Land
Hessen
Sozialgericht
SG Darmstadt (HES)
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
17
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 17 SO 90/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 4 SO 216/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Sozialhilfe wird nur dann als begründete Hilfe gewährt, sofern in den Verfügungssätzen im Bewilligungsbescheid eine ausdrückliche Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe aufgeführt ist. Der Hinweis in der Begründung des Bewilligungsbescheides darauf, dass Sozialhilfe als erweiterte Hilfe gewährt wird, ist nicht ausreichend.
2. Ein begründeter Fall für die Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe liegt nur vor, sofern beispielsweise die Gewährung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht geklärt sind. Sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse geklärt sind, kommt eine Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe nicht in Betracht.
3. Bei erheblichen Streitigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft besteht bei Beantragung von Sozialhilfeleistungen keine Verwertbarkeit eines Hausgrundstückes. Sozialhilfe kann dann nur darlehensweise gewährt werden.
2. Ein begründeter Fall für die Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe liegt nur vor, sofern beispielsweise die Gewährung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht geklärt sind. Sofern die wirtschaftlichen Verhältnisse geklärt sind, kommt eine Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe nicht in Betracht.
3. Bei erheblichen Streitigkeiten innerhalb einer Erbengemeinschaft besteht bei Beantragung von Sozialhilfeleistungen keine Verwertbarkeit eines Hausgrundstückes. Sozialhilfe kann dann nur darlehensweise gewährt werden.
Der Bescheid des Beklagten vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 wird aufgehoben.
Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Aufwendungsersatzanspruches für den Zeitraum vom 05.05.2008 bis 12.03.2010.
Der Mutter des Klägers verstarb am xx.xx.2006. Der Kläger beerbte diese auf Grund gesetzlicher Erbfolge zusammen mit seiner Schwester sowie der Tochter seines verstorbenen Bruders zu je 1/3. Seine Schwester lebte langjährig mit seiner Mutter zusammen in dem vererbten Haus.
Die im Jahre 1944 geborene Ehefrau des Klägers beantragte am 18.04.2008 bei dem Beklagten Leistungen der Sozialhilfe. Vorher hielt sie sich im Klinikum E-Stadt vom 08.02.2008 bis 07.03.2008 sowie im Anschluss bis zum 04.05.2008 in der Schlossberg-Klinik in F-Stadt auf. Bei ihr wurden ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G, B, aG, H und RF" festgestellt. Sie erklärte im Antrag u. a. über eine Lebensversicherung im Wert von ca. 10.000,-EUR bei der L. zu besitzen. Die Ehefrau verfügte über eine Altersrente i. H. v. 1.184,81 EUR sowie eine Betriebsrente i. H. v. 315,71 EUR. Der Kläger selbst verfügte über eine Altersrente i. H. v. 1.522,84 EUR. Die Ehefrau hatte zudem bei der zuständigen Krankenkasse am 15.04.2008 die Kostenübernahme beantragt. Das Amtsgericht Darmstadt bestellte die gemeinsame Tochter zur Betreuerin der Ehefrau.
Die Ehefrau wurde am 05.05.2008 zur vollstationären Pflege in ein Pflegeheim aufgenommen. Sie erhielt monatliche Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung i. H. v. 1.432,-EUR.
Der Beklagte bewilligte der Ehefrau mit Bescheid vom 23.06.2008, gerichtet an ihre Betreuerin, ab dem 05.05.2008 bis 31.05.2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Die Verfügungssätze lauteten dabei wie folgt:
Sehr geehrte Frau M.,
hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir die Kosten für die Betreuung von Frau K. in der o. g. Einrichtung auf der Grundlage des Pflegesatzes der Stufe III von zurzeit 168,44 EUR täglich und des Vergütungssatzes im Bereich "Gestaltung des Tages" von zurzeit 13,46 EUR täglich wie folgt übernehmen:
Leistungen der Sozialhilfe 1. Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß Kapitel 6 des SGB XII ab dem 05.05.2008 2. a) Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) in Einrichtungen gemäß Kapitel 3 des SGB XII ab 05.05.2008 in Höhe von zz. 642,72 EUR monatlich b) Darüber hinaus erhält Frau K. - einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von zz. 93,70 EUR monatlich - eine Bekleidungspauschale in Höhe von zz. 30,50 EUR monatlich
Der Beklagte wies lediglich in der Begründung der Verfügung auf die entsprechende Verpflichtung der Ehefrau hin, einen Kostenbeitrag zu leisten und bewilligte ihr die Sozialhilfeleistungen auf der Grundlage des § 92 SGB XII. Er bewilligte dabei Eingliederungshilfe nach §§ 19 Abs. 3 – 5, 53, 54, 92 SGB XII sowie die notwendige Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen nach §§ 19 Abs. 1, 5, 35 SGB XII. Die Bewilligung erfolgte unter Ausübung des Ermessens nach diesen gesetzlichen Regelungen, da eine abschließende Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht möglich sei und eine Kostenzusicherung wegen der Eilbedürftigkeit geboten erscheine. Der Beklagte meldete zudem mit Schreiben vom 03.07.2008 einen Erstattungsanspruch bei der Krankenkasse an.
Der Beklagte zog die Ehefrau sowie den Kläger mit Bescheid vom 04.07.2008 zur Zahlung eines monatlichen Kostenbeitrags von 1.109,16 EUR heran. Dieser Bescheid war an beide Eheleute gerichtet. Er bewilligt mit diesem Bescheid Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII. Er führt dazu aus, dass er im Rahmen der Überprüfung der persönlichen Voraussetzungen zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bei der Ehefrau des Klägers eine volle Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI vorliegt. Ergänzend erhielt die Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 35 SGB XII i. V. m. § 92a Abs. 1 SGB XII. Eingliederungshilfe gewährte der Beklagte nach § 19 Abs. 3 i. V. m. § 19 Abs. 5 SGB XII.
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 09.12.2009 mit, dass er durch Verkauf des vererbten Elternhauses nach Aufteilung der Kaufsumme unter der Erbengemeinschaft einen Beitrag von 42.781,05 EUR per Überweisung am 19.11.2009 erhalten habe. Ausweislich des vorgelegten notariellen Kaufvertrages vom 08.10.2009 betrug der Kaufpreis 147.000,-EUR; der Kläger sollte einen Anteil i. H. v. 42.781,05 EUR erhalten. Er glich mit diesem Beitrag den Saldo des Girokontos seiner Ehefrau i. H. v. 5.608,35 EUR aus und zahlte den von seiner Tochter gewährte Privatkredite i. H. v. 5.350,-EUR für den Kauf einer Einbauküche sowie i. H. v. 1.467,27 EUR für Umzugsaufwendungen zurück. Zudem gab er einen Betrag i. H. v. 982,80 EUR für eine neue Brille, die auf Grund einer Augenoperation erforderlich geworden war, aus. Auf Aufforderung des Beklagten wies er dies auch durch Vorlage von Unterlagen nach.
Der Beklagte forderte von dem Kläger mit Bescheid vom 22.02.2010 die Zahlung des über die Vermögensfreigrenze liegenden Betrages von 26.158,63 EUR an. Die Ehefrau des Klägers verstarb am xx.xx.2010; ihr Nachlass war auf Grund der Forderung des Beklagten überschuldet. Nach Abtretung der Lebensversicherung überwies diese einen Betrag i. H. v. 10.105,10 EUR an den Beklagten.
Der Kläger legte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22.03.2010 Widerspruch gegen den Bescheid ein. Der Prozessbevollmächtigte fragte an, ob der Kläger sowie seine Ehefrau vorübergehend keinen Anspruch auf die Gewährung von Sozialleistungen haben. Zudem wollte er wissen, ob die Lebensversicherung die angefallenen Beträge gedeckt haben. Der Beklagte bezifferte daraufhin die Höhe der ungedeckten Sozialhilfeaufwendungen auf 68.658,28 EUR.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2011 zurück. Er wiederholte dabei die bisherigen Ausführungen. Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung verwies er auf § 92 SGB XII. Dem Widerspruchsbescheid war als Anlage eine Kostenaufstellung beigefügt, wonach sich insgesamt Kosten i. H. v. 138.835,99 EUR sowie unter Berücksichtigung des Betrags aus der Lebensversicherung Einnahmen i. H. v. 82.822,06 EUR ergaben, sodass noch ungedeckte Sozialhilfeaufwendungen i. H. v. 56.013,93 EUR bestanden.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.07.2011 Klage dagegen erhoben. Er behauptet, dass er keine Erwartung gehabt habe, aus dem Nachlass außer eventuellen Verbindlichkeiten einen Vermögenswert zu erben. Nach dem Tod seiner Mutter sei ein heftiger Streit über die Frage des Verkaufs des vererbten Hauses sowie der anschließenden Aufteilung des Verkaufserlöses entbrannt. Die Schwester des Klägers habe zuerst den Gesamterlös und dann den Großteil des Verkaufserlöses beansprucht. Sie begründete dies vor dem Hintergrund der von ihr zusammen mit der verstorbenen Mutter durchgeführten Renovierungs- und Umbaumaßnahmen, die vom Investitionsvolumen deutlich die in Betracht kommenden Erlöse überschritten hätten. Da sie ihre Forderungen nicht durchsetzen konnte, habe sich ganz verweigert, die Immobilie zu verkaufen. Die Tochter des verstorbenen Bruders habe die Zwangsversteigerung der Immobilie in die Wege geleitet. Kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist im Zwangsversteigerungsverfahren hätte ein Verwandter plötzlich Interesse am Kauf der Immobilie gezeigt. Bis zu diesem Zeitpunkt sei für den Kläger nicht ersichtlich gewesen, dass ihm überhaupt etwas vererbt worden wäre.
