Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
18
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 18 SB 97/02
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Klägerin ein höherer Grad der Behinderung (GdB) und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) vorliegen.
Bei der 1960 geborenen Klägerin war aufgrund gerichtlichen Vergleiches vom 19.05.1999 ein GdB von 40 festgestellt (Bescheid vom 16.07.1999). Ein Verschlimmerungsantrag vom 24.05.2000 blieb erfolglos (Bescheid vom 27.06.2000, Widerspruchsbescheid vom 04.09.2000). Der Beklagte ging zuletzt davon aus, dass bei der Klägerin eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Auswirkungen bei Bandscheibenschaden (Einzel-GdB 30) und psychovegetative Störungen mit Phobien (Einzel-GdB 20) vorlägen (beratungsärztliche Stellungnahme L1 vom 25.06.2000).
Mit einem erneuten Verschlimmerungsantrag vom 04.07.2001 legte die Klägerin ein in ihrem Auftrag erstattetes neurootologisches Fachgutachten von T1 (neurootologische Abteilung der Univ.-HNO-Klinik X, Gutachten vom 30.05.2001) vor und machte die Feststellung weiterer Behinderungen aufgrund von Nachwirkungen eines Fahrradunfalles vom 14.03.1997 geltend. Der Beklagte holte einen Befundbericht von C und eine beratungsärztliche Stellungnahme von L2 (beide Allg.Med.) ein und lehnte nach deren Auswertung den Antrag ab (Bescheid vom 29.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2002).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin bezieht sich auf das im Verwaltungsverfahren vorgelegte neurootologische Gutachten, nach dem die MdE mit wenigstens 60 % zu bewerten sei. Sie hat auf Anforderung durch das Gericht zwei weitere, im Zivilprozess erstattete Gutachten von T2 (vom 24.11.1999 und 13.03.2000) vorgelegt, denen allerdings nicht zu folgen sei, außerdem einen Arztbrief von W (vom 20.07.1998). Ausschließlich durch neurootologische Begutachtung könne der Gesundheitszustand der Klägerin zutreffend aufgeklärt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2002 zu verurteilen, bei der Klägerin einen höheren Grad der Behinderung und die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akten des Zivilrechtsstreites der Klägerin gegen ihre private Versicherung (OLG Köln 5 U 18/01) mit darin enthaltenen weiteren medizinischen Gutachten bzw. ergänzenden Stellungnahmen von T1 (vom 13.09.2002), E (neurologische Klinik und Poliklinik Universitätsklinkum F, Gutachten vom 15.07.2002) und T3 (Arzt für Orthopädie und Sozialmedizin, Stellungnahme vom 08.02.2001). Es hat außerdem ein orthopädisches Gutachten von S (vom 16.07.2003) mit neurologisch/psychiatrischem Zusatzgutachten von M (vom 28.04.2003) eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die vorstehend genannten Gutachten und Stellungnahmen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der GdB ist durch den Beklagten mit 40 zumindest nicht zu niedrig festgesetzt worden. Das Merkzeichen "G" steht schon deshalb nicht zu, weil die Klägerin nicht schwerbehindert ist.
Gemäß § 69 Abs. 1. S. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX, in Kraft ab 1.7.2001) stellen die Versorgungsbehörden das Vorliegen einer Behinderung (§ 2 Abs.1 S.1 SGB IX) und den GdB fest und zwar abgestuft nach Zehnergraden, wenn wenigstens ein GdB von 20 vorliegt (§ 69 Abs 1 S. 3, 5 SGB IX). Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 SGB IX).
