Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 10 AS 1081/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 AS 4094/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.10.2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt war, im Wege einer vorläufigen Bewilligung gewährte Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 31.05.2011 mit Bescheid vom 13.01.2016 durch eine endgültige Bewilligung, wegen der Anrechnung von erzieltem Einkommen in deutlich geringerer Höhe (bis 30.11.2010), bzw. eine "Nullbewilligung" (ab 01.12.2010) zu ersetzen und vom Kläger die Erstattung von 4.166,86 EUR überzahlten Leistungen zu verlangen.
Der Kläger stand seit 2009 im laufenden Leistungsbezug des Beklagten und war seit Januar 2010 selbstständig tätig. Im Weitergewährungsantrag vom 05.05.2010 gab der Kläger in der ‚Anlage EKS‘ an, seit dem 01.01.2010 als Einzelunternehmer ein Gewerbe "PC-Techniker/PC-Service" auszuüben. Als voraussichtliche Betriebseinnahmen nach Abzug der Betriebsausgaben prognostizierte er für Juni 2010 einen Verlust von 53 EUR, für Juli 2010 einen Gewinn von 5 EUR, für August 2010 einen Gewinn von 23 EUR, für September 2010 von 81 EUR, für Oktober 2010 von 99 EUR und für November 2010 von 157 EUR. Mit Bescheid vom 09.06.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger daraufhin vorläufig (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a SGB II i.V.m. § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III) Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 in Höhe von monatlich 564,58 EUR, davon 323,00 EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und 241,58 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU).
Im Weiterbewilligungsantrag vom 17.11.2010 bezifferte der Kläger den erwarteten Gewinn für Dezember 2010 mit 31 EUR, für Januar 2011 mit 55 EUR, für Februar 2011 mit 85 EUR, für März 2011 mit 175 EUR, für April 2011 mit 235 EUR und für Mai 2011 mit 265 EUR. Mit Bescheid vom 26.11.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger daraufhin wiederum vorläufig (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a SGB II i.V.m. § 328 SGB III) Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 in Höhe von monatlich 531,78 EUR, davon 290,20 EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und 241,58 EUR KdU. Als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ging der Beklagte vom Mittelwert des vom Kläger mitgeteilten geschätzten Gewinns (141,00 EUR monatlich) abzüglich Freibeträgen nach §§ 11, 30 SGB II in Höhe von 108,20 EUR monatlich aus und brachte deshalb 32,80 EUR als monatliches Einkommen in Abzug. Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 vollzog der Beklagte die Regelsatzanpassung zum 01.01.2011 und erhöhte die Leistungen des Klägers im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.05.2011 um monatlich 5 EUR. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, dass, soweit dem Kläger die Leistungen bisher vorläufig (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a SGB II i.V.m. § 328 SGB III) bewilligt worden seien, diese Vorläufigkeit bestehen bleibe.
Im März 2012 bat der Beklagte den Kläger, sein Einkommen für die Jahre 2009 bis 2011 nachzuweisen. Dieser teilte am 30.04.2012 telefonisch mit, er wolle die abschließenden Angaben zusammen mit seiner Steuererklärung machen, und bat um Fristverlängerung bis Jahresende. Mit Schreiben vom 30.04.2012 wurde die Frist auf den 31.05.2012 verlängert und dem Kläger wurde mitgeteilt, dass sofern keine Unterlagen eingereicht würden, die Befugnis bestehe, sein Einkommen zu schätzen.
Im März 2014 errechnete die Beklagte auf der Grundlage von Daten des Klägers, wonach im Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 Einnahmen in Höhe von 7201,29 EUR Betriebsausgaben in Höhe von 5.412,33 EUR gegenüber standen, ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 298,16 EUR (Bl. 152 bis 155 Verwaltungsakte des Beklagten – VA). Für den nachfolgenden Bewilligungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 errechnete der Beklagte ausgehend von 14.443,12 EUR erzielten Betriebseinnahmen, denen 8.642,730 EUR Betriebsausgaben gegenüber standen, ein anzurechnendes monatliches Einkommen von 966,79 EUR.
Mit Bescheid vom 13.01.2016 setzte der Beklagte die monatlichen Leistungen des Klägers nach dem SGB II für die Bewilligungszeiträume vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 und vom 01.12.2010 bis zum 31.05.2011 endgültig fest, im erstgenannten Zeitraum auf monatlich 406,05 EUR (164,47 EUR Regelleistung und 241,58 EUR KdU, vgl. Änderungsbescheid vom selben Tag) und für den letztgenannten Zeitraum im Sinne einer Nullbewilligung. Zugleich forderte der Beklagte für den erstgenannten Bewilligungszeitraum monatlich 158,53 EUR überzahlte Leistungen zurück, für den letztgenannten Zeitraum monatlich 675,87 EUR (Dezember 2010) bzw. 686,16 EUR (Januar bis Mai 2011). In den letztgenannten Beträgen waren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i.H.v. 126,05 EUR/18,04 EUR (Dezember 2010) bzw. i.H.v. 131,34 EUR / 18,04 EUR (Januar bis Mai 2011) enthalten. So errechnete der Beklagte einen Gesamt-Erstattungsbetrag von 5.057,85 EUR.
Dagegen erhob der Kläger am 08.02.2016 Widerspruch mit der Begründung, die endgültige Festsetzung nach Ablauf der Jahresfrist des analog anzuwendenden § 45 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei nach einer Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Neubrandenburg (Urteil vom 12.11.2015, S 14 AS 969/15) rechtswidrig. Jedenfalls aber sei das Recht zur endgültigen Festsetzung nach Ablauf von über fünf Jahren verwirkt.
Mit Änderungsbescheid vom 11.02.2016 reduzierte der Beklagte den Erstattungsbetrag für den Bewilligungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 um die ursprünglich ebenfalls geforderten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 4.166,86 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück. Das Einkommen sei in zutreffender Weise bei den Berechnungen zugrunde gelegt worden. Wegen des sich daraus errechnenden geringeren Hilfebedarfs hätten die vorläufig bewilligten überzahlten Beträge zurückgefordert werden können. Die in den §§ 45 Abs. 4, 48 Abs. 4 SGB X geregelten Ausschlussfristen seien bei der vorläufigen Entscheidung nach § 328 SGB III nicht sinngemäß anzuwenden. Auch unzulässige Rechtsausübung oder Verwirkung lägen nicht vor.
Dagegen hat der Kläger am 17.03.2016 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die angefochtenen Bescheide seien wegen Verstoßes gegen § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, der auch im Rahmen des § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III zur Anwendung gelangen müsse, rechtswidrig. Jedenfalls sei der geltend gemachte Erstattungsanspruch verjährt. Nach § 195 BGB betrage die Verjährungsfrist drei Jahre. Seit dem 01.06.2012 seien dem Beklagten die Einkommensverhältnisse des Klägers bekannt, weshalb die Verjährung nach § 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2015 eingetreten sei. Der Kläger könne sich außerdem nach Ablauf von über drei Jahren nach Erfüllung der eigenen Mitwirkungspflichten auf Verwirkung berufen. Hierfür müssten ein Zeitmoment, ein Umstandsmoment und eine faktische und rechtliche Untätigkeit des Anspruchsinhabers vorliegen. Streitig sei vorliegend nur das Umstandsmoment, der Vertrauenstatbestand. Eine Pflicht des Beklagten zur beschleunigten Geltendmachung seiner Ansprüche folge aus dem Bedürfnis der Rechtssicherheit, wie es in §§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 SGB II, 40 Abs. 1 SGB II, 34 Abs. 3 SGB II und § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seinen Niederschlag gefunden habe. Werde eine Behörde pflichtwidrig über Jahre nicht tätig, könne der Leistungsbezieher davon ausgehen, dass dies planmäßig geschehe und das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. §§ 45 Abs. 4, 48 Abs. 4 SGB X seien auch nicht analog auf Entscheidungen nach § 328 SGB III anwendbar. Anders als bei der endgültigen Leistungsbewilligung könne sich bei der vorläufigen Bewilligung beim Empfänger kein Vertrauen auf dauerhaften Verbleib der Leistung bilden. Deshalb habe der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Rückabwicklung abweichend von den Regelungen der §§ 44 ff. SGB X normiert. Eine Verwirkung liege nicht vor. Der Kläger könne auf das endgültige Behaltendürfen der Leistung aufgrund der vorläufigen Bewilligung nicht vertrauen. Besondere Umstände, die für die Annahme einer Verwirkung sprechen könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zugleich den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. § 328 SGB III enthalte keine Regelung zu Ausschlussfristen. Dabei handele es sich um eine gewollte gesetzgeberische Entscheidung. § 328 Abs. 3 SGB III verdränge als spezialgesetzliche Regelung für vorläufige Bewilligungen die Anwendung der §§ 44 ff. SGB X. Raum für eine analoge Anwendung bestehe nicht. Bei §§ 45, 48 SGB X wolle der Gesetzgeber dem schutzwürdigen Vertrauen in den Bestand eines Verwaltungsakts Rechnung tragen. Demgegenüber entstehe bei vorläufiger Bescheidung kein Vertrauen in das Behaltendürfen der ausgezahlten Leistungen. Der Entscheidung des SG Neubrandenburg sei nicht zu folgen. Auch eine Verwirkung sei nicht eingetreten. Es fehle bereits an die Verwirkung auslösenden besonderen Umständen im Sinne eines "venire contra factum proprium". Zwar habe der Beklagte drei Jahre gebraucht, um bis nach Eingang der zur Berechnung notwendigen Unterlagen die Forderung zu berechnen und die Erstattung zu verfügen, das sei aber noch nicht so lang, als kein vernünftiger Mensch mit einer Erstattungsforderung hätte rechnen müssen.
