrechnung“ aufgeführt. Mit seinem Widerspruch machte der Kläger geltend, dass er schon am 19. Februar 1993 einen Rentenantrag gestellt hätte, wenn ihm sein Gesundheitszustand bewusst gewesen wäre; im Übrigen müsse die Zeit ab dem 19. Februar 1993 zumindest als Zeit der Arbeitslosigkeit angerechnet werden.

Mit weiterem Rentenbescheid vom 7. Februar 1996 bewilligte die Beklagte dem Kläger Rente wegen EU „aufgrund des am 26. April 1994 gestellten Antrags“ bereits ab dem 1. April 1994, befristet bis zum 30. Juni 1997.

Nachdem die Beklagte die Pflichtbeiträge als selbständiger Handwerker für Januar und Februar 1993 nachgefordert und der Kläger diese Beiträge gezahlt hatte, wurde der Widerspruch zurückgewiesen (Widerspruchsbescheid vom 10. Juni 1996). Zur Begründung ist ausgeführt: Da Sozialleistungen nur auf Antrag gewährt würden, habe der Versicherte die aus einer verspäteten Antragstellung sich ergebenden Folgen zu tragen; die Gründe, die zu der verspäteten Antragstellung geführt hätten, seien grundsätzlich unerheblich. Gemäß § 116 Abs. 2 Sozialgesetzbuch - Gesetzliche Rentenversicherung - (SGB VI) gelte gegebenenfalls der Rehabilitationsantrag als Rentenantrag. Durch diese Fiktion werde der Rentenantragsteller vor den Folgen eines verspäteten Rentenantrages geschützt. Der angefochtene Bescheid sei somit hinsichtlich des Rentenbeginns nicht zu beanstanden. Die Nichtanerkennung der Zeit der Arbeitslosigkeit ab dem 19. Februar 1993 als Anrechnungszeit gemäß § 58 SGB VI sei ebenfalls nicht zu beanstanden. Die Anerkennung dieser Zeit scheitere nicht nur daran, dass es schon an einer Unterbrechung fehle, weil zwischen dem letzten Beitragsmonat (Dezember 1992) und dem Beginn der Arbeitslosigkeit am 19. Februar 1993 eine zeitliche Lücke von mehr als einem Monat liege, sondern auch daran, dass der Kläger nie Leistungen vom Arbeitsamt bezogen habe.

Mit seiner Klage hat der Kläger weiterhin die Gewährung der Rente bereits ab 19. Februar 1993 begehrt, hilfsweise die Berücksichtigung einer Anrechnungszeit vom 19. Februar 1993 bis zum 14. November 1993; außerdem hat sich der Kläger zunächst gegen die Befristung der Rente gewandt. Das Sozialgericht (SG) Berlin hat Befundberichte der behandelnden Ärzte eingeholt und das Gutachten des Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Dr. G vom 8. April 1997 aus dem Verfahren - S 49 Vs 1520/96 - beigezogen.

Mit Rentenbescheid vom 6. November 1997 hat die Beklagte nunmehr Rente wegen EU auf Dauer für die Zeit ab dem 19. April 1995 (Ende der Kur) bewilligt und die Feststellung des Übergeldanspruchs für die Zeit ab dem 1. April 1994 angekündigt.

Das SG hat daraufhin seinerseits Dr. G als Sachverständigen eingesetzt. Der Kläger hat in einem umfangreichen Schriftsatz darauf hingewiesen, welchen Belastungen er sich durch eine gutachterliche Untersuchung ausgesetzt sehe und dass zumindest die meisten der Beweisfragen gar nicht mehr sachdienlich seien, da Dauerrente zuerkannt worden sei; außerdem sei auch die Lücke im Versicherungsverlauf bis zum 19. Februar 1993 geschlossen worden.

Nachdem Dr. G sein Gutachten nach Aktenlage vom 15. Mai 1998 erstattet hatte, hat die Beklagte mit Rentenbescheid vom 21. Januar 1999 die mit Bescheid vom 6. November 1997 gewährte Rente hinsichtlich des Rentenbeginns neu festgestellt. Der Bescheid werde nach § 44 Abs. 1 Sozialgesetzbuch - Verwaltungsverfahren - (SGB X) zurückgenommen unter Verweis auf den Bescheid vom 7. Februar 1996, mit dem bereits das Vorliegen von EU seit dem 19. Februar 1993 festgestellt worden sei. Die Rente werde vom Antragsmonat (April 1994) an geleistet, weil der Rentenantrag erst nach dem Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats gestellt worden sei, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt gewesen seien (§ 99 SGB VI).