Den Entscheidungen nach § 69 SGB IX sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", herausgegeben 1996 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, zugrundezulegen (vgl. zum bisherigen Schwerbehindertengesetz -SchwbG-: Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 11.10.1994 - 9 RVs 2/92 - in Sozialrecht -SozR- 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 10). Bei der Feststellung des Gesamt-GdB ist nach den "Anhaltspunkten" in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. Dann ist im Hinblick auf alle weiteren Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Behinderungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Vomhundertpunkte hinzuzufügen sind, um der Gesamtbehinderung gerecht zu werden. Grundsätzlich führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Ein Gesamt-GdB von 50 kann nach den "Anhaltspunkten" angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Behinderungen so erheblich ist, wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt bei der Klägerin ein GdB von 50 bisher nicht vor. Bei der Klägerin bestehen folgende Behinderungen:
1. Seelisches Leiden durch psychische Störungen mit Ängsten, Phobien und vegetativen Entgleisungen (Somatisierungsstörung mit phobischem Attackenschwindel, somatoforme Störungen mit vegetativer Fehlregulation) Einzel-GdB 20; 2. Chronisches Halswirbelsäulensyndrom mit Bandscheibenvorfällen in mehreren Etagen ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne radikuläre Ausfälle, GdB 20; 3. Schulterbeschwerden links, GdB 10. Der Gesamt GdB ist mit 30 zu bewerten.
Daraus folgt zugleich, dass die Feststellung des GdB durch den Beklagten mit 40 nicht zu niedrig ist. Das Gericht folgt bei dieser Einschätzung bei dem überzeugend und nachvollziehbar begründeten Gutachten der medizinischen Sachverständigen S und M. Beide Sachverständige sind dem Gericht seit langem als neutrale und sachkundige Gutachter bekannt und es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass sie Befunde übersehen oder falsch bewertet haben. Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Gesundheitszustand könne nur durch einen neurootologischen Sachverständigen zutreffend beurteilt werden, ist die Kammer dem nicht gefolgt. Das Gericht hat auf dem Boden der vorherrschenden medizinischen Lehrmeinung zu entscheiden. Diese Voraussetzungen erfüllen die Gutachten von T1 nicht, wie sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gutachten von M und der urkundsbeweislich verwerteten allgemeinmedizinischen Stellungnahme von T3 nebst Anlagen gegenüber der Beklagten im oberlandesgerichtlichen Verfahren ergibt. Das Gutachten von T1 kann aber auch aus anderen Gründen nicht zur GdB-Bemessung herangezogen werden. Denn die dort vorgenommene Bemessung des GdB entspricht nicht den Vorgaben der "Anhaltspunkte" 1996. So werden die erhobenen "objektiven Gleichgewichtsfunktionsbefunde" mit einer prozentualen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 %, zusätzlich aber ein "subjektiver Dyskomfort" (Kopfschmerzen, wiederum Schwindelsymptome, Konzentrations-, Antriebs- und Merkstörungen) mit 25 % berücksichtigt. Der beschriebenen "Dyskomfort" ein dem gängigen medizinischen Wortschatz unbekannter Begriff (vgl. Pschyrembel, med. Wörterbuch, 258. Aufl.) und den Wortbestandteilen nach am ehesten mit "Unbequemlichkeit" zu übersetzen, bezeichnet demnach nur solche Symptome, die als übliche Begleiterscheinung von Funktionseinschränkungen ohnehin im GdB bereits enthalten sind und daher nicht zusätzlich berücksichtigt werden dürfen. Der von T1 vorgeschlagene GdB von 60 entspricht nach den "Anhaltspunkten" Gleichgewichtsstörungen mit schweren Folgen, heftigem Schwindel, erheblicher Unsicherheit und Schwierigkeiten bereits bei Gehen und Stehen im Hellen und anderen alltäglichen Belastungen, bei teilweise Erforderlichkeit einer Gehhilfe. Da die Klägerin über derart schwerwiegende Beschwerden nach der im Gutachten von T1 erhobenen Anamnese selbst dort nicht geklagt hat, waren sie auch durch neurootologische Untersuchungsmethoden kaum nachzuweisen. Bei der Untersuchung durch M hingegen wurden Schwindelbeschwerden erst auf ausdrückliche Nachfrage durch den Sachverständigen angeben, mit heftigen Kopfbewegungen in Verbindung gebracht und als kurzdauernd bezeichnet. Ein früher vorhandener lagerungsbedingter Schwindel bei Drehungen bestehe nicht mehr, ebensowenig Kopfschmerzen. Der vom Sachverständigen vorgeschlagene GdB von 20 ist vor diesem Hintergrund nur vertretbar im Hinblick auf die von der Klägerin ebenfalls beschriebenen Schwierigkeiten beim Aufwärtssehen und die mit dem Auftreten von Schwindel zeitweilig verbundene Übelkeit. Soweit die Klägerin im Beisein ihres Ehemannes bei S weitergehende Beschwerden angegeben hat, steht dies im krassen Gegensatz zu ihren Angaben bei M. Auffällig ist auch, dass die Klägerin im Riechtest bei M - anders als noch bei T1 - auch solche Substanzen nicht mehr identifizieren konnte, die nicht oder nur zum Teil über die Riechnerven wahrgenommen werden. Die Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der Schulter hat S nachvollziehbar beschrieben und bewertet. Für die Bewertung des GdB kommt es auf die Frage, inwieweit diese Schäden möglicherweise unfallbedingt sein könnten, nicht an. Da kein GdB von 50 erreicht wird, steht auch das Merkzeichen "G" nicht zu, da dieses nur Schwerbehinderte (GdB mindestens 50) beanspruchen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Streitig ist, ob bei der Klägerin ein höherer Grad der Behinderung (GdB) und die gesundheitlichen Voraussetzungen für die Zuerkennung des Merkzeichens "G" (erhebliche Beeinträchtigung der Bewegungsfähigkeit im Straßenverkehr) vorliegen.
Bei der 1960 geborenen Klägerin war aufgrund gerichtlichen Vergleiches vom 19.05.1999 ein GdB von 40 festgestellt (Bescheid vom 16.07.1999). Ein Verschlimmerungsantrag vom 24.05.2000 blieb erfolglos (Bescheid vom 27.06.2000, Widerspruchsbescheid vom 04.09.2000). Der Beklagte ging zuletzt davon aus, dass bei der Klägerin eine Funktionseinschränkung der Wirbelsäule mit Auswirkungen bei Bandscheibenschaden (Einzel-GdB 30) und psychovegetative Störungen mit Phobien (Einzel-GdB 20) vorlägen (beratungsärztliche Stellungnahme L1 vom 25.06.2000).
Mit einem erneuten Verschlimmerungsantrag vom 04.07.2001 legte die Klägerin ein in ihrem Auftrag erstattetes neurootologisches Fachgutachten von T1 (neurootologische Abteilung der Univ.-HNO-Klinik X, Gutachten vom 30.05.2001) vor und machte die Feststellung weiterer Behinderungen aufgrund von Nachwirkungen eines Fahrradunfalles vom 14.03.1997 geltend. Der Beklagte holte einen Befundbericht von C und eine beratungsärztliche Stellungnahme von L2 (beide Allg.Med.) ein und lehnte nach deren Auswertung den Antrag ab (Bescheid vom 29.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2002).
Hiergegen richtet sich die Klage. Die Klägerin bezieht sich auf das im Verwaltungsverfahren vorgelegte neurootologische Gutachten, nach dem die MdE mit wenigstens 60 % zu bewerten sei. Sie hat auf Anforderung durch das Gericht zwei weitere, im Zivilprozess erstattete Gutachten von T2 (vom 24.11.1999 und 13.03.2000) vorgelegt, denen allerdings nicht zu folgen sei, außerdem einen Arztbrief von W (vom 20.07.1998). Ausschließlich durch neurootologische Begutachtung könne der Gesundheitszustand der Klägerin zutreffend aufgeklärt werden.
Die Klägerin beantragt,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 29.08.2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 18.03.2002 zu verurteilen, bei der Klägerin einen höheren Grad der Behinderung und die Voraussetzungen des Merkzeichens "G" festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Beiziehung der Akten des Zivilrechtsstreites der Klägerin gegen ihre private Versicherung (OLG Köln 5 U 18/01) mit darin enthaltenen weiteren medizinischen Gutachten bzw. ergänzenden Stellungnahmen von T1 (vom 13.09.2002), E (neurologische Klinik und Poliklinik Universitätsklinkum F, Gutachten vom 15.07.2002) und T3 (Arzt für Orthopädie und Sozialmedizin, Stellungnahme vom 08.02.2001). Es hat außerdem ein orthopädisches Gutachten von S (vom 16.07.2003) mit neurologisch/psychiatrischem Zusatzgutachten von M (vom 28.04.2003) eingeholt. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die vorstehend genannten Gutachten und Stellungnahmen verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig. Der GdB ist durch den Beklagten mit 40 zumindest nicht zu niedrig festgesetzt worden. Das Merkzeichen "G" steht schon deshalb nicht zu, weil die Klägerin nicht schwerbehindert ist.
Gemäß § 69 Abs. 1. S. 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX, in Kraft ab 1.7.2001) stellen die Versorgungsbehörden das Vorliegen einer Behinderung (§ 2 Abs.1 S.1 SGB IX) und den GdB fest und zwar abgestuft nach Zehnergraden, wenn wenigstens ein GdB von 20 vorliegt (§ 69 Abs 1 S. 3, 5 SGB IX). Liegen mehrere Funktionsbeeinträchtigungen vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 SGB IX).
Den Entscheidungen nach § 69 SGB IX sind die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz", herausgegeben 1996 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung, zugrundezulegen (vgl. zum bisherigen Schwerbehindertengesetz -SchwbG-: Urteil des Bundessozialgerichts -BSG- vom 11.10.1994 - 9 RVs 2/92 - in Sozialrecht -SozR- 3-3870 § 4 SchwbG Nr. 10). Bei der Feststellung des Gesamt-GdB ist nach den "Anhaltspunkten" in der Regel von der Behinderung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt. Dann ist im Hinblick auf alle weiteren Behinderungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Behinderungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Vomhundertpunkte hinzuzufügen sind, um der Gesamtbehinderung gerecht zu werden. Grundsätzlich führen zusätzliche leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer wesentlichen Zunahme des Ausmaßes der Gesamt-Beeinträchtigung, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Behinderungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen. Ein Gesamt-GdB von 50 kann nach den "Anhaltspunkten" angenommen werden, wenn die Gesamtauswirkung der verschiedenen Behinderungen so erheblich ist, wie etwa beim Verlust einer Hand oder eines Beines im Unterschenkel, einer vollständigen Versteifung großer Abschnitte der Wirbelsäule, bei Herz-Kreislaufschäden oder Einschränkungen der Lungenfunktion mit Leistungsbeeinträchtigung bereits bei leichter Belastung oder bei Hirnschäden mit mittelschwerer Leistungsbeeinträchtigung. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze liegt bei der Klägerin ein GdB von 50 bisher nicht vor. Bei der Klägerin bestehen folgende Behinderungen:
1. Seelisches Leiden durch psychische Störungen mit Ängsten, Phobien und vegetativen Entgleisungen (Somatisierungsstörung mit phobischem Attackenschwindel, somatoforme Störungen mit vegetativer Fehlregulation) Einzel-GdB 20; 2. Chronisches Halswirbelsäulensyndrom mit Bandscheibenvorfällen in mehreren Etagen ohne wesentliche Bewegungseinschränkung und ohne radikuläre Ausfälle, GdB 20; 3. Schulterbeschwerden links, GdB 10. Der Gesamt GdB ist mit 30 zu bewerten.
Daraus folgt zugleich, dass die Feststellung des GdB durch den Beklagten mit 40 nicht zu niedrig ist. Das Gericht folgt bei dieser Einschätzung bei dem überzeugend und nachvollziehbar begründeten Gutachten der medizinischen Sachverständigen S und M. Beide Sachverständige sind dem Gericht seit langem als neutrale und sachkundige Gutachter bekannt und es gibt keinen Anlass zu der Annahme, dass sie Befunde übersehen oder falsch bewertet haben. Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Gesundheitszustand könne nur durch einen neurootologischen Sachverständigen zutreffend beurteilt werden, ist die Kammer dem nicht gefolgt. Das Gericht hat auf dem Boden der vorherrschenden medizinischen Lehrmeinung zu entscheiden. Diese Voraussetzungen erfüllen die Gutachten von T1 nicht, wie sich zur Überzeugung der Kammer aus dem Gutachten von M und der urkundsbeweislich verwerteten allgemeinmedizinischen Stellungnahme von T3 nebst Anlagen gegenüber der Beklagten im oberlandesgerichtlichen Verfahren ergibt. Das Gutachten von T1 kann aber auch aus anderen Gründen nicht zur GdB-Bemessung herangezogen werden. Denn die dort vorgenommene Bemessung des GdB entspricht nicht den Vorgaben der "Anhaltspunkte" 1996. So werden die erhobenen "objektiven Gleichgewichtsfunktionsbefunde" mit einer prozentualen Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 40 %, zusätzlich aber ein "subjektiver Dyskomfort" (Kopfschmerzen, wiederum Schwindelsymptome, Konzentrations-, Antriebs- und Merkstörungen) mit 25 % berücksichtigt. Der beschriebenen "Dyskomfort" ein dem gängigen medizinischen Wortschatz unbekannter Begriff (vgl. Pschyrembel, med. Wörterbuch, 258. Aufl.) und den Wortbestandteilen nach am ehesten mit "Unbequemlichkeit" zu übersetzen, bezeichnet demnach nur solche Symptome, die als übliche Begleiterscheinung von Funktionseinschränkungen ohnehin im GdB bereits enthalten sind und daher nicht zusätzlich berücksichtigt werden dürfen. Der von T1 vorgeschlagene GdB von 60 entspricht nach den "Anhaltspunkten" Gleichgewichtsstörungen mit schweren Folgen, heftigem Schwindel, erheblicher Unsicherheit und Schwierigkeiten bereits bei Gehen und Stehen im Hellen und anderen alltäglichen Belastungen, bei teilweise Erforderlichkeit einer Gehhilfe. Da die Klägerin über derart schwerwiegende Beschwerden nach der im Gutachten von T1 erhobenen Anamnese selbst dort nicht geklagt hat, waren sie auch durch neurootologische Untersuchungsmethoden kaum nachzuweisen. Bei der Untersuchung durch M hingegen wurden Schwindelbeschwerden erst auf ausdrückliche Nachfrage durch den Sachverständigen angeben, mit heftigen Kopfbewegungen in Verbindung gebracht und als kurzdauernd bezeichnet. Ein früher vorhandener lagerungsbedingter Schwindel bei Drehungen bestehe nicht mehr, ebensowenig Kopfschmerzen. Der vom Sachverständigen vorgeschlagene GdB von 20 ist vor diesem Hintergrund nur vertretbar im Hinblick auf die von der Klägerin ebenfalls beschriebenen Schwierigkeiten beim Aufwärtssehen und die mit dem Auftreten von Schwindel zeitweilig verbundene Übelkeit. Soweit die Klägerin im Beisein ihres Ehemannes bei S weitergehende Beschwerden angegeben hat, steht dies im krassen Gegensatz zu ihren Angaben bei M. Auffällig ist auch, dass die Klägerin im Riechtest bei M - anders als noch bei T1 - auch solche Substanzen nicht mehr identifizieren konnte, die nicht oder nur zum Teil über die Riechnerven wahrgenommen werden. Die Funktionsstörungen der Wirbelsäule und der Schulter hat S nachvollziehbar beschrieben und bewertet. Für die Bewertung des GdB kommt es auf die Frage, inwieweit diese Schäden möglicherweise unfallbedingt sein könnten, nicht an. Da kein GdB von 50 erreicht wird, steht auch das Merkzeichen "G" nicht zu, da dieses nur Schwerbehinderte (GdB mindestens 50) beanspruchen können.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 183, 193 SGG.
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