Er ist der Ansicht, dass in diesem Vorgang eine vollkommene Unverwertbarkeit des Vermögens liege, da völlig ungewiss gewesen sei, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintrete. Insofern habe keine darlehensweise Bewilligung erfolgen können. Zudem dürften die vor dem überraschenden Verkauf der Immobilie im Oktober bzw. November 2009 erfolgten Sozialhilfeaufwendungen nicht erstattet verlangt werden, da vor diesem Zeitraum kein verwertbares Vermögen vorhanden gewesen sei. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.01.2009, Az.: B 14 AS 42/07 R, wonach ein Verkauf oder eine Verpfändung eines Erbanteils nicht in Betracht komme, soweit am Markt keine Möglichkeit dafür bestehe. Eine Verwertbarkeit der Immobilie auf Grund des fehlenden Einvernehmens innerhalb der Erbengemeinschaft war bei Antragstellung der Ehefrau des Klägers nicht absehbar und auch nicht einvernehmlich möglich. In den Betreuungskosten seien auch die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung enthalten, sodass diese zusätzlich in der Kostenaufstellung ausgewiesen werden können; dafür müsse jedoch eine zusätzliche Einnahmeposition aufgeführt werden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Er hält das von dem Kläger angeführte Urteil nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da dort eine Verwertbarkeit nach dem Sozialgesetzbuch II beurteilt wurde. Im Anwendungsbereich des SGB XII bestehe jedoch eine weitergehende Verwertungsobliegenheit. Zudem sei das Bundessozialgericht nicht zu der Einschätzung gelangt, dass eine Verwertung durch Verkauf oder Verpfändung des Erbteils ausscheiden müsse, wenn dafür kein Markt bestehe. Vielmehr habe es ausdrücklich zurückgewiesen, da es bislang an jeglichen entsprechenden Feststellungen gefehlt habe. Für die Prognose des Bestehens eines tatsächlichen oder rechtlichen Verwertungshindernisses sei der Bewilligungszeitraum maßgebend, der bei Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII länger als sechs Monate betrage. In dem Zeitraum des Bewilligungszeitraums vom 05.05.2008 bis 31.05.2010 sei zudem auch der Verkauf des Grundstücks erfolgt, sodass der Beklagte bezweifelt, ob innerhalb des langen Zeitraums tatsächlich Verwertungshindernisse bestanden. Er ist zudem der Ansicht, dass der streitgegenständliche Bewilligungsbescheid in Form erweiterter Hilfe erfolgte, weil die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht abschließend geklärt seien. Aus diesem Grunde scheide eine Anwendung von § 45 SGB X aus.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 05.11.2014 die Miterben als Zeugen gehört, auf das entsprechende Protokoll wird verwiesen. Im Anschluss stellte das Gericht auf Grund der anhängigen Revision gegen ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 17.11.2014 ruhend. Nachdem dieser Rechtsstreit durch Vergleich endete, rief der Beklagte das Verfahren mit Schreiben vom 10.05.2016 wieder auf. Das Gericht führte einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.06.2017 und holte im Anschluss schriftliche Zeugenaussagen der Miterbin sowie der Käufer des früher dem Kläger gehörenden Hausgrundstückes ein. Der Beklagte teilte zudem mit, dass die Krankenkasse ihm einen Betrag i. H. v. 10.000,-EUR zahlte. Das Gericht gab nach nochmaliger Prüfung mit Schreiben vom 23.10.2017 Hinweise auf seine geänderte Rechtsansicht; die Beteiligten erhielten Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Kammer kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
B. Der Klageantrag muss nach § 123 SGG ausgelegt werden. Danach entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne dabei jedoch an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Soweit der Antrag nicht deutlich ist, hat das Gericht auf sachdienliche und klare Anträge hinzuwirken. Erforderlichenfalls muss der Antrag ausgelegt werden, wobei von dem auszugehen ist, was der Kläger mit der Klage erreichen möchte (Keller in Meyer-Ladewig, § 123 Rn. 3). Dabei ist nicht der Wortlaut der Erklärung maßgebend, sondern der wirkliche Wille (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Auflage 2016, VII. Kapitel, Rn. 63). Das mit der Klage verfolgte Ziel muss aus dem gesamten Vorbringen des Klägers ermitteln werden (Krasney/Udsching, aaO).
Der ursprüngliche Klageantrag seitens des Prozessbevollmächtigten vom 11.07.2011 war dementsprechend auszulegen, dass sich der Kläger tatsächlich gegen den Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 richtete und dessen Aufhebung begehrte. Insofern ist aus der Akte bereits kein Bescheid des Beklagten vom 16.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2011 ersichtlich.
C. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1, 2 SGG statthaft. Es wurde zudem ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt.
D. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Beklagte steht kein Anspruch auf Kostenbeitrag nach § 92 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB XII i. V. m. § 19 Abs. 3, 5 Sozialgesetzbuch Zwölften Buch (SGB XII) zu (dazu unter I.). Ihm steht auch kein Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 SGB XII zu (dazu unter II.). Der Bescheid ist anfänglich rechtswidrig, sodass eine Aufhebung lediglich nach § 45 SGB X in Betracht kommen könnte. Diese scheidet daran, dass der Beklagte kein Ermessen ausgeübt hat (dazu unter III.).
I. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch ist nicht § 92 Abs. 1 SGB XII. Zwar ist der Bescheid über die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruches formell ordnungsgemäß erlassen worden (dazu unter 1.). Eine Anwendung dieser Vorschrift findet jedoch nicht statt (dazu unter 2.).
1. Der Beklagte ist als überörtlicher Sozialhilfeträger nach § 97 Abs. 1 – 3 SGB XII i. V. m. § 2 Nr. 1 HAG/SGB XII sachlich für die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe gewesen, sodass er ebenfalls für die Festsetzung eines Kostenbeitrags sachlich und örtlich zuständig ist. Nach § 8 HAG/SGB XII ist in Hessen zudem weder eine Anhörung nach § 116 Abs. 1 SGB XII durchzuführen noch eine Beteiligung sozial erfahrener Personen nach § 116 Abs. 2 SGB XII vorgesehen.
2. Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB XII haben die in § 19 Abs. 3 genannten Personen zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen, sofern ihnen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. Materiell-rechtliche Voraussetzung ist allerdings, dass die gewährte Sozialhilfe in rechtmäßiger als erweiterte Hilfe gewährt wurde (so BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1979, Az.: 5 C 39/78 – juris – Rn. 6). Das Bundesverwaltungsgericht stützte seine Rechtsprechung auf den Wortlaut des § 43 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), der eine Gewährung von Sozialhilfe nur erlaubte, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlagen, sowie auf den Gedanken, dass bei unrechtmäßiger Gewährung von Sozialhilfe auf die allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts, insbesondere auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, eine unbedingte Ersatzpflicht auch der Angehörigen des Behinderten entstehe (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1971, Az.: V C 12.71 – juris – Rn. 6). Auch das Bundessozialgericht hat für § 92 SGB XII entschieden, dass die Rechtmäßigkeit der erbrachten Leistung nicht dahinstehen darf (so BSG, Urteil vom 23.08.2013, Az.: B 8 SO 17/12 R – juris – Rn. 21f.). Die Prüfung beschränkt sich dabei darauf, ob der Sozialhilfeträger in rechtmäßiger Weise das Bruttoprinzip angewendet hat, also Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen erbracht hat. Ob an diesen Grundsätzen vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.1986, Az.: 5 C 74/85, sowie der daran anknüpfenden Entscheidung des Landessozialgericht für Nordrhein-Westfalen vom 29.10.2012, Az.: L 20 SO 63/09, zum § 19 Abs. 5 SGB XII auch im Anwendungsbereich des § 92 SGB XII festgehalten werden kann, musste das Gericht vorliegend nicht entscheiden, da jedenfalls ein begründeter Fall nicht vorlag und die gewährte Sozialhilfe nicht als erweiterte Hilfe gewährt wurde (dazu unter a) und b)). Das Gericht hält dies jedenfalls nicht für ausgeschlossen, allerdings kann möglicherweise der unterschiedliche Wortlaut von § 19 Abs. 5 SGB XII und § 92 Abs. 1 SGB XII auch zu einer unterschiedlichen Auslegung führen.