Das SG hat mit Urteil vom 17. August 1999 die auf Gewährung von Rente wegen EU bereits ab dem 19. Februar 1993, hilfsweise auf rentensteigernde Berücksichtigung der Zeit vom 19. Februar 1993 bis zum 31. März 1994 als Anrechnungszeit gerichtete Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Kläger habe keinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU bereits ab dem 19. Februar 1993. Unstreitig habe der Kläger die Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung erst im April 1995 beantragt. Jedoch habe er bereits am 26. April 1994 einen Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation gestellt. Die Beklagte habe daher auf der Grundlage von § 116 Abs. 2 SGB VI den Rentenbeginn zutreffend von dem Antrag auf Gewährung von medizinischen Leistungen zur Rehabilitation abhängig gemacht und auf den 1. April 1994 gelegt.

Die Gewährung der Rente ab einem früheren Zeitpunkt komme wegen des fehlenden Rentenantrages nicht in Betracht. Anhaltspunkte für eine mangelnde Beratung seien nicht ersichtlich. Auch der Hilfsantrag des Klägers habe keinen Erfolg haben können. Die Zeit ab dem 19. Februar 1993 könne nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden. Nach dem Gutachten von Dr. G stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Kläger nach Aufgabe seines Betriebes im Februar 1993 nicht mehr in der Lage gewesen sei, regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Somit sei von einer Minderung der Erwerbsfähigkeit bereits im Februar 1993 auszugehen. Gemäß § 75 Abs. 2 SGB VI würden bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für Anrechnungszeiten, die nach Eintritt der maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit lägen, Entgeltpunkte nicht ermittelt. Daher könnten diese Zeiten im vorliegenden Fall nicht zu einer Rentenerhöhung führen.

Mit der Berufung verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Er trägt zur Begründung vor: Entgegen der Auffassung des SG stehe ihm der geltend gemachte Anspruch auf Zahlung von Rente wegen EU zu. Aufgrund des Gutachtens von Dr. G stehe fest, dass er bereits „seit 1993, und zwar wahrscheinlich seit Frühjahr 1993“ nicht mehr in der Lage gewesen sei, „vollschichtig einer irgendwie gearteten Tätigkeit nachzugehen“. Dies bedeute, dass Arbeitsunfähigkeit (AU) bereits im Frühjahr 1993 vorgelegen habe, obwohl physische krankhafte Symptome nicht aufgetreten seien. Er habe unstreitig seinen Betrieb am 18. Februar 1993 abgemeldet. Mithin stehe fest, dass seit diesem Zeitpunkt AU vorgelegen habe. Dies werde auch durch das Sachverständigengutachten bestätigt. Da es sich bei seiner Erkrankung nicht um eine körperliche Krankheit handele, hätte das SG die Frage klären müssen, ob in entsprechender Anwendung des § 116 Abs. 2 SGB VI für den Rentenbeginn ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung für die Rehabilitation abzustellen sei, sondern vielmehr auf den früheren Zeitpunkt des Eintritts der EU. Das ergebe sich aus dem dieser Bestimmung zugrunde liegenden Rechtsgedanken, dass ein Versicherter bei Stellung eines voraussichtlich erfolglosen Rehabilitationsantrages so behandelt werde, als ob er Rente wegen EU beantragt hätte. Mithin müssten die Versicherten, die schuldlos ihre Situation nicht richtig einschätzen könnten, ab dem Zeitpunkt des Eintritts der EU so behandelt werden, als hätten sie einen Rentenantrag zu diesem Zeitpunkt gestellt, da andernfalls die Nichtgewährung der Rente zu einer unbilligen Härte für den Betroffenen führen würde. Zumindest aber sei dem Hilfsantrag stattzugeben. § 75 SGB VI beziehe sich ausschließlich auf Entgeltpunkte für Zeiten nach dem Rentenbeginn. Rentenbeginn sei jedoch der 1. April 1994. Die streitgegenständliche Zeit liege jedoch vor diesem Zeitpunkt, so dass es sich bei dem dazwischen liegenden Zeitraum um eine Anrechnungszeit handele.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 17. August 1999 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Rentenbescheides vom 27. Juli 1995, geändert durch den Rentenbescheid vom 7. Februar 1996, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Juni 1996 und unter Änderung des Ren tenbescheides vom 6. November 1997, geändert durch den Bescheid vom 21. Januar 1999, zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 19. Februar 1993 bis zum 31. März 1994 Ersatzübergangsgeld zu gewähren, hilfsweise, die bewilligte Leistung für die Zeit ab 1. April 1994 neu festzustellen und dabei die Zeit vom 19. Februar 1993 bis 31. März 1994 als Anrechnungszeit zu berücksichtigen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des SG im Ergebnis für zutreffend.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die zum Verfahren eingereichten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.