Gegen diesen seiner Bevollmächtigten am 20.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.11.2016 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Die Auffassung des SG Neubrandenburg, wonach das Fehlen einer Rechtssicherheit schaffenden Frist auf eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers zurückzuführen sei, werde durch die Einfügung des § 41a SGB II durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II bestätigt. Hiernach gelte die vorläufig bewilligte Leistung als abschließend festgesetzt, sollte innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung ergangen sein. Laut der Gesetzesbegründung orientiere sich diese Frist an § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, weil der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Entscheidung Kenntnis davon habe, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht vollständig aufgeklärt seien. Hieraus folge, dass die Rechtsprechung, wonach kein Erfordernis der zeitlichen Einschränkung des Erstattungsanspruchs nach § 328 SGB III bestehe (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14), nicht haltbar sei. Der Gesetzgeber sehe dem Erfordernis der Rechtssicherheit durch die bloße Anwendung regelmäßiger Verjährungsfristen gerade nicht ausreichend Rechnung getragen. Diese böten dem Leistungsbezieher keinen ausreichenden Schutz, da dieser erst zum Tragen komme, wenn ein Erstattungsbescheid rechtskräftig geworden sei. Darüber hinaus sei auch Verwirkung eingetreten, insbesondere sei entgegen der Auffassung des SG auch das für eine Verwirkung geforderte "Umstandsmoment" zu bejahen. Zwischen der vorläufigen Bewilligung und der endgültigen Festsetzung seien sechs Jahre gelegen. Bei endgültiger Festsetzung habe der Kläger bereits seit 4½ Jahren nicht mehr im Leistungsbezug gestanden. Die entscheidungserheblichen Tatsachen seien dem Beklagten seit 3½ Jahren bekannt gewesen. Auch bei Kenntnis üblicherweise längerer Behördentätigkeit müssten verständige Bürger solche Zeiträume nicht erwarten. Werde eine Behörde, die wie der Beklagte verpflichtet sei, ihre Ansprüche beschleunigt geltend zu machen, pflichtwidrig über Jahre nicht tätig, dürfe der Bürger, der seinen Mitwirkungspflichten umfassend und zeitnah nachgekommen sei, davon ausgehen, dass dies planmäßig geschehe und das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei, ohne dass es eines diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweises der Behörde bedürfe.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.10.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und verweist darauf, dass inzwischen mehrere Landessozialgerichte entschieden hätten, dass eine analoge Anwendung des § 45 SGB X auf endgültige Festsetzungen nicht in Betracht komme (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 – und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2016 – L 3 AS 2104/15 –, jeweils nach juris). Die Bearbeitungsdauer sei vom Kläger mitverursacht, der selbst im März 2012 um eine Verlängerung der Frist für die Abgabe von Unterlagen gebeten habe. Nachdem das tatsächliche Einkommen deutlich über dem vorläufig in Ansatz gebrachten Einkommen gelegen habe, habe beim Kläger keinesfalls der Eindruck entstanden sein können, dass das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei. Der Beklagte habe außerdem für eine solche Annahme keinen Anlass gegeben.
Den Antrag des Klägers mit Schriftsatz vom 18.01.2017, ihm Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu gewähren, hat der Senat mit Beschluss vom 16.08.2017 (Az. L 1 AS 4094/16) abgelehnt, ebenfalls die gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren erhobene Beschwerde (Beschluss vom 16.08.2017, Az. L 1 AS 4095/16 B). Auf die Gründe wird jeweils Bezug genommen.
Der Kläger hat sich mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15.09.2017, die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.09.2017 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann - nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Berufung des Klägers entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Absatz 1 Nummer 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Statthafte Klageart ist im vorliegenden Fall eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Verwaltungsaktes des Beklagten vom 13.01.2016, geändert durch Bescheid vom 11.02.2016, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016.
Die erhobene Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden abschließend für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 einen geringeren Leistungsanspruch festgestellt und für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 einen Leistungsanspruch verneint und die Erstattung des aufgrund der vorläufigen Entscheidungen überzahlten Arbeitslosengeldes II (Alg II) geltend gemacht. Dem steht vorliegend weder eine analoge Anwendung der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 bzw. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X noch das auch im Sozialrecht anerkannte Rechtsinstitut der Verwirkung als Fall unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
Der Bescheid vom 13.01.2016 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.02.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016 ist formell rechtmäßig. Einer Anhörung (§ 24 SGB X) vor Erlass des Bescheides bedurfte es nicht, denn bei dem Erlass einer endgültigen Leistungsentscheidung handelt es sich nicht um einen eingreifenden Verwaltungsakt i.S.d. § 24 Abs. 1 SGB X (vgl. bereits Senatsurteil vom 27.06.2016 – L 1 AS 4849/15 –, juris, Rn. 31). Außerdem war eine Anhörung auch deshalb nicht geboten, weil die Ausnahmevorschriften des § 24 Abs. 2 Nr. 3 und 5 SGB X hier eingreifen: Die endgültige Festsetzung beruhte auf den Angaben des Klägers (§ 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X), der zudem über den Einkommenszufluss im streitgegenständlichen Zeitraum Kenntnis hatte, so dass auch § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X hier Anwendung finden kann (so zutreffend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2016 – L 7 AS 2045/13 –, juris, Rn. 19 m.w.N.).
Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht § 41a SGB II, sondern § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 SGB III Anwendung findet, also die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 (BGBl I 1824) am 01.08.2016 maßgebend ist. Bei Anfechtungsklagen kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bzw. des Widerspruchsbescheides, wenn – wie vorliegend am 16.02.2016 – ein solcher ergangen ist, an. Eine spätere Änderung der Rechtslage ist nur dann nicht unbeachtlich, wenn es nach dem einschlägigen materiellen Recht, zu dem auch materielles Übergangsrecht gehört, auf einen anderen Zeitpunkt ankommt (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Auflage 2017, § 54 Rn. 33 m.w.N.). Das ist hier im Ergebnis nicht der Fall. § 80 SGB II als hier maßgebliche Übergangsregelung erstreckt die Anwendbarkeit des § 41a SGB II nicht auf endgültige Festsetzungen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 26.07.2016. Das gilt unabhängig davon, ob diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht bestands- oder rechtskräftig waren. Zwar regelt § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016, dass der zum 01.08.2016 in Kraft getretene § 41a Absatz 5 Satz 1 SGB II auch für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren, mit der Maßgabe gilt, dass die Jahresfrist mit dem 1. August 2016 beginnt. § 80 SGB II trifft aber nur eine Regelung für diejenigen Fälle einer vorläufigen Festsetzung von Leistungen, in denen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26.07.2016 (am 01.08.2016), mit dem § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 SGB III in der bis dahin geltenden alten Fassung (a.F.) durch § 41a SGB II ersetzt wurde, eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen war. Das ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/8041 vom 06.04.2016), wo es zu § 80 SGB II heißt: "Soweit nach bisherigem Recht vorläufig entschieden wurde und die Bewilligungszeiträume vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beendet gewesen waren, sind häufig noch keine abschließenden Entscheidungen getroffen worden. § 41a soll auch für diese Entscheidungen angewandt werden." Daraus folgt zugleich, dass § 41a SGB II dann keine Anwendung findet, wenn eine endgültige Entscheidung vor dem 31.07.2016 ergangen ist.
