L 2 R 1594/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
2
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 10 R 3530/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 2 R 1594/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. März 2017 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.

Der Streitwert wird auf 5.000 EUR festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten über den sozialversicherungsrechtlichen Status des Beigeladenen - noch - während der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2014.

Die Klägerin, ein als GmbH verfasstes Unternehmen mit dem Unternehmensgegenstand "Betrieb einer Internetagentur und einer Werbeagentur und Durchführung von EDV-Schulungen", wurde am 13. Oktober 2010 gegründet (Bl. 21 ff. Verwaltungsakte – VA –). Das Stammkapital beträgt 25.000 EUR. Gesellschafter der GmbH sind (ursprünglich - bis März 2014) der Beigeladene mit einem Kapitalanteil von 48 % (12.000 EUR), sowie die R.S. und V. T. mit Kapitalanteilen von 48 % (12.000 EUR) bzw. von 4 % (1.000 EUR) gewesen. Der Gesellschaftsvertrag der Klägerin vom 13. Oktober 2010 (Bl. 24 ff. VA) enthält u.a. folgende Regelungen:

IV. Geschäftsführung, Vertretung 1. Die Gesellschaft hat einen oder mehrere Geschäftsführer. Sind mehrere Geschäftsführer bestellt, so wird die Gesellschaft durch jeweils zwei von ihnen oder einem von ihnen in Gemeinschaft mit einem Prokuristen vertreten ... 2. Durch Gesellschafterbeschluss kann allen oder einzelnen Geschäftsführern Einzelvertretungsbefugnis und/oder Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB erteilt werden. 3. Rechte und Pflichten der Geschäftsführer ergeben sich aus dem Gesetz, dem Anstellungsvertrag und den von den Gesellschaftern gegebenen Anweisungen ...

VI. Veräußerung, Belastung, Vererbung von Geschäftsanteilen 1. Die Veräußerung oder Belastung von Geschäftsanteilen ist nur mit Zustimmung der Gesellschaft zulässig. Zur Erteilung der Zustimmung bedarf der Geschäftsführer im Innenverhältnis eines zustimmenden Beschlusses der Gesellschafterversammlung ...

X. Gesellschafterbeschlüsse ... 3. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Beschlüsse werden mit einfacher Mehrheit gefasst, sofern nicht das Gesetz oder dieser Gesellschaftsvertrag eine höhere Mehrheit vorschreiben. Beschlüsse über die Änderung des Gesellschaftsvertrages oder die Auflösung der Gesellschaft bedürfen einer ¾-Mehrheit der abgegebenen Stimmen.

Der Beigeladene ist ab Gründung der Klägerin - neben R. S. - zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer der GmbH bestellt worden. Der am 1. Januar 2011 aufgenommenen Tätigkeit des Beigeladenen hat der Geschäftsführer-Anstellungsvertrag vom 1. Januar 2011 (Bl. 48 ff. VA) zugrunde gelegen. Dieser hat u.a. folgende Regelungen enthalten:

§ 1 Aufgaben und Pflichten (1) Der Geschäftsführer (Beigeladene) führt die Geschäfte der Gesellschaft und hat die verantwortliche Leitung und Überwachung des gesamten Geschäftsbetriebs nach Maßgabe der Gesetze, des Gesellschaftsvertrages, der Beschlüsse der Gesellschafterversammlung und einer etwaigen Geschäftsordnung für die Geschäftsführung. Unabhängig von einem durch Beschluss der Gesellschafterversammlung oder einer etwaigen Geschäftsordnung begründeten Geschäftsverteilung (§ 1 Abs. 5) obliegen dem Geschäftsführer, ggf. gemeinsam mit den weiteren Geschäftsführern die Leitung und Überwachung der Gesellschaft im Ganzen ... (7) Die Gesellschaft hat als weiteren Geschäftsführer Herrn R. S. bestellt. Die Geschäftsverteilung der Geschäftsführer untereinander: Herr R.S.: Organisation, Personalwesen, Vertrieb der Beigeladene: Organisation, technische Entwicklung, Vertrieb.

§ 2 Vertretung und Geschäftsführung (1) Der Geschäftsführer vertritt die Gesellschaft gerichtlich und außergerichtlich. (2) Der Geschäftsführer führt die Geschäfte der Gesellschaft im Umfang der ihm durch Beschluss der Gesellschafterversammlung erteilten und in der Vorbemerkung genannten Vertretungsberechtigung. (3) Der Geschäftsführer bedarf für alle Geschäfte und Maßnahmen, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen, der Zustimmung der Gesellschafterversammlung. (4) Genehmigungen zur Abtretung von Geschäftsanteilen darf der Geschäftsführer nur aufgrund des Gesellschaftsvertrages oder dazu ermächtigender Gesellschafterbeschlüsse vornehmen ... (5) Die Gesellschafterversammlung ist unabhängig von § 1 Abs. 8 (gemeint wohl: Abs. 7) jederzeit berechtigt, die Vertretungsbefugnis des Geschäftsführers zu beschränken, zu erweitern oder zu ergänzen, ohne dass dies auf die übrigen Bestimmungen dieses Vertrages einen Einfluss hat ...

§ 4 Arbeitszeit Der Geschäftsführer ist an eine bestimmte Arbeitszeit nicht gebunden. Die Arbeitszeit richtet sich vielmehr nach den betrieblichen Erfordernissen und ist vom Geschäftsführer frei und eigenverantwortlich zu gestalten ...

§ 7 Bezüge (1) Der Geschäftsführer erhält für seine Tätigkeit ein festes Monatsgehalt von 3000 EUR brutto, dass jeweils am Monatsletzten zu zahlen ist. (2) Ferner erhält der Geschäftsführer für seine Tätigkeit eine Tantieme. Deren Höhe und Bedingungen richten sich nach einer gesonderten "Tantieme-Vereinbarung des Geschäftsführers", die in ihrer jeweiligen Fassung Bestandteil dieses Vertrages ist. (3) Eine Vergütung von Überstunden, Sonn-, Feiertags- und sonstiger Mehrarbeit erfolgt nicht.

