Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 5538/13
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 566/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2017 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 46.533,69 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung noch für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 29.2.2012 in Bezug auf die Tätigkeit verschiedener vom Balkan stammender Bauhelfer bei der Montage von Kunststofffenstern für den Kläger.
Der am 23.12.1983 in Bugojno, Bosnien-Herzegowina, geborene Kläger ist österreichischer Staatsbürger und wohnt in T ... Im streitigen Zeitraum hat er in der Gegend um Tu. Kunststofffenster der Firma P. aus Bosnien-Herzegowina vertrieben und mit unterschiedlichen aus Kroatien stammenden illegalen Helfern eingebaut. Sein Vater, N. D., war zumindest zum Zeitpunkt der Gründung im Jahr 2000 Inhaber und Alleinvertretungsberechtigter der in Bugojno, Bosnien-Herzegowina ansässigen Firma P. d.o.o., einer GmbH bosnischen Rechts, die Baubedarfsartikel aus Kunststoffen herstellt (vgl. Handelsregistereintrag vom 7.9.2000 im Auszug der Strafverfahrensakte des Amtsgerichts T. - Az. 22 Cs 410 Js 1195/12-AK179/12 - im Folgenden Strafakte). Später, der Zeitpunkt der Änderung ist unbekannt, zumindest ab Dezember 2011 war der Kläger als Geschäftsführer (Direktor) eingetragen (Bl. 59, Wirtschaftsauskunft der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen - IZA -des Bundeszentralamtes für Steuern vom Dezember 2011, Bl. 243 VA B.Fin.Verw.). Weitere vertretungsberechtigte Personen sind in den Eintragungen nicht genannt.
Die Fa. P. d.o.o., vertreten durch ihren Direktor N. D., schloss am 31.3.2009 als Arbeitgeberin mit dem Kläger als Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag (beglaubigte Übersetzung Bl. 57 Strafakte). Nach diesem Vertrag wurde der Kläger als Handelsagent zur Erledigung der Geschäftstätigkeiten im In- und Ausland unbefristet gegen ein festes Monatsentgelt von 350 KM (Konvertible Mark, entsprechend 350 Deutsche Mark bzw. 178,95 EUR) zuzüglich Reisekosten und Provisionen für abgeschlossene Geschäfte, zusammen jedoch höchstens 600 KM (entsprechend 306,77 EUR) eingesetzt.
Mindestens seit dem 1.2.2011 ist der Kläger als Einzelunternehmer unter der eigenen Firma E. D. Profi Fenster & Türen selbstständig tätig. Zum 1.2.2011 erfolgte seine Gewerbeanmeldung in T. für die Geschäftsfelder Vertrieb, Montage und Demontage von Fenstern, Türen, Toren, Wintergärten und anderen genormten Fertigteilen (Bl. 55 Strafakte).
Zuvor, am 24.1.2011 ging telefonisch beim Hauptzollamt Singen (HZA) Sachgebiet Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der telefonische Hinweis des D. K. ein, wonach der Kläger mit zwei sich in Deutschland illegal aufhaltenden kroatischen Staatsangehörigen auf einer näher bezeichneten Baustelle in Tu. mit dem Einbau von Fenstern beschäftigt sei. Bei einer Kontrolle am selben Tag traf die FKS den Kläger und zwei kroatische Helfer namens Da. K. und M. S. ohne gültige Aufenthaltspapiere auf der Baustelle an. Der Kläger bestritt zunächst den Einbau von Fenstern und behauptete, diese nur für die Fa. P., deren Gesellschafter er sei, zu verkaufen. Der Einbau erfolge durch verschiedene Bautrupps, Einzelheiten konnte er hierzu nicht nennen.
Im Zuge der dann erfolgten Zoll- und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, wurden zahlreiche Auftragsbestätigungen, Zollpapiere, Rechnungen der Fa. P., Quittungen und eine Visitenkarte des Klägers sichergestellt. Die sich daraus ergebenden Auftraggeber für Fenster und Türen wurden befragt. So gab der Auftraggeber A. an, dass die Kroaten auf der Baustelle im Rahmen des Fenstereinbaus tätig seien. Zuvor sei der Kläger schon im Dezember 2010 mit zwei anderen Arbeitern auf seiner Baustelle mit dem Einbau von diversen Fenstern tätig gewesen. Die dem Auftrag zu Grunde liegende Auftragsbestätigung der Fa. P. vom 12.11.2010, die vom Kläger ausgestellt war, (Bl. 11 VA B.Fin.Verw.) weist aus, dass Montage und Demontage durch eigene Facharbeiter erfolgt und der Preis sich inklusive Demontage/Montage/Lieferung versteht. Die Befragung weiterer Auftraggeber ergab, dass überwiegend (75 %) auch der Einbau der Fenster durch den Kläger bzw. durch die von ihm eingesetzten Arbeitskräfte erfolgte. Im Schlussbericht des HZA sind Aussagen mehrerer Auftraggeber des Klägers enthalten, in denen bestätigt wird, dass ihm zwischen ein und drei exjugoslawische Arbeiter bei der Fenstermontage geholfen haben.
Der Arbeiter K. gab bei seiner Vernehmung an, dass der Kontakt zum Kläger durch einen Bekannten zustande gekommen sei. Angedacht sei gewesen, dass er gegen ein tägliches Entgelt von 50 EUR und freier Unterkunft und Verpflegung mit dem Einbau von Fenstern und Türen für den Kläger im Bundesgebiet tätig werde. Am 24.1.2011 habe er seinen Arbeitseinsatz mit dem Entladen von Türen und Fenstern in Tu. begonnen. Eine Arbeitsgenehmigung im Bundesgebiet habe er nicht. Der Arbeiter S. machte keine Angaben zur Sache.
Der Zeuge K. gab bei seiner Vernehmung an, dass er mit dem Kläger eine Geschäftsbeziehung angestrebt habe, die sich jedoch zerschlagen habe. Der Kläger habe seit anderthalb Jahren auf verschiedenen Baustellen zusammen mit je zwei wechselnden ausländischen Bauhelfern Fenster einer bosnischen Firma montiert.
Am 18.05.2011 führte die FKS eine weitere Kontrolle auf einer anderen Baustelle durch, bei der sie den Kläger zusammen mit dem bosnisch-herzegowinischen Bauhelfer EL. M. und dem in T. wohnhaften Bauhelfer El. M. bei der Montage von Fenstern antraf (Bl. 9 Schlussbericht des HZA vom 15.5.2012). Herr M. verfügte über keine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis und wurde ausgewiesen, nachdem er sich einer weiteren Vernehmung entzogen hatte (Bl. 145 ff. VA B.Fin.Verw.). Bei einer erneuten Kontrolle auf derselben Baustelle am 7.7.2011 traf die FKS den Kläger zusammen mit zwei Fahrern und dem o.g. Bauhelfer Ma. bei Entladetätigkeiten an. Der Kläger hat diesen seit dem 1.6.2011 als geringfügig Beschäftigten angemeldet.
Das HZA ermittelte bei zwei in Singen ansässigen Herstellern und Vertreibern von PVC Fenstern und Türen zum üblichen prozentualen Anteil der Personalkosten. Die Geschäftsführer der Firmen Fensterbau Sch. GmbH und MSF S., Sch. und S. gaben an, dass die auf den vorgelegten Rechnungen der bosnischen Firma genannten Preise 30 bis 50 % günstiger als auf dem hiesigen Markt seien und sie selber Personalkosten von ca. 15 bis 20% bzw. 20% des Warenwerts kalkulierten (Auskünfte vom 14.7.2011, Bl. 133, 135 VA B.Fin.Verw.). Die Handwerkskammer Konstanz teilte als Auskunft des Sachverständigen Dipl. Ing. K. mit, dass der Preis abhängig von verschiedenen Faktoren sei, wie etwa der Schwere des Elements, bei der eine zweite Arbeitskraft erforderlich werde. Pauschal könne gesagt werden, dass der prozentuale Anteil der Montage/Personalkosten ca. 20 bis 30% des Wertes der eingebauten Ware entspreche (Auskunft vom 20.7.2011, Bl. 137 VA B.Fin.Verw.).
Das HZA sandte an die Beklagte die Ermittlungs- und Beweismittelakten (Schreiben vom 14.5.2012) sowie den Schlussbericht. Anhand derer führte die Beklagte am 25.5.2012 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 i.V.m. § 107 SGB IV i.V.m. § 2 Abs. 2 Schwarzarbeitbekämpfungsgesetz (SchwArbG) für den Prüfzeitraum 1.4.2008 bis 29.2.2012 durch. Mit Bescheid vom 8.3.2013 forderte die Beklagte vom Kläger nach vorausgegangener schriftlicher Anhörung vom 5.2.2013 rückwirkend für den Zeitraum April 2008 bis Februar 2012 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 39.411,42 EUR zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von (abgerundet) 7.500 EUR, zusammen 46.911,42 EUR. Namentlich nicht bekannte Mitarbeiter seien zur Montage der Fenster auf den Baustellen des Klägers gegen Arbeitsentgelt im Berechnungszeitraum beschäftigt worden. Durch die Art der Beschäftigung seien sie während der Montagetätigkeit in den Betriebsablauf eingebunden und somit in den Betrieb eingegliedert gewesen. Es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Nach den vorgelegten Unterlagen sei den kroatischen Helfern Bargeld ohne Belege ausgegeben worden. Nach Rücksprache mit verschiedenen Anbietern im Bereich des Fensterbaus und der Handwerkskammer, die von einem Lohnkostenanteil bei der Rechnungsstellung von 20 bis 30 % ausgehen, werde als Bruttoarbeitsentgelt 20% des Umsatzerlöses und der sichergestellten Rechnungen des Betriebs von 2008 bis 2011 festgelegt. Eine Nettolohnhochrechnung sei nach den Aussagen der befragten Betriebe nicht realistisch und sachdienlich, deshalb gelte das ermittelte Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage der Beitragsberechnung. Die Beiträge seien anhand der gültigen Beitragssätze aus dem ermittelten Arbeitsentgelt (20 % der Umsatzerlöse) zu den Zweigen der Sozialversicherung, sowie Beiträge zur Umlageinsolvenz, U1 und 2 berechnet worden.
Am 25.3.2013 ließ der Kläger gegen diese Entscheidung Widerspruch einlegen, der damit begründet wurde, dass zwischen den Zeiträumen vor seiner Gewerbeanmeldung und ab seiner Gewerbeanmeldung (1.2.2011) zu differenzieren sei. Der Arbeitsvertrag vom 31.3.2009 mache ihn für den ersten Zeitraum zum abhängig Beschäftigten der Firma seines Vaters. Er, der Kläger, sei keineswegs faktischer Geschäftsführer der Fa. P. d.o.o. seines 52-jährigen Vaters gewesen. Dieser habe wie der Kläger 10 Jahre in Österreich gelebt, spreche Deutsch und führe die Geschäfte selbst. Der Kläger sei als dessen Arbeitnehmer kein tauglicher Täter. Im zweiten Zeitraum habe er als Arbeitgeber Herrn Ma. als seinen einzigen Bauhelfer geringfügig für ein Monatsgehalt von 440,- EUR beschäftigt. Die Schätzung der Lohnkosten durch die FKS entbehre jeder tatsächlichen Grundlage und sei rechtlich unhaltbar. Für das Geschäftsfeld Handel mit Fenstern und Türen fielen überhaupt keine Lohnkosten an. Soweit Montagearbeiten erfolgt seien, habe der Kläger diese persönlich zusammen mit seinem einen Beschäftigten erbracht.
Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB wurde nach erfolgtem Einspruch gegen einen Strafbefehl über eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 300 Tagessätzen mit insgesamt 9.000,00 EUR, (vgl. Bl. 31 Strafakte) gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 2.000,00 EUR eingestellt (Beschluss des Amtsgerichts T. vom 5.11.2012 - Az. 22 Cs 410 Js 1195/12-AK179/12 -, Bl. 85 Strafakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend insbesondere aus, dass das IZA am 2.12.2011 mitgeteilt habe, dass der Kläger mit Stand Dezember 2011 als Direktor der P. GmbH in Bosnien-Herzegowina registriert sei. Im Zeitraum Februar 2011 bis Februar 2012 seien Umsatzerlöse von 259.000 EUR erzielt worden. 2011 und 2012 seien Umsatzerlöse von insgesamt 306.000 EUR verbucht. In diesem Zeitraum seien lediglich 1.385 EUR an Lohnkosten verbucht. Die Beitragsnachforderung sei in einem Summenbeitragsbescheid gem. § 28f Abs. 2 SGB VI (gemeint: SGB IV) errechnet worden. Vom Tatvorwurf im Strafbefehl sei der Kläger nicht freigesprochen worden, sondern das Verfahren lediglich gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden. Die Gewerbeanmeldung am 1.2.2011 nur wenige Tage nach der ersten Kontrolle durch das HZA habe an der Arbeitsweise nichts geändert. Die Fenster seien nach wie vor aus Bosnien geliefert und vom Kläger mit illegalen Arbeitskräften, die er eingestellt, selber bar bezahlt und ihnen Weisungen erteilt habe, eingebaut worden. Nur die Art der Rechnungsstellung habe sich geändert. Über eine Geschäftsführung durch den Vater des Klägers lägen keine Nachweise vor. Das im vorgelegten Arbeitsvertrag vereinbarte Entgelt entspräche in keiner Weise den geleisteten Arbeiten. Es sei deshalb anzunehmen, dass der Kläger - falls sein Vater tatsächlich Besitzer der bosnischen Firma gewesen sei, familienhaft zusammengearbeitet habe und dass der Kläger für das Geschäft in Deutschland verantwortlich gewesen sei. Er sei deshalb als faktischer Geschäftsführer oder zumindest als Betriebsführer für das Deutschland-Geschäft der Fa. P. anzusehen und damit Arbeitgeber der angeworbenen Arbeitskräfte.
Dagegen hat der Kläger am 9.12.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erheben lassen. Er hat geltend gemacht, dass er vor dem 1.2.2011 lediglich Angestellter im Unternehmen seines Vaters gewesen sei. Einnahmen habe er stets an dieses Unternehmen abführen müssen. Er selbst scheide für diesen Zeitraum als beitragsschuldender Arbeitgeber aus. Der angefochtene Bescheid sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben. Erst seit dem 1.2.2011 führe er als Einzelkaufmann ein eigenes Unternehmen. Er habe seitdem lediglich Herrn Ma. geringfügig beschäftigt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat den Kläger als faktischen Geschäftsführer des Unternehmens P. d.o.o. zumindest für den deutschen Markt und als Arbeitgeber der kroatischen Arbeitskräfte gesehen.
Mit Beschluss vom 3.2.2015 hat das SG die DAK-Gesundheit zum Verfahren beigeladen.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.1.2017 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 8.3.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2013 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass letztlich nicht streitentscheidend sei, ob der Kläger oder die Fa. P. als Arbeitgeber insbesondere hinsichtlich des Zeitraums vor dem 1.2.2011 einzuordnen seien. Die genauere Auswertung sämtlicher Ermittlungsergebnisse des HZA Singen sowie der Auftritt des Klägers im Geschäftsverkehr belegten allerdings eine untrennbare Verflechtung und wechselseitige Abhängigkeit der Tätigkeiten des Klägers und des Unternehmens P. d.o.o. unter etwaiger Führung seines Vaters. Allen Ermittlungsergebnissen zufolge habe der Kläger jedenfalls für die Vermarktung in Deutschland völlig frei schalten und walten können. Soweit die Fa. P. als Arbeitgeber in Betracht komme, sei der Bescheid möglicherweise an den falschen Adressaten gerichtet. Zu beanstanden sei jedoch die Schätzung durch die Beklagte. Die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür seien zwar gegeben. Die Angaben des Klägers, dass er ab dem 1.6.2011 ausschließlich Herrn Ma. beschäftigt habe, seien durch die Ermittlungen der FKS aufgrund von zwei Kontrollen widerlegt und dies decke sich auch mit den Zeugenaussagen verschiedener Auftraggeber sowie des Anzeigeerstatters, die jeweils von zwei bzw. mehreren Bauhelfern je Baustelle sprächen. Nicht maßgeblich sei eine Anmeldung des Bauhelfers Ma. nur als geringfügig Beschäftigter, da bereits das tatsächliche Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze regelmäßig und deutlich überschritten habe. Die Zeugenauskünfte sprächen von 50 EUR je Tag auf der Baustelle und durchschnittlich 14 Montagetagen je Monat. Im Übrigen sei nicht das tatsächlich entrichtete, sondern das arbeitsrechtlich eigentlich geschuldete Arbeitsentgelt in Höhe tariflich verbindlicher Mindestlöhne im Baugewerbe West für die Lohngruppe 1 maßgeblich. Eine Schätzung sei dem Grunde nach zulässig und geboten, denn weder der Kläger noch die P. d.o.o. (sofern sie zeitweise als Arbeitgeberin anzusehen sein sollte) sei den Aufzeichnungspflichten gerecht geworden. Auch die Ermittlungen und die Hauptverhandlung mit Zeugenvernehmung hätten keine tragfähigen Anhaltspunkte zur konkreten Bestimmung der genauen und individuellen beitragsrelevanten Arbeitsentgelte erbracht. Die Schätzung werde jedoch den an sie anzulegenden Maßstäben nicht gerecht. So sei das ortsübliche Arbeitsentgelt nicht lediglich mitberücksichtigt worden. Die Beklagte habe sich ganz und gar auf diesen einen Ansatz beschränkt, obwohl die eingeholten Auskünfte von konkurrierenden Unternehmen stammten, eine Befragung von zwei Wettbewerbern kaum repräsentativ erscheine und die über die Handelskammer Konstanz eingeholte Auskunft zeige, dass der Lohnkostenanteil für die Montage von PVC-Fenstern ganz erheblich von zahlreichen Kriterien abhänge, die vorliegend ausnahmslos unbekannt seien. Auskünfte lägen mit einer Bandbreite von 15 bis 30% bezogen auf inländische Wettbewerber vor, die die gesamten Lohnkosten abbildeten und folglich die Bruttogehälter und die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung enthielten. Die von der Beklagten nicht näher begründete Festlegung auf 20% sei nicht nachvollziehbar. Hierbei lasse sie für den Zeitraum ab 2011 ohne ersichtlichen Grund außer Acht, dass die eingeholten Auskünfte nur Aussagen zum Lohnkostenanteil bei montierten Fenstern träfen, während die Ermittlungen ergeben hätten, dass nur ein Anteil von etwa ¾ aller Aufträge bzw. der Umsätze auf Aufträge einschließlich Montage entfielen und sich der Rest auf bloßen Verkauf beschränke. Die Beklagte habe ihre eigenen Berechnungen ab Februar 2011 abweichend von den vorausliegenden Berechnungen des HZA ohne einen Abschlag für lediglich verkaufte Fenster fortgeführt und sei folglich stets von einem Verkauf mit Montage ausgegangen. Der Einzelauftrag der E. Immobilien vom 12.4.2011 über 231.000 EUR einschließlich Montage relativiere die Quote zwar zulasten des Klägers, rechtfertige jedoch nicht, sie ganz zu übergehen. Weiter sei beim Kläger davon auszugehen, dass er keine als Facharbeiter zu entlohnenden Personen beschäftigt habe, bei den befragten Wettbewerbern jedoch Facharbeiterlöhne einen beträchtlichen Anteil der Personalkosten ausmachen dürften. Die Beklagte hätte deshalb eine Kontrollberechnung vornehmen müssen. Die Beklagte hätte die dokumentierten Zeugenauskünfte zur Häufigkeit und jeweiligen Dauer der Arbeitseinsätze und Anzahl der Bauhelfer auswerten und tatsächliche Lohnkosten anhand der jeweils geltenden Mindestlöhne im Baugewerbe für ungelernte Tätigkeiten errechnen können. Als weiterer Schätzungsansatz biete sich an, die ortsüblichen Lohnkosten auf eine solidere Datengrundlage zu stellen und sodann um Löhne für Facharbeiter zu bereinigen. Im Übrigen laufe die Berechnung der Beklagten auf eine doppelte Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen hinaus, indem von einem grob geschätzten Bruttolohnanteil abermals auf einen Bruttolohn hochgerechnet werde. Die ausgeführten Mängel seien nicht heilbar, eine eigenständige nachgebesserte Schätzung durch das Gericht sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die auf das Beitragsjahr 2008 entfallende anteilige Beitragsforderung von 243,02 EUR könne zudem verjährt sein. Eine nähere Prüfung erübrige sich jedoch.
Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 23.1.2017 zugestellte Urteil hat sie am 14.2.2017 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die Gesamtumsätze 2008 bis 2010 um die reinen Fensterverkäufe (25 %) bereinigt worden seien. In den Jahren 2011 und 2012 sei ein Abschlag nicht mehr zugestanden worden, weil die Auftraggeber bestätigt hätten, dass die Fenster immer eingebaut worden seien. Mangels konkreter Anhaltspunkte über Arbeitszeit, Anzahl der Personen, Zeitaufwand je Fenster-/Türen-Einbau, Kenntnis des Ausbildungsstandes etc. könne auch nicht über einen Mindestlohn eine korrekte und den Anforderungen an eine Schätzung entsprechende Bemessungsgrundlage ermittelt werden. Eine Beitragsberechnung unter Zuhilfenahme von bekannten Umsätzen sei höchstrichterlich anerkannt. Soweit der Arbeitgeber gegen seine Aufzeichnungspflichten verstoße und alle anderen Möglichkeiten der Entgeltermittlung ergebnislos ausgeschöpft worden seien, könne auf Grundlage des Nettoumsatzbetrags ein branchenspezifischer Lohnkostenanteil und damit die Beitragsbemessungsgrundlage ermittelt werden (Hinweis auf BGH, Urteil vom 24.9.1986 - 3 StR 336/86 und BGH, Beschluss vom 10.11.2009 - 1 StR 283/09). Andernfalls sei entgegen des SG von einer Anwendbarkeit des § 278 ZPO nach § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren auszugehen und hätte das Sozialgericht eine eigene Schätzungsbefugnis gehabt, so dass der Bescheid nicht hätte aufgehoben werden dürfen. Der vom SG bemängelte systematische Fehler liege nicht vor, weil die Bemessungsgrundlage nicht durch eine Hochrechnung ermittelt worden sei, sondern dem Anteil am reinen (teilweise gekürzten) Nettoumsatz entspreche. Unabhängig von der Verjährungsfrage betreffe die Nachforderung für 2008 nur eine Fensterlieferung und keine Montage, weshalb sie aus der Nachberechnung herausgenommen werden müsse. Der Kläger sei für den Zeitraum bis 31.1.2011 eindeutig als faktischer Geschäftsführer der P. d.o.o. anzusehen.