Die Rehabilitationsakte der BfA, die Akte der Beklagten und die Gerichtsakten (2 Bände) haben vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Klägers, mit der dieser im Wege seines Hauptantrages nur noch die Gewährung von Ersatzübergangsgeld in Höhe der Rente wegen EU geltend macht, ist nicht begründet.

Der Kläger, dessen erstinstanzlich verfolgtes Rentenbegehren für die Zeit vom 19. Februar 1993 bis zum 31. März 1994 die Gewährung von Übergangsgeld umfasst (vgl. Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 21. Juli 1987 - 4 a RJ 71/86 = SozR 2200 § 1246 Nr. 145), hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung von Ersatzübergangsgeld in Höhe der Rente wegen EU in dem genannten Zeitraum. Er kann von der Beklagten auch nicht die rentensteigernde Berücksichtigung der Zeit vom 19. Februar 1993 bis zum 31. März 1994 als Anrechnungszeit bei der Berechnung der ihm ab 1. April 1994 gewährten Rente wegen EU verlangen.

Der von dem Kläger erhobene Anspruch bestimmt sich nach den §§ 20 Abs. 3, 25 Abs. 2 i.V. mit § 44 SGB VI in der bis 31. Dezember 1995 geltenden Fassung, weil der Kläger aufgrund des im April 1994 bei der BfA gestellten Rehabilitationsantrages, der vorliegend gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI als Rentenantrag gilt, Leistungen für die Zeit ab dem 19. Februar 1993 geltend macht (vgl. § 300 Abs. 2 SGB VI).

Einer notwendigen Beiladung der BfA gemäß § 75 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat es ungeachtet der bereits seinerzeit ausschließlichen Zuständigkeit der Beklagten auch für die Gewährung der medizinischen Rehabilitationsleistungen gemäß § 129 Abs. 1 SGB VI bereits deshalb nicht bedurft, weil ein Anspruch des Klägers auf Gewährung von Ersatzübergangsgeld in Höhe der Rente wegen EU vom 19. Februar 1993 bis zum 31. März 1994 offensichtlich nicht gegeben ist. In diesen Fällen kann die Beiladung unterbleiben (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 1993 - 6 RKa 20/91 = SozR 3-2200 § 368 n Nr. 6; BSG, Urteil vom 20. April 1993 - 4 RA 7/92 - nicht veröffentlicht; BSGE 66, 144; BSG SozR 3-2200 § 1232 Nr. 3).

Eine Rechtsgrundlage für die vom Kläger begehrte Zahlung von Ersatzübergangsgeld bereits ab dem 19. Februar 1993 bis zum 31. März 1994 ist nicht ersichtlich. Nach § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Bei späterer Antragstellung wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird (§ 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI).

Unabhängig davon, dass auch nach dem eigenen Vorbringen des Klägers vom Vorliegen der eine EU begründenden medizinischen Tatsachen frühestens am 19. Februar 1993 auszugehen und damit ein Leistungsbeginn ohnehin frühestens am 1. März 1993 möglich wäre, fehlt es für Zeiträume vor dem 1. April 1994 an der erforderlichen Antragstellung. Der Antrag auf Gewährung medizinischer Leistungen zur Rehabilitation, der hier wegen der nicht erfolgreich gewesenen Rehabilitationsleistung gemäß § 116 Abs. 2 SGB VI als Antrag auf Rente gilt, ist bei der BfA erst im April 1994 gestellt worden. Da zu diesem Zeitpunkt die Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung von Rente wegen EU bzw. Ersatzübergangsgeld in Höhe der Rente wegen EU ungeachtet dessen, ob vom Eintritt der EU des Klägers schon im Februar 1993 bzw. erst im November 1993 (Beginn der nervenärztlichen Behandlung) auszugehen ist, jedenfalls schon länger als drei Kalendermonate erfüllt waren, kommt eine Leistungsgewährung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI frühestens vom Antragsmonat (April 1994) an in Betracht.