a) Bei Anlegung der Maßstäbe der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist zu konstatieren, dass ein begründeter Fall im Fall der Ehefrau des Klägers nicht vorlag. Sie hatte alle Unterlagen zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorgelegt, insbesondere auch zu ihrer Lebensversicherung vorgelegt. Auch die Höhe der Lebensversicherung war dem Beklagten nicht unbekannt. Aus der Akte ergibt sich zudem nicht, dass eine Aufnahme von ihr im Pflegeheim nicht erfolgt wäre, sofern eine Gewährung von Sozialhilfe durch den Beklagten nicht erfolgt wäre. Vielmehr ist die Klägerin bereits am 05.05.2008 zur stationären Pflege von dem Pflegeheim aufgenommen worden, eine Bewilligung seitens der Beklagten erfolgte jedoch erst durch Bescheid vom 23.06.2008, sodass das Gericht nicht erkennbar ist, dass eine Aufnahme der Ehefrau des Klägers ohne Bewilligung der Sozialhilfe nicht erfolgt wäre. Angesichts der vorgelegten Unterlagen hätte unmittelbar eine auf den Betrag von 10.000,-EUR aus der Lebensversicherung begrenzte darlehensweise Gewährung sowie im Anschluss eine Gewährung von "echter" Sozialhilfe auf Grund der nachgewiesenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erfolgen müssen. Dafür spricht insbesondere, dass der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.07.2008 einen monatlichen Kostenbeitrag i. H. v. 1.109,16 EUR von dem Kläger und seiner Ehefrau gefordert hat.
b) Die Gewährung von Sozialhilfe erfolgte im Falle der Ehefrau des Klägers zudem nicht als erweiterte Hilfe. Der Ehefrau des Klägers wurde ausweislich der Verfügungssätze des originären Bewilligungsbescheides vom 23.06.2008 keine Sozialhilfe als "erweiterte" Hilfe gewährt. Danach wurde ihrer Betreuerin mitgeteilt, dass die Betreuungskosten, die Kosten für die Tagesgestaltung, Eingliederungshilfe, Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sowie einen Barbetrag und eine Bekleidungspauschale ihr gewährt werden. Eine Beschränkung der Gewährung der Sozialhilfe als erweiterte Hilfe ist in diesen Verfügungssätzen nicht aufgeführt. Erst in der Begründung des Bewilligungsbescheides wird deutlich, dass der Ehefrau des Klägers keine "echte" Sozialhilfe gewährt werden soll. Nach Ansicht des Gerichts ist bereits im Verfügungssatz auszusprechen, ob Sozialhilfe als Zuschuss oder als "erweiterte Hilfe" gewährt wird. Ausreichend ist dabei auch nicht die Zitierung der jeweiligen Vorschrift. Alleine der Hinweis in der Begründung ist für die Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe nicht ausreichend. In diesem Zusammenhang schadet es auch nicht, dass eine Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides nur gegenüber der Betreuerin der Ehefrau des Klägers erfolgt ist und nicht gegenüber dem Kläger selbst.
II. Eine Anwendung von § 19 Abs. 5 SGB XII scheidet vorliegend ganz aus, da für die Ehefrau des Klägers auf Grund ihrer Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung erforderlich waren, sodass § 92 Abs. 1 SGB XII als speziellere Norm die Anwendung von § 19 Abs. 5 SGB XII ausschließt.
III. Rechtsgrundlage für die Geltendmachung des Ersatzanspruches sind allerdings auch nicht die §§ 45, 50 SGB X. Dabei benachteiligt der Austausch der Rechtsgrundlage den Kläger nicht in seinen Rechten (dazu unter 1.). Zwar war der Bewilligungsbescheid anfänglich rechtswidrig, jedoch scheitert die Geltendmachung des Erstattungsanspruches an der fehlenden Ermessensausübung (dazu unter 2.).
1. Eine Anwendung der §§ 45, 50 SGB XII scheitert nicht daran, dass der Kläger durch den Austausch der Rechtsgrundlage in seinen Rechten benachteiligt wird. Durch den Austausch wird weder der Verwaltungsakt in seinem Regelungsumfang noch in seinem Wesensgehalt verändert noch die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert.
2. Nach § 45 Abs. 1 SGB XII darf ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt nach seiner Unanfechtbarkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Es handelt sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 23.06.2008 unstreitig um einen begünstigenden Verwaltungsakt; allerdings erfolgte die Bekanntgabe der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen an den Kläger erst mit dem Kostenbeitragsbescheid vom 04.06.2008 (dazu unter a)). Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid war auch rechtswidrig, da es sich bei dem Anteil des Klägers am Nachlass der Mutter auch um Vermögen handelte (dazu unter b)). Dieses Vermögen war allerdings auf Grund der schwelenden Erbauseinandersetzung zum Zeitpunkt der Antragstellung und Erlass des Bewilligungsbescheides nicht verwertbar (dazu unter c)). Dies führt auch zu einer anfänglichen Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides (dazu unter d)). § 45 SGB X eröffnet dem Beklagten jedoch Ermessen, welches er nicht ausgeübt hat. Bereits aus diesem Grund leidet der Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 unter einem unheilbaren Fehler, der zu seiner Aufhebung führen muss (dazu unter e)).
a) Bei dem Bewilligungsbescheid handelt es sich unstreitig um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Da eine förmliche Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 22.06.2008 nur gegenüber der verstorbenen Ehefrau des Klägers erfolgt ist, hat das Gericht bereits erhebliche Zweifel daran, ob dieser Bewilligungsbescheid dem Kläger gegenüber bereits erlassen wurde. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes setzt bereits begrifflich voraus, dass dieser Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, gegenüber dem dieser Verwaltungsakt zurückgenommen wurde, erlassen wurde. Erlassen ist ein Verwaltungsakt mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, folglich nach § 39 Abs. 1 SGB X mit seiner Bekanntgabe. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 23.06.2008 war jedoch nur an die Ehefrau des Klägers gerichtet, sodass eine Bekanntgabe gegenüber dem Kläger nicht stattfand. Ein Verwaltungsakt, der einem durch ihn betroffenen Beteiligten nicht bekannt gegeben wird, wird diesem gegenüber auch nicht wirksam (Engelmann in Von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 37 Rn. 7a).
Der Beklagte hat erst mit dem Bescheid vom 04.07.2008 gegenüber dem Kläger die Gewährung von Sozialhilfe an seine Ehefrau sowie die Heranziehung von ihm zu einem Kostenbeitrag bekannt gegeben. Da dadurch auch eine Bekanntgabe der Gewährung von Sozialhilfe gegenüber beiden Eheleuten erfolgte, ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass dadurch der Erlass eines Bewilligungsbescheides erfolgt ist. Für diese Auffassung spricht, dass aus der Perspektive des Beklagten bei dem Bescheid vom 04.07.2008 um einen endgültigen Bescheid gehandelt hatte. Insofern ist der Bescheid vom 22.02.2010 so auszulegen, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 23.06.2008 in der Gestalt des Kostenbeitragsbescheides vom 04.07.2008 aufhebt und höhere Leistungen der Sozialhilfe erstattet verlangt, wobei der Bescheid vom 04.07.2008 gegenüber dem Kläger als erstmalige Bekanntgabe einer Bewilligung von Sozialhilfe für seine Ehefrau gilt, die allerdings mit einem Kostenbeitrag belastet ist.
b) Da der endgültige Bescheid vom 04.07.2008 jedoch das erhebliche Vermögen des Klägers aus dem Erbfall nicht berücksichtigte, war dieser Bescheid rechtswidrig. Dieses Vermögen hätte im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfe Berücksichtigung finden müssen. Unter dem Begriff des Vermögens werden alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld und Geldeswert erfasst; umfasst werden auch Forderung und Ansprüche gegen Dritte, soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 25.08.2011, Az.: B 8 SO 19/10 R, – juris – Rn. 13). Die Abgrenzung Einkommen und Vermögen ist dabei anhand der Zuflusstheorie vorzunehmen. Danach ist Einkommen alles, was jemand wertmäßig in der Bedarfszeit zufließt, Vermögen das, was vor der Bedarfszeit schon vorhanden war (vgl. Geiger in LPK-SGB XII, Kommentar, 10. Auflage, § 90 Rn. 5). Bei einem Erbfall ergibt sich ein rechtlich maßgebender Zufluss nach § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), nach dem mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzen auf den oder die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge). Bereits ab diesem Zeitpunkt kann der Erbe auf Grund seiner durch den Erbfall erlangten Position über seinen Anteil am Nachlass verfügen (BSG, Urteil vom 25.01.2012, Az.: B 14 AS 101/11 R – juris – Rn. 20). Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist daher, ob der Erbfall vor der ersten Antragstellung eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung handelt es sich um Vermögen (BSG, aaO).