Mit Bescheiden vom 23.3.2017 ersetzte die Beklagte den Bescheid vom 8.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2013 und forderte nunmehr noch für den Teilzeitraum 1.7.2009 bis 31.12.2010 eine Nachforderung von 16.880,51 EUR inklusive Säumniszuschläge i.H.v. 3.766 EUR und für den Teilzeitraum 1.2.2011 bis 29.2.2012 von 29.653,18 EUR inklusive Säumniszuschläge i.H.v. 3.599 EUR. Für den ersten Zeitraum ist der Bescheid an P. d.o.o. vertreten durch den Geschäftsführer E. D. und für den zweiten Zeitraum an Profi Fenster und Türen E. D. gerichtet.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Es müsse berücksichtigt werden, dass Fenster lediglich teilweise nur verkauft worden seien und lediglich kroatische Hilfsarbeiter beschäftigt worden seien. Nach der Vorgehensweise der Beklagten würden Sozialversicherungsbeiträge doppelt berücksichtigt.
Die Beklagte hat im Erörterungstermin am 6.7.2017 ergänzend ausgeführt, es komme nicht zu einer doppelten Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen, weil die Angebotspreise des Klägers weit unter den reellen Angebotspreisen (verkürzter Umsatz) gelegen hätten. Die "Montage unter der Hand" sei laut Abschlussbericht des HZA im Angebotspreis mit inbegriffen gewesen. Auch habe der Kläger bei Spezialfenstern nach Aussage des Mitarbeiters M. die Mithilfe von Facharbeitern benötigt. Probeberechnungen ausgehend von der Preiskalkulation des Sachverständigen Dipl. Ing. K. mit 70 EUR pro m² hätten nach der Rechnung der Firma Exklusiv Immobilien GmbH sogar eine Lohnsumme von 31% und im Falle der Rechnung R. B. vom 16.3.2011 einen Lohnanteil von 23 % ergeben.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29.11.2017 die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägervertreters vom 5.9.2017, der Beklagten vom 7.9.2017 und der Beigeladenen zu 1. vom 14.9.2017 und der Beigeladenen zu 2. vom 4.12.2017).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, den Auszug aus der Strafakte des Amtsgerichts T. Az. 22 Cs 410 Js 1195/12-AK179/12 und den Aktenordner der B.Finanz.Verw EV 368/12 u. 123/11 sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Die Ersetzungsbescheide der Beklagten vom 23.3.2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte fordert zu Recht vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 16.880,51 EUR inklusive Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.12.2010 und i.H.v. 29.653,18 EUR inklusive Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1.2.2011 bis 29.2.2012 in Summenbeitragsbescheiden.
Streitgegenstand sind nur noch nach § 96 SGG die beiden gegen den Kläger gerichteten Ersetzungsbescheide vom 23.3.2017, gegen die der Kläger zutreffend mit der Anfechtungsklage vorgeht.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 SGB IV i. V. m. § 89 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch nicht (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV).
Nach § 28d Sätze 1 und 2 SGB IV werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch i. V. m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Der gesetzliche Auftrag der Beitragsüberwachung schließt auch die Prüfung der Umlagen U1 (Krankheitsaufwendungen) / U2 (Mutterschaftsgeld) mit ein. Diese gehören zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, weil sie aufgrund § 10 Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG, gültig ab 1.1.2006) den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind, die ihrerseits Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages sind (vgl. Sehnert in Hauck/Noftz, SGB, 07/16, § 28p SGB IV, Rn. 6 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30.10.2002 – B 1 KR 19/01 R). Diese Umlagen sind auch Gegenstand der Betriebsprüfung durch die Rentenversicherungsträger (Scheer in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB IV, 3. Auflage 2016, § 28p SGB IV, Rn. 153 mit Bezugnahme auf BT-Drs. 13/1205 Seite 6). Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.
Die Bescheide vom 23.3.2017 sind nicht schon deshalb als (formell) rechtwidrig zu beurteilen, weil sie nicht auf einer - von § 28p SGB IV vorausgesetzten - eigenen Betriebsprüfung durch die Beklagte beruhen. Vielmehr durfte die Beklagte das Ergebnis der vom HZA durchgeführten Prüfungen zu Grunde legen und auf dieser Grundlage die Prüfung nach § 28p SGB IV durchführen und durch Verwaltungsakt abschließen. Die Prüfungen durch das Hauptzollamt beruhten auf § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, SchwArbG), wonach die Behörden der Zollverwaltung unter anderem prüfen (Nr. 1), ob die sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Pflichten nach § 28a SGB IV erfüllt werden oder wurden. Nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Regelung werden die Behörden der Zollverwaltung bei den Prüfungen nach Abs. 1 von den Trägern der Rentenversicherung unterstützt. Nach Satz 2 der Bestimmung können die Prüfungen mit anderen Prüfungen der in diesem Absatz genannten Stellen verbunden werden. Im Ergebnis ist die Beklagte somit als für die Prüfung bei den Arbeitgebern zuständige Einrichtung befugt, die von der Hauptzollverwaltung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des SchwArbG durchgeführten Prüfungen mit der eigenen Prüfung nach § 28p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 SGB IV zu verbinden, was die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Prüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchwArbG beinhaltet (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29.6.2017 – L 10 R 592/17 –, Rn. 19 f., juris)
Die Bescheide sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger war Arbeitgeber der sowohl auf den Baustellen angetroffenen Arbeiter K., S., M. und Ma. als auch darüber hinaus der namentlich nicht bekannten Mitarbeiter zum Einbau von Fenstern und Türen auf den verschiedenen Baustellen. Als Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige anzusehen, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die "nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Beschäftigte von seinem "Arbeitgeber" persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ob jemand im Verhältnis zu einem anderen abhängig beschäftigt ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. z.B. Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R -, Rn. 17 juris m.w.N.). Arbeitgeber ist derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist. Arbeitgeber ist, wer die Arbeit unmittelbar an andere vergibt und dem die Verfügung über die Arbeitskraft, Einstellung, Verwendung und Entlassung zusteht, für dessen Rechnung das Arbeitsentgelt gezahlt wird und dem die erfolgte Arbeitsleistung zu Gute kommt (Sehnert in: Hauck/Noftz, SGB, 07/16, § 28a SGB IV, Rn. 8; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 Rz 93 f. m. w. N.).
Ausgehend davon sieht es der Senat als erwiesen an, dass der Kläger der Arbeitgeber für die von der FKS auf den Baustellen angetroffenen Schwarzarbeiter K., S., M. und Ma. als auch für die namentlich nicht bekannten ausländischen Arbeitnehmer ohne gültige Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung war. Dies gilt sowohl im Zeitraum 1.7.2009 bis 31.12.2010 als auch für die Zeit vom 1.2.2011 bis 29.2.2012, in der der Kläger sein Einzelunternehmen angemeldet hatte. Der Kläger hat die Arbeiter angeworben und in die Bundesrepublik Deutschland gebracht. Er hat ihnen Unterkunft und Verpflegung gewährt und ihnen einen Lohn für die Mitarbeit auf den Baustellen in Höhe von 50 EUR pro geleistetem Arbeitstag zugesagt und bar ausbezahlt. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des Da. K. und des Anzeigeerstatters K. sowie in Teilen aus der Aussage des Klägers in seiner Vernehmung als Beschuldigter selbst. Der Kläger hat Fenster aus Bosnien-Herzegowina importiert und hier mit von ihm beauftragten Mitarbeitern eingebaut. Die behauptete Fremdtätigkeit für das Unternehmen seines Vaters ist in Bezug auf die Beschäftigung der Mitarbeiter als Schutzbehauptung einzustufen. Die ermittelten tatsächlichen Verhältnisse und auch die Änderung im Handelsregister hinsichtlich der Geschäftsführertätigkeit sprechen gegen die Richtigkeit des Vortrags des Klägers. Er war nach den Ermittlungen des IZA zumindest im Dezember 2011 als Geschäftsführer eingetragen. Nach der Aussage des Zeugen K. soll es sich bei der Firma P. um den Familienbetrieb des Klägers handeln. Der Kläger hat sich in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung noch selbst als Teilhaber bezeichnet. Er konnte hinsichtlich des Deutschlandgeschäfts frei schalten und walten. Für die behauptete Pflicht, Einnahmen an das Unternehmen in Bosnien abzuführen, und die behauptete Abhängigkeit von Weisungen von Vorgesetzten in Bosnien-Herzegowina ergeben sich keine Anhaltspunkte. Der Arbeitsvertrag vom 31.3.2009 mit der Fa. P. d.o.o. verpflichtete den Kläger zudem lediglich als Handelsagenten, was bedeutet, dass der Verkauf damit abgedeckt war. Von Montagetätigkeiten ist darin jedoch nichts enthalten. Für das Tätigwerden der Arbeiter für den Kläger spricht auch, dass diese in keiner Beziehung zur bosnischen Firma standen und auch nur für Montageeinsätze in Deutschland beschäftigt wurden. Durch die Eintragung als Einzelunternehmer haben sich keine Änderungen ergeben, das Tätigwerden des Klägers mit dem Import der Fenster aus Bosnien-Herzegowina und dem Einbau in Deutschland ist gleich geblieben.
Die Beklagte war berechtigt, die Nachforderung in Gestalt von Summenbescheiden geltend zu machen. Der Arbeitgeber hat aufgrund § 28f Abs. 1 SGB IV für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Entgeltunterlagen im Geltungsbereich dieses Gesetzes in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren. Bei der Ausführung von Dienst- oder Werkverträgen im Baugewerbe hat der Unternehmer die Entgeltunterlagen und die Beitragsabrechnung so zu gestalten, dass eine Zuordnung der Arbeitnehmer, des Arbeitsentgelts und des darauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu dem jeweiligen Dienst- oder Werkvertrag möglich ist (§ 28f Abs. 1 Buchst. a SGB IV). Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dies gilt nach Satz 2 der Bestimmung nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Der Kläger hat seine Aufzeichnungspflicht verletzt, denn er hat gegen die aus §§ 28a Abs. 1a, 28e Abs. 1 SGB IV folgenden Pflichten zur Meldung und Beitragszahlung verstoßen. Er hat überhaupt keine schriftlichen Unterlagen gefertigt, weil die Arbeiter ohne Arbeitsgenehmigung unter der Hand beschäftigt wurden. Der Beklagten waren zudem keine weiteren Feststellungen dazu möglich, dass Beiträge nicht zu zahlen sind oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann, § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Der Kläger hat im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren keine Angaben gemacht, die für die individuelle Beitragsfeststellung erforderlich wären. Der Beklagten selbst waren keine Namen der ausländischen Arbeitnehmer bekannt. Die konkret an die Arbeitnehmer ausbezahlten Löhne konnten auch durch das HZA nicht ermittelt werden.
Ein Ermessensfehler bei der Anwendung von § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV ("kann") lässt sich nicht feststellen. Bei der gegebenen Sachlage besteht für die Beklagte keine andere Möglichkeit als die Wahl eines Summenbescheides, um ihrer Verpflichtung zur rechtzeitigen und vollständigen Beitragserhebung (§ 76 Abs. 1 SGB IV) zu entsprechen. Ihr Ermessen ist daher in diesem Sinne auf Null reduziert.