Der Beklagte hat dem Kläger mit bestandskräftigen vorläufigen Bewilligungen im streitgegenständlichen Zeitraum zuletzt Alg II in Höhe von 564,58 EUR monatlich für Juni bis November 2010, in Höhe von 531,78 EUR für Dezember 2010 und in Höhe von 536,78 EUR monatlich für Januar bis Mai 2011 vorläufig bewilligt. Gemäß § 328 Abs. 2 SGB III i. V. m. § 40 Abs. 1 SGB II ist eine vorläufige Entscheidung auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie aufzuheben oder zu ändern ist. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III). So liegt der Fall hier. Aufgrund der abschließenden Angaben zum Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit stand dem Kläger im Bewilligungszeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 geringeres Alg II in Höhe von 406,05 EUR (164,47 EUR Regelbedarf und 241,58 EUR KdU) zu. Ab dem 01.12.2010 bis zum 31.05.2011 stand ihm gar kein Alg II mehr zu. Dem vom Beklagten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger im gesamten streitigen Zeitraum mit einer gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen ausgeschlossenen Studentin in einer sog. "gemischten Bedarfsgemeinschaft" (vgl. Saitzek in: Eicher/Luik, SGB II-Kommentar, 4. Auflage 2017, § 20 Rn. 21) zusammengelebt hat, zutreffend ermittelten Bedarf des Klägers in Höhe von 564,58 EUR (Regelbedarf von 323,00 EUR, anteilige angemessene KdU von 241,58 EUR) bzw. von 569,58 EUR ab Januar 2011 (aufgrund höherem Regelbedarf von 328,00 EUR) stand zu berücksichtigendes monatliches Einkommen gemäß § 11 SGB II in der bis 31.12.2010 anzuwendenden Fassung bzw. gemäß der §§ 11 bis 11b SGB II in der ab 01.01.2011 anzuwendenden Fassung in Höhe von (Juni bis November 2010) 158,53 EUR bzw. von 710,34 EUR (Dezember 2010 bis Mai 2011) monatlich gegenüber. Diese Anrechnungsbeträge hat der Beklagte zutreffend auf Grundlage des im Bewilligungszeitraum Juni bis November 2010 erzielten Gewinns des Klägers von 1.788,96 EUR und des im Bewilligungszeitraum von Dezember 2010 bis Mai 2011 erzielten Gewinns von 5.800,75 EUR, ermittelt durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben gemäß § 3 Abs. 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung [Alg II-V] in der hier anzuwendenden Fassung vom 18.12.2008), aufgeteilt auf die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V), somit von monatlich 298,16 EUR (Juni bis November 2010) bzw. 966,79 EUR (Dezember 2010 bis Mai 2011) errechnet, indem er von dem so ermittelten monatlichen Gewinn noch die Absetzbeträge gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V i.V.m. § 11 SGB II bzw. ab 01.01.2011 i.V.m. § 11b SGB II abgezogen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Das hiernach zu berücksichtigende monatliche Einkommen von 158,53 EUR im Bewilligungszeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 hat zur Folge, dass dem Kläger anstelle der vorläufigen Leistung in Höhe von 564,58 EUR tatsächlich nur monatlich 406,05 EUR zustanden. Da im nachfolgenden Bewilligungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 das anzurechnende Einkommen in Höhe von 710,34 EUR den Bedarf des Klägers von 564,58 EUR bzw. (ab Januar 2011) von 569,68 EUR deutlich überstiegen hat, bestand in diesem Bewilligungszeitraum überhaupt kein Anspruch auf SGB II-Leistungen, was der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden jeweils zu Recht endgültig festgestellt hat. In gleicher Weise hat der Beklagte zutreffend die Erstattung des in diesem Zeitraum aufgrund der vorläufigen Bewilligungen gewährten und dem Kläger wie festgestellt nicht zustehenden Alg II in Höhe von insgesamt 4.166,86 EUR als zwingende Rechtsfolge (§ 328 Abs. 3 Satz 2 Erster Halbsatz SGB III) geltend gemacht.
Der Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III ist nicht verjährt. Für den Erstattungsanspruch gilt nach allgemeiner Meinung die vierjährige Verjährung (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 –, juris, Rn. 23 m.w.N.), wobei die Verjährung erst beginnt, wenn der Verwaltungsakt über die endgültige Festsetzung unanfechtbar geworden ist (vgl. etwa Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 05/12, § 328 SGB III, Rn. 257, Eicher/Greiser in: Eicher, SGB II-Kommentar, 3. Auflage 2013, § 40 Rn. 57). Das ist hier noch nicht der Fall.
Für den Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III, der im vorliegenden Fall noch nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung) anwendbar ist, gilt die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht; sie findet auch keine analoge Anwendung, wie das SG zutreffend dargelegt hat. Anders als §§ 45, 48 SGB X sieht § 328 Abs. 3 SGB III weder eine Vertrauensschutzprüfung noch Ausschlussfristen vor. Das Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauens in das Behaltendürfen des vorläufig Erlangten bei vorläufigen Leistungen und der abweichende Charakter vorläufiger Leistungen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2016 – L 3 AS 2104/15 –, Rn. 18, juris), die im Vergleich zu endgültigen Leistungen als "aliud" anzusehen sind (BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R –, SozR 4-4200 § 40 Nr. 9, Rn. 23), stehen einem Rückgriff auf § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X im Wege der Analogie entgegen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 –, Rn. 19 f., juris). Die vereinzelt gebliebene gegenteilige Auffassung des SG Neubrandenburg, auf welche der Kläger sich maßgeblich beruft, geht davon aus, dass in §§ 45, 48 SGB X ein allgemeingültiges Fristensystem für alle Fallgruppen enthalten sein soll (Urteil vom 12.11.2015 – S 14 AS 969/15 –, Rn. 31, juris). Das überzeugt aber schon deshalb nicht, weil die von der Interessenlage vergleichbare Vorschussregelung in § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I ebenfalls keine entsprechende Ausschlussfrist vorsieht. Außerdem kommt es bei § 328 Abs. 3, anders als bei § 45 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 SGB X, auch nicht auf ein etwaiges Verschulden eines Beteiligten an (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 –, Rn. 21 f., juris).
Daraus, dass der Gesetzgeber rechtspolitisch offenbar Handlungsbedarf gesehen und mit § 41a SGB II eine neue Regelung geschaffen hat, in welche er in Absatz 5 die Fiktion einer abschließenden Festsetzung nach Jahresfrist unter Inbezugnahme auf § 45 Abs. Abs. 4 Satz 2 SGB X in der Gesetzesbegründung aufgenommen hat, lässt sich nicht schließen, dass es sich beim Fehlen einer solchen Regelung unter der davor jahrelang gültigen Rechtslage um eine planwidrige Regelungslücke gehandelt hat, die durch analoge Anwendung von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu schließen wäre. Der Gesetzgeber hat dies in seiner Gesetzesbegründung auch in keiner Weise zu Ausdruck gebracht. Außerdem hätte es dann auch der Übergangsregelung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 nicht bedurft. Deren Schaffung spricht, ebenso wie die dazu gehörige Gesetzesbegründung, gerade dafür, dass der Gesetzgeber sich dessen bewusst war, dass bislang eine endgültige Festsetzung ohne feste zeitliche Begrenzung erfolgen konnte.
Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch den Beklagten widerspricht auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Es liegt keine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch im Sozialversicherungsrecht anerkannt. Der erkennende Senat lässt, wie bereits der 3. Senat des LSGs Baden-Württemberg in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 24. August 2016 – L 3 AS 2104/15 –, Rn. 19, juris) offen, ob im Falle einer vorläufigen Bewilligung und angesichts des Umstands, dass sich der Leistungsberechtigte in einem solchen Fall regelmäßig gerade nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, überhaupt Raum für einen bei einer Verwirkung zwingend erforderlichen Vertrauenstatbestand besteht und deshalb eine Verwirkung überhaupt in Betracht kommen kann (ablehnend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.07.2014, L 18 AS 3472/13; für die grundsätzliche Möglichkeit einer Verwirkung Sächsisches LSG, Urteil vom 20.09.2013, L 7 AS 863/11, beide in juris). Denn es fehlt vorliegend jedenfalls an einem Umstandsmoment als einer der Tatbestandsvoraussetzungen einer Verwirkung.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch (aber noch innerhalb der Verjährungsfrist) nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich auf die Nichtgeltendmachung eingerichtet hat und er sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten zudem darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGHZ 43, 289, 292; 84, 280, 281; 105, 290, 298; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 87 ff). Die Verwirkung ist damit ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung (BGHZ 25, 47, 51 f). Demgemäß müssen für die Verwirkung eines Rechts stets drei Voraussetzungen erfüllt sein (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8; BSG SozR 4-2500 § 276 Nr 2), d.h. ein "Zeitmoment", ein "Umstandsmoment" und zusätzlich eine faktische und rechtliche Untätigkeit des Anspruchsinhabers. Das "Zeitmoment" ist erfüllt, wenn seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen ist; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Das "Umstandsmoment (Vertrauenstatbestand)" ist erfüllt, wenn der Schuldner sich darauf eingestellt hat, der Gläubiger werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht gegenwärtig und auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird. Schließlich darf während des für die Verwirkung erforderlichen Zeitraums der Berechtigte nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan haben (Untätigkeit des Berechtigten). So ist die Verwirkung ausgeschlossen, wenn er z.B. durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt (BSG, Urteil vom 08. Oktober 2014 – B 3 KR 7/14 R –, BSGE 117, 65-82, SozR 4-5560 § 17c Nr. 2, Rn. 44).
Selbst wenn man unterstellt, dass die 3 ½ Jahre währende Untätigkeit des Beklagten nach Erhalt der vollständigen Angaben zu seinem Gewinn durch den Kläger das "Zeitmoment" erfüllt, liegt eine Verwirkung nicht vor, denn es fehlt vorliegend am sog. "Umstandsmoment". Seitens des Beklagten liegt nur reine Untätigkeit vor, die nur zur Verjährung, nicht aber zur Verwirkung führen kann. Zwar besteht ein von Amts wegen zu beachtender verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung - jedenfalls bei Änderungen gegenüber den ursprünglich zugrunde gelegten Annahmen. Außerdem gebieten Sinn und Zweck von § 328 SGB III, jedenfalls in den Fällen des § 328 Abs. 3 SGB III die vorläufige Leistungsbewilligung nach Wegfall der Gründe für die nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens durch eine endgültige Entscheidung zu ersetzen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R –, SozR 4-4200 § 40 Nr. 9, Rn. 23 mit umfangreichen Nachweisen). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Untätigkeit des Beklagten über einen Zeitraum von über 3 ½ Jahren den Tatbestand des Verwirkung erfüllt, nachdem der verfahrensrechtliche Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung zwar allgemein bestand, aber nicht an ein bestimmtes Zeitmoment geknüpft war (anders jetzt in § 41a Abs. 5 SGB II in der seit dem 01.08.2016 geltenden Fassung). Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte eine endgültige Festsetzung nicht mehr vornehmen würde. Vielmehr musste er nach Erhalt der Schreiben vom 29.03.2012, mit dem der Beklagte eine abschließende Einkommensprüfung angekündigt hatte, und dem Schreiben vom 30.04.2012, mit dem eine Einkommensschätzung angedroht worden war, damit rechnen, dass noch eine für ihn ungünstige endgültige Festsetzung der SGB II-Leistungen erfolgen würde, zumal er seine tatsächliche Einkommenssituation im streitigen Zeitraum und die deutlich geringeren Einkommensschätzungen, die der vorläufigen Bewilligung zugrunde lagen, kannte.
Hiernach konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang ergänzend auf die Ausführungen im Beschluss vom 16.08.2017 (Az. L 1 AS 4095/16 B).
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beklagte berechtigt war, im Wege einer vorläufigen Bewilligung gewährte Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis zum 31.05.2011 mit Bescheid vom 13.01.2016 durch eine endgültige Bewilligung, wegen der Anrechnung von erzieltem Einkommen in deutlich geringerer Höhe (bis 30.11.2010), bzw. eine "Nullbewilligung" (ab 01.12.2010) zu ersetzen und vom Kläger die Erstattung von 4.166,86 EUR überzahlten Leistungen zu verlangen.
Der Kläger stand seit 2009 im laufenden Leistungsbezug des Beklagten und war seit Januar 2010 selbstständig tätig. Im Weitergewährungsantrag vom 05.05.2010 gab der Kläger in der ‚Anlage EKS‘ an, seit dem 01.01.2010 als Einzelunternehmer ein Gewerbe "PC-Techniker/PC-Service" auszuüben. Als voraussichtliche Betriebseinnahmen nach Abzug der Betriebsausgaben prognostizierte er für Juni 2010 einen Verlust von 53 EUR, für Juli 2010 einen Gewinn von 5 EUR, für August 2010 einen Gewinn von 23 EUR, für September 2010 von 81 EUR, für Oktober 2010 von 99 EUR und für November 2010 von 157 EUR. Mit Bescheid vom 09.06.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger daraufhin vorläufig (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a SGB II i.V.m. § 328 Sozialgesetzbuch Drittes Buch - SGB III) Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 in Höhe von monatlich 564,58 EUR, davon 323,00 EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und 241,58 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung (KdU).
Im Weiterbewilligungsantrag vom 17.11.2010 bezifferte der Kläger den erwarteten Gewinn für Dezember 2010 mit 31 EUR, für Januar 2011 mit 55 EUR, für Februar 2011 mit 85 EUR, für März 2011 mit 175 EUR, für April 2011 mit 235 EUR und für Mai 2011 mit 265 EUR. Mit Bescheid vom 26.11.2010 bewilligte der Beklagte dem Kläger daraufhin wiederum vorläufig (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a SGB II i.V.m. § 328 SGB III) Grundsicherungsleistungen für Arbeitssuchende (Alg II) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch ohne Anrechnung von Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 in Höhe von monatlich 531,78 EUR, davon 290,20 EUR Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts und 241,58 EUR KdU. Als Einkünfte aus selbständiger Tätigkeit ging der Beklagte vom Mittelwert des vom Kläger mitgeteilten geschätzten Gewinns (141,00 EUR monatlich) abzüglich Freibeträgen nach §§ 11, 30 SGB II in Höhe von 108,20 EUR monatlich aus und brachte deshalb 32,80 EUR als monatliches Einkommen in Abzug. Mit Änderungsbescheid vom 26.03.2011 vollzog der Beklagte die Regelsatzanpassung zum 01.01.2011 und erhöhte die Leistungen des Klägers im Zeitraum vom 01.01.2011 bis 31.05.2011 um monatlich 5 EUR. Dieser Bescheid enthielt den Hinweis, dass, soweit dem Kläger die Leistungen bisher vorläufig (§ 40 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 Buchst. a SGB II i.V.m. § 328 SGB III) bewilligt worden seien, diese Vorläufigkeit bestehen bleibe.