Auch unter dem Gesichtspunkt eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches ist eine frühere Leistungsgewährung an den Kläger bereits vor dem 1. April 1994 nicht möglich. Der Herstellungsanspruch ist von der Rechtsprechung entwickelt worden. Er verpflichtet die Behörde, dort, wo dem Versicherten durch Verwaltungsfehler ein Nachteil in seinen Sozialrechten entstanden ist, den sozialrechtlichen Zustand herzustellen, der bestanden hätte, wenn die Behörde von Anfang an richtig gehandelt hätte. Da es sich nicht um einen Schadensersatzanspruch handelt, setzt der Herstellungsanspruch kein Verschulden voraus (vgl. BSGE 49, 76). In Betracht käme hier nach Lage der Sache nur eine Beratungsfehler, der dazu geführt hat, dass es der Kläger mangels ausreichender Information versäumt hat, durch eine rechtzeitige Antragstellung seinen Anspruch auf Gewährung von Rente wegen EU bzw. Ersatzübergangsgeld in Höhe der Rente wegen EU bereits frühestens ab 1. März 1993 zu sichern. Anhaltspunkte für einen derartigen Beratungsfehler der Beklagten, der BfA oder eines anderen Sozialleistungsträgers (vgl. bei Beratungsfehlern anderer Behörden: BSGE 51, 89; BSG SozR 1200 § 14 Nrn. 19, 29) sind jedoch nicht ersichtlich. Für die BfA bzw. die Beklagte bestand erstmals durch den Rehabilitationsantrag des Klägers vom April 1994 Anlass zur Beratung. Das Arbeitsamt III, bei dem der Kläger am 19. Februar 1993 vorstellig wurde, war zwar grundsätzlich verpflichtet, den Kläger auf sich aufdrängende Nachteile in anderen Rechtsbereichen, mithin auch im Bereich der gesetzlichen Rentenversicherung, zumindest hinzuweisen (vgl. BSG SozR 1200 § 14 Nr. 29). Ein Verstoß gegen diese Beratungspflicht kann aber bereits deshalb nicht festgestellt werden, weil der Kläger selbst wiederholt und nachdrücklich vorgetragen hat, dass ihm selbst und auch anderen Personen seinerzeit sein psychischer Zustand nicht bekannt gewesen sei. Erste ärztliche Feststellungen über die schwere psychische Erkrankung des Klägers traf erst die Ärztin für Neurologie und Psychiatrie B-H, bei der sich der Kläger ausweislich des vorliegenden Attestes dieser Ärztin vom 18. April 1994 seit dem 15. November 1993 in ärztlicher Behandlung befand. Im Rahmen des auf den 19. Februar 1993 beschränkten Kontaktes des Klägers mit dem Arbeitsamt waren demnach weder ihm selbst noch dem Arbeitsamt tatsächliche Anhaltspunkte bekannt, aufgrund derer sich das Arbeitsamt hätte gedrängt sehen können und müssen, den Kläger zumindest auf die Möglichkeit einer Antragstellung bzw. sachkundigen Beratung beim Rentenversicherungsträger hinzuweisen. Nach dem 19. Februar 1993 gab es aber keine weiteren Kontakte des Klägers mit dem Arbeitsamt.

Die Rechtsauffassung des Klägers, wonach bei der Anwendung des § 116 Abs. 2 SGB VI für den Rentenbeginn ausnahmsweise nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung für die Rehabilitation, sondern vielmehr auf den früheren Zeitpunkt des Eintritts der EU abzustellen sei, findet im geltenden Recht keine Stütze. Durch die Regelung des § 116 Abs. 2 SGB VI soll sichergestellt werden, dass sich die Rehabilitationsbereitschaft der Versicherten rentenrechtlich nicht nachteilig auswirken kann. Das Antragsprinzip im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung nach § 19 Satz 1 Sozialgesetzbuch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV) bleibt hiervon unberührt. Deswegen regelt § 116 Abs. 2 SGB VI eine Antragsfiktion bei aussichtsloser oder erfolgloser Rehabilitation, jedoch keine allgemeine Ausnahme vom Antragsprinzip.