Die Beklagte war weiter berechtigt, die Höhe der Arbeitsentgelte, die der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 226 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III), zu schätzen. Das folgt aus § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV. Zu den Schätzungsmethoden enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Anhand der vorliegend wenigen Anhaltspunkte für eine Beurteilung ist die Schätzung der Beklagten nicht zu beanstanden. Nicht zu ermitteln war weder, wer, wann, wie lange und wie viele Personen pro Auftrag überhaupt gearbeitet haben. Persönliche Zuordnungen waren auch für die bei den Kontrollen auf den Baustellen angetroffenen Arbeiter nicht möglich. Auch die Hauptverhandlung mit Zeugenvernehmung in der Strafsache vor dem Amtsgericht T. hat keine tragfähigen Anhaltspunkte zur konkreten Bestimmung der genauen und individuellen beitragsrelevanten Arbeitsentgelte erbracht. Von daher war auch keine Grundlage gegeben, die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe nach dem tariflich zustehenden Arbeitsentgelt zu beurteilen, was grundsätzlich zu tun ist (BSG, Urteil v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - , Rn. 25 ff. juris). Von daher bleibt nur der Umsatz als verlässliche Größe als Grundlage für eine Schätzung der Höhe der Arbeitsentgelte.
Anders als das SG hat der Senat keine Bedenken, wenn die Beklagte hier einen Anteil von 20% der im Prüfzeitraum ermittelten Umsätze als Lohnkosten ausgehend von den Ermittlungen des HZA zu Grunde legt. Auch wenn dieser Anteil auf Angaben von Mitbewerbern beruht, die eventuell in einem Konkurrenzverhältnis zum Kläger stehen, so sind die Pauschalangaben zum einen unabhängig voneinander von den jeweiligen Geschäftsführern der Firmen genannt worden und zum anderen vom Sachverständigen der Handelskammer Dipl. Ing K. bestätigt worden, der pauschal von einem Lohnkostenanteil am Umsatz von 20 bis 30 % ausgegangen ist. Auch wenn nach dessen Auskunft der Lohnkostenanteil für die Montage von PVC Fenstern ganz erheblich von zahlreichen Faktoren abhängt, so kann dies vorliegend nicht zielführend sein, da das SG selbst anführt, dass diese Faktoren vorliegend ausnahmslos unbekannt sind. D.h. sie können nicht als Grundlage einer Schätzung dienen. Wenn die Beklagte aus einer Bandbreite von 15 bis 30% den Wert von 20% greift, der sich im unteren Mittelwert bewegt, begegnet dies keinen Bedenken.
Die Beklagte hat auch das Ergebnis der Ermittlungen des HZA insoweit berücksichtigt, als dass danach bis Ende 2010 ein Abzug von 25% für rein verkaufte Fenster ohne Lohneinsatz vorzunehmen war. Für den Folgezeitraum ab 1.2.2011 hat sich aus den Ermittlungen des HZA dafür kein Ansatz mehr ergeben, sondern den Zeugenaussagen und Rechnungen ist zu entnehmen, dass alle Fenster auch eingebaut wurden. Hier hätte es über die bloße Behauptung hinaus dem Kläger oblegen, tragfähige andere Anhaltspunkte zu liefern.
Einen systematischen Fehler, wie das SG meint, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Kläger hat seine Umsätze mit Nettolohnkosten für Schwarzarbeit kalkuliert und dementsprechend seine Angebotspreise abgegeben ("verkürzter Umsatz"). Die Beklagte hat also nicht die Sozialversicherungsbeiträge aus Brutto-, sondern aus in den Rechnungen enthaltenen versteckten Nettolohnanteilen berechnet. Zudem bietet der Kläger die in Bosnien Herzegowina produzierten Fenster zu etwa um 50% günstiger an, als deutsche Handwerker. Der Anteil eines ortsüblichen Arbeitsentgelts müsste demnach prozentual noch wesentlich höher als 20% liegen, da bereits die Ware billiger ist. So hat auch eine Probeberechnung der Beklagten nach dem Berechnungsansatz des Dipl. Ing. K. mit 70 EUR je m² Fenster einen Lohnanteil von über 20% ergeben.
Soweit die aufgrund dieser Schätzung - weil eine Zuordnung zu einer Person nicht möglich war - allgemein als Beitragssummenbescheid nachgeforderten Beiträge nicht den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entsprochen haben sollten, kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen: Nach § 28 f Abs. 2 Satz 5 SGB IV hat der prüfende Versicherungsträger einen aufgrund der Sätze 1, 3 und 4 des § 28f Abs. 2 SGB IV ergangenen Bescheid insoweit zu widerrufen, als nachträglich Versicherungs- oder Beitragspflicht bzw. Versicherungsfreiheit festgestellt und die Höhe des Arbeitsentgelts nachgewiesen werden. Erfolgt dies nicht, hängt die Rechtmäßigkeit der Schätzung (nur) davon ab, ob die Beitragshöhe nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt bzw. Arbeitsentgelt einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden kann (vgl. § 28 f Abs. 2 S. 2 SGB IV). Diese Verhältnismäßigkeit des Schätzbescheides kann zwar auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Für eine Beanstandung durch ein Gericht ist es jedoch erforderlich, dass die Schätzung im Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens als unverhältnismäßig erscheinen muss (BSG, Urteil vom 7.2.2002 -B 12 KR 12/01 R-, juris Rn. 28; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.7.2016 – L 1 KR 405/14 –, Rn. 89, juris; Werhahn in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht § 28f SGB IV Rn. 11). Der Arbeitgeber, der - wie hier der Kläger - nicht ordnungsgemäß nach § 28f SGB IV aufgezeichnet hat, trägt die objektive Beweislast, dass statt einer Schätzung der eigentlich richtige Betrag ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden könnte (Werhahn, aaO. § 28 f SGB IV Rn. 9 mit Nachweisen der BSG-Rechtsprechung). Im Gerichtsverfahren ist von einer darüber hinausgehende Unrichtigkeit der Schätzung nicht mehr auszugehen (BSG aaO. Rn. 28; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg aaO. Rn. 89). Der Kläger kann sich deshalb vor Gericht nicht mit Erfolg darauf berufen, es würden Beiträge für Leute erhoben, die nicht gearbeitet hätten. Sofern er den Summenbescheid nachträglich noch zu Fall bringen will, ist dies nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zum Summenbescheid nur in einem Widerrufsverfahren nach Satz 5 des § 28f Abs. 2 SGB IV und damit in einem besonderen Verwaltungsverfahren geltend zu machen, wobei er dann die erforderlichen Angaben mitzuteilen hat (§ 28f Abs. 3 SGB IV).
Die Forderung ist nicht verjährt, da der ursprüngliche Summenbescheid vom 8.3.2013 innerhalb der 4-jährigen Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 SGB IV) zugestellt wurde. Im Übrigen gilt hinsichtlich des Ersetzungsbescheides vom 23.3.2017 mit der Änderung des Adressaten an den Kläger als Geschäftsführer der Fa. P. d.o.o. vorliegend die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, weil bei dem gegebenen Sachverhalt von vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen auszugehen ist.
Die Beiladung der Arbeitnehmer K., S., M. und Ma. war bei der Überprüfung eines Summenbescheides nicht notwendig, weil ein solcher Bescheid nicht personenbezogen ergeht (BSG, Urteil vom 7.2.2002 – B 12 KR 12/01 R –, juris Rn. 14)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 bis 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG. Der Streitwert war hier in Höhe der noch erhobenen Forderung der Beklagten einschließlich der Säumniszuschläge festzusetzen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen in beiden Rechtszügen.
Der Streitwert wird auf 46.533,69 EUR festgesetzt.
Tatbestand:
Streitig ist die Nachforderung von Beiträgen zur Sozialversicherung noch für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 29.2.2012 in Bezug auf die Tätigkeit verschiedener vom Balkan stammender Bauhelfer bei der Montage von Kunststofffenstern für den Kläger.
Der am 23.12.1983 in Bugojno, Bosnien-Herzegowina, geborene Kläger ist österreichischer Staatsbürger und wohnt in T ... Im streitigen Zeitraum hat er in der Gegend um Tu. Kunststofffenster der Firma P. aus Bosnien-Herzegowina vertrieben und mit unterschiedlichen aus Kroatien stammenden illegalen Helfern eingebaut. Sein Vater, N. D., war zumindest zum Zeitpunkt der Gründung im Jahr 2000 Inhaber und Alleinvertretungsberechtigter der in Bugojno, Bosnien-Herzegowina ansässigen Firma P. d.o.o., einer GmbH bosnischen Rechts, die Baubedarfsartikel aus Kunststoffen herstellt (vgl. Handelsregistereintrag vom 7.9.2000 im Auszug der Strafverfahrensakte des Amtsgerichts T. - Az. 22 Cs 410 Js 1195/12-AK179/12 - im Folgenden Strafakte). Später, der Zeitpunkt der Änderung ist unbekannt, zumindest ab Dezember 2011 war der Kläger als Geschäftsführer (Direktor) eingetragen (Bl. 59, Wirtschaftsauskunft der Informationszentrale für steuerliche Auslandsbeziehungen - IZA -des Bundeszentralamtes für Steuern vom Dezember 2011, Bl. 243 VA B.Fin.Verw.). Weitere vertretungsberechtigte Personen sind in den Eintragungen nicht genannt.
Die Fa. P. d.o.o., vertreten durch ihren Direktor N. D., schloss am 31.3.2009 als Arbeitgeberin mit dem Kläger als Arbeitnehmer einen Arbeitsvertrag (beglaubigte Übersetzung Bl. 57 Strafakte). Nach diesem Vertrag wurde der Kläger als Handelsagent zur Erledigung der Geschäftstätigkeiten im In- und Ausland unbefristet gegen ein festes Monatsentgelt von 350 KM (Konvertible Mark, entsprechend 350 Deutsche Mark bzw. 178,95 EUR) zuzüglich Reisekosten und Provisionen für abgeschlossene Geschäfte, zusammen jedoch höchstens 600 KM (entsprechend 306,77 EUR) eingesetzt.
Mindestens seit dem 1.2.2011 ist der Kläger als Einzelunternehmer unter der eigenen Firma E. D. Profi Fenster & Türen selbstständig tätig. Zum 1.2.2011 erfolgte seine Gewerbeanmeldung in T. für die Geschäftsfelder Vertrieb, Montage und Demontage von Fenstern, Türen, Toren, Wintergärten und anderen genormten Fertigteilen (Bl. 55 Strafakte).
Zuvor, am 24.1.2011 ging telefonisch beim Hauptzollamt Singen (HZA) Sachgebiet Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der telefonische Hinweis des D. K. ein, wonach der Kläger mit zwei sich in Deutschland illegal aufhaltenden kroatischen Staatsangehörigen auf einer näher bezeichneten Baustelle in Tu. mit dem Einbau von Fenstern beschäftigt sei. Bei einer Kontrolle am selben Tag traf die FKS den Kläger und zwei kroatische Helfer namens Da. K. und M. S. ohne gültige Aufenthaltspapiere auf der Baustelle an. Der Kläger bestritt zunächst den Einbau von Fenstern und behauptete, diese nur für die Fa. P., deren Gesellschafter er sei, zu verkaufen. Der Einbau erfolge durch verschiedene Bautrupps, Einzelheiten konnte er hierzu nicht nennen.