§ 8 Vergütungsfortzahlung (1) Bei einer vorübergehenden Arbeitsunfähigkeit des Geschäftsführers, die durch Krankheit oder einen von ihm nicht zu vertretenden Grund eintritt, werden ihm die Bezüge nach § 8 Abs. 1 (gemeint wohl: § 7 Abs. 1) sechs Monate, längstens aber bis zur Beendigung des Dienstverhältnisses fortgezahlt. Der Geschäftsführer muss sich auf diese Zahlungen anrechnen lassen, was er von Kassen oder Versicherungen an Krankengeld, Krankentagegeld oder Rente erhält, soweit die Leistungen nicht ausschließlich auf seinen Beiträgen beruhen. (2) Dauert die Verhinderung länger als sechs Kalendermonate an, so entfällt ein Tantiemenanspruch (§ 8 Abs. 2, gemeint wohl: § 7 Abs. 2) mit Ablauf des sechsten vollen Kalendermonats zeitanteilig ...

§ 9 Spesen, Aufwendungsersatz (1) Trägt der Geschäftsführer im Rahmen seiner ordnungsgemäßen Geschäftsführertätigkeit Kosten und Aufwendungen, so werden ihm diese von der Gesellschaft erstattet, sofern der Geschäftsführer die Geschäftsführungs- und Betriebsbedingtheit belegt hat oder sie offenkundig ist. (2) Die Gesellschaft ersetzt dem Geschäftsführer seine Reisespesen nach den jeweils steuerlich zulässigen Höchstsätzen. Der Geschäftsführer muss seine Auslagen belegen können, soweit üblicherweise Belege erteilt werden. Im Übrigen reichen Eigenbelege aus.

... § 11 Urlaub (1) Der Geschäftsführer hat Anspruch auf einen bezahlten Erholungsurlaub von 30 Arbeitstagen im Kalenderjahr ... (3) Der Geschäftsführer hat den Zeitpunkt des Urlaubs mit anderen Geschäftsführern und der Gesellschafterversammlung abzustimmen ...

§ 12 Vertragsdauer (1) Dieser Vertrag wird auf unbestimmte Dauer abgeschlossen. Vertragsbeginn ist der 1. Januar 2011. Ab diesem Zeitpunkt beginnt die Tätigkeit des Geschäftsführers.

§ 13 Kündigung (1) Dieser Vertrag kann von jeder Vertragspartei unter Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zum Ende des Kalendervierteljahres gekündigt werden ...

Am 9. November 2010 stellte die Klägerin bei der Beklagten einen Statusfeststellungsantrag gem. § 7a Abs. 1 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV); es solle festgestellt werden, dass der Beigeladene die seit 1. Januar 2011 ausgeübte Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht im Rahmen eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses verrichtet. Die Klägerin gab an, der Beigeladene könne seine Tätigkeit frei bestimmen und gestalten und unterliege weder hinsichtlich des Ortes, der Zeit noch der Art seiner Tätigkeit einem Weisungsrecht der Gesellschaft; die regelmäßige tarifliche wöchentliche Arbeitszeit betrage 40 Stunden. Seine Arbeit hänge nur von den betrieblichen Erfordernissen ab. Der Beigeladene dürfe Personal selbständig einstellen und entlassen. Urlaub sei nicht genehmigungspflichtig. Der Beigeladene sei vor Gründung der Klägerin selbständig erwerbstätig gewesen. Weitere Tätigkeiten neben der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin übe er nicht aus. Über Sonderrechte zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen verfüge der Beigeladene nicht. Bürgschaften oder Darlehen habe er der GmbH nicht gewährt. Der Beigeladene sei neben R. S. (unter Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB) zum alleinvertretungsberechtigten Geschäftsführer bestellt und für den Geschäftsbereich Organisation, Personal und Vertrieb zuständig. Von der Vergütung des Beigeladenen werde Lohnsteuer abgeführt und sie werde als Betriebsausgabe (nicht als Gewinn-Vorwegentnahme) gebucht. Eine Gewinnbeteiligung bestehe nicht; Tantiemen würden nicht gezahlt.

In Anhörungsschreiben vom 15. März 2011 kündigte die Beklagte an, sie beabsichtige festzustellen, dass der Beigeladene seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin (seit 1. Januar 2011) im Rahmen eines zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt. Der Beigeladene könne als Minderheitengesellschafter mit einem Kapitalanteil von 48 % keinen maßgebenden Einfluss auf die Geschicke der Gesellschaft ausüben.

Die Klägerin trug hierauf vor, bis Ende 2010 habe man das Unternehmen als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) betrieben. Die Errichtung der GmbH habe nur haftungsrechtliche Gründe; ansonsten sei alles unverändert geblieben. Für die Feststellung einer selbständigen Erwerbstätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer sei ein Kapitalanteil von 50 % nicht zwingend erforderlich. Der Beigeladene könne sein Geschäftsführergehalt ggf. gemeinsam mit R. S. nach Maßgabe des Geschäftserfolgs der GmbH anpassen.

Mit an die Klägerin und den Beigeladenen gerichteten inhaltsgleichen Bescheiden vom 14. April 2011 stellte die Beklagte fest, dass der Beigeladene seine am 1. Januar 2011 aufgenommene Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausübt; seit Beginn der Tätigkeit bestehe Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege, Renten- und Arbeitslosenversicherung. Zur Begründung führte die Beklagte aus, mit einem Kapitalanteil von (nur) 48 % könne der Beigeladene die Geschicke der Klägerin nicht maßgeblich beeinflussen. Über Vetorechte oder eine Sperrminorität verfüge er nicht. Er trage auch kein den sozialversicherungsrechtlichen Status wesentlich prägendes Unternehmerrisiko, erhalte vielmehr ein vom Geschäftserfolg der GmbH unabhängiges monatliches Festgehalt von 3.000 EUR für seine durch Arbeitsvertrag mit typischen Arbeitnehmerrechten (Urlaubsanspruch, Spesenregelung, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall) geregelte Arbeitsleistung. Weitgehend weisungsfreies Arbeiten sei auch für angestellte Geschäftsführer üblich. Die Gewinnbeteiligung des Beigeladenen und die Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB änderten am Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung nichts.

Dagegen erhob die Klägerin (ebenso wie der beigeladene und R. S. – Siehe Bl. 63 VA) am 9. Mai 2011 Widerspruch. Am 20. Mai 2011 beschloss die Gesellschafterversammlung der Klägerin eine Änderung des Gesellschaftsvertrags. Die Änderung wurde am 25. Mai 2011 in das Handelsregister eingetragen. In den Gesellschaftsvertrag wurde unter X Nr. 3 folgende Regelung aufgenommen:

Folgende Rechtsgeschäfte oder Rechtshandlungen bedürfen stets eines vorher gefassten zustimmenden Gesellschafterbeschlusses, der zudem der Zustimmung von Herrn R. S. und Herrn F. S. (Beigeladener) bedarf, sofern diese mit einem Geschäftsanteil von wenigstens 2.500 EUR an der Gesellschaft beteiligt sind:

a) Erwerb, Veräußerung und Belastung von Grundstücken, grundstücksgleichen Rechten und Rechten an solchen; b) Erwerb anderer Unternehmen oder Übernahme oder Veräußerung wesentlicher Beteiligungen; c) Errichtung und Aufhebung von Zweigniederlassungen; d) Bestellung und Abberufung von Prokuristen; e) Abschluss und Auflösung von Dienstverträgen; f) Abschluss und Auflösung von Miet-, Pacht- und Leasingverträgen mit einer Dauer von mehr als einem Jahr; g) Eingehen von Bank- und Wechselverbindlichkeiten; h) Führung von Prozessen; i) Eingehen von Bürgschaften; j) Eingehen von Verbindlichkeiten von mehr als 5.000 EUR; k) Annahme von Aufträgen mit Auftragswerten von mehr als 30.000 EUR; l) Alle Geschäfte, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen.

Zur Begründung der Widersprüche wurde vorgetragen, der Tätigkeit des Beigeladenen liege kein Arbeitsvertrag, sondern ein Geschäftsführer-Anstellungsvertrag zugrunde. Der Beigeladene arbeite weisungsfrei. Die Zahl der Urlaubstage habe man nur festgelegt, um die Leitung des Unternehmens sicherzustellen; der Urlaub sei nicht genehmigungspflichtig. Der Beigeladene sei unter Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB zur Alleinvertretung der Klägerin befugt. Im Hinblick auf seine Unternehmensbeteiligung trage er ungeachtet des regelmäßig gezahlten Festgehalts auch ein Unternehmerrisiko. Auch wenn eine Nachschusspflicht nicht bestehe, sei der Beigeladene wegen der Höhe seines Kapitalanteils faktisch gezwungen, bei Krisensituationen Kapital nachzuschießen, und er könne beim Untergang der Klägerin das eingelegte Kaptal verlieren. Der Beigeladene übe maßgeblichen Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Klägerin aus. Seit Gründung der GmbH bestehe unter den Gesellschaftern Einigkeit darüber, wichtige Entscheidungen nicht ohne Konsens zwischen dem Beigeladenen und R. S. zu treffen. Man habe diese von Anfang an geübte Praxis mittlerweile auch im Gesellschaftsvertrag festgeschrieben. Daraus folge eine Sperrminorität des Beigeladenen für alle relevanten Beschlüsse und er könne entsprechende Entscheidungen ggf. verhindern.

Mit inhaltsgleichen Widerspruchsbescheiden vom 31. Januar 2012 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin wie auch des Beigeladenen zurück. Zur Begründung führte sie ergänzend aus, der Beigeladene werde durch die Änderung des Gesellschaftsvertrags zum 20. Mai 2011 zwar in die Lage versetzt, die Unternehmenspolitik der GmbH zu beeinflussen, er könne jedoch aus eigener Kraft Beschlüsse, die sein Arbeitsverhältnis benachteiligen würden, nicht verhindern, da insoweit keine Sperrminorität vorliege. Auch liege ein hinreichendes Unternehmerrisiko nicht vor. Deshalb bleibe es beim Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung.

Hiergegen hat die Klägerin am 27. Februar 2012 Klage beim Sozialgericht (SG) Ulm erhoben (S 14 R 669/12). Der Beigeladene selbst hat ebenfalls am 27. Februar 2012 Klage zum SG erhoben (S 14 R 672/12) Das Verfahren war im Hinblick auf die den Gesellschafter-Geschäftsführer R.S. betreffenden Parallelverfahren (S 7 R 3740/11 - betreffend R.S. - und S 7 R 3741/11 - betreffend die Klägerin - Urteile vom 14. März 2014 und – nach Verbindung der beide beim 5. Senat des Landessozialgerichts [LSG] Baden-Württemberg eingegangenen Berufungen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung – Berufungsverfahren L 5 R 1732/14 - Urteil vom 20. Mai 2015) mit Beschluss vom 21. Oktober 2014 zum Ruhen gebracht worden. Ebenso wurde hinsichtlich des Klageverfahrens des Beigeladenen verfahren. Am 3. November 2016 beantragte die Beklagte die Wiederaufnahme des Verfahrens nachdem mit Beschluss vom 17. März 2016 das Bundessozialgericht (BSG) die Nichtzulassungsbeschwerde (B 12 R 23/15 R) zurückgewiesen hatte. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 10 R 3530/16 (das Verfahren des Beigeladenen unter dem Aktenzeichen S 10 R 3531/16) fortgeführt.

Nachdem das SG mit Urteilen vom 14. März 2014 die Klagen aus den Parallelverfahren abgewiesen hatte, hat der Gesellschafter V. T. seinen Kapitalanteil von 1.000 EUR am 19. März 2014 jeweils zur Hälfte auf den Beigeladenen und den Gesellschafter R. S. übertragen. Die beiden verbleibenden Gesellschafter hielten damit Kapitalanteile von je 12.500 EUR (50 % des Stammkapitals von 25.000 EUR). Außerdem haben die Gesellschafter den Gesellschaftsvertrag (ebenfalls) am 19. März 2014 (erneut) geändert. Beschlüsse der Gesellschafterversammlung müssen seitdem einstimmig gefasst werden.

Die Klägerin hat im fortgeführten Verfahren hier ebenfalls (u.a.) die aktuelle Fassung des Gesellschaftsvertrags vorgelegt. Dieser enthält unter "X. Gesellschafterbeschlüsse" (u.a.) folgende Regelung:

... 2. Die Gesellschafterversammlung ist beschlussfähig, wenn 100 % des Stammkapitals anwesend bzw. vertreten sind. 3. Abgestimmt wird nach Geschäftsanteilen. Jeder Euro eines Geschäftsanteils gewährt eine Stimme. Beschlüsse werden einstimmig gefasst ... Die Änderung des Gesellschaftsvertrags ist am 19. März 2014 zur Eintragung im Handelsregister angemeldet worden.