Auch der Hilfsantrag des Klägers ist nicht begründet. Dieser kann von der Beklagten die rentensteigernde Berücksichtigung der Zeit vom 19. Februar 1993 bis 31. März 1994 als - einzig in Betracht kommende - Anrechnungszeit wegen AU bzw. Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1 und 3 SGB VI nicht verlangen. Nach der genannten Vorschrift sind Anrechnungszeiten u.a. Zeiten, in denen Versicherte wegen Krankheit arbeitsunfähig gewesen sind oder Leistungen zur Rehabilitation erhalten haben (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) bzw. wegen Arbeitslosigkeit bei einem deutschen Arbeitsamt als Arbeitsuchende gemeldet waren und eine öffentlich-rechtliche Leistung bezogen oder nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen haben (§ 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI). Anrechnungszeiten nach diesen Vorschriften liegen nur vor, wenn dadurch eine versicherte Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit unterbrochen ist (§ 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI).

Für den Zeitraum vom 19. Februar 1993 bis zum 14. November 1993 ist mit der erforderlichen Sicherheit nicht mehr festzustellen, ob der Kläger arbeitsunfähig war. AU liegt nach der allgemeinen Begriffsbestimmung der Rechtsprechung vor, wenn der Versicherte seine zuletzt ausgeübte Erwerbstätigkeit oder eine ähnlich geartete Tätigkeit nicht mehr oder nur auf die Gefahr hin, seinen Zustand zu verschlimmern, verrichten kann (vgl. BSGE 61, 66 = SozR 2200 § 182 Nr. 104 m.w.N.). Medizinische Tatsachen, aus denen sich entsprechende Feststellungen mit der erforderlichen Gewissheit für den genannten Zeitraum herleiten ließen, sind jedoch nicht ersichtlich. Zudem hat sich der Kläger ab dem 19. Februar 1993 arbeitsuchend gemeldet und damit verdeutlicht, dass er selbst sich nicht aus Krankheitsgründen an der Aufnahme einer Arbeit gehindert sah. Die gehörten Gutachter bzw. Sachverständigen haben den Kläger im Juni 1995 (Dr. T) bzw. im Oktober 1997 (Dr. G) untersucht und rückschauend zum Eintritt des aufgehobenen Leistungsvermögens nur Einschätzungen abgegeben, die aber keine sichere Feststellung im Sinne des erforderlichen Vollbeweises ermöglichen. Die chronologisch erste und im Sinne der Annahme eines aufgehobenen Leistungsvermögens aussagekräftige ärztliche Einschätzung stammt von der den Kläger seit dem 15. November 1993 behandelnden Nervenärztin B-H (Attest vom 18. April 1994). Die Nichtfeststellbarkeit der anspruchsbegründenden Tatsachen für den vor Beginn dieser Behandlung liegenden Zeitraum geht nach Ausschöpfung der Amtsermittlungsmöglichkeiten des Gerichts zu Lasten des Klägers, der hieraus Rechte herleiten will. Der Grundsatz der objektiven Beweislast gilt insoweit auch im sozialgerichtlichen Verfahren.

Der Berücksichtigung einer Anrechnungszeit wegen AU ab dem 15. November 1993 steht entgegen, dass es insoweit an der Unterbrechung einer versicherungspflichtigen Tätigkeit fehlt. Zum einen ist der Anschluss an die bereits im Februar 1993 beendete Tätigkeit nicht gewahrt. Die Unterbrechung einer selbständigen Tätigkeit i.S. des § 58 Abs. 2 Satz 1 SGB VI setzt überdies, sofern AU und EU nebeneinander bestehen, voraus, dass die EU nicht zum endgültigen Ausscheiden aus dem Erwerbsleben geführt hat (vgl. BSGE 58, 94, 95). Auch dies ist hier aber spätestens ab dem 15. November 1993 der Fall gewesen, da dem Kläger Rente wegen EU auf Dauer bewilligt ist und von keinem der beteiligten Mediziner eine Besserungsprognose gestellt worden ist.