Im Zuge der dann erfolgten Zoll- und staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen, wurden zahlreiche Auftragsbestätigungen, Zollpapiere, Rechnungen der Fa. P., Quittungen und eine Visitenkarte des Klägers sichergestellt. Die sich daraus ergebenden Auftraggeber für Fenster und Türen wurden befragt. So gab der Auftraggeber A. an, dass die Kroaten auf der Baustelle im Rahmen des Fenstereinbaus tätig seien. Zuvor sei der Kläger schon im Dezember 2010 mit zwei anderen Arbeitern auf seiner Baustelle mit dem Einbau von diversen Fenstern tätig gewesen. Die dem Auftrag zu Grunde liegende Auftragsbestätigung der Fa. P. vom 12.11.2010, die vom Kläger ausgestellt war, (Bl. 11 VA B.Fin.Verw.) weist aus, dass Montage und Demontage durch eigene Facharbeiter erfolgt und der Preis sich inklusive Demontage/Montage/Lieferung versteht. Die Befragung weiterer Auftraggeber ergab, dass überwiegend (75 %) auch der Einbau der Fenster durch den Kläger bzw. durch die von ihm eingesetzten Arbeitskräfte erfolgte. Im Schlussbericht des HZA sind Aussagen mehrerer Auftraggeber des Klägers enthalten, in denen bestätigt wird, dass ihm zwischen ein und drei exjugoslawische Arbeiter bei der Fenstermontage geholfen haben.
Der Arbeiter K. gab bei seiner Vernehmung an, dass der Kontakt zum Kläger durch einen Bekannten zustande gekommen sei. Angedacht sei gewesen, dass er gegen ein tägliches Entgelt von 50 EUR und freier Unterkunft und Verpflegung mit dem Einbau von Fenstern und Türen für den Kläger im Bundesgebiet tätig werde. Am 24.1.2011 habe er seinen Arbeitseinsatz mit dem Entladen von Türen und Fenstern in Tu. begonnen. Eine Arbeitsgenehmigung im Bundesgebiet habe er nicht. Der Arbeiter S. machte keine Angaben zur Sache.
Der Zeuge K. gab bei seiner Vernehmung an, dass er mit dem Kläger eine Geschäftsbeziehung angestrebt habe, die sich jedoch zerschlagen habe. Der Kläger habe seit anderthalb Jahren auf verschiedenen Baustellen zusammen mit je zwei wechselnden ausländischen Bauhelfern Fenster einer bosnischen Firma montiert.
Am 18.05.2011 führte die FKS eine weitere Kontrolle auf einer anderen Baustelle durch, bei der sie den Kläger zusammen mit dem bosnisch-herzegowinischen Bauhelfer EL. M. und dem in T. wohnhaften Bauhelfer El. M. bei der Montage von Fenstern antraf (Bl. 9 Schlussbericht des HZA vom 15.5.2012). Herr M. verfügte über keine gültige Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis und wurde ausgewiesen, nachdem er sich einer weiteren Vernehmung entzogen hatte (Bl. 145 ff. VA B.Fin.Verw.). Bei einer erneuten Kontrolle auf derselben Baustelle am 7.7.2011 traf die FKS den Kläger zusammen mit zwei Fahrern und dem o.g. Bauhelfer Ma. bei Entladetätigkeiten an. Der Kläger hat diesen seit dem 1.6.2011 als geringfügig Beschäftigten angemeldet.
Das HZA ermittelte bei zwei in Singen ansässigen Herstellern und Vertreibern von PVC Fenstern und Türen zum üblichen prozentualen Anteil der Personalkosten. Die Geschäftsführer der Firmen Fensterbau Sch. GmbH und MSF S., Sch. und S. gaben an, dass die auf den vorgelegten Rechnungen der bosnischen Firma genannten Preise 30 bis 50 % günstiger als auf dem hiesigen Markt seien und sie selber Personalkosten von ca. 15 bis 20% bzw. 20% des Warenwerts kalkulierten (Auskünfte vom 14.7.2011, Bl. 133, 135 VA B.Fin.Verw.). Die Handwerkskammer Konstanz teilte als Auskunft des Sachverständigen Dipl. Ing. K. mit, dass der Preis abhängig von verschiedenen Faktoren sei, wie etwa der Schwere des Elements, bei der eine zweite Arbeitskraft erforderlich werde. Pauschal könne gesagt werden, dass der prozentuale Anteil der Montage/Personalkosten ca. 20 bis 30% des Wertes der eingebauten Ware entspreche (Auskunft vom 20.7.2011, Bl. 137 VA B.Fin.Verw.).
Das HZA sandte an die Beklagte die Ermittlungs- und Beweismittelakten (Schreiben vom 14.5.2012) sowie den Schlussbericht. Anhand derer führte die Beklagte am 25.5.2012 eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 i.V.m. § 107 SGB IV i.V.m. § 2 Abs. 2 Schwarzarbeitbekämpfungsgesetz (SchwArbG) für den Prüfzeitraum 1.4.2008 bis 29.2.2012 durch. Mit Bescheid vom 8.3.2013 forderte die Beklagte vom Kläger nach vorausgegangener schriftlicher Anhörung vom 5.2.2013 rückwirkend für den Zeitraum April 2008 bis Februar 2012 Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 39.411,42 EUR zuzüglich Säumniszuschläge in Höhe von (abgerundet) 7.500 EUR, zusammen 46.911,42 EUR. Namentlich nicht bekannte Mitarbeiter seien zur Montage der Fenster auf den Baustellen des Klägers gegen Arbeitsentgelt im Berechnungszeitraum beschäftigt worden. Durch die Art der Beschäftigung seien sie während der Montagetätigkeit in den Betriebsablauf eingebunden und somit in den Betrieb eingegliedert gewesen. Es bestehe Versicherungspflicht in allen Zweigen der Sozialversicherung. Nach den vorgelegten Unterlagen sei den kroatischen Helfern Bargeld ohne Belege ausgegeben worden. Nach Rücksprache mit verschiedenen Anbietern im Bereich des Fensterbaus und der Handwerkskammer, die von einem Lohnkostenanteil bei der Rechnungsstellung von 20 bis 30 % ausgehen, werde als Bruttoarbeitsentgelt 20% des Umsatzerlöses und der sichergestellten Rechnungen des Betriebs von 2008 bis 2011 festgelegt. Eine Nettolohnhochrechnung sei nach den Aussagen der befragten Betriebe nicht realistisch und sachdienlich, deshalb gelte das ermittelte Arbeitsentgelt als Bemessungsgrundlage der Beitragsberechnung. Die Beiträge seien anhand der gültigen Beitragssätze aus dem ermittelten Arbeitsentgelt (20 % der Umsatzerlöse) zu den Zweigen der Sozialversicherung, sowie Beiträge zur Umlageinsolvenz, U1 und 2 berechnet worden.
Am 25.3.2013 ließ der Kläger gegen diese Entscheidung Widerspruch einlegen, der damit begründet wurde, dass zwischen den Zeiträumen vor seiner Gewerbeanmeldung und ab seiner Gewerbeanmeldung (1.2.2011) zu differenzieren sei. Der Arbeitsvertrag vom 31.3.2009 mache ihn für den ersten Zeitraum zum abhängig Beschäftigten der Firma seines Vaters. Er, der Kläger, sei keineswegs faktischer Geschäftsführer der Fa. P. d.o.o. seines 52-jährigen Vaters gewesen. Dieser habe wie der Kläger 10 Jahre in Österreich gelebt, spreche Deutsch und führe die Geschäfte selbst. Der Kläger sei als dessen Arbeitnehmer kein tauglicher Täter. Im zweiten Zeitraum habe er als Arbeitgeber Herrn Ma. als seinen einzigen Bauhelfer geringfügig für ein Monatsgehalt von 440,- EUR beschäftigt. Die Schätzung der Lohnkosten durch die FKS entbehre jeder tatsächlichen Grundlage und sei rechtlich unhaltbar. Für das Geschäftsfeld Handel mit Fenstern und Türen fielen überhaupt keine Lohnkosten an. Soweit Montagearbeiten erfolgt seien, habe der Kläger diese persönlich zusammen mit seinem einen Beschäftigten erbracht.
Das gegen den Kläger eingeleitete Strafverfahren wegen Vorenthaltens und Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB wurde nach erfolgtem Einspruch gegen einen Strafbefehl über eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 300 Tagessätzen mit insgesamt 9.000,00 EUR, (vgl. Bl. 31 Strafakte) gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 2.000,00 EUR eingestellt (Beschluss des Amtsgerichts T. vom 5.11.2012 - Az. 22 Cs 410 Js 1195/12-AK179/12 -, Bl. 85 Strafakte).
Mit Widerspruchsbescheid vom 11.11.2013 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend insbesondere aus, dass das IZA am 2.12.2011 mitgeteilt habe, dass der Kläger mit Stand Dezember 2011 als Direktor der P. GmbH in Bosnien-Herzegowina registriert sei. Im Zeitraum Februar 2011 bis Februar 2012 seien Umsatzerlöse von 259.000 EUR erzielt worden. 2011 und 2012 seien Umsatzerlöse von insgesamt 306.000 EUR verbucht. In diesem Zeitraum seien lediglich 1.385 EUR an Lohnkosten verbucht. Die Beitragsnachforderung sei in einem Summenbeitragsbescheid gem. § 28f Abs. 2 SGB VI (gemeint: SGB IV) errechnet worden. Vom Tatvorwurf im Strafbefehl sei der Kläger nicht freigesprochen worden, sondern das Verfahren lediglich gegen Zahlung einer Geldbuße eingestellt worden. Die Gewerbeanmeldung am 1.2.2011 nur wenige Tage nach der ersten Kontrolle durch das HZA habe an der Arbeitsweise nichts geändert. Die Fenster seien nach wie vor aus Bosnien geliefert und vom Kläger mit illegalen Arbeitskräften, die er eingestellt, selber bar bezahlt und ihnen Weisungen erteilt habe, eingebaut worden. Nur die Art der Rechnungsstellung habe sich geändert. Über eine Geschäftsführung durch den Vater des Klägers lägen keine Nachweise vor. Das im vorgelegten Arbeitsvertrag vereinbarte Entgelt entspräche in keiner Weise den geleisteten Arbeiten. Es sei deshalb anzunehmen, dass der Kläger - falls sein Vater tatsächlich Besitzer der bosnischen Firma gewesen sei, familienhaft zusammengearbeitet habe und dass der Kläger für das Geschäft in Deutschland verantwortlich gewesen sei. Er sei deshalb als faktischer Geschäftsführer oder zumindest als Betriebsführer für das Deutschland-Geschäft der Fa. P. anzusehen und damit Arbeitgeber der angeworbenen Arbeitskräfte.
Dagegen hat der Kläger am 9.12.2013 Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG) erheben lassen. Er hat geltend gemacht, dass er vor dem 1.2.2011 lediglich Angestellter im Unternehmen seines Vaters gewesen sei. Einnahmen habe er stets an dieses Unternehmen abführen müssen. Er selbst scheide für diesen Zeitraum als beitragsschuldender Arbeitgeber aus. Der angefochtene Bescheid sei bereits deshalb rechtswidrig und aufzuheben. Erst seit dem 1.2.2011 führe er als Einzelkaufmann ein eigenes Unternehmen. Er habe seitdem lediglich Herrn Ma. geringfügig beschäftigt.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat den Kläger als faktischen Geschäftsführer des Unternehmens P. d.o.o. zumindest für den deutschen Markt und als Arbeitgeber der kroatischen Arbeitskräfte gesehen.
Mit Beschluss vom 3.2.2015 hat das SG die DAK-Gesundheit zum Verfahren beigeladen.
Mit Gerichtsbescheid vom 18.1.2017 hat das SG den Bescheid der Beklagten vom 8.3.2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2013 aufgehoben und zur Begründung ausgeführt, dass letztlich nicht streitentscheidend sei, ob der Kläger oder die Fa. P. als Arbeitgeber insbesondere hinsichtlich des Zeitraums vor dem 1.2.2011 einzuordnen seien. Die genauere Auswertung sämtlicher Ermittlungsergebnisse des HZA Singen sowie der Auftritt des Klägers im Geschäftsverkehr belegten allerdings eine untrennbare Verflechtung und wechselseitige Abhängigkeit der Tätigkeiten des Klägers und des Unternehmens P. d.o.o. unter etwaiger Führung seines Vaters. Allen Ermittlungsergebnissen zufolge habe der Kläger jedenfalls für die Vermarktung in Deutschland völlig frei schalten und walten können. Soweit die Fa. P. als Arbeitgeber in Betracht komme, sei der Bescheid möglicherweise an den falschen Adressaten gerichtet. Zu beanstanden sei jedoch die Schätzung durch die Beklagte. Die tatbestandlichen Voraussetzungen hierfür seien zwar gegeben. Die Angaben des Klägers, dass er ab dem 1.6.2011 ausschließlich Herrn Ma. beschäftigt habe, seien durch die Ermittlungen der FKS aufgrund von zwei Kontrollen widerlegt und dies decke sich auch mit den Zeugenaussagen verschiedener Auftraggeber sowie des Anzeigeerstatters, die jeweils von zwei bzw. mehreren Bauhelfern je Baustelle sprächen. Nicht maßgeblich sei eine Anmeldung des Bauhelfers Ma. nur als geringfügig Beschäftigter, da bereits das tatsächliche Arbeitsentgelt die Geringfügigkeitsgrenze regelmäßig und deutlich überschritten habe. Die Zeugenauskünfte sprächen von 50 EUR je Tag auf der Baustelle und durchschnittlich 14 Montagetagen je Monat. Im Übrigen sei nicht das tatsächlich entrichtete, sondern das arbeitsrechtlich eigentlich geschuldete Arbeitsentgelt in Höhe tariflich verbindlicher Mindestlöhne im Baugewerbe West für die Lohngruppe 1 maßgeblich. Eine Schätzung sei dem Grunde nach zulässig und geboten, denn weder der Kläger noch die P. d.o.o. (sofern sie zeitweise als Arbeitgeberin anzusehen sein sollte) sei den Aufzeichnungspflichten gerecht geworden. Auch die Ermittlungen und die Hauptverhandlung mit Zeugenvernehmung hätten keine tragfähigen Anhaltspunkte zur konkreten Bestimmung der genauen und individuellen beitragsrelevanten Arbeitsentgelte erbracht. Die Schätzung werde jedoch den an sie anzulegenden Maßstäben nicht gerecht. So sei das ortsübliche Arbeitsentgelt nicht lediglich mitberücksichtigt worden. Die Beklagte habe sich ganz und gar auf diesen einen Ansatz beschränkt, obwohl die eingeholten Auskünfte von konkurrierenden Unternehmen stammten, eine Befragung von zwei Wettbewerbern kaum repräsentativ erscheine und die über die Handelskammer Konstanz eingeholte Auskunft zeige, dass der Lohnkostenanteil für die Montage von PVC-Fenstern ganz erheblich von zahlreichen Kriterien abhänge, die vorliegend ausnahmslos unbekannt seien. Auskünfte lägen mit einer Bandbreite von 15 bis 30% bezogen auf inländische Wettbewerber vor, die die gesamten Lohnkosten abbildeten und folglich die Bruttogehälter und die Arbeitgeberanteile zur Sozialversicherung enthielten. Die von der Beklagten nicht näher begründete Festlegung auf 20% sei nicht nachvollziehbar. Hierbei lasse sie für den Zeitraum ab 2011 ohne ersichtlichen Grund außer Acht, dass die eingeholten Auskünfte nur Aussagen zum Lohnkostenanteil bei montierten Fenstern träfen, während die Ermittlungen ergeben hätten, dass nur ein Anteil von etwa ¾ aller Aufträge bzw. der Umsätze auf Aufträge einschließlich Montage entfielen und sich der Rest auf bloßen Verkauf beschränke. Die Beklagte habe ihre eigenen Berechnungen ab Februar 2011 abweichend von den vorausliegenden Berechnungen des HZA ohne einen Abschlag für lediglich verkaufte Fenster fortgeführt und sei folglich stets von einem Verkauf mit Montage ausgegangen. Der Einzelauftrag der E. Immobilien vom 12.4.2011 über 231.000 EUR einschließlich Montage relativiere die Quote zwar zulasten des Klägers, rechtfertige jedoch nicht, sie ganz zu übergehen. Weiter sei beim Kläger davon auszugehen, dass er keine als Facharbeiter zu entlohnenden Personen beschäftigt habe, bei den befragten Wettbewerbern jedoch Facharbeiterlöhne einen beträchtlichen Anteil der Personalkosten ausmachen dürften. Die Beklagte hätte deshalb eine Kontrollberechnung vornehmen müssen. Die Beklagte hätte die dokumentierten Zeugenauskünfte zur Häufigkeit und jeweiligen Dauer der Arbeitseinsätze und Anzahl der Bauhelfer auswerten und tatsächliche Lohnkosten anhand der jeweils geltenden Mindestlöhne im Baugewerbe für ungelernte Tätigkeiten errechnen können. Als weiterer Schätzungsansatz biete sich an, die ortsüblichen Lohnkosten auf eine solidere Datengrundlage zu stellen und sodann um Löhne für Facharbeiter zu bereinigen. Im Übrigen laufe die Berechnung der Beklagten auf eine doppelte Erhebung von Sozialversicherungsbeiträgen hinaus, indem von einem grob geschätzten Bruttolohnanteil abermals auf einen Bruttolohn hochgerechnet werde. Die ausgeführten Mängel seien nicht heilbar, eine eigenständige nachgebesserte Schätzung durch das Gericht sei gesetzlich nicht vorgesehen. Die auf das Beitragsjahr 2008 entfallende anteilige Beitragsforderung von 243,02 EUR könne zudem verjährt sein. Eine nähere Prüfung erübrige sich jedoch.
Gegen das der Beklagten gegen Empfangsbekenntnis am 23.1.2017 zugestellte Urteil hat sie am 14.2.2017 schriftlich beim Landessozialgericht Baden-Württemberg Berufung eingelegt und vorgetragen, dass die Gesamtumsätze 2008 bis 2010 um die reinen Fensterverkäufe (25 %) bereinigt worden seien. In den Jahren 2011 und 2012 sei ein Abschlag nicht mehr zugestanden worden, weil die Auftraggeber bestätigt hätten, dass die Fenster immer eingebaut worden seien. Mangels konkreter Anhaltspunkte über Arbeitszeit, Anzahl der Personen, Zeitaufwand je Fenster-/Türen-Einbau, Kenntnis des Ausbildungsstandes etc. könne auch nicht über einen Mindestlohn eine korrekte und den Anforderungen an eine Schätzung entsprechende Bemessungsgrundlage ermittelt werden. Eine Beitragsberechnung unter Zuhilfenahme von bekannten Umsätzen sei höchstrichterlich anerkannt. Soweit der Arbeitgeber gegen seine Aufzeichnungspflichten verstoße und alle anderen Möglichkeiten der Entgeltermittlung ergebnislos ausgeschöpft worden seien, könne auf Grundlage des Nettoumsatzbetrags ein branchenspezifischer Lohnkostenanteil und damit die Beitragsbemessungsgrundlage ermittelt werden (Hinweis auf BGH, Urteil vom 24.9.1986 - 3 StR 336/86 und BGH, Beschluss vom 10.11.2009 - 1 StR 283/09). Andernfalls sei entgegen des SG von einer Anwendbarkeit des § 278 ZPO nach § 202 SGG auch im sozialgerichtlichen Verfahren auszugehen und hätte das Sozialgericht eine eigene Schätzungsbefugnis gehabt, so dass der Bescheid nicht hätte aufgehoben werden dürfen. Der vom SG bemängelte systematische Fehler liege nicht vor, weil die Bemessungsgrundlage nicht durch eine Hochrechnung ermittelt worden sei, sondern dem Anteil am reinen (teilweise gekürzten) Nettoumsatz entspreche. Unabhängig von der Verjährungsfrage betreffe die Nachforderung für 2008 nur eine Fensterlieferung und keine Montage, weshalb sie aus der Nachberechnung herausgenommen werden müsse. Der Kläger sei für den Zeitraum bis 31.1.2011 eindeutig als faktischer Geschäftsführer der P. d.o.o. anzusehen.
Mit Bescheiden vom 23.3.2017 ersetzte die Beklagte den Bescheid vom 8.3.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 11.11.2013 und forderte nunmehr noch für den Teilzeitraum 1.7.2009 bis 31.12.2010 eine Nachforderung von 16.880,51 EUR inklusive Säumniszuschläge i.H.v. 3.766 EUR und für den Teilzeitraum 1.2.2011 bis 29.2.2012 von 29.653,18 EUR inklusive Säumniszuschläge i.H.v. 3.599 EUR. Für den ersten Zeitraum ist der Bescheid an P. d.o.o. vertreten durch den Geschäftsführer E. D. und für den zweiten Zeitraum an Profi Fenster und Türen E. D. gerichtet.
Die Beklagte beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 18. Januar 2017 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er hält den angefochtenen Gerichtsbescheid für zutreffend. Es müsse berücksichtigt werden, dass Fenster lediglich teilweise nur verkauft worden seien und lediglich kroatische Hilfsarbeiter beschäftigt worden seien. Nach der Vorgehensweise der Beklagten würden Sozialversicherungsbeiträge doppelt berücksichtigt.
Die Beklagte hat im Erörterungstermin am 6.7.2017 ergänzend ausgeführt, es komme nicht zu einer doppelten Berücksichtigung von Sozialversicherungsbeiträgen, weil die Angebotspreise des Klägers weit unter den reellen Angebotspreisen (verkürzter Umsatz) gelegen hätten. Die "Montage unter der Hand" sei laut Abschlussbericht des HZA im Angebotspreis mit inbegriffen gewesen. Auch habe der Kläger bei Spezialfenstern nach Aussage des Mitarbeiters M. die Mithilfe von Facharbeitern benötigt. Probeberechnungen ausgehend von der Preiskalkulation des Sachverständigen Dipl. Ing. K. mit 70 EUR pro m² hätten nach der Rechnung der Firma Exklusiv Immobilien GmbH sogar eine Lohnsumme von 31% und im Falle der Rechnung R. B. vom 16.3.2011 einen Lohnanteil von 23 % ergeben.
Der Senat hat mit Beschluss vom 29.11.2017 die Bundesagentur für Arbeit zum Verfahren beigeladen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt (Schriftsatz des Klägervertreters vom 5.9.2017, der Beklagten vom 7.9.2017 und der Beigeladenen zu 1. vom 14.9.2017 und der Beigeladenen zu 2. vom 4.12.2017).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, den Auszug aus der Strafakte des Amtsgerichts T. Az. 22 Cs 410 Js 1195/12-AK179/12 und den Aktenordner der B.Finanz.Verw EV 368/12 u. 123/11 sowie die Prozessakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat entscheidet mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (vgl. § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung der Beklagten hat Erfolg.
Die gem. §§ 143, 144 Abs. 1 SGG statthafte Berufung ist zulässig; sie ist unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden. Die Berufung ist auch begründet. Die Ersetzungsbescheide der Beklagten vom 23.3.2017 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Die Beklagte fordert zu Recht vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 16.880,51 EUR inklusive Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1.7.2009 bis 31.12.2010 und i.H.v. 29.653,18 EUR inklusive Säumniszuschläge für den Zeitraum vom 1.2.2011 bis 29.2.2012 in Summenbeitragsbescheiden.
Streitgegenstand sind nur noch nach § 96 SGG die beiden gegen den Kläger gerichteten Ersetzungsbescheide vom 23.3.2017, gegen die der Kläger zutreffend mit der Anfechtungsklage vorgeht.
Rechtsgrundlage der angefochtenen Bescheide ist § 28p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 des Vierten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB IV). Danach prüfen die Träger der Rentenversicherung bei den Arbeitgebern, ob diese ihre Meldepflichten und ihre sonstigen Pflichten nach diesem Gesetzbuch, die im Zusammenhang mit dem Gesamtsozialversicherungsbeitrag entstehen, ordnungsgemäß erfüllen; sie prüfen insbesondere die Richtigkeit der Beitragszahlungen und der Meldungen (§ 28a SGB IV) mindestens alle vier Jahre. Die Träger der Rentenversicherung erlassen im Rahmen der Prüfung Verwaltungsakte zur Versicherungspflicht und Beitragshöhe in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung einschließlich der Widerspruchsbescheide gegenüber den Arbeitgebern; insoweit gelten § 28h Abs. 2 SGB IV sowie § 93 SGB IV i. V. m. § 89 Abs. 5 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch nicht (§ 28 p Abs. 1 Satz 5 SGB IV).
Nach § 28d Sätze 1 und 2 SGB IV werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung gezahlt. Dies gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Bemessungsgrundlage für die Höhe der Beiträge abhängig Beschäftigter ist in der Kranken-, Pflege-, Renten- sowie Arbeitslosenversicherung jeweils das Arbeitsentgelt des Beschäftigten, § 226 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), § 75 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Elftes Buch i. V. m. § 226 Abs. 1 Satz 1 SGB V, § 162 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch, § 342 Sozialgesetzbuch Drittes Buch. Der gesetzliche Auftrag der Beitragsüberwachung schließt auch die Prüfung der Umlagen U1 (Krankheitsaufwendungen) / U2 (Mutterschaftsgeld) mit ein. Diese gehören zu den Gesamtsozialversicherungsbeiträgen, weil sie aufgrund § 10 Gesetz über den Ausgleich der Arbeitgeberaufwendungen für Entgeltfortzahlung (Aufwendungsausgleichsgesetz - AAG, gültig ab 1.1.2006) den Beiträgen zur gesetzlichen Krankenversicherung gleichgestellt sind, die ihrerseits Teil des Gesamtsozialversicherungsbeitrages sind (vgl. Sehnert in Hauck/Noftz, SGB, 07/16, § 28p SGB IV, Rn. 6 mit Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 30.10.2002 – B 1 KR 19/01 R). Diese Umlagen sind auch Gegenstand der Betriebsprüfung durch die Rentenversicherungsträger (Scheer in: Schlegel/Voelzke, juris PK-SGB IV, 3. Auflage 2016, § 28p SGB IV, Rn. 153 mit Bezugnahme auf BT-Drs. 13/1205 Seite 6). Nach § 28e Abs. 1 Satz 1 SGB IV hat der Arbeitgeber den Gesamtsozialversicherungsbeitrag zu zahlen.
Die Bescheide vom 23.3.2017 sind nicht schon deshalb als (formell) rechtwidrig zu beurteilen, weil sie nicht auf einer - von § 28p SGB IV vorausgesetzten - eigenen Betriebsprüfung durch die Beklagte beruhen. Vielmehr durfte die Beklagte das Ergebnis der vom HZA durchgeführten Prüfungen zu Grunde legen und auf dieser Grundlage die Prüfung nach § 28p SGB IV durchführen und durch Verwaltungsakt abschließen. Die Prüfungen durch das Hauptzollamt beruhten auf § 2 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes zur Bekämpfung der Schwarzarbeit und illegalen Beschäftigung (Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz, SchwArbG), wonach die Behörden der Zollverwaltung unter anderem prüfen (Nr. 1), ob die sich aus den Dienst- oder Werkleistungen ergebenden Pflichten nach § 28a SGB IV erfüllt werden oder wurden. Nach Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 der Regelung werden die Behörden der Zollverwaltung bei den Prüfungen nach Abs. 1 von den Trägern der Rentenversicherung unterstützt. Nach Satz 2 der Bestimmung können die Prüfungen mit anderen Prüfungen der in diesem Absatz genannten Stellen verbunden werden. Im Ergebnis ist die Beklagte somit als für die Prüfung bei den Arbeitgebern zuständige Einrichtung befugt, die von der Hauptzollverwaltung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 des SchwArbG durchgeführten Prüfungen mit der eigenen Prüfung nach § 28p Abs. 1 Satz 1 und Satz 5 SGB IV zu verbinden, was die Übernahme der Ermittlungsergebnisse der Prüfung nach § 2 Abs. 1 Satz 1 SchwArbG beinhaltet (vgl. Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 29.6.2017 – L 10 R 592/17 –, Rn. 19 f., juris)
Die Bescheide sind auch inhaltlich nicht zu beanstanden.
Der Kläger war Arbeitgeber der sowohl auf den Baustellen angetroffenen Arbeiter K., S., M. und Ma. als auch darüber hinaus der namentlich nicht bekannten Mitarbeiter zum Einbau von Fenstern und Türen auf den verschiedenen Baustellen. Als Arbeitgeber im sozialversicherungsrechtlichen Sinne ist regelmäßig derjenige anzusehen, zu dem ein anderer - der Beschäftigte - in einem persönlichen Abhängigkeitsverhältnis steht. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV ist Beschäftigung die "nicht selbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis". Anhaltspunkte für eine Beschäftigung sind eine Tätigkeit nach Weisungen und eine Eingliederung in die Arbeitsorganisation des Weisungsgebers (§ 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Eine Beschäftigung setzt voraus, dass der Beschäftigte von seinem "Arbeitgeber" persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in dem Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Ausführung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt. Ob jemand im Verhältnis zu einem anderen abhängig beschäftigt ist, richtet sich ausgehend von den genannten Umständen nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), vgl. z.B. Urteil vom 27.7.2011 - B 12 KR 10/09 R -, Rn. 17 juris m.w.N.). Arbeitgeber ist derjenige, dem der Anspruch auf die vom Beschäftigten nach Maßgabe des Weisungsrechts geschuldete Arbeitsleistung zusteht und der dem Beschäftigten dafür als Gegenleistung zur Entgeltzahlung verpflichtet ist. Arbeitgeber ist, wer die Arbeit unmittelbar an andere vergibt und dem die Verfügung über die Arbeitskraft, Einstellung, Verwendung und Entlassung zusteht, für dessen Rechnung das Arbeitsentgelt gezahlt wird und dem die erfolgte Arbeitsleistung zu Gute kommt (Sehnert in: Hauck/Noftz, SGB, 07/16, § 28a SGB IV, Rn. 8; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, K § 5 Rz 93 f. m. w. N.).
Ausgehend davon sieht es der Senat als erwiesen an, dass der Kläger der Arbeitgeber für die von der FKS auf den Baustellen angetroffenen Schwarzarbeiter K., S., M. und Ma. als auch für die namentlich nicht bekannten ausländischen Arbeitnehmer ohne gültige Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigung war. Dies gilt sowohl im Zeitraum 1.7.2009 bis 31.12.2010 als auch für die Zeit vom 1.2.2011 bis 29.2.2012, in der der Kläger sein Einzelunternehmen angemeldet hatte. Der Kläger hat die Arbeiter angeworben und in die Bundesrepublik Deutschland gebracht. Er hat ihnen Unterkunft und Verpflegung gewährt und ihnen einen Lohn für die Mitarbeit auf den Baustellen in Höhe von 50 EUR pro geleistetem Arbeitstag zugesagt und bar ausbezahlt. Dies ergibt sich aus den übereinstimmenden Aussagen des Da. K. und des Anzeigeerstatters K. sowie in Teilen aus der Aussage des Klägers in seiner Vernehmung als Beschuldigter selbst. Der Kläger hat Fenster aus Bosnien-Herzegowina importiert und hier mit von ihm beauftragten Mitarbeitern eingebaut. Die behauptete Fremdtätigkeit für das Unternehmen seines Vaters ist in Bezug auf die Beschäftigung der Mitarbeiter als Schutzbehauptung einzustufen. Die ermittelten tatsächlichen Verhältnisse und auch die Änderung im Handelsregister hinsichtlich der Geschäftsführertätigkeit sprechen gegen die Richtigkeit des Vortrags des Klägers. Er war nach den Ermittlungen des IZA zumindest im Dezember 2011 als Geschäftsführer eingetragen. Nach der Aussage des Zeugen K. soll es sich bei der Firma P. um den Familienbetrieb des Klägers handeln. Der Kläger hat sich in seiner ersten Beschuldigtenvernehmung noch selbst als Teilhaber bezeichnet. Er konnte hinsichtlich des Deutschlandgeschäfts frei schalten und walten. Für die behauptete Pflicht, Einnahmen an das Unternehmen in Bosnien abzuführen, und die behauptete Abhängigkeit von Weisungen von Vorgesetzten in Bosnien-Herzegowina ergeben sich keine Anhaltspunkte. Der Arbeitsvertrag vom 31.3.2009 mit der Fa. P. d.o.o. verpflichtete den Kläger zudem lediglich als Handelsagenten, was bedeutet, dass der Verkauf damit abgedeckt war. Von Montagetätigkeiten ist darin jedoch nichts enthalten. Für das Tätigwerden der Arbeiter für den Kläger spricht auch, dass diese in keiner Beziehung zur bosnischen Firma standen und auch nur für Montageeinsätze in Deutschland beschäftigt wurden. Durch die Eintragung als Einzelunternehmer haben sich keine Änderungen ergeben, das Tätigwerden des Klägers mit dem Import der Fenster aus Bosnien-Herzegowina und dem Einbau in Deutschland ist gleich geblieben.