Da die Mutter des Klägers bereits am xx.xx.2006 verstarb, ist der Erbfall vor der Beantragung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII eingetreten, sodass es sich bei dem ererbten Vermögen tatsächlich auch im Sinne des § 90 SGB XII um Vermögen und nicht um Einkommen handelt. Dem Kläger standen insofern einen Anteil am Nachlass nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück in ungeteilter Erbengemeinschaft und den Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach §§ 2042 ff. BGB als Vermögensgegenstände zu.
c) Diese Vermögensgegenstände waren jedoch bis zum 31.08.2009 nicht verwertbar. Eine Verwertbarkeit ist gegeben, wenn Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können. Es besteht keine Verwertbarkeit, sofern eine Verwertung von Vermögensgegenständen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Dabei muss eine Verwertbarkeit innerhalb des Zeitraums gegeben sein, in dem der sozialhilferechtliche Bedarf besteht. Bei Grundstücken kann eine Verwertbarkeit nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln herbeizuführen (BSG, Urteil vom 06. Dezember 2007, Az.: B 14/7b AS 46/06 R). Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass der Kläger bis zum 31.08.2009 nicht in der Lage gewesen wäre, die Verwertung des Grundstücks innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln herbeizuführen. Beide gehörte Zeugen haben insoweit bestätigt, dass es innerhalb der Erbengemeinschaft erhebliche Auseinandersetzungen gegeben hatte.
Insofern konnten die Miterben über den Nachlassgegenstand – welcher hier das Grundstück darstellt – nach § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich verfügen. Sofern sich die Miterben weigern, einer Verfügung über einen bestimmten Nachlassgegenstand zuzustimmen, besteht eine Verfügungsbeschränkung nach § 2033 Abs. 2 BGB, welche eine Verwertung des Vermögensgegenstandes ausschließt. Eine Aufhebung dieser Verfügungsbeschränkung hat der Kläger durch eigenes Handeln nicht erreichen können.
Bei der Beantragung von Sozialhilfeleistungen am 18.04.2008 war für die Ehefrau des Klägers und für den Kläger selbst nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt sich die Erbschaftsstreitigkeiten erledigen werden, insbesondere wann die Verwertung des Grundstückes erfolgen konnte. Zu dem Zeitpunkt der Antragstellung dauerten die Streitigkeiten bereits 1 ½ Jahre an, sodass der Kläger eine sichere Prognose, wann eine Verwertung des Grundstückes nicht erfolgen konnte, nicht treffen konnte. Der Prognosezeitraum umfasst zudem auch bei der Gewährung von Eingliederungshilfe einen Zeitraum von einem Jahr. Der Ehefrau des Klägers wurden zwar von dem Beklagten Sozialhilfe für den Zeitraum von zwei Jahren gewährt. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass das Bundessozialgericht im Hinblick auf die gesteigerte Verwertungsobliegenheit für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf den gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten abzustellen sei (BSG, Urteil vom 25. August 2011, Az.: B 8 SO 19/10 R – juris – Rn. 15). Gleiches müsse für die Hilfe zum Lebensunterhalt gelten (BSG, aaO). Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist bei der Gewährung der Eingliederungshilfe ebenfalls auf einen Bewilligungszeitraum von 12 Monaten abzustellen. Zwar existiert in diesem Zusammenhang keine gesetzliche Regelung, die den Zeitraum für die Bewilligung von Eingliederungshilfe beschreibt. Es ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts – unabhängig von der tatsächlichen längeren Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe – der Gedanke des § 44 SGB XII entsprechend heranzuziehen und ebenfalls auf einen Zeitraum von 12 Kalendermonaten abzustellen. Insofern war für den Kläger bei der Beantragung von Sozialhilfeleistungen prognostisch nicht erkennbar, ob in diesem Zeitraum von 12 Kalendermonaten tatsächlich eine Verwertung des Grundstückes erfolgen würde. Insofern hätte auch der Beklagte aus der Sicht des Gerichts wegen den Erbstreitigkeiten keine sichere Prognose treffen können, dass innerhalb des so verstandenen Bewilligungszeitraumes eine Verwertung des Grundstücks hätte erfolgen können.
Dem Kläger wäre es aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen, über seinen Anteil am Nachlass zu verfügen. Das Gericht geht insofern bei der geschilderten Sachlage davon aus, dass eine Verwertung am Markt auf Grund der Erbstreitigkeiten tatsächlich nicht realisierbar gewesen war. Es hätte bei Antragstellung auch keine Prognose angestellt werden können, dass der Anteil am Nachlass während des einjährigen Bewilligungszeitraums hätte verwertet werden können. Jedenfalls war es aus der Sicht des Gerichts zeitlich nicht absehbar, wann eine Verwertung des Anteils am Nachlass durch den Kläger hätte erfolgen können. Es ist für das Gericht auch nicht beurteilbar, in welcher Höhe eine Verwertung hätte erfolgen können. Der Wert des Erbteils muss insofern nicht dem Anteil am Auseinandersetzungsguthaben entsprechen. Jedenfalls hat der Kläger aus seinem Erbanteil keine bedarfsmindernden Vorteile ziehen können, sodass bereits vor diesem Hintergrund der Erbanteil nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Auch den Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach §§ 2042 ff. BGB hätte nicht verwertet werden können. Diesen Anspruch hätte der Kläger gerichtlich geltend machen müssen um eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erreichen zu können. Es wäre auch in diesem Zusammenhang nicht absehbar gewesen, wann genau die gerichtliche Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgt wäre und beendet gewesen wäre. Es wäre insbesondere nicht absehbar gewesen, zu welchem Ergebnis diese Form der Auseinandersetzung geführt hätte. Auch in der Hinsicht war das Vermögen des Klägers nicht verwertbar gewesen.
d) Der angefochtene Bescheid ist auch anfänglich rechtswidrig. Anfängliche Rechtswidrigkeit liegt vor, sofern der Bewilligungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits rechtswidrig war. Erlassen in diesem Sinne war ein Verwaltungsakt mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, somit nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit seiner Bekanntgabe (Schütze in von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 45 Rn. 31). Wie bereits oben unter 2. a) ausgeführt, ist jedenfalls durch den Kostenbeitragsbescheid vom 04.07.2008 eine Bekanntgabe der Bewilligung von Sozialhilfe auch gegenüber dem Kläger erfolgt, sodass damit auch ihm gegenüber der Erlass des Bewilligungsbescheides, belastet mit einem monatlichen Kostenbeitrag, erfolgte. Die Bewilligung war jedoch anfänglich rechtswidrig, da auf Grund des vorhandenen Vermögens keine Gewährung von "echter" Sozialhilfe erfolgen durfte. Nach § 91 Satz 1 SGB XII soll Sozialhilfe als Darlehen gewährt werden, soweit für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, bei dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung nicht möglich ist. Nicht möglich ist der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des vorhandenen Vermögens, wenn ihnen vorübergehend tatsächlich oder rechtliche Hindernisse entgegensteht. Die Unmöglichkeit des sofortigen Vermögenseinsatzes besteht darin, dass grundsätzlich verwertbares Vermögen nicht zur Verfügung steht, sondern für die Verwertung einige Zeit benötigt wird (Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, Sozialgesetzbuch XII, Kommentar, § 91 Rn. 6). Rechtliche Hindernisse liegen bei vorübergehenden Verfügungsbeschränkungen des Vermögensinhabers vor. Eine solche Verfügungsbeschränkung stellt insofern § 2033 Abs. 2 BGB unstreitig dar, sodass eine Gewährung von Sozialhilfe lediglich darlehensweise hätte erfolgen dürfen. Der Kläger war – wie oben bereits ausgeführt – in seiner Verfügungsbeschränkung beschränkt. Eine darlehensweise Gewährung hätte insbesondere bei Berücksichtigung des weiteren Vermögens von 10.000,-EUR aus der Lebensversicherung der Ehefrau des Klägers erfolgen müssen.
e) Unabhängig von der Frage, ob der Kläger eine Mitwirkungspflicht verletzt hat und ihm dies grob fahrlässig vorzuwerfen ist, ist bei einer Rücknahme nach § 45 SGB X Ermessen eröffnet. Vor diesem Hintergrund war auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Rücknahme rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erfolgt ist. Zudem braucht nicht untersucht werden, ob die Fristen nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X eingehalten wurden.
Nach § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz können die Gerichte das Ermessen der Behörde lediglich darauf überprüfen, ob die Beklagte von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat (Ermessensnichtgebrauch), ob sie die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessen überschritten sind (Ermessensüberschreitung) oder ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensmissbrauch).
Nach § 39 Abs. 1 SGB I ist das nach § 45 Abs. 1 SGB X eröffnete Ermessen unter Einhaltung seiner Grenzen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Dazu müssen alle wesentliche Umstände des Einzelfalls ermittelt und berücksichtigt werden, soweit sie einen unmittelbaren Bezug auf Vertrauen und Schutzwürdigkeit des Betroffenen sowie des öffentlichen Interesses haben (Schütze in Von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 45 Rn. 89). Der Beklagte hat ausgehend von seiner Rechtsansicht vorliegend jedoch weder im Ausgangs- noch im Widerspruchsbescheid erkannt, dass ihm Ermessen zustehen könnte. Er hat vielmehr darauf verwiesen, dass eine Gewährung von Sozialhilfe lediglich als erweiterte Hilfe in Betracht komme. Eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung mit dem Interesse des Klägers am Weiterbestehen dieser Entscheidungen hat der Beklagte nicht vorgenommen. Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht, sodass keine Ermessensausübung erfolgte. Der Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 leidet insofern an einem unheilbaren Fehler, sodass diese Bescheide aufzuheben sind.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Berufung ist nach §§ 143, 144 SGG zulassungsfrei möglich.
Der Beklagte hat dem Kläger seine notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit eines Aufwendungsersatzanspruches für den Zeitraum vom 05.05.2008 bis 12.03.2010.
Der Mutter des Klägers verstarb am xx.xx.2006. Der Kläger beerbte diese auf Grund gesetzlicher Erbfolge zusammen mit seiner Schwester sowie der Tochter seines verstorbenen Bruders zu je 1/3. Seine Schwester lebte langjährig mit seiner Mutter zusammen in dem vererbten Haus.
Die im Jahre 1944 geborene Ehefrau des Klägers beantragte am 18.04.2008 bei dem Beklagten Leistungen der Sozialhilfe. Vorher hielt sie sich im Klinikum E-Stadt vom 08.02.2008 bis 07.03.2008 sowie im Anschluss bis zum 04.05.2008 in der Schlossberg-Klinik in F-Stadt auf. Bei ihr wurden ein Grad der Behinderung von 100 sowie die Merkzeichen "G, B, aG, H und RF" festgestellt. Sie erklärte im Antrag u. a. über eine Lebensversicherung im Wert von ca. 10.000,-EUR bei der L. zu besitzen. Die Ehefrau verfügte über eine Altersrente i. H. v. 1.184,81 EUR sowie eine Betriebsrente i. H. v. 315,71 EUR. Der Kläger selbst verfügte über eine Altersrente i. H. v. 1.522,84 EUR. Die Ehefrau hatte zudem bei der zuständigen Krankenkasse am 15.04.2008 die Kostenübernahme beantragt. Das Amtsgericht Darmstadt bestellte die gemeinsame Tochter zur Betreuerin der Ehefrau.
Die Ehefrau wurde am 05.05.2008 zur vollstationären Pflege in ein Pflegeheim aufgenommen. Sie erhielt monatliche Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung i. H. v. 1.432,-EUR.
Der Beklagte bewilligte der Ehefrau mit Bescheid vom 23.06.2008, gerichtet an ihre Betreuerin, ab dem 05.05.2008 bis 31.05.2010 Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII. Die Verfügungssätze lauteten dabei wie folgt:
Sehr geehrte Frau M.,
hiermit teilen wir Ihnen mit, dass wir die Kosten für die Betreuung von Frau K. in der o. g. Einrichtung auf der Grundlage des Pflegesatzes der Stufe III von zurzeit 168,44 EUR täglich und des Vergütungssatzes im Bereich "Gestaltung des Tages" von zurzeit 13,46 EUR täglich wie folgt übernehmen:
Leistungen der Sozialhilfe 1. Leistungen der Eingliederungshilfe gemäß Kapitel 6 des SGB XII ab dem 05.05.2008 2. a) Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt (HLU) in Einrichtungen gemäß Kapitel 3 des SGB XII ab 05.05.2008 in Höhe von zz. 642,72 EUR monatlich b) Darüber hinaus erhält Frau K. - einen Barbetrag zur persönlichen Verfügung in Höhe von zz. 93,70 EUR monatlich - eine Bekleidungspauschale in Höhe von zz. 30,50 EUR monatlich
Der Beklagte wies lediglich in der Begründung der Verfügung auf die entsprechende Verpflichtung der Ehefrau hin, einen Kostenbeitrag zu leisten und bewilligte ihr die Sozialhilfeleistungen auf der Grundlage des § 92 SGB XII. Er bewilligte dabei Eingliederungshilfe nach §§ 19 Abs. 3 – 5, 53, 54, 92 SGB XII sowie die notwendige Hilfe zum Lebensunterhalt in Einrichtungen nach §§ 19 Abs. 1, 5, 35 SGB XII. Die Bewilligung erfolgte unter Ausübung des Ermessens nach diesen gesetzlichen Regelungen, da eine abschließende Klärung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht möglich sei und eine Kostenzusicherung wegen der Eilbedürftigkeit geboten erscheine. Der Beklagte meldete zudem mit Schreiben vom 03.07.2008 einen Erstattungsanspruch bei der Krankenkasse an.
Der Beklagte zog die Ehefrau sowie den Kläger mit Bescheid vom 04.07.2008 zur Zahlung eines monatlichen Kostenbeitrags von 1.109,16 EUR heran. Dieser Bescheid war an beide Eheleute gerichtet. Er bewilligt mit diesem Bescheid Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach § 41 SGB XII. Er führt dazu aus, dass er im Rahmen der Überprüfung der persönlichen Voraussetzungen zu dem Ergebnis gekommen ist, dass bei der Ehefrau des Klägers eine volle Erwerbsminderung nach § 43 Abs. 2 SGB VI vorliegt. Ergänzend erhielt die Klägerin Hilfe zum Lebensunterhalt nach § 35 SGB XII i. V. m. § 92a Abs. 1 SGB XII. Eingliederungshilfe gewährte der Beklagte nach § 19 Abs. 3 i. V. m. § 19 Abs. 5 SGB XII.
Der Kläger teilte mit Schreiben vom 09.12.2009 mit, dass er durch Verkauf des vererbten Elternhauses nach Aufteilung der Kaufsumme unter der Erbengemeinschaft einen Beitrag von 42.781,05 EUR per Überweisung am 19.11.2009 erhalten habe. Ausweislich des vorgelegten notariellen Kaufvertrages vom 08.10.2009 betrug der Kaufpreis 147.000,-EUR; der Kläger sollte einen Anteil i. H. v. 42.781,05 EUR erhalten. Er glich mit diesem Beitrag den Saldo des Girokontos seiner Ehefrau i. H. v. 5.608,35 EUR aus und zahlte den von seiner Tochter gewährte Privatkredite i. H. v. 5.350,-EUR für den Kauf einer Einbauküche sowie i. H. v. 1.467,27 EUR für Umzugsaufwendungen zurück. Zudem gab er einen Betrag i. H. v. 982,80 EUR für eine neue Brille, die auf Grund einer Augenoperation erforderlich geworden war, aus. Auf Aufforderung des Beklagten wies er dies auch durch Vorlage von Unterlagen nach.
Der Beklagte forderte von dem Kläger mit Bescheid vom 22.02.2010 die Zahlung des über die Vermögensfreigrenze liegenden Betrages von 26.158,63 EUR an. Die Ehefrau des Klägers verstarb am xx.xx.2010; ihr Nachlass war auf Grund der Forderung des Beklagten überschuldet. Nach Abtretung der Lebensversicherung überwies diese einen Betrag i. H. v. 10.105,10 EUR an den Beklagten.
Der Kläger legte mit Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 22.03.2010 Widerspruch gegen den Bescheid ein. Der Prozessbevollmächtigte fragte an, ob der Kläger sowie seine Ehefrau vorübergehend keinen Anspruch auf die Gewährung von Sozialleistungen haben. Zudem wollte er wissen, ob die Lebensversicherung die angefallenen Beträge gedeckt haben. Der Beklagte bezifferte daraufhin die Höhe der ungedeckten Sozialhilfeaufwendungen auf 68.658,28 EUR.
Der Beklagte wies den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 20.06.2011 zurück. Er wiederholte dabei die bisherigen Ausführungen. Als Anspruchsgrundlage für die Erstattung verwies er auf § 92 SGB XII. Dem Widerspruchsbescheid war als Anlage eine Kostenaufstellung beigefügt, wonach sich insgesamt Kosten i. H. v. 138.835,99 EUR sowie unter Berücksichtigung des Betrags aus der Lebensversicherung Einnahmen i. H. v. 82.822,06 EUR ergaben, sodass noch ungedeckte Sozialhilfeaufwendungen i. H. v. 56.013,93 EUR bestanden.
Der Kläger hat mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 11.07.2011 Klage dagegen erhoben. Er behauptet, dass er keine Erwartung gehabt habe, aus dem Nachlass außer eventuellen Verbindlichkeiten einen Vermögenswert zu erben. Nach dem Tod seiner Mutter sei ein heftiger Streit über die Frage des Verkaufs des vererbten Hauses sowie der anschließenden Aufteilung des Verkaufserlöses entbrannt. Die Schwester des Klägers habe zuerst den Gesamterlös und dann den Großteil des Verkaufserlöses beansprucht. Sie begründete dies vor dem Hintergrund der von ihr zusammen mit der verstorbenen Mutter durchgeführten Renovierungs- und Umbaumaßnahmen, die vom Investitionsvolumen deutlich die in Betracht kommenden Erlöse überschritten hätten. Da sie ihre Forderungen nicht durchsetzen konnte, habe sich ganz verweigert, die Immobilie zu verkaufen. Die Tochter des verstorbenen Bruders habe die Zwangsversteigerung der Immobilie in die Wege geleitet. Kurz vor Ablauf der Einspruchsfrist im Zwangsversteigerungsverfahren hätte ein Verwandter plötzlich Interesse am Kauf der Immobilie gezeigt. Bis zu diesem Zeitpunkt sei für den Kläger nicht ersichtlich gewesen, dass ihm überhaupt etwas vererbt worden wäre.
Er ist der Ansicht, dass in diesem Vorgang eine vollkommene Unverwertbarkeit des Vermögens liege, da völlig ungewiss gewesen sei, wann eine für die Verwertbarkeit notwendige Bedingung eintrete. Insofern habe keine darlehensweise Bewilligung erfolgen können. Zudem dürften die vor dem überraschenden Verkauf der Immobilie im Oktober bzw. November 2009 erfolgten Sozialhilfeaufwendungen nicht erstattet verlangt werden, da vor diesem Zeitraum kein verwertbares Vermögen vorhanden gewesen sei. In diesem Zusammenhang verweist er auf die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 27.01.2009, Az.: B 14 AS 42/07 R, wonach ein Verkauf oder eine Verpfändung eines Erbanteils nicht in Betracht komme, soweit am Markt keine Möglichkeit dafür bestehe. Eine Verwertbarkeit der Immobilie auf Grund des fehlenden Einvernehmens innerhalb der Erbengemeinschaft war bei Antragstellung der Ehefrau des Klägers nicht absehbar und auch nicht einvernehmlich möglich. In den Betreuungskosten seien auch die Kosten der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung enthalten, sodass diese zusätzlich in der Kostenaufstellung ausgewiesen werden können; dafür müsse jedoch eine zusätzliche Einnahmeposition aufgeführt werden.
Der Kläger beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die angefochtenen Bescheide. Er hält das von dem Kläger angeführte Urteil nicht auf den vorliegenden Fall übertragbar, da dort eine Verwertbarkeit nach dem Sozialgesetzbuch II beurteilt wurde. Im Anwendungsbereich des SGB XII bestehe jedoch eine weitergehende Verwertungsobliegenheit. Zudem sei das Bundessozialgericht nicht zu der Einschätzung gelangt, dass eine Verwertung durch Verkauf oder Verpfändung des Erbteils ausscheiden müsse, wenn dafür kein Markt bestehe. Vielmehr habe es ausdrücklich zurückgewiesen, da es bislang an jeglichen entsprechenden Feststellungen gefehlt habe. Für die Prognose des Bestehens eines tatsächlichen oder rechtlichen Verwertungshindernisses sei der Bewilligungszeitraum maßgebend, der bei Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII länger als sechs Monate betrage. In dem Zeitraum des Bewilligungszeitraums vom 05.05.2008 bis 31.05.2010 sei zudem auch der Verkauf des Grundstücks erfolgt, sodass der Beklagte bezweifelt, ob innerhalb des langen Zeitraums tatsächlich Verwertungshindernisse bestanden. Er ist zudem der Ansicht, dass der streitgegenständliche Bewilligungsbescheid in Form erweiterter Hilfe erfolgte, weil die Einkommens- und Vermögensverhältnisse nicht abschließend geklärt seien. Aus diesem Grunde scheide eine Anwendung von § 45 SGB X aus.
Das Gericht hat im Termin zur mündlichen Verhandlung am 05.11.2014 die Miterben als Zeugen gehört, auf das entsprechende Protokoll wird verwiesen. Im Anschluss stellte das Gericht auf Grund der anhängigen Revision gegen ein Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen mit Beschluss vom 17.11.2014 ruhend. Nachdem dieser Rechtsstreit durch Vergleich endete, rief der Beklagte das Verfahren mit Schreiben vom 10.05.2016 wieder auf. Das Gericht führte einen weiteren Termin zur mündlichen Verhandlung am 29.06.2017 und holte im Anschluss schriftliche Zeugenaussagen der Miterbin sowie der Käufer des früher dem Kläger gehörenden Hausgrundstückes ein. Der Beklagte teilte zudem mit, dass die Krankenkasse ihm einen Betrag i. H. v. 10.000,-EUR zahlte. Das Gericht gab nach nochmaliger Prüfung mit Schreiben vom 23.10.2017 Hinweise auf seine geänderte Rechtsansicht; die Beteiligten erhielten Gelegenheit dazu Stellung zu nehmen.
Entscheidungsgründe:
A. Die Kammer kann durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entscheiden, weil sich die Beteiligten hiermit einverstanden erklärt haben (§ 124 Abs. 2 SGG).
B. Der Klageantrag muss nach § 123 SGG ausgelegt werden. Danach entscheidet das Gericht über die vom Kläger erhobenen Ansprüche, ohne dabei jedoch an die Fassung der Anträge gebunden zu sein. Soweit der Antrag nicht deutlich ist, hat das Gericht auf sachdienliche und klare Anträge hinzuwirken. Erforderlichenfalls muss der Antrag ausgelegt werden, wobei von dem auszugehen ist, was der Kläger mit der Klage erreichen möchte (Keller in Meyer-Ladewig, § 123 Rn. 3). Dabei ist nicht der Wortlaut der Erklärung maßgebend, sondern der wirkliche Wille (Krasney/Udsching, Handbuch des sozialgerichtlichen Verfahrens, 7. Auflage 2016, VII. Kapitel, Rn. 63). Das mit der Klage verfolgte Ziel muss aus dem gesamten Vorbringen des Klägers ermitteln werden (Krasney/Udsching, aaO).
Der ursprüngliche Klageantrag seitens des Prozessbevollmächtigten vom 11.07.2011 war dementsprechend auszulegen, dass sich der Kläger tatsächlich gegen den Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 richtete und dessen Aufhebung begehrte. Insofern ist aus der Akte bereits kein Bescheid des Beklagten vom 16.12.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.01.2011 ersichtlich.
C. Die Klage ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht bei dem örtlich zuständigen Gericht gemäß §§ 57 Abs. 1, 78, 87 Abs. 2 90 Sozialgerichtsgesetz (SGG) erhoben worden. Die Klage ist als Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1, 2 SGG statthaft. Es wurde zudem ein ordnungsgemäßes Widerspruchsverfahren durchgeführt.
D. Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Dem Beklagte steht kein Anspruch auf Kostenbeitrag nach § 92 Abs. 1 Satz 1, 2 SGB XII i. V. m. § 19 Abs. 3, 5 Sozialgesetzbuch Zwölften Buch (SGB XII) zu (dazu unter I.). Ihm steht auch kein Aufwendungsersatzanspruch nach § 19 Abs. 5 SGB XII zu (dazu unter II.). Der Bescheid ist anfänglich rechtswidrig, sodass eine Aufhebung lediglich nach § 45 SGB X in Betracht kommen könnte. Diese scheidet daran, dass der Beklagte kein Ermessen ausgeübt hat (dazu unter III.).
I. Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Aufwendungsersatzanspruch ist nicht § 92 Abs. 1 SGB XII. Zwar ist der Bescheid über die Geltendmachung eines Aufwendungsersatzanspruches formell ordnungsgemäß erlassen worden (dazu unter 1.). Eine Anwendung dieser Vorschrift findet jedoch nicht statt (dazu unter 2.).
1. Der Beklagte ist als überörtlicher Sozialhilfeträger nach § 97 Abs. 1 – 3 SGB XII i. V. m. § 2 Nr. 1 HAG/SGB XII sachlich für die Gewährung von Leistungen der Sozialhilfe gewesen, sodass er ebenfalls für die Festsetzung eines Kostenbeitrags sachlich und örtlich zuständig ist. Nach § 8 HAG/SGB XII ist in Hessen zudem weder eine Anhörung nach § 116 Abs. 1 SGB XII durchzuführen noch eine Beteiligung sozial erfahrener Personen nach § 116 Abs. 2 SGB XII vorgesehen.
2. Nach § 92 Abs. 1 Satz 2 SGB XII haben die in § 19 Abs. 3 genannten Personen zu den Kosten der erbrachten Leistungen beizutragen, sofern ihnen die Aufbringung der Mittel zu einem Teil zuzumuten ist. Materiell-rechtliche Voraussetzung ist allerdings, dass die gewährte Sozialhilfe in rechtmäßiger als erweiterte Hilfe gewährt wurde (so BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 1979, Az.: 5 C 39/78 – juris – Rn. 6). Das Bundesverwaltungsgericht stützte seine Rechtsprechung auf den Wortlaut des § 43 Bundessozialhilfegesetz (BSHG), der eine Gewährung von Sozialhilfe nur erlaubte, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen dafür vorlagen, sowie auf den Gedanken, dass bei unrechtmäßiger Gewährung von Sozialhilfe auf die allgemeinen Regeln des Verwaltungsrechts, insbesondere auf den Grundsatz des Vertrauensschutzes, eine unbedingte Ersatzpflicht auch der Angehörigen des Behinderten entstehe (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1971, Az.: V C 12.71 – juris – Rn. 6). Auch das Bundessozialgericht hat für § 92 SGB XII entschieden, dass die Rechtmäßigkeit der erbrachten Leistung nicht dahinstehen darf (so BSG, Urteil vom 23.08.2013, Az.: B 8 SO 17/12 R – juris – Rn. 21f.). Die Prüfung beschränkt sich dabei darauf, ob der Sozialhilfeträger in rechtmäßiger Weise das Bruttoprinzip angewendet hat, also Leistungen ohne Anrechnung von Einkommen und Vermögen erbracht hat. Ob an diesen Grundsätzen vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.11.1986, Az.: 5 C 74/85, sowie der daran anknüpfenden Entscheidung des Landessozialgericht für Nordrhein-Westfalen vom 29.10.2012, Az.: L 20 SO 63/09, zum § 19 Abs. 5 SGB XII auch im Anwendungsbereich des § 92 SGB XII festgehalten werden kann, musste das Gericht vorliegend nicht entscheiden, da jedenfalls ein begründeter Fall nicht vorlag und die gewährte Sozialhilfe nicht als erweiterte Hilfe gewährt wurde (dazu unter a) und b)). Das Gericht hält dies jedenfalls nicht für ausgeschlossen, allerdings kann möglicherweise der unterschiedliche Wortlaut von § 19 Abs. 5 SGB XII und § 92 Abs. 1 SGB XII auch zu einer unterschiedlichen Auslegung führen.
a) Bei Anlegung der Maßstäbe der bisherigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist zu konstatieren, dass ein begründeter Fall im Fall der Ehefrau des Klägers nicht vorlag. Sie hatte alle Unterlagen zu ihren Einkommens- und Vermögensverhältnissen vorgelegt, insbesondere auch zu ihrer Lebensversicherung vorgelegt. Auch die Höhe der Lebensversicherung war dem Beklagten nicht unbekannt. Aus der Akte ergibt sich zudem nicht, dass eine Aufnahme von ihr im Pflegeheim nicht erfolgt wäre, sofern eine Gewährung von Sozialhilfe durch den Beklagten nicht erfolgt wäre. Vielmehr ist die Klägerin bereits am 05.05.2008 zur stationären Pflege von dem Pflegeheim aufgenommen worden, eine Bewilligung seitens der Beklagten erfolgte jedoch erst durch Bescheid vom 23.06.2008, sodass das Gericht nicht erkennbar ist, dass eine Aufnahme der Ehefrau des Klägers ohne Bewilligung der Sozialhilfe nicht erfolgt wäre. Angesichts der vorgelegten Unterlagen hätte unmittelbar eine auf den Betrag von 10.000,-EUR aus der Lebensversicherung begrenzte darlehensweise Gewährung sowie im Anschluss eine Gewährung von "echter" Sozialhilfe auf Grund der nachgewiesenen Einkommens- und Vermögensverhältnisse erfolgen müssen. Dafür spricht insbesondere, dass der Beklagte mit bestandskräftigem Bescheid vom 04.07.2008 einen monatlichen Kostenbeitrag i. H. v. 1.109,16 EUR von dem Kläger und seiner Ehefrau gefordert hat.
b) Die Gewährung von Sozialhilfe erfolgte im Falle der Ehefrau des Klägers zudem nicht als erweiterte Hilfe. Der Ehefrau des Klägers wurde ausweislich der Verfügungssätze des originären Bewilligungsbescheides vom 23.06.2008 keine Sozialhilfe als "erweiterte" Hilfe gewährt. Danach wurde ihrer Betreuerin mitgeteilt, dass die Betreuungskosten, die Kosten für die Tagesgestaltung, Eingliederungshilfe, Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt sowie einen Barbetrag und eine Bekleidungspauschale ihr gewährt werden. Eine Beschränkung der Gewährung der Sozialhilfe als erweiterte Hilfe ist in diesen Verfügungssätzen nicht aufgeführt. Erst in der Begründung des Bewilligungsbescheides wird deutlich, dass der Ehefrau des Klägers keine "echte" Sozialhilfe gewährt werden soll. Nach Ansicht des Gerichts ist bereits im Verfügungssatz auszusprechen, ob Sozialhilfe als Zuschuss oder als "erweiterte Hilfe" gewährt wird. Ausreichend ist dabei auch nicht die Zitierung der jeweiligen Vorschrift. Alleine der Hinweis in der Begründung ist für die Gewährung von Sozialhilfe als erweiterte Hilfe nicht ausreichend. In diesem Zusammenhang schadet es auch nicht, dass eine Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides nur gegenüber der Betreuerin der Ehefrau des Klägers erfolgt ist und nicht gegenüber dem Kläger selbst.
II. Eine Anwendung von § 19 Abs. 5 SGB XII scheidet vorliegend ganz aus, da für die Ehefrau des Klägers auf Grund ihrer Behinderung Leistungen für eine stationäre Einrichtung erforderlich waren, sodass § 92 Abs. 1 SGB XII als speziellere Norm die Anwendung von § 19 Abs. 5 SGB XII ausschließt.
III. Rechtsgrundlage für die Geltendmachung des Ersatzanspruches sind allerdings auch nicht die §§ 45, 50 SGB X. Dabei benachteiligt der Austausch der Rechtsgrundlage den Kläger nicht in seinen Rechten (dazu unter 1.). Zwar war der Bewilligungsbescheid anfänglich rechtswidrig, jedoch scheitert die Geltendmachung des Erstattungsanspruches an der fehlenden Ermessensausübung (dazu unter 2.).
1. Eine Anwendung der §§ 45, 50 SGB XII scheitert nicht daran, dass der Kläger durch den Austausch der Rechtsgrundlage in seinen Rechten benachteiligt wird. Durch den Austausch wird weder der Verwaltungsakt in seinem Regelungsumfang noch in seinem Wesensgehalt verändert noch die Rechtsverteidigung des Betroffenen in unzulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert.