Aus diesem Grunde könnte im Übrigen der vorangegangene Zeitraum vom 19. Februar 1993 bis zum 14. November 1993 selbst dann nicht als Anrechnungszeit berücksichtigt werden, wenn die medizinische Beweislage abweichend von den bisherigen Darlegungen beurteilt würde bzw. der Auffassung des Klägers zu folgen wäre, die aufgrund der Untersuchungsergebnisse der Nervenärztin B-H bezogen auf Mitte November 1993 mit hinreichender Sicherheit feststellbaren Leistungseinschränkungen hätten bereits im Februar 1993 vorgelegen. Dann nämlich wurde auch insoweit der „Ausschluss“ der Anrechnungszeit wegen AU durch gleichzeitig vorliegende dauernde EU greifen. Für eine Differenzierung dahingehend, dass ab Februar 1993 AU, nicht aber EU, vorgelegen haben könnte, bieten die vorhandenen medizinischen Unterlagen, bei denen es sich durchweg um in der Rückschau gewonnenes Material handelt, da im streitigen Zeitraum keine Befunde erhoben wurden, keinen Anhaltspunkt und auch keinen Ansatzpunkt für weitere Ermittlungen.

Eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit im Sinne des § 58 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 SGB VI ist bei der dem Kläger ab dem 1. April 1994 gewährten Rente wegen EU ebenfalls nicht rentensteigernd zu berücksichtigen. Für die Zeit vom 19. Februar 1993 bis zum 22. November 1993 gilt dies schon deshalb, weil der Kläger - ungeachtet seiner nur einmaligen Meldung beim Arbeitsamt am 19. Februar 1993 - erst ab dem 23. November 1993 eine öffentlich-rechtliche Leistung, nämlich Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem BSHG, bezogen hatte. Für die Zeit vor dem 23. November 1993 ist auch eine öffentlich-rechtliche Leistung nicht nur wegen des zu berücksichtigenden Einkommens oder Vermögens nicht bezogen worden, sondern nach dem Bescheid des Arbeitsamtes III vom 19. Februar 1993 mangels Erfüllung der erforderlichen Anwartschaftszeit. Da spätestens seit 15. November 1993 von EU auszugehen ist, kommt auch eine Anrechnungszeit wegen Arbeitslosigkeit ab dem 23. November 1993 nicht in Betracht. Denn gemäß § 75 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 SGB VI werden bei Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit für Anrechnungszeiten, die nach Eintritt der hierfür maßgebenden Minderung der Erwerbsfähigkeit liegen, Entgeltpunkte nicht ermittelt. Hinzu kommt, dass für die Zeit ab dem 20. Mai 1993 auch nicht mehr von einer Meldung des Klägers als Arbeitsloser auszugehen ist. Bei Arbeitslosen, die keine Leistungen des Arbeitsamtes beziehen, ist nämlich zu fordern, dass sie sich regelmäßig, d.h. jedenfalls alle drei Monate weiterhin als arbeitsuchend beim Arbeitsamt melden müssen (vgl. BSG SozR 3-2600 § 58 Nr. 2 = NZS 1995, 183). Der Kläger hat sich nur einmal, am 19. Februar 1993, beim Arbeitsamt als arbeitslos gemeldet. Er hat im Termin zur mündlichen Verhandlung selbst vorgetragen, dass sich durch die Ablehnung seines Antrages auf Gewährung von Arbeitslosenhilfe mit Bescheid vom selben Tage seine Arbeitslosmeldung erledigt und er sich in der Folge beim Arbeitsamt nicht mehr gemeldet habe.

Bei der auf § 193 SGG beruhenden Kostenentscheidung war zu berücksichtigen, dass die Beklagte Anlass zur Klageerhebung gegeben hat, weil sie den Anspruch des Klägers auf Rente wegen EU zu Unrecht befristet hatte, denn bereits nach den seinerzeit vorliegenden ärztlichen Unterlagen war das Leistungsvermögen des Klägers auf unabsehbare Zeit aufgehoben. Der Dauerrentenanspruch des Klägers wurde erst nach umfangreichen Ermittlungen des SG mit Bescheid vom 6. November 1997 anerkannt. Mit seinem Berufungsbegehren hat der Kläger demgegenüber nicht durchdringen können.

Gründe für eine Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved