L 9 U 3736/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 394/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 3736/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. August 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Anerkennung seiner Erkrankungen als Berufskrankheiten (BK´en) nach den Nummern 1302, 1315 und 1317 der Anlage 1 zur Berufskrankheiten-Verordnung (BKV) sowie als Wie-Berufskrankheit (Wie-BK).

Der 1957 geborene Kläger war in der Zeit vom 03.08.1998 bis zum Juni 2013 in verschiedenen Arbeitsbereichen der Kfz-Produktion bei der Fa. A. AG tätig; seit dem 17.06.2013 ist er durchgängig arbeitsunfähig erkrankt.

Im November 2010 meldete sich der Kläger bei der Werksärztin Dr. D. der A. AG und machte geltend, es bestehe seit ca. zwei Wochen eine Exposition mit einem Kleber EFBOND DA 3000, der Isocyanate enthalte. Er empfinde eine Geruchsbelästigung und Schwindel. Die Arbeitgeberin ließ daraufhin am 24.01.2011 eine Messung durchführen zur Ermittlung der Arbeitsplatzkonzentration von Schadstoffen, insbesondere von Diphenylmethyldiisocyanat (MDI). Um die Maximalbelastung zu ermitteln, wurde die Atemluft im Arbeitsbereich des Mitarbeiters, der den Klebstoff auftrug, auf Isocyanate gemessen (worst-case-Messung). Die Messung ergab keinerlei nachweisbare Mengen von Isocyanaten in der Atemluft. Im Messbericht vom 10.06.2011 wird hierzu ausgeführt, die Hautbildungszeit des verwendeten Klebers liege laut Herstellerangaben bei unter 15 Minuten. Der Arbeitsplatz des Klägers liege im Bandfluss vier Stunden von dem des Mitarbeiters, der den Klebstoff aufbringe, entfernt. Man könne deshalb sicher davon ausgehen, dass die Beschwerden des Klägers nicht durch die Belastung mit Isocyanaten aus dem Klebstoff verursacht würden.

Der Kläger, der schon bis Ende April 2010 wegen Pneumonie und anderer Erkrankungen für 47 Tage arbeitsunfähig gewesen war, war ausweislich der Auskunft der A. in der Folge vom 12.11.2010 bis 04.12.2010 (23 Tage), vom 06.12.2010 bis 23.12.2010 (18 Tage), vom 11.01.2011 bis 31.01.2011 (21 Tage) und vom 03.02.2011 bis 05.12.2011 (306 Tage) wieder arbeitsunfähig. In der Zeit vom 11.01.2011 bis 16.01.2011 wurde er in der Neurologie des Klinikums G. in H. wegen akuter Sprachstörung mit der Diagnosestellung einer transitorisch-ischämischen Attacke (TIA) stationär behandelt.

Unter dem 02.04.2011 ersuchte die vom Kläger aufgesuchte Fachärztin für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde B. die Beklagte um Prüfung ihrer Zuständigkeit als Kostenträgerin. Die Beklagte leitete sodann die Prüfung hinsichtlich einer berufsbedingten Erkrankung ein und befragte den werksärztlichen Dienst der A. AG. Die Werksärztin Dr. D. verwies mit Schreiben vom 15.07.2011 auf die durchgeführte Arbeitsplatzmessung am Ort des Aufbringens des Klebers und darauf, dass hierbei keine nachweisbaren Mengen von Diphenylmethyldiisocyanat in der Atemluft festgestellt worden waren. Direkter Hautkontakt zum Kleber habe beim Kläger ohnehin nicht bestanden. Man könne daher sicher davon ausgehen, dass die von ihm geltend gemachten Beschwerden nicht durch die Belastung mit Isocyanaten verursacht seien.

In einem Gespräch mit der Beklagten um den 08.08.2011 gab der Kläger an, er reagiere auf verschiedene Gerüche, die ihn in seinem Alltag behinderten. Am Arbeitsplatz habe er jetzt aber keine Beschwerden mehr. Bei erneuten arbeitsplatzspezifischen Beschwerden werde er sich melden.

Am 12.12.2014 meldete sich der Kläger wieder bei der Beklagten und gab an, er habe weiterhin Beschwerden, die sich seit diesem Jahr verstärkt hätten. Er sei deshalb seit eineinhalb Jahren arbeitsunfähig. Bisher sei keine Ursache für seine Beschwerden festgestellt worden.

Die Beklagte befragte daraufhin den behandelnden Hausarzt des Klägers, Dr. J., der diverse medizinische Unterlagen vorlegte, unter anderem einen Bericht des Neurologen Dr. P. vom 08.02.2011, der beim Kläger eine unspezifische Beschwerdesymptomatik ohne Hinweise für eine primär organneurologische Ursache diagnostizierte und dazu ausführte, der Kläger habe angegeben, seit November 2010 seien während der Arbeit am Band Schwankschwindelgefühle und Geruchs- und Geschmacksempfindungsstörungen aufgetreten. Er sei arbeitsunfähig gewesen. Trotz späterer Umsetzung an einen anderen Arbeitsplatz sei keine Besserung eingetreten, die Symptomatik sei nach Wiederaufnahme der Arbeit irgendwann wieder aufgetreten. In der Zeit vom 11.01. bis 16.01.2011 sei der Kläger in der Neurologie des Klinikums G. in H. wegen akuter Sprachstörung mit der Diagnosestellung einer transitorisch-ischämischen Attacke stationär behandelt worden. Im Entlassbericht der Klinik am G., H., vom 18.01.2011 seien unter anderem eine transitorisch-ischämische Attacke mit passagerer Dysarthrie sowie ein Hemispasmus facialis links diagnostiziert worden. Der Kläger habe ausgeführt, er leide unter einem Zucken der linken Gesichtshälfte, die er auf eine Borrelieninfektion vor Jahren zurückführe. In einem Bericht der Universität W. vom 02.07.2014 wird beim Kläger ebenfalls ein seit 2004 bestehender Hemispasmus facialis diagnostiziert. Der Kläger habe hierzu berichtet, seit 2004 zunächst intermittierend, seit 2006 permanent unwillkürliche Zuckungen der linken Gesichtshälfte zu haben. Außerdem bestehe ein diffuses Beschwerdebild, das der Kläger selbst auf einen Zeckenbiss 2004 im linken Nacken zurückführe. Dieses bestehe aus nicht näher beschreibbaren Kopfschmerzen, die in den gesamten Körper ziehen, sehr wechselnder Intensität und wechselnden Charakters. Eine genaue Schmerzanamnese lasse sich bei sehr ungenauen Angaben des Klägers nicht erheben. Dieser habe angegeben, seit einem Jahr wegen Bandscheibenbeschwerden und Hepatitis (NASH) krankgeschrieben zu sein. Der Kläger sei hinsichtlich einer Botulinumtoxin-Behandlung des seit 2004 unbehandelten Hemispasmus facialis beraten worden.

Unter dem 07.07.2015 führte der Präventionsdienst der Beklagten zusammen mit dem Kläger einen Ortstermin bei der A. AG durch und befragte diesen zu seinen Arbeitsplätzen und den dortigen Tätigkeiten und Expositionen. Hierbei gab der Kläger an, er sei zunächst vom 03.08.1998 bis zum Jahr 2004 als Monteur von Kabelbäumen tätig gewesen. Seine dortige Tätigkeit habe darin bestanden, einzelne Kabel zusammenzulegen und diese mit Klebeband zu umwickeln. Ab dem Jahre 2004 sei er bei der Türenvormontage des Audi A6 in der Halle A13 tätig gewesen und habe dort in einer Arbeitsgruppe von sechs bis ca. acht Personen gearbeitet. Zu seinen Aufgaben hätten das Einlegen und Festdrücken von Dämmmatten, die Montage von Zier- und Dichtleisten sowie die Montage von Fensterhebern gehört. Hierbei habe er die Türen zur Vormontage in ein Laufband eingehängt und diese nach der Montage wieder in die Transportgestelle zurückgehängt. Unmittelbaren Kontakt mit Klebern, Farben oder ähnlichen Produkten habe er bei dieser Arbeit nicht gehabt. In der Halle A13 sei aber seit dem November 2010 der Kleber EFBOND DA 3000 an anderen Arbeitsplätzen, die von seinem ca. 20 bis 30 Meter entfernt seien, verarbeitet worden. Von Anfang 2011 bis Herbst 2011 sei er weiterhin im Bereich der Türenvormontage des Audi A6 beschäftigt gewesen, nunmehr aber in der Halle B18. Auch an diesem Arbeitsplatz habe er keinen Umgang bzw. Kontakt mit Lösungsmitteln, Lacken, Klebern oder sonstigen Arbeitsstoffen gehabt. Eine Exposition habe aber durch die Arbeitsplätze der A8-Fertigung bestanden. Diese hätten sich in der gleichen Halle im angrenzenden Bereich befunden. Angaben zu den Arbeiten in der angrenzenden A8-Fertigung könne er nicht machen. Die A8-Fertigung sei durch eine ca. 4 bis 6 Meter hohe Wand von der Montage getrennt gewesen, die Mitarbeiter der A6-Montage hätten keine Zugangsberechtigung gehabt. Von Mitte November 2011 bis zum 17.06.2013 sei er in einem Presswerk beschäftigt gewesen, wo Fahrzeugteile aus Stahl oder Aluminium an Pressen gefertigt wurden, wobei die Beschickung der Anlage vollautomatisch erfolgte. Seine Aufgabe habe darin bestanden, fertige Teile aus der Presse zu entnehmen und in Transportgestelle zu legen. Er habe außerdem Materialien mit dem Gabelstapler zu transportieren sowie organisatorische Aufgaben zu erledigen gehabt. Seit dem 17.06.2013 sei er durchgehend arbeitsunfähig.

Auf dieser Grundlage führte der Präventionsdienst der Beklagten mit Stellungnahme vom 16.07.2015 aus, es lägen keine Hinweise auf relevante Expositionen gegenüber Halogenkohlenwasserstoffen im Sinne der BK Nr. 1302, Diphenylmethandiisocyanat (MDI) im Sinne der BK Nr. 1315 oder gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemischen im Sinne der BK Nr. 1317 vor. Eine Exposition im Sinne der BK Nr. 1315 könne für die Zeiträume 03.08.1998 bis Oktober 2010 (Montage von Kabelbäumen bzw. Türenvormontage A6 Halle A13) und Frühjahr 2011 bis 17.06.2013 (Türenvormontage A6 Halle B18 bzw. Presswerk) ausgeschlossen werden. Im November 2010 habe nach Angaben des Versicherten über einen Zeitraum von zwei Wochen eine Exposition gegenüber den Dämpfen eines Klebers, der an einem 20 bis 30 Meter entfernten Arbeitsplatz verarbeitet wurde, bestanden. Bei den von der A. AG durchgeführten Arbeitsplatzmessungen habe MDI aber nicht nachgewiesen werden können, d.h. die Konzentration von MDI in der Luft am Arbeitsplatz habe unterhalb der analytischen Erfassungsgrenze gelegen. Eine relevante Exposition im Sinne der BK Nr. 1315 für den 20 bis 30 Meter entfernt gelegenen Arbeitsplatz des Klägers habe daher ausgeschlossen werden können. Es ergäben sich auch keine Hinweise auf eine relevante Exposition gegenüber organischen Lösungsmitteln oder deren Gemischen im Sinne der BK Nr. 1317.

Die staatliche Gewerbeärztin Dr. H. führte auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 04.08.2015 aus, dass eine BK nach den Nrn. 1302, 1312 oder 1317 der BKV nicht zur Anerkennung vorgeschlagen werde, da die haftungsbegründende Kausalität nicht wahrscheinlich gemacht werden könne.

Mit Bescheid vom 24.09.2015 lehnte die Beklagte die Anerkennung von BK´en nach den Nrn. 1302, 1315 oder 1317 der BKV ab. Ansprüche auf Rente oder sonstige Leistungen bestünden nicht. Dies gelte auch für Leistungen oder Maßnahmen, die geeignet seien, dem Entstehen einer BK entgegenzuwirken. Die Erkrankung sei auch nicht wie eine BK anzuerkennen. Zur Begründung wurde ausgeführt, eine relevante Exposition im Sinne der geltend gemachten BK´en sei nicht zu erkennen. Es liege keine Einwirkung vor, die zur Verursachung einer BK geeignet sei.

Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein mit der Begründung, er leide unter multiplen körperlichen Beschwerden. Diese ließen sich nach Ansicht der behandelnden Ärzte nicht auf Entwicklungen in der privaten Lebensführung oder schicksalsmäßige Veränderungen im Gesundheitszustand zurückführen. Damit könnten ausschließlich berufliche Einwirkungen in Frage kommen. Des Weiteren sei die Sachverhaltsermittlung nicht ausreichend vorgenommen worden. Er leide bereits morgens beim Aufstehen unter Schwindel und ebenso abends beim Hinlegen. Er müsse schon morgens erbrechen und beim Gehen liege ein Gefühl vor, wie wenn er betrunken wäre. Mund und Rachen seien trocken, der Geschmack vom Magen bis zum Mund fühle sich eklig an, Mund und Zunge würden brennen und um den Mund herum und im Mund bestehe ein pelziges Gefühl. Es bestünden eine ausgesprochene Müdigkeit sowie Seh- und Hörprobleme. Des Weiteren habe er bei der Nahrungsaufnahme eine geschmackliche Missempfindung. Die Stimme sei brüchig und die Ausdrucksfähigkeit schwanke. Darüber hinaus bestünden Hautprobleme mit Mundentzündungen und Schmerzen am ganzen Körper. Zusätzlich leide er an Magen- und Darmkrämpfen sowie massiven Konzentrationsschwierigkeiten.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 19.01.2016 zurück unter Berufung auf die Ermittlungen des Präventionsdienstes und führte dazu aus, es fehle schon an den arbeitstechnischen Voraussetzungen der jeweiligen BK´en. Die Gesundheitsstörungen könnten auch nicht wie eine BK anerkannt werden.

Am 05.02.2016 hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben und zur Begründung ausgeführt, es sei nicht ausreichend ermittelt, ob er Kontakt zu Halogenkohlenwasserstoffen gehabt habe. Solche könnten in Lösungsmitteln, die zur Entfettung dienen, in Kabelisolierungen, in den Kunststoffen und Gummiteilen, die verbaut werden, sowie als Lösungsmittel für Klebstoffe, die zum Einbringen der Isolierungen verwendet werden, enthalten sein. Außerdem sei der Kläger mit Sicherheit Ausdünstungen von Vinylchlorid ausgesetzt gewesen, das aus den zu verbauenden Kunststoffteilen entweiche. Die vom Kläger beschriebenen Atemwegserkrankungen ließen außerdem eine obstruktive Atemwegserkrankung erkennen. Trotz der erfolgten Arbeitsplatzmessungen könnten sich am Arbeitsplatz des Klägers nennenswerte Isocyanatverbindungen befunden haben. Nach dem Merkblatt zur BK Nr. 1315 könnten empfindliche Personen auch bei sehr geringen Konzentrationen eine Bronchialobstruktion erleiden. Im Sicherheitsdatenblatt zu EFBOND DA 300 werde ausgeführt, dass eine Sensibilisierung durch Einatmen und Hautkontakt erfolgen könne. Auch zur BK Nr. 1317 (Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische) enthielten die angegriffenen Bescheide keine nachvollziehbaren Ausführungen. Als maßgebliche Ausgangsstoffe, die auch in der Produktion der A. AG Verwendungen finden, seien insbesondere aromatische Kohlenwasserstoffe wie Benzol, Toluol, Xylol und Styrol zu nennen, ebenso wie die chlorierten aliphatischen Kohlenwasserstoffe. Als erhöhte Risikofaktoren nenne das Merkblatt hier insbesondere das großflächige Aufbringen von Klebstoffen oder Lacken. Die vom Kläger beschriebenen Parästhesien und Sensibilitätsausfälle seien insoweit typisch, ebenso ließen die Verlaufssymptome der Erkrankung mit Merkschwierigkeiten, Gleichgewichtsstörungen und Störungen des Geruchs- und Geschmackssinns an eine toxische Enzephalopathie denken. Schließlich seien keine Ermittlungen zum möglichen Kontakt des Klägers mit Aluminiumoxyd bzw. Aluminiumsalzen und deren Auswirkungen erfolgt.

Mit Stellungnahme vom 24.05.2016 hat der Präventionsdienst der Beklagten hierzu ergänzend ausgeführt, im Rahmen der persönlichen Befragung am 07.07.2015 sei der Kläger für jeden Arbeitsplatz bzw. Beschäftigungszeitraum getrennt zu seinen Tätigkeiten, den Arbeitsstoffen und dem Umgang mit Lösungsmitteln, Lacken, Klebern usw. befragt worden. Die Tätigkeitsbeschreibungen beruhten daher auf seinen Angaben und seien ihm zugänglich gemacht worden. Danach habe der Kläger an den verschiedenen Arbeitsplätzen nach eigenen Angaben keinen Umgang bzw. Kontakt mit zur Entfettung eingesetzten Lösungsmitteln gehabt. Es sei zutreffend, dass chlorierte Kohlenwasserstoffe (PVC) in Kabelisolierungen enthalten seien. Ein Umgang bzw. Kontakt mit Kabelisolierungen aus PVC (Polyvinylchlorid) führe jedoch, ebenso wie der Umgang mit Kunststofffenstern (ebenfalls PVC), zu keiner Exposition im Sinne der BK Nr. 1302. Nicht zutreffend sei, dass der Kläger Ausdünstungen von Vinylchlorid ausgesetzt war. Vinylchlorid werde zur Herstellung von PVC eingesetzt. Aus dem fertigen Kunststoffprodukt (Kabelisolierung, PVC-Fenster etc.) werde kein Vinylchlorid "ausgedünstet". Allenfalls könnten Verarbeitungshilfsmittel und Zuschlagsstoffe, z.B. Weichmacher, Stabilisatoren, die bei der Herstellung der PVC-Produkte dem Kunststoff zugemischt werden, später "ausdünsten." Hierbei handele es sich aber um keine chlorierten Kohlenwasserstoffe. Eine Exposition gegenüber Vinylchlorid, hierbei handele es sich um ein Gas, könne ausgeschlossen werden. Hinsichtlich der BK Nr. 1315 treffe es zwar zu, dass empfindliche Personen auch dann eine Bronchialobstruktion erleiden könnten, wenn sich ihr Arbeitsplatz in größerer Entfernung zur Emissionsquelle befinde oder in der Luftmessung keine Isocyanate festgestellt werden könnten. Allerdings habe der Kläger bei der Vorstellung bei der Werksärztin Dr. D. über Geruchsbelästigung und Schwindel geklagt und auch im Rahmen der persönlichen Befragung am 07.07.2015 Beschwerden in Form von Schwindel und Gleichgewichtsstörungen beschrieben. Eine Bronchialobstruktion (Asthma) führe primär zu Atemnot und nicht zu den vom Kläger angegebenen Beschwerden (Schwindel, Geruchsbelästigung und Gleichgewichtsstörungen). Der Kläger sei auch keinen aromatischen Kohlenwasserstoffen im Sinne der BK Nr. 1317, wie Benzol, Toluol, Xylol und Styrol bzw. chlorierten aliphatischen Kohlenwasserstoffen ausgesetzt gewesen. Benzol könne ausgeschlossen werden (Verwendungsverbot). Einsatzzwecke für Styrol seien im Automobilbau hier nicht bekannt. In den Fahrzeugen würden allenfalls Formteile aus Polystyrol verwendet. Toluol und Xylol könnten zwar in den Klarlacken, die in der Lackiererei verarbeitet werden, enthalten sein. Da der Kläger nach eigenen Angaben nie in der Lackiererei tätig gewesen sei und auch an den verschiedenen Arbeitsplätzen nach eigenen Angaben keine Lacke verarbeitet habe, ergäben sich keine Hinweise auf eine relevante Exposition im Sinne der BK Nr. 1317. Nicht zutreffend sei auch die Aussage, dass der Kläger großflächig Klebstoffe oder Lacke aufgetragen habe. Im Rahmen der persönlichen Befragung sei der Kläger für jeden Arbeitsplatz getrennt befragt worden. Demnach habe er an keinem Arbeitsplatz Lacke oder Kleber großflächig aufgetragen.

Hierzu hat der Kläger ergänzend angegeben, nach den ihm im Jahr 2011 anlässlich seiner Beschwerde übergebenen Datenblättern habe er Kontakt zu dem Dichtstoff Terolan Hell 310ML InterVE 12 (Benzolgehalt unter 0,1 Prozent) gehabt, der unter anderem eine geringe Absonderung von Benzol enthalte. Der Dichtstoff sei in ca. 20 bis 30 Meter Entfernung von seinem Arbeitsplatz und einer räumlichen Trennung durch eine ca. 4 bis 6 Meter hohe Wand in der A8-Fertigung verarbeitet worden. Das Produkt rieche wie Benzin und bewirke Schläfrigkeit und Benommenheit sowie Hautveränderungen. Der Kläger beschreibt, dass es ihm sofort extrem schwindlig geworden sei, als das Produkt verwendet wurde. Sobald er Distanz vom Band gehabt habe, hätten die Beschwerden nachgelassen, wobei er recht schnell nach Kontakt mit dem Produkt Arbeitsunfähigkeitszeiten gehabt habe.

Das SG hat Beweis erhoben durch Einholung eines Sachverständigengutachtens bei dem Diplom-Ingenieur (FH) S., D. GmbH. Dieser hat in dem nach Aktenlage erstellten Gutachten vom 17.05.2017 zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der streitigen BK´en Stellung genommen und zusammenfassend ausgeführt, bei den Tätigkeiten des Klägers im Zeitraum 1998 bis 2013 seien keine Produkte be- oder verarbeitet worden, in denen Inhaltsstoffe enthalten waren, die Erkrankungen im Sinne der BK´en Nrn. 1302, 1315 oder 1317 verursachen könnten. Im Zeitraum vom 03.08.1998 bis ca. 2004 sei der Kläger als Monteur von Kabelbäumen tätig gewesen. Dabei seien einzelne Kabel nach Vorgaben zusammengelegt und mit Klebeband umwickelt worden. Es habe dabei kein Umgang mit Flüssigkeiten oder gasförmigen Schadstoffen bestanden. Die Auffassung des Klägervertreters, dass Lösungsmittel und "sonstige Fertigungsstoffe" aus Kabelummantelungen, insbesondere beim Erhitzen von Teilen der Kabelbäume, austreten würden, werde nicht geteilt. Bei der Be- und Verarbeitung von Elektrokabeln entwichen keine Lösungsmittel und/oder chlorierte Kohlenwasserstoffe. Kabelbäume würden nicht erhitzt. Das Erwärmen von Teilen der Kabelbäume habe dabei keine Auswirkungen. Eine feststellbare Geruchsbelästigung sei auf Weichmacher u. ä. Inhaltstoffe zurückzuführen. Diese seien nicht geeignet, die angezeigten BK´en zu verursachen. Isocyanathaltige Produkte seien bei der Herstellung von Kabelbäumen nicht zur Anwendung gekommen.

Im Zeitraum von ca. 2004 bis Anfang 2011, als der Kläger in der Türenvormontage des A6 in der Halle A13 tätig gewesen sei, sei er mit dem Einlegen und Festdrücken von Dämmmatten, der Montage von Zier- und Dichtleisten und von Fensterhebern befasst gewesen. Außerdem habe er die Türen zur Vormontage in das Laufband eingehängt und nach der Montage wieder in Transportgestelle zurück gestellt. Der Kläger habe hierbei zu keinem Zeitpunkt Umgang mit Klebern, Farben u. ä. Produkten gehabt. Soweit der Kläger seine gesundheitlichen Beschwerden auf den seit November 2010 verwendeten Kleber EFBOND DA 3000 zurückführe, habe eine Gefahrstoffmessung am Arbeitsplatz, an dem der Kleber aufgetragen wurde, ergeben, dass der Messwert unterhalb der Bestimmungsgrenze dieses Stoffes lag und somit nicht nachweisbar war. Da laut dem Messprotokoll bereits am Verwendungsort des Klebers keine Exposition nachgewiesen wurde und auch keine weiteren Expositionsquellen in der Montagehalle vorhanden waren, sei davon auszugehen, dass auch am ca. 20 bis 30 Meter entfernt gelegenen Arbeitsplatz des Klägers keine Exposition gegenüber Isocyanaten (Arbeitsplatzgrenzwert AGW 0,05 mg/cm3) vorgelegen habe. Der Hinweis des Klägervertreters, dass empfindliche Personen auch in größeren Entfernungen eine Bronchialobstruktion erleiden könnten, sei korrekt. Dabei könnten Vorerkrankungen, z. B. Allergien eine Rolle spielen. Für die vorliegenden BK´en habe diese Möglichkeit einer Bronchialobstruktion jedoch keine Relevanz. In diesem Zeitraum sei auch keine Exposition gegenüber Benzol, Toluol, Xylol und Styrol im Sinne der BK Nr. 1317 erfolgt.

Im anschließenden Zeitraum von Anfang 2011 bis Herbst 2011 bei der Türenvormontage des A6 in der Halle B18 seien die verrichteten Arbeiten mit den vorangegangenen vergleichbar gewesen. Nach Angaben des Klägervertreters habe eine Gesundheitsgefährdung durch die Verwendung des Dichtstoffes Terolan Hell DK 310ML lnterVE12 vorgelegen. Die Verarbeitung dieses Produktes sei allerdings an einem ca. 20 bis 30 Meter entfernt liegenden Arbeitsplatz in der gleichen Halle erfolgt und durch eine ca. 4 bis 6 Meter hohe Wand räumlich getrennt gewesen. Lösemittelgemische, wie im Produkt Terolan Hell DK 310ML lnterVE12 enthalten, könnten Spuren von Benzol als Verunreinigung enthalten. Der tatsächliche Benzolgehalt liege bei (0,1% Benzol. Eine Gesundheitsgefährdung im Sinne der BK´en Nrn. 1302, 1315 und 1317 könne daraus nicht abgeleitet werden. Hierzu sei nochmals festzustellen, dass der Kläger nach wie vor keinen direkten Umgang mit Stoffen gehabt habe, die für die angezeigten BK´en relevant seien. Die räumlichen Gegebenheiten (hohe Werkhalle, Trennung der Arbeitsplätze durch eine Zwischenwand, Entfernung zwischen Einsatzort des Dichtstoffes und dem Arbeitsplatz des Klägers von 25 bis 30 Metern) sowie auch die mögliche geringe Exposition an diesen Arbeitsplätzen gegenüber neurotoxischen Stoffen durch die Tätigkeiten an den Nachbararbeitsplätzen schlössen eine Gesundheitsgefährdung des Klägers im Sinne der BK´en Nrn. 1302, 1315 und 1317 aus. Gleiches gelte für den letzten Zeitraum von Mitte bzw. Herbst 2011 bis 17.06.2013, in welchem der Kläger laut den Angaben der Beklagten im Presswerk tätig war, wo Fahrzeugteile aus Stahl oder Aluminium an Pressen gefertigt werden. Vom Kläger seien die fertigen Teile dabei aus der Presse entnommen und in Transportgestelle gelegt worden. Zu seinen weiteren Aufgaben hätten der Transport von Materialien mit einem Gabelstapler sowie organisatorische Aufgaben gehört. Auch hier habe der Kläger keinen Umgang mit Stoffen gehabt, die für die angezeigten BK´en relevant seien.

Zu dem Gutachten des Dipl.-Ing. (FH) S. hat der Kläger ausgeführt, durch diesen sei keine weitere Sachverhaltsermittlung erfolgt. Deshalb sei die maßgebliche Frage, wie die Verteilung der Schadstoffe von den Produktionsstätten bis zu seinem Arbeitsplatz stattgefunden habe, nicht beantwortet worden. Die Erkrankung mit ihren sehr belastenden Auswirkungen sei ausschließlich auf die berufliche Tätigkeit zurückzuführen.

Das SG hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, der Kläger habe keinen Anspruch auf Anerkennung der BK´en nach Nrn. 1302, 1315 oder 1317 und auch keinen Anspruch auf die Anerkennung seiner Erkrankungen wie eine Berufskrankheit bzw. die Gewährung von Verletztenrente. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der genannten BK´en könnten nicht nachgewiesen werden. Der Kläger sei über seine gesamte berufliche Laufbahn von 1998 bis 2013 weder Halogenkohlenwasserstoffen im Sinne der BK Nr. 1302 noch Isocyanaten im Sinne der BK Nr. 1315 oder zu Polyneuropathie oder Enzephalopathie führenden organischen Lösungsmitteln oder deren Gemischen im Sinne der BK Nr. 1317 ausgesetzt gewesen. Das Gericht schließe sich dem Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. (FH) S. vom 17.05.2017 sowie den Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten in der Stellungnahme vom 16.07.2015 an.

Auch nach Auffassung des Gerichts sei der Kläger im Zeitraum von 1998 bis 2004, als er vornehmlich mit der Montage von Kabelbäumen beschäftigt war, keiner entsprechenden Exposition ausgesetzt gewesen. Bei der Be- und Verarbeitung von Elektrokabeln entwichen keine Lösungsmittel oder chlorierte Kohlenwasserstoffe. Das Erwärmen von Teilen der Kabelbäume habe hierauf keine Auswirkung. Isocyanathaltige Produkte seien in diesem Zeitraum nicht zum Einsatz gekommen. Auch im Zeitraum von 2004 bis 2011, in welchem der Kläger mit der Türenvormontage des Audi A6 in der Halle A13 beschäftigt gewesen sei, sei eine Exposition im Sinne der BK´en Nrn. 1302, 1315 bzw. 1317 nicht gegeben gewesen. Dies gelte für die eigentliche Tätigkeit in diesem Zeitraum, nämlich das Einlegen und Festdrücken von Dämmmatten, die Montage von Zier- und Dichtleisten sowie die Montage von Fensterhebern. Der Kläger habe zu keinem Zeitpunkt Umgang mit Klebern, Farben oder ähnlichem gehabt. Auch die Verwendung des Klebers EFBOND DA 3000 seit dem November 2010 in einer Entfernung von ca. 20 bis 30 Metern zu seinem Arbeitsplatz habe keine Exposition herbeizuführen vermocht. Dieser Kleber enthalte zwar laut dem Sicherheitsdatenblatt 1 bis 5% Diphenylmethan-4,4-diisocyanat. Eine am 25.01.2011 durchgeführte Gefahrstoffmessung habe aber selbst direkt am Verwendungsort des Klebers keine Exposition gegenüber Isocyanaten ergeben. Dies gelte erst recht für den mindestens 20 Meter entfernten Arbeitsplatz des Klägers. Im Zeitraum 2004 bis 2011 seien vom Kläger auch keine Produkte verarbeitet worden, die Benzol, Toluol, Xylol oder Styrol beinhalteten. Eine hinreichende Exposition im Sinne der BK´en Nrn. 1302, 1315 bzw. 1317 sei auch im Zeitraum von Anfang bis Mitte 2011 nicht erfolgt, als der Kläger mit der Türenvormontage des Audi A6 in der Halle B18 beschäftigt war. Hierbei sei der Dichtstoff Terolan Hell 310ML InterVE 12, welcher unter 0,1% Benzol als Verunreinigung enthalte, in einer Entfernung von ca. 20 bis 30 Metern zum klägerischen Arbeitsplatz unter einer räumlichen Trennung durch ca. 4 bis 6 Meter hohe Wände verwendet worden. Angesichts des geringen tatsächlichen Benzolgehalts dieses Produktes, der großen Entfernung zum Arbeitsplatz des Klägers, der Trennung durch eine Zwischenwand und der Tatsache, dass der Kläger keinen direkten Umgang mit diesem Stoff hatte, lasse sich eine expositionsbedingte Gesundheitsgefährdung im Sinne der geltend gemachten Berufskrankheiten ausschließen (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., Seite 267 f.). Auch für den anschließenden Zeitraum bis zum 17.06.2013 lasse sich keine geeignete Exposition im Sinne der arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK´en Nrn. l302, 1315 bzw. 1317 begründen. Vor dem Hintergrund der nicht im Vollbeweis festzustellenden arbeitstechnischen Voraussetzungen seien weitergehende medizinische Sachermittlungen nicht veranlasst. Die Voraussetzungen für die Anerkennung einer Wie-BK (§ 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII)) lägen ebenfalls nicht vor. Dementsprechend habe der Kläger auch keinen Anspruch auf Verletztenrente.

Gegen den Gerichtsbescheid hat der Kläger am 22.09.2017 Berufung bei dem Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und hierzu ausgeführt, er bleibe dabei, dass er im Zeitraum 1998 bis 2004 bei der Montage von Kabelbäumen Lösungsmitteln und chlorierten Kohlenwasserstoffen ausgesetzt war. Es sei auch weiter aufzuklären, inwieweit in diesem Zeitraum isocyanathaltige Produkte oder Schäume verwendet wurden. Das SG hätte auch nicht kritiklos vom Sachverständigengutachten übernehmen dürfen, dass durch die Verwendung des Klebers EFBOND DA 3000 seit November keine Exposition mit Isocyanat stattgefunden habe. Die Gefahrstoffmessung am Verarbeitungsort des Klebers müsse nicht identisch sein mit dem Arbeitsplatz des Klägers. Es sei nicht gutachtlich geklärt worden, wie der Kleber abbinde und ob nicht im Rahmen des Verarbeitungsprozesses isocyanathaltige Dämpfe durch die verklebten Teile hindurch dringen und am Arbeitsplatz des Klägers freigesetzt werden könnten. Auch seien die räumlichen Verhältnisse für den Zeitraum der Verwendung des Dichtstoffes Terolan Hell (Anfang bis Herbst 2011) in Bezug auf die Raumkonzentration von Benzol nicht aufgeklärt worden. Dadurch dass der Arbeitsbereich des Klägers nicht luft- und gasdicht vom Verwendungsort des benzolhaltigen Dichtstoffes abgetrennt gewesen sei, sei durch Luftströmungen und Verwirbelungen davon auszugehen, dass sich auch am Arbeitsplatz des Klägers noch eine einwirkungsrelevante Benzolkonzentration befunden habe. Die expositionsbedingte Gesundheitsgefährdung sei daher durch konkrete Vorortmessungen weiter aufzuklären.

Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Heilbronn vom 25. August 2017 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufhebung des Bescheids vom 24. September 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 19. Januar 2016 beim Kläger das Vorliegen einer Berufskrankheit nach den Nrn. 1302, 1315 bzw. 1317 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) anzuerkennen, hilfsweise die beim Kläger vorliegenden Erkrankungen wie eine Berufskrankheit anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie wiederholt im Wesentlichen ihre Ausführungen aus dem Ausgangs- und Klageverfahren.

Am 28.11.2017 ist mit den Beteiligten ein Erörterungstermin durchgeführt worden. Der Vorsitzende hat die Beteiligten darin unter anderem darauf hingewiesen worden, dass nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sei, dass der Kläger im streitigen Zeitraum an den verschiedenen Arbeitsplätzen bei der A. AG schädigenden Einwirkungen im Sinne der BK´en 1302, 1315 und 1317 bzw. im Sinne einer Wie-BK ausgesetzt war. Aufgrund der gesamten Umstände werde keine Veranlassung für weitere Ermittlungen von Amts wegen gesehen.

Die Beteiligten haben einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- sowie die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), ist statthaft und auch im Übrigen zulässig. Berufungsausschließungsgründe gemäß § 144 SGG liegen nicht vor. Die Berufung ist jedoch unbegründet.

Streitgegenstand des vorliegenden Verfahrens ist der Bescheid vom 24.09.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.01.2016, mit dem die Beklagte (unter anderem) festgestellt hat, dass bei dem Kläger keine BK nach den Nrn. 1302, 1315 und 1317 besteht und die Erkrankung des Klägers auch nicht wie eine BK anzuerkennen ist. Der Kläger begehrt die Aufhebung dieser Bescheide und die Verpflichtung der Beklagten, die begehrten BK´en anzuerkennen. Die kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage ist eine statthafte Klageart, mit der das Begehren ebenso wirksam durchgesetzt werden kann wie mit der Verbindung einer Anfechtungs- mit einer Feststellungsklage, so dass zwischen behördlicher und gerichtlicher Feststellung des Vorliegens eines Versicherungsfalls gewählt werden kann (vgl. hierzu Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 23/09 R -(juris)). Soweit der Kläger überdies mit einer Leistungsklage die Gewährung von Entschädigungsleistungen, insbesondere eine Rentenzahlung wegen des Vorliegens einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) begehrt hatte, ist dieses Begehren im Berufungsverfahren zuletzt nicht weiterverfolgt worden.

Das SG hat die auch im Übrigen zulässige Klage zu Recht als unbegründet abgewiesen. Die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK´en Nrn. 1302, 1315 und 1317 der Anlage 1 zur BKV bzw. einer sog. Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII liegen nicht vor.

Rechtsgrundlage für die Anerkennung der begehrten BK´en ist § 9 Abs. 1 SGB VII i.V.m. der jeweiligen Listen-BK. Nach § 9 Abs. 1 S 1 SGB VII sind BK´en nur diejenigen Krankheiten, die durch die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrats als solche bezeichnet sind (sog. Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden.

Vorliegend streitig sind die in Ausübung einer versicherten Tätigkeiten erlittenen BK´en Nrn. 1302, 1315 und 1317. Die BK Nr. 1302 erfasst Erkrankungen durch Halogenkohlenwasserstoffe. Die BK Nr. 1315 erfasst Erkrankungen durch Isocyanate, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können. Die BK Nr. 1317 erfasst Polyneuropathie oder Enzephalopathie durch organische Lösungsmittel oder deren Gemische.

Voraussetzung für die Anerkennung und ggf. Entschädigung einer Erkrankung als BK ist in diesen Fällen, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Dabei müssen die Krankheit, die versicherte Tätigkeit und die durch sie bedingten schädigenden Einwirkungen einschließlich deren Art und Ausmaß i.S. des "Vollbeweises", also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, der nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die (hinreichende) Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit, ausreicht (st. Rspr.; vgl. BSG, Urteile vom 30.03.2017 - B 2 U 6/15 R - und vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 26, Rdnr. 10 m.w.N.).

Nach diesen Grundsätzen haben die Beklagte und ihr folgend das SG, dieses unter Hinweis auf das eingeholte Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. (FH) S. und die dortigen Ausführungen, die Anerkennung der genannten BK´en zu Recht abgelehnt. Der Senat teilt diese Auffassung. Das Berufungsvorbringen zeigt keine konkreten Aspekte und Gesichtspunkte auf, die eine abweichende Beurteilung gebieten würden oder jedenfalls weitergehende Ermittlungen als veranlasst erscheinen ließen. Der Senat verweist daher wegen der weiteren Begründung zur Vermeidung von Wiederholungen auf die erstinstanzlichen Ausführungen (§ 153 Abs. 2 SGG). Ergänzend ist mit Blick auf das Berufungsvorbringen (lediglich) Folgendes auszuführen:

Der Tatbestand der BK Nr. 1302 enthält - ebenso wie der der BK Nr. 1315 - über den Begriff der Erkrankung hinaus weder normative Vorgaben in Form einer Mindestdosis oder Mindestdauer der Einwirkung noch eine inhaltliche Eingrenzung der möglichen Krankheitsbilder. Von der BK Nr. 1302 werden durch die unbestimmte und offene Bezeichnung alle Krankheiten erfasst, die nach den fortschreitenden Erfahrungen der medizinischen Wissenschaft ursächlich auf die Einwirkung von Halogenkohlenwasserstoffen zurückzuführen sind (BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R -(juris)). Nach dem Merkblatt für die ärztliche Untersuchung (Bekanntgabe des Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung vom 29.03.1985, BArbBl 6/1985) zählen zu den möglichen akuten oder chronischen Krankheitsbildern insbesondere Erkrankungen des Zen-tralnervensystems, der Leber und Niere, Dermatosen, Reizwirkungen an den Atemwegen oder den Augen. Demgegenüber hat der Kläger als Erstreaktion auf die in Frage stehenden Stoffe zunächst insbesondere Schwindel und Riechstörungen geltend gemacht. Aus den im Verwaltungsverfahren vorgelegten Befund- und Arztberichten sowie aus seinen Angaben gegenüber Ärzten ergibt sich allerdings, dass bei ihm eine Vielzahl von Beschwerden in Form von teils unspezifischen Beschwerden besteht, die das zentrale Nervensystem, das Herz- und Kreislaufsystem, das Gedächtnis und die Haut betreffen. Ob diese Erkrankungen im erforderlichen Vollbeweis vorliegen, kann hier offen bleiben.

Denn die Anerkennung einer Erkrankung als BK setzt (weiter) voraus, dass der schädigende Stoff ("Listenstoff") zum einen generell geeignet ist, das betreffende Krankheitsbild zum Entstehen zu bringen oder zu verschlimmern. Zum anderen muss die vorliegende Erkrankung konkret-individuell durch entsprechende Einwirkungen des Listenstoffs wesentlich verursacht oder verschlimmert und diese Einwirkungen müssen wesentlich durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden sein (BSG, Urteil vom 27.06.2000 - B 2 U 29/99 R -(juris)). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Sowohl bei einer generellen als auch bei einer konkret-individuellen Betrachtung kann eine zur Gesundheitsschädigung geeignete Exposition des Klägers nach Umfang und Dauer der Einwirkungen nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit festgestellt werden, wobei offen bleiben kann, ob für die generell-schädigende Eignung der Vollbeweis erforderlich ist (als Teil einer schädigenden Einwirkung) oder ob hierfür bereits die hinreichende Wahrscheinlichkeit (als Teil des Ursachenzusammenhangs) genügt (vgl. BSG, Urteil vom 27.06.2000, a.a.O.). Denn selbst unter Zugrundelegung des geringeren Beweismaßes kann eine generelle Geeignetheit der bestimmten Einwirkungen zur Verursachung oder Verschlimmerung des vom Kläger geschilderten Krankheitsbildes nicht begründet werden, weshalb bereits die Einwirkungskausalität zu verneinen ist. Dementsprechend fehlt es an einem konkret-individuellen Kausalzusammenhang zwischen den Erkrankungen des Klägers und den konkreten Einwirkungen des Stoffes auf ihn.

Dies gilt zum einen für die Einwirkung durch Halogenkohlenwasserstoffe als Listenstoffe i.S. der BK Nr. 1302. Dazu gehören Verbindungen von Kohlenwasserstoffen mit Fluor, Chlor, Brom oder Jod (vgl. Merkblatt für die ärztliche Untersuchung, a.a.O.). Der Kläger war nach seinen eigenen, gegenüber dem Präventionsdienst der Beklagten geäußerten Angaben zwischen 1998 und 2013 an keinem Arbeitsplatz tätig, an welchem er der direkten Einwirkung von Löse- oder anderen Mitteln ausgesetzt war, die Halogenkohlenwasserstoffe enthalten können. Dies gilt auch für die Zeit zwischen 1998 und 2004, als er in der Montage von Kabelbäumen gearbeitet hat, ohne allerdings Kontakt zu Flüssigkeiten oder gasförmigen Schadstoffen zu haben. Wie der Sachverständige S. nachvollziehbar ausgeführt hat, werden bei der Be- und Verarbeitung von Elektrokabeln keine chlorierten Kohlenwasserstoffe (und auch keine Lösungsmittel i.S.d. BK Nr. 1317) freigesetzt. Auch für die übrigen Arbeitsstellen bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit im Jahr 2013 ist nicht hinreichend wahrscheinlich (und erst recht nicht nachgewiesen), dass der Kläger Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstoffe ausgesetzt war, die nach Art und Ausmaß geeignet sein könnten, seine Erkrankungen zu verursachen oder diese zu verschlimmern.

Gleiches gilt für die geltend gemachten Erkrankungen durch Isocyanate (BK Nr. 1315). Nach dem Merkblatt zur BK 1315 (Bekanntgabe des Bundesministerium für Arbeit und Sozialordnung, BArbBl 3/2004, S. 32) besitzt diese Stoffgruppe ein breites Anwendungsfeld für die Herstellung von Schaumstoffen und anderen Kunststoffen, Lacken und sonstigen Oberflächenbeschichtungen, Vergussmassen, Elastomeren, Klebern, Härtern, Pharmazeutika, Pestiziden und anderen Erzeugnissen der chemischen Industrie. Hauptanwendungsbereiche sind unter anderem die Kraftfahrzeugindustrie, wobei von besonderer Bedeutung isocyanathaltige Aerosole sind, die beim Spritzlackieren von Lacken mit Isocyanatkleber entstehen. Zu den typischen Erkrankungen durch Isocyanate gehören die obstruktive Atemwegserkrankung (Reaktionen der Atemwege in Form von Hustenreiz, Asthma o.Ä.) und die Alveolitis (Kombination aus Fieber, Schüttelfrost, Dyspnoe und Druckgefühl im Brustbereich). Der Kläger hat allerdings - wie ausgeführt - insbesondere Schwindel und Riechstörungen als Erstbeschwerden infolge des Einsatzes des Klebers EFBOND DA 3000 geltend gemacht, welcher ab November 2010 in derselben Werkhalle, in der er selbst gearbeitet hatte, verarbeitet wurde. Unabhängig vom Vollbeweis dieser Erkrankungen lässt sich auch in Bezug auf die BK Nr. 1315 nicht feststellen, dass der Kläger bei den verschiedenen Tätigkeiten bei der A. AG Einwirkungen durch Isocyanate ausgesetzt war, die nach Art und Ausmaß mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit generell geeignet waren, seine Erkrankungen zu verursachen oder diese zu verschlimmern. Das SG hat zutreffend auf die von der Arbeitgeberin am 25.01.2011 aufgrund der Beschwerden des Klägers durchgeführten Messungen hingewiesen, wonach der Messwert für Isocyanate (MDI) schon am Ort der Verarbeitung unterhalb der Bestimmungsgrenze lag, der Stoff also in der Atemluft nicht nachweisbar war. Mit Blick darauf, dass der Arbeitsplatz des Klägers nach den Feststellungen im Messbericht der A. AG im Bandfluss zeitlich vier Stunden versetzt liegt, nachdem die Klebung erfolgte, und der Kleber eine Trocknungszeit von ca. 15 Minuten hat, ist eine relevante schädigende Einwirkung auf den Kläger nicht ansatzweise wahrscheinlich zu machen. Dies umso mehr, wenn man berücksichtigt, dass die geltend gemachten Einwirkungen nach den Angaben des Klägers gegenüber der Werksärztin (erst) im November 2010 mit Verwendung des Klebers begannen, der Kläger aber ausweislich der bei den Akten befindlichen Arbeitsunfähigkeitsliste bereits ab dem 12.11.2010 arbeitsunfähig war (zunächst bis 04.12.2010, dann wieder von 06.12.2010 bis 23.12.2010 und dann wieder von 11.01.2011 bis 31.01.2011), so dass er überhaupt nur für kurze Zeit etwaigen Gerüchen exponiert gewesen sein kann. Für die anderen Arbeitsstellen des Klägers bei der A. AG ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte für mögliche Einwirkungen durch Isocyanate, zumal der Kläger nach eigenen Angaben auch dort keinen unmittelbaren Haut- oder sonstigen Kontakt mit Lacken und Klebern hatte.

Auch die Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 1317 liegen nicht vor. Insoweit fehlt es bereits an den medizinischen Voraussetzungen, also dem Vollbeweis einer Erkrankung des Klägers an Polyneuropathie oder Enzephalopathie. Diese Erkrankungen sind in keiner der vorliegenden medizinischen Stellungnahmen dokumentiert. Obwohl mit Blick auf das Nichtvorliegen der medizinischen Voraussetzungen nicht entscheidungserheblich, weist der Senat darauf hin, dass es auch in Bezug auf die BK Nr. 1317 zudem an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit fehlt, dass der Kläger durch die dort genannten Listenstoffe (organische Lösungsmittel oder deren Gemische) gesundheitsschädigenden Einwirkungen ausgesetzt war. Soweit er seine Beschwerden im Tätigkeitszeitraum Anfang 2011 bis Herbst 2011 auf einen in einem anderen Teil der Fertigungshalle in ca. 20 bis 30 Meter Entfernung verwendeten Dichtstoff (Terolan Hell) zurückführt, ist dies wenig plausibel, zumal der Kläger keinen unmittelbaren Kontakt oder Umgang mit diesem Stoff und dieser Produktionsreihe hatte und er ausweislich der Arbeitsunfähigkeitsliste (auch) in diesem Zeitraum fast durchgängig arbeitsunfähig war (von 11.01.2011 bis 31.01.2011, dann wieder vom 03.02.2011 bis 05.12.2011), so dass ein (Geruchs-)Kontakt mit diesem Stoff allenfalls für kurze Zeit bestanden haben kann. Zudem ist in der Akte der Beklagten ein Gespräch mit dem Kläger dokumentiert, das um den 08.08.2011 stattgefunden haben soll, in welchem er mitgeteilt hat, auf verschiedene Gerüche zu reagieren, die ihn in seinem Alltag behinderten. Am Arbeitsplatz habe er jetzt aber keine Beschwerden mehr, weshalb ihn die Untersuchungen dann auch nicht weiterbringen würden. Bei erneuten arbeitsplatzbezogenen Beschwerden werde er sich melden - was nach Aktenlage erst am 12.12.2014, also mehr als drei Jahre später geschah.

Schließlich hat der Kläger auch keinen Anspruch auf Anerkennung seiner Erkrankungen als Wie-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII. Dort ist normiert: Die Unfallversicherungsträger haben eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine Berufskrankheit als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind. Eine Anerkennung als sog. Wie-BK setzt nach der Rechtsprechung des BSG (Urteil vom 27.04.2010 - B 2 U 13/09 R - SozR 4-2700 § 9 Nr. 18) voraus, dass 1. es sich um eine Erkrankung handelt, die nicht in der BK-Liste verzeichnet ist oder nach den dort genannten Bedingungen nicht anerkannt werden kann, 2. die Erkrankung die Voraussetzungen für die Aufnahme in die Liste der Berufskrankheiten erfüllt, das heißt, es liegen nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft über den Einzelfall hinausgehende allgemeine Erkenntnisse vor, dass diese Erkrankung durch besondere berufliche Einwirkungen, denen eine bestimmte Personengruppe durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt ist, verursacht bzw. verschlimmert wird (genereller Ursachenzusammenhang), 3. die Erkenntnisse sind "neu" und 4. die Voraussetzungen für die Anerkennung wie eine Berufskrankheit sind auch in dem konkreten Einzelfall erfüllt, das heißt die Erkrankung wurde durch die besonderen beruflichen Einwirkungen bei der versicherten Tätigkeit verursacht.

Hiernach ist im vorliegenden Fall schon nicht erkennbar, welche bestimmte Erkrankung beim Kläger als Wie-BK anerkannt werden sollte. Ausgehend von einem seit 2004 diagnostizierten Hemispasmus facialis, der offenbar auf einen in diesem Jahr erlittenen Zeckenbiss mit Borrelieninfektion zurückgeht, besteht bei ihm ausweislich der vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen eine unspezifische Beschwerdesymptomatik ohne fassbares organneurologisches Korrelat, die sich in diversen Beschwerden, unter anderem Geruchs- und Geschmacksempfindungsstörungen ausdrückt. Außerdem sind unter anderem ein arterieller Hypertonus, eine Hyperlipoproteinämie und eine leichtgradige Arteriosklerose der hirnversorgenden Halsgefäße dokumentiert. Unabhängig davon scheitert die Anerkennung einer Wie-BK aber auch daran, dass nicht festzustellen ist, dass er zu einer Personengruppe gehört, die durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung besonderen beruflichen Einwirkungen ausgesetzt ist, durch die mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein bestimmtes Krankheitsbild verursacht wurde. Denn es liegen - wie ausgeführt - keine greifbaren Anhaltspunkte und erst recht keine beachtliche Wahrscheinlichkeit dafür vor, dass der Kläger (bzw. die Personengruppe , welcher er angehört) solchen besonderen schädlichen Einwirkungen im Rahmen der versicherten Tätigkeit ausgesetzt war.

Der Senat sieht auch keine Veranlassung, weitere Ermittlungen zu den arbeitstechnischen Voraussetzungen der geltend gemachten BK´en bzw. zum Vorliegen einer Wie-BK anzustellen. Weder der Vortrag des Klägers noch die angestellten Ermittlungen durch den Präventionsdienst der Beklagten bzw. das erstinstanzlich eingeholte Sachverständigengutachten geben ernstliche Anhaltspunkte dafür, dass berufliche Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstoffe, andere Listenstoffe oder sonstige Expositionen im Rahmen der beruflichen Tätigkeiten bei der A. AG eine relevante Rolle für die Entstehung oder Verschlimmerung von Erkrankungen des Klägers gespielt haben können, deren möglicher schädigender Einwirkung daher weiter nachzugehen wäre. Das nicht näher nach Art und Umfang der Einwirkung substantiierte Vorbringen des Klägers, es sei davon auszugehen, dass er relevanten Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstoffe oder andere Stoffe ausgesetzt gewesen sei, die für seine Erkrankungen verantwortlich sein könnten, gibt keine Veranlassung zu solchen Ermittlungen. Dies umso mehr, als beachtet werden muss, dass die Humantoxizität von Halogenkohlenwasserstoffen sehr uneinheitlich ist und jeweils einer stoffspezifischen Betrachtung bedarf (vgl. Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 1308). Die Einwirkung muss sowohl ihrer Art nach als auch nach der Dauer und Intensität zur Verursachung der eingetretenen Krankheit geeignet sein (Urteil des erkennenden Senats vom 20.09.2017 - L 9 U 2615/14 -; LSG Hessen, Urteil vom 16.06.2015 - L 3 U 141/10 -(jeweils juris)). Eine generelle Eignung kann somit nur dann bejaht werden, wenn bestimmte Konzentrationsgrenzwerte - zumal für eine relevante Dauer - überschritten worden sind. Hierfür bestehen vorliegend aber nach dem klägerischen Vorbringen keinerlei konkrete Anhaltspunkte. Auch die vor Ort durchgeführten Ermittlungen des Präventionsdienstes im Jahr 2015 haben keinerlei greifbare Anhaltspunkte auf Einwirkungen durch Halogenkohlenwasserstoffe oder andere Stoffe ergeben. Für dahingehende Ermittlungen "ins Blaue hinein" sieht der Senat daher keine Veranlassung (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG 12. Aufl., § 103 Rn. 8a m.w.N.). Soweit die Kläger-Seite (gleichwohl) solche Ermittlungen angeregt hat, ist von einem unzulässigen "Ausforschungsbegehren" auszugehen. Ein solches liegt dann vor, wenn dem Begehren die Bestimmtheit bei der Angabe der Tatsachen oder Beweismittel fehlt, oder aber der Beweisführer für seine Behauptung nicht genügend Anhaltspunkte angibt und erst aus der Beweisaufnahme die Grundlage für seine Behauptungen gewinnen will, die allein den Zweck haben, die Partei erst über ihr unbekannte Vorgänge und Sachverhalte zu informieren (BSG, Beschluss vom 19.11.2009 - B 13 R 303/09 B -(juris)).

Der Senat konnte sich daher insgesamt nicht davon überzeugen, dass der Kläger während seiner Tätigkeiten an den verschiedenen Arbeitsstellen bei der A. AG der Exposition durch Halogenkohlenwasserstoffe oder andere Listen- oder sonstige Stoffe ausgesetzt war, die nach Art und Umfang der Einwirkung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit geeignet waren zur Verursachung oder Verschlimmerung seiner Erkrankungen.

Lässt sich somit bereits keine Einwirkungskausalität im Sinne einer generellen Eignung der Einwirkungen zur Verursachung oder Verschlimmerung des vom Kläger geschilderten Krankheitsbildes feststellen, so fehlt es (auf der ersten Stufe der Kausalitätsprüfung) auch an der hinreichenden Wahrscheinlichkeit eines konkret-individuellen Kausalzusammenhangs zwischen den Erkrankungen des Klägers und den konkreten Einwirkungen des Stoffes auf ihn. Es bedarf daher keiner weiteren Prüfung, ob etwaige Einwirkungen (auf der zweiten Stufe) auch rechtlich die Realisierung einer in den Schutzbereich des jeweils erfüllten Versicherungstatbestands fallenden Gefahr sind, das heißt die Erkrankungen rechtlich wesentlich verursacht haben (st. Rspr.; vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 17.12.2015 - B 2 U 11/14 R - BSGE 120, 230 = SozR 4-2700 § 9 Nr. 26, Rdnr. 19 m.w.N.). Insbesondere kann dahinstehen, ob die beim Kläger bestehende Beschwerdesymptomatik (bis hin zu den beschriebenen Störungen des Geruchs- und Geschmacksempfindens und der im Jahr 2011 erlittenen transitorisch-ischämischen Attacke) möglicherweise (auch) durch die seit 2004 nachgewiesene Borrelioseerkrankung als möglicher konkurrierender Krankheitsursache erklären werden könnte.

Aus diesen Gründen war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor (§ 160 Abs. 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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