Im März 2012 bat der Beklagte den Kläger, sein Einkommen für die Jahre 2009 bis 2011 nachzuweisen. Dieser teilte am 30.04.2012 telefonisch mit, er wolle die abschließenden Angaben zusammen mit seiner Steuererklärung machen, und bat um Fristverlängerung bis Jahresende. Mit Schreiben vom 30.04.2012 wurde die Frist auf den 31.05.2012 verlängert und dem Kläger wurde mitgeteilt, dass sofern keine Unterlagen eingereicht würden, die Befugnis bestehe, sein Einkommen zu schätzen.
Im März 2014 errechnete die Beklagte auf der Grundlage von Daten des Klägers, wonach im Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 Einnahmen in Höhe von 7201,29 EUR Betriebsausgaben in Höhe von 5.412,33 EUR gegenüber standen, ein durchschnittliches monatliches Einkommen in Höhe von 298,16 EUR (Bl. 152 bis 155 Verwaltungsakte des Beklagten – VA). Für den nachfolgenden Bewilligungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 errechnete der Beklagte ausgehend von 14.443,12 EUR erzielten Betriebseinnahmen, denen 8.642,730 EUR Betriebsausgaben gegenüber standen, ein anzurechnendes monatliches Einkommen von 966,79 EUR.
Mit Bescheid vom 13.01.2016 setzte der Beklagte die monatlichen Leistungen des Klägers nach dem SGB II für die Bewilligungszeiträume vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 und vom 01.12.2010 bis zum 31.05.2011 endgültig fest, im erstgenannten Zeitraum auf monatlich 406,05 EUR (164,47 EUR Regelleistung und 241,58 EUR KdU, vgl. Änderungsbescheid vom selben Tag) und für den letztgenannten Zeitraum im Sinne einer Nullbewilligung. Zugleich forderte der Beklagte für den erstgenannten Bewilligungszeitraum monatlich 158,53 EUR überzahlte Leistungen zurück, für den letztgenannten Zeitraum monatlich 675,87 EUR (Dezember 2010) bzw. 686,16 EUR (Januar bis Mai 2011). In den letztgenannten Beträgen waren Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge i.H.v. 126,05 EUR/18,04 EUR (Dezember 2010) bzw. i.H.v. 131,34 EUR / 18,04 EUR (Januar bis Mai 2011) enthalten. So errechnete der Beklagte einen Gesamt-Erstattungsbetrag von 5.057,85 EUR.
Dagegen erhob der Kläger am 08.02.2016 Widerspruch mit der Begründung, die endgültige Festsetzung nach Ablauf der Jahresfrist des analog anzuwendenden § 45 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei nach einer Entscheidung des Sozialgerichts (SG) Neubrandenburg (Urteil vom 12.11.2015, S 14 AS 969/15) rechtswidrig. Jedenfalls aber sei das Recht zur endgültigen Festsetzung nach Ablauf von über fünf Jahren verwirkt.
Mit Änderungsbescheid vom 11.02.2016 reduzierte der Beklagte den Erstattungsbetrag für den Bewilligungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 um die ursprünglich ebenfalls geforderten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung auf 4.166,86 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 16.02.2016 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers im Übrigen zurück. Das Einkommen sei in zutreffender Weise bei den Berechnungen zugrunde gelegt worden. Wegen des sich daraus errechnenden geringeren Hilfebedarfs hätten die vorläufig bewilligten überzahlten Beträge zurückgefordert werden können. Die in den §§ 45 Abs. 4, 48 Abs. 4 SGB X geregelten Ausschlussfristen seien bei der vorläufigen Entscheidung nach § 328 SGB III nicht sinngemäß anzuwenden. Auch unzulässige Rechtsausübung oder Verwirkung lägen nicht vor.
Dagegen hat der Kläger am 17.03.2016 Klage beim Sozialgericht Freiburg (SG) erhoben. Die angefochtenen Bescheide seien wegen Verstoßes gegen § 45 Abs. 4 S. 2 SGB X, der auch im Rahmen des § 328 Abs. 3 S. 2 SGB III zur Anwendung gelangen müsse, rechtswidrig. Jedenfalls sei der geltend gemachte Erstattungsanspruch verjährt. Nach § 195 BGB betrage die Verjährungsfrist drei Jahre. Seit dem 01.06.2012 seien dem Beklagten die Einkommensverhältnisse des Klägers bekannt, weshalb die Verjährung nach § 199 BGB mit Ablauf des 31.12.2015 eingetreten sei. Der Kläger könne sich außerdem nach Ablauf von über drei Jahren nach Erfüllung der eigenen Mitwirkungspflichten auf Verwirkung berufen. Hierfür müssten ein Zeitmoment, ein Umstandsmoment und eine faktische und rechtliche Untätigkeit des Anspruchsinhabers vorliegen. Streitig sei vorliegend nur das Umstandsmoment, der Vertrauenstatbestand. Eine Pflicht des Beklagten zur beschleunigten Geltendmachung seiner Ansprüche folge aus dem Bedürfnis der Rechtssicherheit, wie es in §§ 1 Abs. 1 Ziff. 1 SGB II, 40 Abs. 1 SGB II, 34 Abs. 3 SGB II und § 88 Sozialgerichtsgesetz (SGG) seinen Niederschlag gefunden habe. Werde eine Behörde pflichtwidrig über Jahre nicht tätig, könne der Leistungsbezieher davon ausgehen, dass dies planmäßig geschehe und das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. §§ 45 Abs. 4, 48 Abs. 4 SGB X seien auch nicht analog auf Entscheidungen nach § 328 SGB III anwendbar. Anders als bei der endgültigen Leistungsbewilligung könne sich bei der vorläufigen Bewilligung beim Empfänger kein Vertrauen auf dauerhaften Verbleib der Leistung bilden. Deshalb habe der Gesetzgeber die Voraussetzungen der Rückabwicklung abweichend von den Regelungen der §§ 44 ff. SGB X normiert. Eine Verwirkung liege nicht vor. Der Kläger könne auf das endgültige Behaltendürfen der Leistung aufgrund der vorläufigen Bewilligung nicht vertrauen. Besondere Umstände, die für die Annahme einer Verwirkung sprechen könnten, seien weder vorgetragen noch ersichtlich.
Mit Gerichtsbescheid vom 10.10.2016 hat das SG die Klage abgewiesen und zugleich den Antrag des Klägers auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. § 328 SGB III enthalte keine Regelung zu Ausschlussfristen. Dabei handele es sich um eine gewollte gesetzgeberische Entscheidung. § 328 Abs. 3 SGB III verdränge als spezialgesetzliche Regelung für vorläufige Bewilligungen die Anwendung der §§ 44 ff. SGB X. Raum für eine analoge Anwendung bestehe nicht. Bei §§ 45, 48 SGB X wolle der Gesetzgeber dem schutzwürdigen Vertrauen in den Bestand eines Verwaltungsakts Rechnung tragen. Demgegenüber entstehe bei vorläufiger Bescheidung kein Vertrauen in das Behaltendürfen der ausgezahlten Leistungen. Der Entscheidung des SG Neubrandenburg sei nicht zu folgen. Auch eine Verwirkung sei nicht eingetreten. Es fehle bereits an die Verwirkung auslösenden besonderen Umständen im Sinne eines "venire contra factum proprium". Zwar habe der Beklagte drei Jahre gebraucht, um bis nach Eingang der zur Berechnung notwendigen Unterlagen die Forderung zu berechnen und die Erstattung zu verfügen, das sei aber noch nicht so lang, als kein vernünftiger Mensch mit einer Erstattungsforderung hätte rechnen müssen.
Gegen diesen seiner Bevollmächtigten am 20.10.2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat der Kläger am 08.11.2016 Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Die Auffassung des SG Neubrandenburg, wonach das Fehlen einer Rechtssicherheit schaffenden Frist auf eine planwidrige Regelungslücke des Gesetzgebers zurückzuführen sei, werde durch die Einfügung des § 41a SGB II durch das Neunte Gesetz zur Änderung des SGB II bestätigt. Hiernach gelte die vorläufig bewilligte Leistung als abschließend festgesetzt, sollte innerhalb eines Jahres nach Ablauf des Bewilligungszeitraums keine abschließende Entscheidung ergangen sein. Laut der Gesetzesbegründung orientiere sich diese Frist an § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X, weil der Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende bereits im Zeitpunkt der vorläufigen Entscheidung Kenntnis davon habe, dass die Voraussetzungen für die Leistungsgewährung nicht vollständig aufgeklärt seien. Hieraus folge, dass die Rechtsprechung, wonach kein Erfordernis der zeitlichen Einschränkung des Erstattungsanspruchs nach § 328 SGB III bestehe (Landessozialgericht [LSG] Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14), nicht haltbar sei. Der Gesetzgeber sehe dem Erfordernis der Rechtssicherheit durch die bloße Anwendung regelmäßiger Verjährungsfristen gerade nicht ausreichend Rechnung getragen. Diese böten dem Leistungsbezieher keinen ausreichenden Schutz, da dieser erst zum Tragen komme, wenn ein Erstattungsbescheid rechtskräftig geworden sei. Darüber hinaus sei auch Verwirkung eingetreten, insbesondere sei entgegen der Auffassung des SG auch das für eine Verwirkung geforderte "Umstandsmoment" zu bejahen. Zwischen der vorläufigen Bewilligung und der endgültigen Festsetzung seien sechs Jahre gelegen. Bei endgültiger Festsetzung habe der Kläger bereits seit 4½ Jahren nicht mehr im Leistungsbezug gestanden. Die entscheidungserheblichen Tatsachen seien dem Beklagten seit 3½ Jahren bekannt gewesen. Auch bei Kenntnis üblicherweise längerer Behördentätigkeit müssten verständige Bürger solche Zeiträume nicht erwarten. Werde eine Behörde, die wie der Beklagte verpflichtet sei, ihre Ansprüche beschleunigt geltend zu machen, pflichtwidrig über Jahre nicht tätig, dürfe der Bürger, der seinen Mitwirkungspflichten umfassend und zeitnah nachgekommen sei, davon ausgehen, dass dies planmäßig geschehe und das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei, ohne dass es eines diesbezüglichen ausdrücklichen Hinweises der Behörde bedürfe.
Der Kläger beantragt, den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 10.10.2016 und den Bescheid der Beklagten vom 13.01.2016 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 11.02.2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Sie hält den Gerichtsbescheid für zutreffend und verweist darauf, dass inzwischen mehrere Landessozialgerichte entschieden hätten, dass eine analoge Anwendung des § 45 SGB X auf endgültige Festsetzungen nicht in Betracht komme (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 – und LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2016 – L 3 AS 2104/15 –, jeweils nach juris). Die Bearbeitungsdauer sei vom Kläger mitverursacht, der selbst im März 2012 um eine Verlängerung der Frist für die Abgabe von Unterlagen gebeten habe. Nachdem das tatsächliche Einkommen deutlich über dem vorläufig in Ansatz gebrachten Einkommen gelegen habe, habe beim Kläger keinesfalls der Eindruck entstanden sein können, dass das Verwaltungsverfahren abgeschlossen sei. Der Beklagte habe außerdem für eine solche Annahme keinen Anlass gegeben.
Den Antrag des Klägers mit Schriftsatz vom 18.01.2017, ihm Prozesskostenhilfe für das Berufungsverfahren unter Beiordnung seiner Bevollmächtigten zu gewähren, hat der Senat mit Beschluss vom 16.08.2017 (Az. L 1 AS 4094/16) abgelehnt, ebenfalls die gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren erhobene Beschwerde (Beschluss vom 16.08.2017, Az. L 1 AS 4095/16 B). Auf die Gründe wird jeweils Bezug genommen.
Der Kläger hat sich mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 15.09.2017, die Beklagte mit Schriftsatz vom 27.09.2017 mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten und der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und die Prozessakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann - nachdem sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben - ohne mündliche Verhandlung durch Urteil über die Berufung des Klägers entscheiden (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz [SGG]).
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig; insbesondere ist sie statthaft, da Berufungsausschließungsgründe nicht eingreifen (vgl. §§ 143, 144 Absatz 1 Nummer 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Statthafte Klageart ist im vorliegenden Fall eine Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGG. Der Kläger begehrt die Aufhebung des ihn belastenden Verwaltungsaktes des Beklagten vom 13.01.2016, geändert durch Bescheid vom 11.02.2016, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016.
Die erhobene Anfechtungsklage ist nicht begründet. Der Beklagte hat zu Recht mit den angefochtenen Bescheiden abschließend für den Zeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 einen geringeren Leistungsanspruch festgestellt und für den Zeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 einen Leistungsanspruch verneint und die Erstattung des aufgrund der vorläufigen Entscheidungen überzahlten Arbeitslosengeldes II (Alg II) geltend gemacht. Dem steht vorliegend weder eine analoge Anwendung der Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 bzw. § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X noch das auch im Sozialrecht anerkannte Rechtsinstitut der Verwirkung als Fall unzulässiger Rechtsausübung entgegen.
Der Bescheid vom 13.01.2016 in der Gestalt des Änderungsbescheides vom 11.02.2016 und des Widerspruchsbescheides vom 16.02.2016 ist formell rechtmäßig. Einer Anhörung (§ 24 SGB X) vor Erlass des Bescheides bedurfte es nicht, denn bei dem Erlass einer endgültigen Leistungsentscheidung handelt es sich nicht um einen eingreifenden Verwaltungsakt i.S.d. § 24 Abs. 1 SGB X (vgl. bereits Senatsurteil vom 27.06.2016 – L 1 AS 4849/15 –, juris, Rn. 31). Außerdem war eine Anhörung auch deshalb nicht geboten, weil die Ausnahmevorschriften des § 24 Abs. 2 Nr. 3 und 5 SGB X hier eingreifen: Die endgültige Festsetzung beruhte auf den Angaben des Klägers (§ 24 Abs. 2 Nr. 3 SGB X), der zudem über den Einkommenszufluss im streitgegenständlichen Zeitraum Kenntnis hatte, so dass auch § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X hier Anwendung finden kann (so zutreffend LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 17.11.2016 – L 7 AS 2045/13 –, juris, Rn. 19 m.w.N.).
Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass vorliegend nicht § 41a SGB II, sondern § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 SGB III Anwendung findet, also die Rechtslage vor dem Inkrafttreten des Neunten Gesetzes zur Änderung des Zweiten Buches Sozialgesetzbuch – Rechtsvereinfachung – sowie zur vorübergehenden Aussetzung der Insolvenzantragspflicht vom 26.07.2016 (BGBl I 1824) am 01.08.2016 maßgebend ist. Bei Anfechtungsklagen kommt es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage auf den Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts bzw. des Widerspruchsbescheides, wenn – wie vorliegend am 16.02.2016 – ein solcher ergangen ist, an. Eine spätere Änderung der Rechtslage ist nur dann nicht unbeachtlich, wenn es nach dem einschlägigen materiellen Recht, zu dem auch materielles Übergangsrecht gehört, auf einen anderen Zeitpunkt ankommt (Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, 12. Auflage 2017, § 54 Rn. 33 m.w.N.). Das ist hier im Ergebnis nicht der Fall. § 80 SGB II als hier maßgebliche Übergangsregelung erstreckt die Anwendbarkeit des § 41a SGB II nicht auf endgültige Festsetzungen vor dem Inkrafttreten des Gesetzes vom 26.07.2016. Das gilt unabhängig davon, ob diese zum Zeitpunkt des Inkrafttretens noch nicht bestands- oder rechtskräftig waren. Zwar regelt § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016, dass der zum 01.08.2016 in Kraft getretene § 41a Absatz 5 Satz 1 SGB II auch für die abschließende Entscheidung über zunächst vorläufig beschiedene Leistungsansprüche für Bewilligungszeiträume, die vor dem 1. August 2016 beendet waren, mit der Maßgabe gilt, dass die Jahresfrist mit dem 1. August 2016 beginnt. § 80 SGB II trifft aber nur eine Regelung für diejenigen Fälle einer vorläufigen Festsetzung von Leistungen, in denen bis zum Inkrafttreten des Gesetzes vom 26.07.2016 (am 01.08.2016), mit dem § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II i.V.m. § 328 SGB III in der bis dahin geltenden alten Fassung (a.F.) durch § 41a SGB II ersetzt wurde, eine endgültige Entscheidung noch nicht ergangen war. Das ergibt sich auch aus der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 18/8041 vom 06.04.2016), wo es zu § 80 SGB II heißt: "Soweit nach bisherigem Recht vorläufig entschieden wurde und die Bewilligungszeiträume vor Inkrafttreten dieses Gesetzes beendet gewesen waren, sind häufig noch keine abschließenden Entscheidungen getroffen worden. § 41a soll auch für diese Entscheidungen angewandt werden." Daraus folgt zugleich, dass § 41a SGB II dann keine Anwendung findet, wenn eine endgültige Entscheidung vor dem 31.07.2016 ergangen ist.