Mit Bescheid vom 10. Juni 2015 hat die Beklagte sodann festgestellt, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Gesellschafter-Geschäftsführer seit dem 19. März 2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird.

Mit Urteil vom 16. März 2017 hat das SG die Klage abgewiesen und hierbei die Auffassung vertreten, dass bezüglich der hier streitigen Zeit der Beigeladene in einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis gestanden habe. Es hat hier zum einen auf die Ausgestaltung des Vertrages als Gesellschafter-Geschäftsführer abgestellt, der typische Elemente eines Arbeitsvertrages wie die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall, einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen sowie einmonatliches Festgehalt von 3000 EUR, somit den existenzsichernden Höhe, enthalte. Des Weiteren hat das SG bezüglich der gesellschaftsrechtlichen Stellung des Beigeladenen auf die Entscheidung des LSG Baden-Württemberg im Parallelverfahren bezüglich des weiteren Geschäftsführers (L 5 R 1732/14) Bezug genommen und sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung und auch bezogen auf den hier Beigeladenen als weiteren Geschäftsführer für den die identischen Regelungen Geltung beansprucht hätten, angeschlossen.

Die Klägerin hat gegen das ihr mit Postzustellungsurkunde am 23. März 2017 zugestellte Urteil am 24. April 2017 durch ihren zwischenzeitlich bestellten Bevollmächtigten Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt. Eine Begründung der Berufung ist bis heute nicht erfolgt.

Der Klägerbevollmächtigte beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 16. März 2017 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. April 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 31. Januar 2012 aufzuheben und festzustellen, dass die Tätigkeit des Beigeladenen als Gesellschafter-Geschäftsführer in der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 18. März 2014 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wurde und daher keine Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung bestand.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.

Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 11. Juli 2017 i.V.m. dem Schreiben vom 5. September 2017 darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestehe, dass der Senat die Berufung auch ohne mündliche Verhandlung und ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter durch Beschluss zurückweise, wenn er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte. Den Beteiligten war Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. Juni 2017 hat das SG zwischenzeitlich auch über die daneben anhängige selbständige Klage des Beigeladenen (S 14 R 3531/16) entschieden und diese abgewiesen. Insoweit ist Berufung beim LSG unter Aktenzeichen L 13 R 2977/17 noch anhängig

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze sowie die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Der Senat entscheidet über die nach den §§ 143, 144 Abs. 1, Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte, unter Beachtung der maßgeblichen Form- und Fristvorschriften (§ 151 Abs.1 und Abs. 3 SGG) eingelegte zulässige Berufung nach Anhörung der Beteiligten, die für den Senat keinen Anlass zu einem anderen Verfahren gegeben hat, gemäß § 153 Abs. 4 SGG durch Beschluss, weil er die Berufung einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.

Streitgegenstand ist die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung der Tätigkeit des Beigeladenen als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin (nur noch) hinsichtlich der Zeit vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2014. Mit der Übernahme des Kapitalanteils des (aus der GmbH ausgeschiedenen) Gesellschafters V. T. durch den Beigeladenen und R. S. sowie der gleichzeitigen Änderung des Gesellschaftsvertrags kommt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis des Beigeladenen bei der Klägerin ab 1. April 2014 nicht mehr in Betracht. Der Beigeladene ist seitdem - wie sein Mitgesellschafter R. S. - nämlich zu 50 % am Stammkapital der GmbH beteiligt und (alle) Beschlüsse der Gesellschafterversammlung werden einstimmig gefasst. Die Beklagte hat dieser Änderung des Sachverhalts Rechnung getragen und mit Bescheid vom 10. Juni 2015 festgestellt, dass der Beigeladene seit dem 19. März 2014 seine Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer bei der Klägerin nicht (mehr) im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt.

Dieser Bescheid ist gemäß § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Infolgedessen ist Streitgegenstand nur noch der Zeitraum vom 1. Januar 2011 bis zum 31. März 2014.

III.

Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Die Beklagte hat zu Recht festgestellt, dass der Beigeladene in der bei der Klägerin ausgeübten Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer während der noch streitigen Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. der März 2014 der Versicherungspflicht zu allen Zweigen der Sozialversicherung unterlegen hat.

1.) Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die Beklagte war zu ihrem Erlass gem. § 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV sachlich zuständig und die Bescheide sind auch hinreichend bestimmt und beschränken sich nicht auf eine unzulässige Feststellung von Elementen eines Rechtsverhältnisses.

Gem. § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV können die Beteiligten schriftlich eine Entscheidung beantragen, ob eine Beschäftigung vorliegt, es sei denn, die Einzugsstelle oder ein anderer Versicherungsträger hatte im Zeitpunkt der Antragstellung bereits ein Verfahren zur Feststellung einer Beschäftigung eingeleitet. Über den Antrag entscheidet abweichend von § 28h Abs. 2 SGB IV die Deutsche Rentenversicherung Bund (§ 7a Abs. 1 Satz 3 SGB IV). Die Klägerin hat sich für das (fakultative) Anfrageverfahren bei der Beklagten (Clearing-Stelle) nach § 7a Abs. 1 Satz 1 SGB IV entschieden. Ein vorrangiges Verfahren bei der Einzugs- oder der Prüfstelle war nicht eingeleitet worden.

Gem. § 33 Abs. 1 SGB X muss ein Verwaltungsakt hinreichend bestimmt sein. Im Hinblick auf sozialversicherungsrechtliche Statusentscheidungen muss im Einzelfall zumindest durch Auslegung vor dem Hintergrund der den Beteiligten bekannten Umstände zu erschließen sein, auf welche konkreten rechtlichen und tatsächlichen Gegebenheiten sich die Feststellung einer abhängigen Beschäftigung beziehen soll. Notwendig ist regelmäßig die Angabe einer bestimmbaren Arbeit und die gerade hiermit in Zusammenhang stehende Entgeltlichkeit (vgl. näher BSG, Urt. v. 11. März 2009, - B 12 R 11/07 R -; Urt. v. 4. Juni 2009, - B 12 R 6/08 R -). Außerdem darf sich die Entscheidung nicht auf das isolierte Feststellen des Vorliegens einer abhängigen Beschäftigung beschränken. Eine Elementenfeststellung dieser Art ist nicht zulässig (BSG, Urt. v. 11. März 2009, - B 12 R 11/07 R -).

Die Beklagte ist diesen Anforderungen gerecht geworden. Sie hat die vom Beigeladenen bei der Klägerin ausgeübte Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer hinreichend bestimmt bezeichnet und sich auch nicht auf die isolierte Feststellung eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses beschränkt, vielmehr in den angefochtenen Bescheiden ausdrücklich festgestellt, dass für die in abhängiger Beschäftigung verrichtete Tätigkeit des Beigeladenen seit 1. Januar 2011 Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung besteht.

2.) Die angefochtenen Bescheide sind (hinsichtlich der noch streitigen Zeit) auch materiell rechtmäßig. Der Beigeladene hat bei der Klägerin während der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2014 eine zu allen Zweigen der Sozialversicherung versicherungspflichtige Beschäftigung als Gesellschafter-Geschäftsführer ausgeübt. Eine selbständige Erwerbstätigkeit hat nicht vorgelegen.

a.) Gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 SGB V, § 24 SGB III, § 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI und § 20 SGB XI setzt die Versicherungspflicht zur gesetzlichen Kranken-, Arbeitslosen-, Renten- und Pflegeversicherung jeweils ein Beschäftigungsverhältnis voraus. Beschäftigung ist die nichtselbständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV).

Nach der ständigen Rechtsprechung des BSG erfordert das Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses, dass der Arbeitnehmer vom Arbeitgeber persönlich abhängig ist. Bei einer Beschäftigung in einem fremden Betrieb ist dies der Fall, wenn der Beschäftigte in den Betrieb eingegliedert ist und dabei einem Zeit, Dauer, Ort und Art der Arbeitsleistung umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt (vgl. § 7 Abs. 1 Satz 2 SGB IV). Vornehmlich bei Diensten höherer Art kann das Weisungsrecht auch eingeschränkt und zur "dienenden Teilhabe am Arbeitsprozess" verfeinert sein (dazu BSG, Urt. v. 18. Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R -). Höhere Dienste werden im Rahmen abhängiger Beschäftigung geleistet, wenn sie fremdbestimmt bleiben, sie in einer von der anderen Seite vorgegebenen Ordnung des Betriebs aufgehen (BSG, Urt. v. 19. Juni 2001, - B 12 KR 44/00 R -). Demgegenüber ist eine selbständige Tätigkeit vornehmlich durch das Vorhandensein einer eigenen Betriebsstätte, die Verfügungsmöglichkeit über die eigene Arbeitskraft und die im Wesentlichen frei gestaltete Tätigkeit und Arbeitszeit sowie das Unternehmerrisiko gekennzeichnet (vgl. BSG, Urt. v. 29. August 2012, -B 12 KR 25/10 R-). Letzteres besteht meist in der Gefahr, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens das eingesetzte Kapital zu verlieren oder nicht ausreichend nutzen zu können; ihm entspricht die Aussicht auf Gewinn, wenn das Unternehmen wirtschaftlichen Erfolg hat. Abhängig Beschäftigte tragen demgegenüber das Arbeitsplatzrisiko, das in der Gefahr besteht, bei wirtschaftlichem Misserfolg des Unternehmens die Arbeitsstelle einzubüßen.

Das für eine selbständige Tätigkeit typische Unternehmerrisiko ist nicht mit einem Kapitalrisiko gleichzusetzen. Ein Kapitalrisiko, das nur zu geringen Ausfällen führt, wird das tatsächliche Gesamtbild einer Beschäftigung indessen nicht wesentlich bestimmen (BSG; Beschl. v. 16. August 2010, - B 12 KR 100/09 B -). Maßgebendes Kriterium für das Vorliegen eines Unternehmerrisikos ist, ob eigenes Kapital oder die eigene Arbeitskraft auch mit der Gefahr des Verlustes eingesetzt wird, der Erfolg des Einsatzes der sächlichen oder persönlichen Mittel also ungewiss ist. Allerdings ist ein unternehmerisches Risiko nur dann Hinweis auf eine selbstständige Tätigkeit, wenn diesem Risiko auch größere Freiheiten in der Gestaltung und der Bestimmung des Umfangs beim Einsatz der eigenen Arbeitskraft gegenüberstehen (BSG, Urt. v. 25. April 2012 - B 12 KR 24/10 R -).

Die Unterscheidung von Unternehmer- und Arbeitsplatzrisiko ist auch in der Rechtsprechung des Senats ein wichtiges, vielfach entscheidendes Kriterium für die sozialversicherungsrechtliche Beurteilung einer Tätigkeit. Es steht allerdings nicht für sich allein. Ob jemand abhängig beschäftigt oder selbständig tätig ist, hängt davon ab, welche Merkmale überwiegen. Maßgebend ist stets das Gesamtbild der Arbeitsleistung. Dieses bestimmt sich nach den tatsächlichen Verhältnissen, also den rechtlich relevanten Umständen, die im Einzelfall eine wertende Zuordnung zum Typus der abhängigen Beschäftigung erlauben. Ob eine Beschäftigung vorliegt, ergibt sich aus dem Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es im Rahmen des rechtlich Zulässigen tatsächlich vollzogen worden ist. Ausgangspunkt ist daher zunächst das Vertragsverhältnis der Beteiligten, so wie es sich aus den von ihnen getroffenen Vereinbarungen ergibt oder sich aus ihrer gelebten Beziehung erschließen lässt. Eine im Widerspruch zu ursprünglich getroffenen Vereinbarungen stehende tatsächliche Beziehung und die hieraus gezogene Schlussfolgerung auf die tatsächlich gewollte Natur der Rechtsbeziehung gehen der nur formellen Vereinbarung vor, soweit eine - formlose - Abbedingung rechtlich möglich ist. Umgekehrt gilt, dass die Nichtausübung eines Rechts unbeachtlich ist, solange diese Rechtsposition nicht wirksam abbedungen ist. Zu den tatsächlichen Verhältnissen in diesem Sinne gehört daher unabhängig von ihrer Ausübung auch die einem Beteiligten zustehende Rechtsmacht. In diesem Sinne gilt, dass die tatsächlichen Verhältnisse den Ausschlag geben, wenn sie von Vereinbarungen abweichen. Maßgeblich ist die Rechtsbeziehung so wie sie praktiziert wird und die praktizierte Beziehung so wie sie rechtlich zulässig ist (BSG, Urt. v. 29. August 2012, - B 12 KR 25/10 R - und - B 12 R 14/10 R -).

Die Zuordnung des konkreten Lebenssachverhalts zum rechtlichen Typus der (abhängigen) Beschäftigung als nichtselbstständige Arbeit, insbesondere in einem Arbeitsverhältnis (§ 7 Abs. 1 Satz 1 SGB IV) nach dem Gesamtbild der Arbeitsleistung erfordert nach der Rechtsprechung des BSG eine Gewichtung und Abwägung aller als Indizien für und gegen eine Beschäftigung bzw. selbstständige Tätigkeit sprechenden Merkmale der Tätigkeit im Einzelfall. Bei Vorliegen gegenläufiger, d. h. für die Bejahung und die Verneinung eines gesetzlichen Tatbestandsmerkmals sprechender tatsächlicher Umstände oder Indizien hat das Gericht (ebenso die Behörde) insoweit eine wertende Zuordnung aller Umstände im Sinne einer Gesamtabwägung vorzunehmen. Diese Abwägung darf allerdings nicht (rein) schematisch oder schablonenhaft erfolgen, etwa in der Weise, dass beliebige Indizien jeweils zahlenmäßig einander gegenübergestellt werden, sondern es ist in Rechnung zu stellen, dass manchen Umständen wertungsmäßig größeres Gewicht zukommen kann als anderen, als weniger bedeutsam einzuschätzenden Indizien. Eine rechtmäßige Gesamtabwägung setzt deshalb - der Struktur und Methodik jeder Abwägungsentscheidung (innerhalb und außerhalb des Rechts) entsprechend - voraus, dass alle nach Lage des Einzelfalls wesentlichen Indizien festgestellt, in ihrer Tragweite zutreffend erkannt und gewichtet, in die Gesamtschau mit diesem Gewicht eingestellt und in dieser Gesamtschau nachvollziehbar, d. h. den Gesetzen der Logik entsprechend und widerspruchsfrei, gegeneinander abgewogen werden (so BSG, Urt. v. 24. Mai 2012, - B 12 KR 14/10 R - und - B 12 KR 24/10 R -). Diese Abwägung ist gerichtlich voll kontrollierbar.

Nach diesen allgemeinen Grundsätzen ist auch der sozialversicherungsrechtliche Status des Geschäftsführers einer GmbH zu beurteilen. Ist der Geschäftsführer am Stammkapital der GmbH beteiligt, also Gesellschafter-Geschäftsführer und nicht lediglich Fremdgeschäftsführer (ohne Gesellschafterstellung), ist außerdem die ihm durch das Gesellschaftsrecht, insbesondere den Gesellschaftsvertrag, zugewiesene Rechtsmacht in der GmbH von maßgeblicher Bedeutung. Kann der Gesellschafter-Geschäftsführer aufgrund seiner Gesellschafterstellung wesentlichen rechtlichen Einfluss auf die Willensbildung der Gesellschaft ausüben, kommt ein abhängiges Beschäftigungsverhältnis nicht in Betracht. Notwendig hierfür ist, dass der Gesellschafter-Geschäftsführer ihm nicht genehme Weisungen hinsichtlich seiner Tätigkeit im Bedarfsfall jederzeit verhindern und so die für das Beschäftigungsverhältnis typische Abhängigkeit von einem Arbeitgeber vermeiden kann (vgl. BSG, Urt. v. vom 23. Juni 1994, - B 12 RK 72/92 -; Urt. v. 25. Januar 2006, - B 12 KR 30/04 R -). Solche Gesellschafter-Geschäftsführer haben auf Grund ihrer gesellschaftsrechtlichen Position letztendlich auch die Leitungsmacht gegenüber einem (Mit-)Geschäftsführer und unterliegen damit nicht dessen Weisungsrecht, bestimmen vielmehr über die unternehmerischen Entscheidungen in der Gesellschaft maßgeblich mit; sie haben daher den Status eines (Mit-)Unternehmers. Das ist der Fall, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer mindestens über die Hälfte des Stammkapitals der GmbH verfügt (vgl. etwa BSG, Urt. v. 17. Mai 2001, - B 12 KR 34/00 R -). Ist sein Anteil am Stammkapital geringer, ist der Gesellschafter-Geschäftsführer also nur Minderheitengesellschafter, kommt es darauf an, ob seine Rechtsmacht in der Gesellschaft aus anderen Gründen der Rechtsmacht des Mehrheitsgesellschafters bzw. des mit mindestens 50 % am Stammkapital der Gesellschaft beteiligten Gesellschafters vergleichbar ist. Das kann beim Abschluss von Stimmbindungsverträgen, bei der Einräumung von Sonderrechten zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen und insbesondere bei der Einräumung einer so genannten "Sperrminorität" der Fall sein (siehe LSG Baden-Württemberg Urteil vom 11. Juni 2014, - L 5 R 2911/13 -; hierzu in der Revision BSG Urteil vom 11. November 2015 – B 12 KR 13/14 R –, im Rahmen dessen einem Stimmbindungsvertrag nur eine Indizwirkung wie allen anderen relevanten Merkmalen zugesprochen wurde). Erforderlich ist aber immer, dass dem Gesellschafter-Geschäftsführer im Ergebnis die Rechtsmacht zukommt, sich ihm nicht genehmer Weisungen hinsichtlich der Ausübung seiner Geschäftsführertätigkeit zu erwehren (vgl. BSG, Urt. v. 24. September 1992, - 7 RAr 12/92 -; zur Sperrminorität im Besonderen BSG, Urt. v. 30. April 2013, - B 12 KR 19/11 R -). Andernfalls übt er die Geschäftsführertätigkeit - vorbehaltlich der Würdigung der für das Gesamtbild seiner Tätigkeit im Übrigen maßgeblichen Umstände - im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses aus. Daher genügt es für die Annahme einer selbständigen Erwerbstätigkeit insbesondere nicht, wenn eine dem Gesellschafter-Geschäftsführer eingeräumte Sperrminorität sich in Minderheitenschutzklauseln hinsichtlich besonders wichtiger Geschäfte erschöpft (vgl. dazu BSG, Urt. v. 24.09.1992, a.a.O.). Die Sperrminorität muss sich vielmehr grundsätzlich auf alle Angelegenheiten der Gesellschaft und nicht nur auf einige bedeutende Angelegenheiten beziehen (LSG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 16. Januar 2015, - L 1 KR 130/14 -; LSG Hamburg, Urt. v. 5. November 2014, - L 1 KR 44/13-). Ein durch die Sperrminorität vermittelter maßgeblicher gesellschaftsrechtlicher Einfluss liegt nicht vor, wenn der (Minderheiten-)Gesellschafter-Geschäftsführer so wesentliche Entscheidungen wie die Auflösung der Gesellschaft, die operative Neuausrichtung oder seine eigene Abberufung bzw. Entlassung nicht verhindern kann (LSG Baden-Württemberg, Urt. v. 30. September 2014, - L 11 R 2662/13 -; zur Reichweite von Stimmverboten insoweit Baumbach/Hueck, GmbHG § 47 Rdnrn. 84,86,106). Soll dem Minderheitengesellschafter der sozialversicherungsrechtliche Status des (Mit-)Unternehmers durch Einräumung einer Sperrminorität zukommen, müssen die Gesellschafter den - hierfür ausreichenden - Umfang der Sperrminorität im Gesellschaftsvertrag klar festlegen und insoweit eindeutig "Farbe bekennen". Besondere Bedeutung kommt dabei der Frage zu, ob der Minderheitengesellschafter im Streitfall auch die Entziehung seines Organstatus als Geschäftsführer verhindern kann oder nicht.

b.) Davon ausgehend kann die während der Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2014 ausgeübte Tätigkeit des Beigeladenen als Gesellschafter-Geschäftsführer der Klägerin nicht als selbständige Erwerbstätigkeit eingestuft werden. Der Senat teilt - für die genannte und allein noch streitige Zeit - die Rechtsauffassung des Sozialgerichts und nimmt - zumal zur Begründung der Berufung insoweit wesentlich Neues nicht vorgetragen worden ist - auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils Bezug (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend sei angemerkt:

In gesellschaftsrechtlicher Hinsicht spricht gegen die Einstufung des Beigeladenen als selbständig Erwerbstätigen maßgeblich, dass er - während der streitigen Zeit (1. Januar 2011 bis 31. März 2014) - nur mit einem Kapitalanteil von 48 % an der Klägerin beteiligt gewesen ist. Da Gesellschafterbeschlüsse mit einfacher Mehrheit getroffen worden sind, hat der Beigeladene daher nur über eine Anteilsminderheit gebieten können. Über Sonderrechte zur Herbeiführung oder Verhinderung von Gesellschafterbeschlüssen hat er nicht verfügt. Der Senat verkennt nicht, dass die gesellschaftsrechtliche Rechtsmacht des Beigeladenen mit der Änderung des Gesellschaftsvertrags am 20. Mai 2011 durch Einräumung einer Sperrminorität nicht unerheblich gestärkt worden ist. Deren Umfang hat aber (noch) nicht ausgereicht, um die Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen in sozialversicherungsrechtlicher Hinsicht dem Bereich der selbständigen Erwerbstätigkeit zuzuordnen. Der Beigeladene hat sich ihm nicht genehmer Weisungen - die er nach § 1 Abs. 1 des Geschäftsführer-Anstellungsvertrags befolgen muss - nach wie vor nicht in ausreichendem Maße erwehren können. Die Rechtsmacht aus der Sperrminorität ist im Sinne einer - wenn auch recht weitgehenden - Minderheitenschutzklausel gegenständlich beschränkt worden und hat sich im Kern auf Geschäfte gerichtet, die über den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb der Gesellschaft hinausgehen (so ausdrücklich die Regelung des seinerzeit geltenden Gesellschaftsvertrags unter X Nr. 3 Buchst. l). Im Übrigen, vor allem also für den gewöhnlichen Geschäftsbetrieb (das operative Tagesgeschäft) ist dem Beigeladenen - wie einem abhängig beschäftigten (angestellten) Geschäftsführer - nach wie vor nicht die Rechtsmacht zur Abwehr von Weisungen eröffnet worden. Eine solche Rechtsmacht kann den im Gesellschaftsvertrag zur Sperrminorität getroffenen Regelungen nicht "im Umkehrschluss" entnommen werden. Unerheblich ist, dass unter den Gesellschaftern der Klägerin offenbar durchweg Einvernehmen geherrscht hat und man sich in der Führung der GmbH - auch und gerade hinsichtlich des Tagesgeschäfts - einig gewesen ist. Für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung kommt es darauf an, was gilt, wenn es, aus welchen Gründen auch immer, zum Streit kommt; eine "Schönwetterselbständigkeit" gibt es nicht (BSG, Urt. v. 29. August 2012, - B 12 KR 25/10 R - und - B 12 R 14/10 R -). Nach Auffassung des Senats ist im Gesellschaftsvertrag - was für das Gesamtbild der Geschäftsführertätigkeit des Beigeladenen einen wichtigen Gesichtspunkt darstellt - nicht klar genug geregelt gewesen, dass der Beigeladenen im Streitfall seine Abberufung als Geschäftsführer - den Entzug seiner organschaftlichen Rechtsstellung - mit Hilfe der ihm eingeräumten Sperrminorität verhindern kann. Im Katalog der der Sperrminorität unterworfenen Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen ist - ausdrücklich - nur die Abberufung von Prokuristen (X Nr. 3 Buchst. d des seinerzeit geltenden Gesellschaftsvertrags), nicht jedoch die Abberufung des Geschäftsführers aufgeführt. Dass die Auflösung von (schuldrechtlichen) Dienstverträgen (X Nr. 3 Buchst. e des seinerzeit geltenden Gesellschaftsvertrags) der Sperrminorität unterlegen hat, stellt einen ausreichenden Ersatz nicht dar, zumal der Tätigkeit des Beigeladenen ein wohl als "Geschäftsführer-Dienstvertrag" gedachter, aber ausdrücklich als "Geschäftsführer-Anstellungsvertrag" bezeichneter Vertrag zugrunde liegt und die Bezeichnung als "Anstellungsvertrag" den Vertrag eher dem Bereich des Arbeitsvertragsrechts und nicht des Dienstvertragsrechts zuordnet. Wird anderes gewollt, soll insbesondere die Organstellung des (nur) über eine Anteilsminderheit gebietenden Gesellschafter-Geschäftsführers gegenüber der Gesellschafterversammlung abgesichert und ihr die Rechtsmacht zur Abberufung des Gesellschafter-Geschäftsführers genommen werden, bedarf es hierzu einer klaren Regelung im Gesellschaftsvertrag, an die die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung mit ausreichender Sicherheit anknüpfen kann. Hierfür genügt auch die Generalklausel oder Auffangregelung unter X Nr. 3 Buchst. l des seinerzeit geltenden Gesellschaftsvertrags, die alle außergewöhnlichen Geschäfte der Sperrminorität unterworfen hat, nicht. Sie ist nicht geeignet, einen für bestimmte Rechtsgeschäfte und Rechtshandlungen abschließend und nicht (etwa durch "Insbesondere-Klausel") nur beispielhaft geltenden Katalogtatbestand - hier hinsichtlich der Abberufung von in der Gesellschaft tätigen Personen in X Nr. 3 Buchst. d - um weitere Regelungsgegenstände zu ergänzen (vgl. hierzu insgesamt LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 20. Mai 2015 in der R:S: betreffenden Parallelsache L 5 R 1732/14).

In arbeitsrechtlicher Hinsicht hat der Tätigkeit des Beigeladenen während der streitigen Zeit ein Vertrag mit arbeitnehmertypischen Regelungsgehalten zugrunde gelegen. Neben einem - was maßgeblich ist: rechtlich - von der Ertragslage des Unternehmens unabhängigen monatlichen Festgehalt von 3.000 EUR sind ein Urlaubsanspruch, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall und die Erstattung von Spesen vereinbart. Dass man das Gehalt gleichsam als Vorauszahlung auf die Tantiemen des Beigeladenen angesehen hat, ist rechtlich nicht verankert und für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung nicht ausschlaggebend. Das Gehalt des Beigeladenen ist auch ersichtlich als Betriebsausgabe gebucht worden und man hat Lohnsteuer abgeführt.

Der Beigeladene hat bei der Erbringung seiner Arbeitsleistung von Anfang an unzweifelhaft erhebliche Freiheiten gehabt. Das ist freilich kennzeichnend (auch) für den Status (abhängig beschäftigter) leitender Angestellter, von denen erwartet wird, dass sie ihre Aufgaben im Rahmen dienender Teilhabe am Arbeitsprozess (vgl. BSG, Urt. v. 18. Dezember 2001, - B 12 KR 10/01 R -) frei von Einzelweisungen erfüllen und selbständig arbeiten (können). Dass der Beigeladene dafür über die notwendigen Kenntnisse verfügen muss, versteht sich von selbst und ist für seinen sozialversicherungsrechtlichen Status ohne Belang.

Ein den sozialversicherungsrechtlichen Status maßgeblich prägendes Unternehmerrisiko hat der Beigeladene während der streitigen Zeit ebenfalls nicht getragen. Ausgangspunkt für die Würdigung eines statusrelevanten Unternehmerrisikos ist (ebenfalls) die unternehmens- bzw. gesellschaftsrechtliche Rechtskonstruktion - nunmehr vor allem in haftungsrechtlicher Hinsicht - die die Beteiligten gewählt haben. Der Beigeladene ist danach an der Klägerin über seinen Kapitalanteil beteiligt; hierauf konzentriert sich wesentlich der unternehmerische Einsatz von Wagniskapital.

Der Senat verkennt nicht, dass es - für die noch streitige Zeit vom 1. Januar 2011 bis 31. März 2014 - auch Gesichtspunkte gibt, die, wie die Befugnis, Personal unbeschränkt einstellen und entlassen zu dürfen, oder die Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot des § 181 BGB, für eine selbständige Erwerbstätigkeit des Beigeladenen sprechen. Dazu gehört auch, dass er der GmbH Büroausstattung (EDV-Ausstattung) oder einen PKW im Wert von insgesamt 15.380 EUR zur Verfügung gestellt hat. Auch diesen Umständen, namentlich der in als GmbH verfassten Unternehmen nicht seltenen Befreiung vom Selbstkontrahierungsverbot (dazu etwa BSG, Urt. v. 29. August 2012, - B 12 KR 25/10 R - und - B 12 R 14/10 R -; Urt. v. 4. Juli 2007, - B 11a Al 5/06 R -), kommt indessen kein ausschlaggebendes Gewicht in der Gesamtabwägung aller maßgeblichen Einzelfallumstände zu. Sie haben für die sozialversicherungsrechtliche Statusbeurteilung gegenüber der dargestellten Verteilung der Rechtsmacht im Unternehmen während der streitigen Zeit, der überwiegend arbeitnehmertypisch konzipierten Vertragsgrundlage für die Tätigkeit des Beigeladenen und dem Fehlen eines hinreichend statusrelevanten Unternehmerrisikos geringeres Gewicht, weshalb es für die noch streitige Zeit beim Gesamtbild einer abhängigen Beschäftigung bleibt (so bereits LSG Baden-Württemberg im R. S. betreffenden Parallelverfahren mit Urteil vom 20. Mai 2015 – L 5 R 1732/14 –).

Da der Beigeladene bei der Klägerin während der streitigen Zeit eine abhängige Beschäftigung ausgeübt hat, hat er in der Tätigkeit als Gesellschafter-Geschäftsführer der Versicherungspflicht zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterlegen; die Beklagte hat das in den angefochtenen Bescheiden zu Recht festgestellt.

IV.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 197a SGG i.V.m. §§ 154 ff. VwGO.

Der Streitwert war gemäß § 52 GKG in Höhe des Auffangstreitwertes von 5.000 EUR festzusetzen, da bei einem Statusverfahren wie hier ein bestimmter Wert nicht erkennbar ist.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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