Die Beklagte war berechtigt, die Nachforderung in Gestalt von Summenbescheiden geltend zu machen. Der Arbeitgeber hat aufgrund § 28f Abs. 1 SGB IV für jeden Beschäftigten, getrennt nach Kalenderjahren, Entgeltunterlagen im Geltungsbereich dieses Gesetzes in deutscher Sprache zu führen und bis zum Ablauf des auf die letzte Prüfung folgenden Kalenderjahres geordnet aufzubewahren. Bei der Ausführung von Dienst- oder Werkverträgen im Baugewerbe hat der Unternehmer die Entgeltunterlagen und die Beitragsabrechnung so zu gestalten, dass eine Zuordnung der Arbeitnehmer, des Arbeitsentgelts und des darauf entfallenden Gesamtsozialversicherungsbeitrags zu dem jeweiligen Dienst- oder Werkvertrag möglich ist (§ 28f Abs. 1 Buchst. a SGB IV). Nach § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV kann der prüfende Träger der Rentenversicherung den Gesamtsozialversicherungsbeitrag von der Summe der vom Arbeitgeber gezahlten Arbeitsentgelte geltend machen, wenn ein Arbeitgeber die Aufzeichnungspflicht nicht ordnungsgemäß erfüllt hat und dadurch die Versicherungs- oder Beitragspflicht oder die Beitragshöhe nicht festgestellt werden können. Dies gilt nach Satz 2 der Bestimmung nicht, soweit ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt werden kann, dass Beiträge nicht zu zahlen waren oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann. Der Kläger hat seine Aufzeichnungspflicht verletzt, denn er hat gegen die aus §§ 28a Abs. 1a, 28e Abs. 1 SGB IV folgenden Pflichten zur Meldung und Beitragszahlung verstoßen. Er hat überhaupt keine schriftlichen Unterlagen gefertigt, weil die Arbeiter ohne Arbeitsgenehmigung unter der Hand beschäftigt wurden. Der Beklagten waren zudem keine weiteren Feststellungen dazu möglich, dass Beiträge nicht zu zahlen sind oder Arbeitsentgelt einem bestimmten Beschäftigten zugeordnet werden kann, § 28f Abs. 2 Satz 2 SGB IV. Der Kläger hat im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren keine Angaben gemacht, die für die individuelle Beitragsfeststellung erforderlich wären. Der Beklagten selbst waren keine Namen der ausländischen Arbeitnehmer bekannt. Die konkret an die Arbeitnehmer ausbezahlten Löhne konnten auch durch das HZA nicht ermittelt werden.
Ein Ermessensfehler bei der Anwendung von § 28f Abs. 2 Satz 1 SGB IV ("kann") lässt sich nicht feststellen. Bei der gegebenen Sachlage besteht für die Beklagte keine andere Möglichkeit als die Wahl eines Summenbescheides, um ihrer Verpflichtung zur rechtzeitigen und vollständigen Beitragserhebung (§ 76 Abs. 1 SGB IV) zu entsprechen. Ihr Ermessen ist daher in diesem Sinne auf Null reduziert.
Die Beklagte war weiter berechtigt, die Höhe der Arbeitsentgelte, die der Beitragsbemessung zugrunde zu legen sind (§ 226 Abs.1 Satz 1 Nr. 1 SGB V, § 57 Abs. 1 SGB XI, § 162 Nr. 1 SGB VI, § 342 SGB III), zu schätzen. Das folgt aus § 28f Abs. 2 Satz 3 SGB IV. Zu den Schätzungsmethoden enthält das Gesetz keine ausdrückliche Regelung. Anhand der vorliegend wenigen Anhaltspunkte für eine Beurteilung ist die Schätzung der Beklagten nicht zu beanstanden. Nicht zu ermitteln war weder, wer, wann, wie lange und wie viele Personen pro Auftrag überhaupt gearbeitet haben. Persönliche Zuordnungen waren auch für die bei den Kontrollen auf den Baustellen angetroffenen Arbeiter nicht möglich. Auch die Hauptverhandlung mit Zeugenvernehmung in der Strafsache vor dem Amtsgericht T. hat keine tragfähigen Anhaltspunkte zur konkreten Bestimmung der genauen und individuellen beitragsrelevanten Arbeitsentgelte erbracht. Von daher war auch keine Grundlage gegeben, die Versicherungspflicht und die Beitragshöhe nach dem tariflich zustehenden Arbeitsentgelt zu beurteilen, was grundsätzlich zu tun ist (BSG, Urteil v. 14.7.2004 - B 12 KR 1/04 R - , Rn. 25 ff. juris). Von daher bleibt nur der Umsatz als verlässliche Größe als Grundlage für eine Schätzung der Höhe der Arbeitsentgelte.
Anders als das SG hat der Senat keine Bedenken, wenn die Beklagte hier einen Anteil von 20% der im Prüfzeitraum ermittelten Umsätze als Lohnkosten ausgehend von den Ermittlungen des HZA zu Grunde legt. Auch wenn dieser Anteil auf Angaben von Mitbewerbern beruht, die eventuell in einem Konkurrenzverhältnis zum Kläger stehen, so sind die Pauschalangaben zum einen unabhängig voneinander von den jeweiligen Geschäftsführern der Firmen genannt worden und zum anderen vom Sachverständigen der Handelskammer Dipl. Ing K. bestätigt worden, der pauschal von einem Lohnkostenanteil am Umsatz von 20 bis 30 % ausgegangen ist. Auch wenn nach dessen Auskunft der Lohnkostenanteil für die Montage von PVC Fenstern ganz erheblich von zahlreichen Faktoren abhängt, so kann dies vorliegend nicht zielführend sein, da das SG selbst anführt, dass diese Faktoren vorliegend ausnahmslos unbekannt sind. D.h. sie können nicht als Grundlage einer Schätzung dienen. Wenn die Beklagte aus einer Bandbreite von 15 bis 30% den Wert von 20% greift, der sich im unteren Mittelwert bewegt, begegnet dies keinen Bedenken.
Die Beklagte hat auch das Ergebnis der Ermittlungen des HZA insoweit berücksichtigt, als dass danach bis Ende 2010 ein Abzug von 25% für rein verkaufte Fenster ohne Lohneinsatz vorzunehmen war. Für den Folgezeitraum ab 1.2.2011 hat sich aus den Ermittlungen des HZA dafür kein Ansatz mehr ergeben, sondern den Zeugenaussagen und Rechnungen ist zu entnehmen, dass alle Fenster auch eingebaut wurden. Hier hätte es über die bloße Behauptung hinaus dem Kläger oblegen, tragfähige andere Anhaltspunkte zu liefern.
Einen systematischen Fehler, wie das SG meint, vermag der Senat nicht zu erkennen. Der Kläger hat seine Umsätze mit Nettolohnkosten für Schwarzarbeit kalkuliert und dementsprechend seine Angebotspreise abgegeben ("verkürzter Umsatz"). Die Beklagte hat also nicht die Sozialversicherungsbeiträge aus Brutto-, sondern aus in den Rechnungen enthaltenen versteckten Nettolohnanteilen berechnet. Zudem bietet der Kläger die in Bosnien Herzegowina produzierten Fenster zu etwa um 50% günstiger an, als deutsche Handwerker. Der Anteil eines ortsüblichen Arbeitsentgelts müsste demnach prozentual noch wesentlich höher als 20% liegen, da bereits die Ware billiger ist. So hat auch eine Probeberechnung der Beklagten nach dem Berechnungsansatz des Dipl. Ing. K. mit 70 EUR je m² Fenster einen Lohnanteil von über 20% ergeben.
Soweit die aufgrund dieser Schätzung - weil eine Zuordnung zu einer Person nicht möglich war - allgemein als Beitragssummenbescheid nachgeforderten Beiträge nicht den tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden entsprochen haben sollten, kann sich die Klägerin hierauf nicht berufen: Nach § 28 f Abs. 2 Satz 5 SGB IV hat der prüfende Versicherungsträger einen aufgrund der Sätze 1, 3 und 4 des § 28f Abs. 2 SGB IV ergangenen Bescheid insoweit zu widerrufen, als nachträglich Versicherungs- oder Beitragspflicht bzw. Versicherungsfreiheit festgestellt und die Höhe des Arbeitsentgelts nachgewiesen werden. Erfolgt dies nicht, hängt die Rechtmäßigkeit der Schätzung (nur) davon ab, ob die Beitragshöhe nicht ohne unverhältnismäßig großen Verwaltungsaufwand festgestellt bzw. Arbeitsentgelt einem bestimmten Arbeitnehmer zugeordnet werden kann (vgl. § 28 f Abs. 2 S. 2 SGB IV). Diese Verhältnismäßigkeit des Schätzbescheides kann zwar auch im gerichtlichen Verfahren überprüft werden. Für eine Beanstandung durch ein Gericht ist es jedoch erforderlich, dass die Schätzung im Zeitpunkt des Abschlusses des Widerspruchsverfahrens als unverhältnismäßig erscheinen muss (BSG, Urteil vom 7.2.2002 -B 12 KR 12/01 R-, juris Rn. 28; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg, Urteil vom 8.7.2016 – L 1 KR 405/14 –, Rn. 89, juris; Werhahn in Kasseler Kommentar zum Sozialversicherungsrecht § 28f SGB IV Rn. 11). Der Arbeitgeber, der - wie hier der Kläger - nicht ordnungsgemäß nach § 28f SGB IV aufgezeichnet hat, trägt die objektive Beweislast, dass statt einer Schätzung der eigentlich richtige Betrag ohne unverhältnismäßigen Aufwand festgestellt werden könnte (Werhahn, aaO. § 28 f SGB IV Rn. 9 mit Nachweisen der BSG-Rechtsprechung). Im Gerichtsverfahren ist von einer darüber hinausgehende Unrichtigkeit der Schätzung nicht mehr auszugehen (BSG aaO. Rn. 28; Landessozialgericht Berlin-Brandenburg aaO. Rn. 89). Der Kläger kann sich deshalb vor Gericht nicht mit Erfolg darauf berufen, es würden Beiträge für Leute erhoben, die nicht gearbeitet hätten. Sofern er den Summenbescheid nachträglich noch zu Fall bringen will, ist dies nach Abschluss des Verwaltungsverfahrens zum Summenbescheid nur in einem Widerrufsverfahren nach Satz 5 des § 28f Abs. 2 SGB IV und damit in einem besonderen Verwaltungsverfahren geltend zu machen, wobei er dann die erforderlichen Angaben mitzuteilen hat (§ 28f Abs. 3 SGB IV).
Die Forderung ist nicht verjährt, da der ursprüngliche Summenbescheid vom 8.3.2013 innerhalb der 4-jährigen Verjährungsfrist (§ 25 Abs. 1 SGB IV) zugestellt wurde. Im Übrigen gilt hinsichtlich des Ersetzungsbescheides vom 23.3.2017 mit der Änderung des Adressaten an den Kläger als Geschäftsführer der Fa. P. d.o.o. vorliegend die 30-jährige Verjährungsfrist nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV, weil bei dem gegebenen Sachverhalt von vorsätzlich vorenthaltenen Beiträgen auszugehen ist.
Die Beiladung der Arbeitnehmer K., S., M. und Ma. war bei der Überprüfung eines Summenbescheides nicht notwendig, weil ein solcher Bescheid nicht personenbezogen ergeht (BSG, Urteil vom 7.2.2002 – B 12 KR 12/01 R –, juris Rn. 14)
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 154 Abs. 1 bis 3, 162 Abs. 3 VwGO.
Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG liegen nicht vor.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i.V.m. den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 4 GKG. Der Streitwert war hier in Höhe der noch erhobenen Forderung der Beklagten einschließlich der Säumniszuschläge festzusetzen.
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