Der Beklagte hat dem Kläger mit bestandskräftigen vorläufigen Bewilligungen im streitgegenständlichen Zeitraum zuletzt Alg II in Höhe von 564,58 EUR monatlich für Juni bis November 2010, in Höhe von 531,78 EUR für Dezember 2010 und in Höhe von 536,78 EUR monatlich für Januar bis Mai 2011 vorläufig bewilligt. Gemäß § 328 Abs. 2 SGB III i. V. m. § 40 Abs. 1 SGB II ist eine vorläufige Entscheidung auf Antrag der berechtigten Person für endgültig zu erklären, wenn sie aufzuheben oder zu ändern ist. Soweit mit der abschließenden Entscheidung ein Leistungsanspruch nicht oder nur in geringerer Höhe zuerkannt wird, sind aufgrund der vorläufigen Entscheidung erbrachte Leistungen zu erstatten (§ 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III). So liegt der Fall hier. Aufgrund der abschließenden Angaben zum Einkommen aus seiner selbständigen Tätigkeit stand dem Kläger im Bewilligungszeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 geringeres Alg II in Höhe von 406,05 EUR (164,47 EUR Regelbedarf und 241,58 EUR KdU) zu. Ab dem 01.12.2010 bis zum 31.05.2011 stand ihm gar kein Alg II mehr zu. Dem vom Beklagten unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Kläger im gesamten streitigen Zeitraum mit einer gemäß § 7 Abs. 5 Satz 1 SGB II von Leistungen ausgeschlossenen Studentin in einer sog. "gemischten Bedarfsgemeinschaft" (vgl. Saitzek in: Eicher/Luik, SGB II-Kommentar, 4. Auflage 2017, § 20 Rn. 21) zusammengelebt hat, zutreffend ermittelten Bedarf des Klägers in Höhe von 564,58 EUR (Regelbedarf von 323,00 EUR, anteilige angemessene KdU von 241,58 EUR) bzw. von 569,58 EUR ab Januar 2011 (aufgrund höherem Regelbedarf von 328,00 EUR) stand zu berücksichtigendes monatliches Einkommen gemäß § 11 SGB II in der bis 31.12.2010 anzuwendenden Fassung bzw. gemäß der §§ 11 bis 11b SGB II in der ab 01.01.2011 anzuwendenden Fassung in Höhe von (Juni bis November 2010) 158,53 EUR bzw. von 710,34 EUR (Dezember 2010 bis Mai 2011) monatlich gegenüber. Diese Anrechnungsbeträge hat der Beklagte zutreffend auf Grundlage des im Bewilligungszeitraum Juni bis November 2010 erzielten Gewinns des Klägers von 1.788,96 EUR und des im Bewilligungszeitraum von Dezember 2010 bis Mai 2011 erzielten Gewinns von 5.800,75 EUR, ermittelt durch Gegenüberstellung der Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben gemäß § 3 Abs. 2 Arbeitslosengeld II/Sozialgeld-Verordnung [Alg II-V] in der hier anzuwendenden Fassung vom 18.12.2008), aufgeteilt auf die Anzahl der Monate im Bewilligungszeitraum (§ 3 Abs. 4 Satz 1 Alg II-V), somit von monatlich 298,16 EUR (Juni bis November 2010) bzw. 966,79 EUR (Dezember 2010 bis Mai 2011) errechnet, indem er von dem so ermittelten monatlichen Gewinn noch die Absetzbeträge gemäß § 3 Abs. 4 Satz 3 Alg II-V i.V.m. § 11 SGB II bzw. ab 01.01.2011 i.V.m. § 11b SGB II abgezogen hat. Wegen der Einzelheiten wird auf die angefochtenen Bescheide Bezug genommen. Das hiernach zu berücksichtigende monatliche Einkommen von 158,53 EUR im Bewilligungszeitraum vom 01.06.2010 bis 30.11.2010 hat zur Folge, dass dem Kläger anstelle der vorläufigen Leistung in Höhe von 564,58 EUR tatsächlich nur monatlich 406,05 EUR zustanden. Da im nachfolgenden Bewilligungszeitraum vom 01.12.2010 bis 31.05.2011 das anzurechnende Einkommen in Höhe von 710,34 EUR den Bedarf des Klägers von 564,58 EUR bzw. (ab Januar 2011) von 569,68 EUR deutlich überstiegen hat, bestand in diesem Bewilligungszeitraum überhaupt kein Anspruch auf SGB II-Leistungen, was der Beklagte in den angefochtenen Bescheiden jeweils zu Recht endgültig festgestellt hat. In gleicher Weise hat der Beklagte zutreffend die Erstattung des in diesem Zeitraum aufgrund der vorläufigen Bewilligungen gewährten und dem Kläger wie festgestellt nicht zustehenden Alg II in Höhe von insgesamt 4.166,86 EUR als zwingende Rechtsfolge (§ 328 Abs. 3 Satz 2 Erster Halbsatz SGB III) geltend gemacht.
Der Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III ist nicht verjährt. Für den Erstattungsanspruch gilt nach allgemeiner Meinung die vierjährige Verjährung (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 –, juris, Rn. 23 m.w.N.), wobei die Verjährung erst beginnt, wenn der Verwaltungsakt über die endgültige Festsetzung unanfechtbar geworden ist (vgl. etwa Hengelhaupt in: Hauck/Noftz, SGB, 05/12, § 328 SGB III, Rn. 257, Eicher/Greiser in: Eicher, SGB II-Kommentar, 3. Auflage 2013, § 40 Rn. 57). Das ist hier noch nicht der Fall.
Für den Erstattungsanspruch nach § 328 Abs. 3 Satz 2 SGB III, der im vorliegenden Fall noch nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II (in der bis 31. Juli 2016 geltenden Fassung) anwendbar ist, gilt die Jahresfrist des § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X nicht; sie findet auch keine analoge Anwendung, wie das SG zutreffend dargelegt hat. Anders als §§ 45, 48 SGB X sieht § 328 Abs. 3 SGB III weder eine Vertrauensschutzprüfung noch Ausschlussfristen vor. Das Fehlen eines schutzwürdigen Vertrauens in das Behaltendürfen des vorläufig Erlangten bei vorläufigen Leistungen und der abweichende Charakter vorläufiger Leistungen (LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 24.08.2016 – L 3 AS 2104/15 –, Rn. 18, juris), die im Vergleich zu endgültigen Leistungen als "aliud" anzusehen sind (BSG, Urteil vom 29.04.2015 – B 14 AS 31/14 R –, SozR 4-4200 § 40 Nr. 9, Rn. 23), stehen einem Rückgriff auf § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X im Wege der Analogie entgegen (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 –, Rn. 19 f., juris). Die vereinzelt gebliebene gegenteilige Auffassung des SG Neubrandenburg, auf welche der Kläger sich maßgeblich beruft, geht davon aus, dass in §§ 45, 48 SGB X ein allgemeingültiges Fristensystem für alle Fallgruppen enthalten sein soll (Urteil vom 12.11.2015 – S 14 AS 969/15 –, Rn. 31, juris). Das überzeugt aber schon deshalb nicht, weil die von der Interessenlage vergleichbare Vorschussregelung in § 42 Abs. 2 Satz 2 SGB I ebenfalls keine entsprechende Ausschlussfrist vorsieht. Außerdem kommt es bei § 328 Abs. 3, anders als bei § 45 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. Abs. 2 Satz 3 SGB X, auch nicht auf ein etwaiges Verschulden eines Beteiligten an (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 27.09.2016 – L 11 AS 1004/14 –, Rn. 21 f., juris).
Daraus, dass der Gesetzgeber rechtspolitisch offenbar Handlungsbedarf gesehen und mit § 41a SGB II eine neue Regelung geschaffen hat, in welche er in Absatz 5 die Fiktion einer abschließenden Festsetzung nach Jahresfrist unter Inbezugnahme auf § 45 Abs. Abs. 4 Satz 2 SGB X in der Gesetzesbegründung aufgenommen hat, lässt sich nicht schließen, dass es sich beim Fehlen einer solchen Regelung unter der davor jahrelang gültigen Rechtslage um eine planwidrige Regelungslücke gehandelt hat, die durch analoge Anwendung von § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X zu schließen wäre. Der Gesetzgeber hat dies in seiner Gesetzesbegründung auch in keiner Weise zu Ausdruck gebracht. Außerdem hätte es dann auch der Übergangsregelung in § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II in der Fassung vom 26.07.2016 nicht bedurft. Deren Schaffung spricht, ebenso wie die dazu gehörige Gesetzesbegründung, gerade dafür, dass der Gesetzgeber sich dessen bewusst war, dass bislang eine endgültige Festsetzung ohne feste zeitliche Begrenzung erfolgen konnte.
Die Geltendmachung des Erstattungsanspruchs durch den Beklagten widerspricht auch nicht dem Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 Bürgerliches Gesetzbuch [BGB]). Es liegt keine Verwirkung als Fall der unzulässigen Rechtsausübung vor. Das Rechtsinstitut der Verwirkung ist als Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben auch im Sozialversicherungsrecht anerkannt. Der erkennende Senat lässt, wie bereits der 3. Senat des LSGs Baden-Württemberg in einem vergleichbaren Fall (Urteil vom 24. August 2016 – L 3 AS 2104/15 –, Rn. 19, juris) offen, ob im Falle einer vorläufigen Bewilligung und angesichts des Umstands, dass sich der Leistungsberechtigte in einem solchen Fall regelmäßig gerade nicht auf Vertrauensschutz berufen kann, überhaupt Raum für einen bei einer Verwirkung zwingend erforderlichen Vertrauenstatbestand besteht und deshalb eine Verwirkung überhaupt in Betracht kommen kann (ablehnend LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 23.07.2014, L 18 AS 3472/13; für die grundsätzliche Möglichkeit einer Verwirkung Sächsisches LSG, Urteil vom 20.09.2013, L 7 AS 863/11, beide in juris). Denn es fehlt vorliegend jedenfalls an einem Umstandsmoment als einer der Tatbestandsvoraussetzungen einer Verwirkung.
Ein Recht ist verwirkt, wenn der Berechtigte es längere Zeit hindurch (aber noch innerhalb der Verjährungsfrist) nicht geltend gemacht hat, der Verpflichtete sich auf die Nichtgeltendmachung eingerichtet hat und er sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten zudem darauf einrichten durfte, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde (BGHZ 43, 289, 292; 84, 280, 281; 105, 290, 298; Palandt/Grüneberg, BGB, 73. Aufl. 2014, § 242 Rn. 87 ff). Die Verwirkung ist damit ein Fall der unzulässigen Rechtsausübung wegen widersprüchlichen Verhaltens. Der Verstoß gegen Treu und Glauben liegt in der illoyalen Verspätung der Rechtsausübung (BGHZ 25, 47, 51 f). Demgemäß müssen für die Verwirkung eines Rechts stets drei Voraussetzungen erfüllt sein (BSGE 112, 141 = SozR 4-2500 § 275 Nr 8; BSG SozR 4-2500 § 276 Nr 2), d.h. ein "Zeitmoment", ein "Umstandsmoment" und zusätzlich eine faktische und rechtliche Untätigkeit des Anspruchsinhabers. Das "Zeitmoment" ist erfüllt, wenn seit der Möglichkeit, das Recht geltend zu machen, eine längere Zeit verstrichen ist; maßgeblich sind die Umstände des Einzelfalls. Das "Umstandsmoment (Vertrauenstatbestand)" ist erfüllt, wenn der Schuldner sich darauf eingestellt hat, der Gläubiger werde aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes sein Recht nicht mehr geltend machen. Dies ist der Fall, wenn der Berechtigte unter solchen Umständen untätig geblieben ist, die den Eindruck erwecken, dass er sein Recht gegenwärtig und auch in Zukunft nicht mehr geltend machen wird. Schließlich darf während des für die Verwirkung erforderlichen Zeitraums der Berechtigte nichts zur Durchsetzung seines Rechts getan haben (Untätigkeit des Berechtigten). So ist die Verwirkung ausgeschlossen, wenn er z.B. durch Mahnung, Widerspruch oder in sonstiger Weise zu erkennen gegeben hat, dass er auf seinem Recht beharrt (BSG, Urteil vom 08. Oktober 2014 – B 3 KR 7/14 R –, BSGE 117, 65-82, SozR 4-5560 § 17c Nr. 2, Rn. 44).
Selbst wenn man unterstellt, dass die 3 ½ Jahre währende Untätigkeit des Beklagten nach Erhalt der vollständigen Angaben zu seinem Gewinn durch den Kläger das "Zeitmoment" erfüllt, liegt eine Verwirkung nicht vor, denn es fehlt vorliegend am sog. "Umstandsmoment". Seitens des Beklagten liegt nur reine Untätigkeit vor, die nur zur Verjährung, nicht aber zur Verwirkung führen kann. Zwar besteht ein von Amts wegen zu beachtender verfahrensrechtlicher Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung - jedenfalls bei Änderungen gegenüber den ursprünglich zugrunde gelegten Annahmen. Außerdem gebieten Sinn und Zweck von § 328 SGB III, jedenfalls in den Fällen des § 328 Abs. 3 SGB III die vorläufige Leistungsbewilligung nach Wegfall der Gründe für die nur vorläufige Bescheidung des Leistungsbegehrens durch eine endgültige Entscheidung zu ersetzen (vgl. etwa BSG, Urteil vom 29. April 2015 – B 14 AS 31/14 R –, SozR 4-4200 § 40 Nr. 9, Rn. 23 mit umfangreichen Nachweisen). Daraus kann aber nicht gefolgert werden, dass die Untätigkeit des Beklagten über einen Zeitraum von über 3 ½ Jahren den Tatbestand des Verwirkung erfüllt, nachdem der verfahrensrechtliche Anspruch auf eine die Leistungen endgültig zuerkennende Bewilligung zwar allgemein bestand, aber nicht an ein bestimmtes Zeitmoment geknüpft war (anders jetzt in § 41a Abs. 5 SGB II in der seit dem 01.08.2016 geltenden Fassung). Der Kläger konnte nicht darauf vertrauen, dass der Beklagte eine endgültige Festsetzung nicht mehr vornehmen würde. Vielmehr musste er nach Erhalt der Schreiben vom 29.03.2012, mit dem der Beklagte eine abschließende Einkommensprüfung angekündigt hatte, und dem Schreiben vom 30.04.2012, mit dem eine Einkommensschätzung angedroht worden war, damit rechnen, dass noch eine für ihn ungünstige endgültige Festsetzung der SGB II-Leistungen erfolgen würde, zumal er seine tatsächliche Einkommenssituation im streitigen Zeitraum und die deutlich geringeren Einkommensschätzungen, die der vorläufigen Bewilligung zugrunde lagen, kannte.
Hiernach konnte die Berufung des Klägers keinen Erfolg haben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht. Der Senat verweist in diesem Zusammenhang ergänzend auf die Ausführungen im Beschluss vom 16.08.2017 (Az. L 1 AS 4095/16 B).
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