2. Nach § 45 Abs. 1 SGB XII darf ein rechtswidriger, begünstigender Verwaltungsakt nach seiner Unanfechtbarkeit nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Es handelt sich bei dem Bewilligungsbescheid vom 23.06.2008 unstreitig um einen begünstigenden Verwaltungsakt; allerdings erfolgte die Bekanntgabe der Bewilligung von Sozialhilfeleistungen an den Kläger erst mit dem Kostenbeitragsbescheid vom 04.06.2008 (dazu unter a)). Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid war auch rechtswidrig, da es sich bei dem Anteil des Klägers am Nachlass der Mutter auch um Vermögen handelte (dazu unter b)). Dieses Vermögen war allerdings auf Grund der schwelenden Erbauseinandersetzung zum Zeitpunkt der Antragstellung und Erlass des Bewilligungsbescheides nicht verwertbar (dazu unter c)). Dies führt auch zu einer anfänglichen Rechtswidrigkeit des Bewilligungsbescheides (dazu unter d)). § 45 SGB X eröffnet dem Beklagten jedoch Ermessen, welches er nicht ausgeübt hat. Bereits aus diesem Grund leidet der Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 unter einem unheilbaren Fehler, der zu seiner Aufhebung führen muss (dazu unter e)).
a) Bei dem Bewilligungsbescheid handelt es sich unstreitig um einen begünstigenden Verwaltungsakt. Da eine förmliche Bekanntgabe des Bewilligungsbescheides vom 22.06.2008 nur gegenüber der verstorbenen Ehefrau des Klägers erfolgt ist, hat das Gericht bereits erhebliche Zweifel daran, ob dieser Bewilligungsbescheid dem Kläger gegenüber bereits erlassen wurde. Die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes setzt bereits begrifflich voraus, dass dieser Verwaltungsakt gegenüber demjenigen, gegenüber dem dieser Verwaltungsakt zurückgenommen wurde, erlassen wurde. Erlassen ist ein Verwaltungsakt mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, folglich nach § 39 Abs. 1 SGB X mit seiner Bekanntgabe. Der ursprüngliche Bewilligungsbescheid vom 23.06.2008 war jedoch nur an die Ehefrau des Klägers gerichtet, sodass eine Bekanntgabe gegenüber dem Kläger nicht stattfand. Ein Verwaltungsakt, der einem durch ihn betroffenen Beteiligten nicht bekannt gegeben wird, wird diesem gegenüber auch nicht wirksam (Engelmann in Von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 37 Rn. 7a).
Der Beklagte hat erst mit dem Bescheid vom 04.07.2008 gegenüber dem Kläger die Gewährung von Sozialhilfe an seine Ehefrau sowie die Heranziehung von ihm zu einem Kostenbeitrag bekannt gegeben. Da dadurch auch eine Bekanntgabe der Gewährung von Sozialhilfe gegenüber beiden Eheleuten erfolgte, ist das erkennende Gericht der Auffassung, dass dadurch der Erlass eines Bewilligungsbescheides erfolgt ist. Für diese Auffassung spricht, dass aus der Perspektive des Beklagten bei dem Bescheid vom 04.07.2008 um einen endgültigen Bescheid gehandelt hatte. Insofern ist der Bescheid vom 22.02.2010 so auszulegen, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid vom 23.06.2008 in der Gestalt des Kostenbeitragsbescheides vom 04.07.2008 aufhebt und höhere Leistungen der Sozialhilfe erstattet verlangt, wobei der Bescheid vom 04.07.2008 gegenüber dem Kläger als erstmalige Bekanntgabe einer Bewilligung von Sozialhilfe für seine Ehefrau gilt, die allerdings mit einem Kostenbeitrag belastet ist.
b) Da der endgültige Bescheid vom 04.07.2008 jedoch das erhebliche Vermögen des Klägers aus dem Erbfall nicht berücksichtigte, war dieser Bescheid rechtswidrig. Dieses Vermögen hätte im Rahmen der Gewährung von Sozialhilfe Berücksichtigung finden müssen. Unter dem Begriff des Vermögens werden alle beweglichen und unbeweglichen Güter und Rechte in Geld und Geldeswert erfasst; umfasst werden auch Forderung und Ansprüche gegen Dritte, soweit sie nicht normativ dem Einkommen zuzurechnen sind (BSG, Urteil vom 25.08.2011, Az.: B 8 SO 19/10 R, – juris – Rn. 13). Die Abgrenzung Einkommen und Vermögen ist dabei anhand der Zuflusstheorie vorzunehmen. Danach ist Einkommen alles, was jemand wertmäßig in der Bedarfszeit zufließt, Vermögen das, was vor der Bedarfszeit schon vorhanden war (vgl. Geiger in LPK-SGB XII, Kommentar, 10. Auflage, § 90 Rn. 5). Bei einem Erbfall ergibt sich ein rechtlich maßgebender Zufluss nach § 1922 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), nach dem mit dem Tod einer Person deren Vermögen als Ganzen auf den oder die Erben übergeht (Gesamtrechtsnachfolge). Bereits ab diesem Zeitpunkt kann der Erbe auf Grund seiner durch den Erbfall erlangten Position über seinen Anteil am Nachlass verfügen (BSG, Urteil vom 25.01.2012, Az.: B 14 AS 101/11 R – juris – Rn. 20). Entscheidend für die Abgrenzung von Einkommen und Vermögen ist daher, ob der Erbfall vor der ersten Antragstellung eingetreten ist. Liegt der Erbfall vor der ersten Antragstellung handelt es sich um Vermögen (BSG, aaO).
Da die Mutter des Klägers bereits am xx.xx.2006 verstarb, ist der Erbfall vor der Beantragung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch XII eingetreten, sodass es sich bei dem ererbten Vermögen tatsächlich auch im Sinne des § 90 SGB XII um Vermögen und nicht um Einkommen handelt. Dem Kläger standen insofern einen Anteil am Nachlass nach § 2033 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Miteigentumsanteil an dem Grundstück in ungeteilter Erbengemeinschaft und den Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach §§ 2042 ff. BGB als Vermögensgegenstände zu.
c) Diese Vermögensgegenstände waren jedoch bis zum 31.08.2009 nicht verwertbar. Eine Verwertbarkeit ist gegeben, wenn Gegenstände verbraucht, übertragen und belastet werden können. Es besteht keine Verwertbarkeit, sofern eine Verwertung von Vermögensgegenständen aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich ist. Dabei muss eine Verwertbarkeit innerhalb des Zeitraums gegeben sein, in dem der sozialhilferechtliche Bedarf besteht. Bei Grundstücken kann eine Verwertbarkeit nur dann angenommen werden, wenn der Berechtigte in der Lage ist, die Verwertung innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln herbeizuführen (BSG, Urteil vom 06. Dezember 2007, Az.: B 14/7b AS 46/06 R). Die Beweisaufnahme hat jedoch ergeben, dass der Kläger bis zum 31.08.2009 nicht in der Lage gewesen wäre, die Verwertung des Grundstücks innerhalb einer bei Antragstellung feststehenden Zeitspanne durch eigenes Handeln herbeizuführen. Beide gehörte Zeugen haben insoweit bestätigt, dass es innerhalb der Erbengemeinschaft erhebliche Auseinandersetzungen gegeben hatte.
Insofern konnten die Miterben über den Nachlassgegenstand – welcher hier das Grundstück darstellt – nach § 2040 Abs. 1 BGB nur gemeinschaftlich verfügen. Sofern sich die Miterben weigern, einer Verfügung über einen bestimmten Nachlassgegenstand zuzustimmen, besteht eine Verfügungsbeschränkung nach § 2033 Abs. 2 BGB, welche eine Verwertung des Vermögensgegenstandes ausschließt. Eine Aufhebung dieser Verfügungsbeschränkung hat der Kläger durch eigenes Handeln nicht erreichen können.
Bei der Beantragung von Sozialhilfeleistungen am 18.04.2008 war für die Ehefrau des Klägers und für den Kläger selbst nicht absehbar, zu welchem Zeitpunkt sich die Erbschaftsstreitigkeiten erledigen werden, insbesondere wann die Verwertung des Grundstückes erfolgen konnte. Zu dem Zeitpunkt der Antragstellung dauerten die Streitigkeiten bereits 1 ½ Jahre an, sodass der Kläger eine sichere Prognose, wann eine Verwertung des Grundstückes nicht erfolgen konnte, nicht treffen konnte. Der Prognosezeitraum umfasst zudem auch bei der Gewährung von Eingliederungshilfe einen Zeitraum von einem Jahr. Der Ehefrau des Klägers wurden zwar von dem Beklagten Sozialhilfe für den Zeitraum von zwei Jahren gewährt. In diesem Zusammenhang ist aber darauf hinzuweisen, dass das Bundessozialgericht im Hinblick auf die gesteigerte Verwertungsobliegenheit für den Bereich der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung auf den gesetzlich vorgesehenen Bewilligungszeitraum von zwölf Kalendermonaten abzustellen sei (BSG, Urteil vom 25. August 2011, Az.: B 8 SO 19/10 R – juris – Rn. 15). Gleiches müsse für die Hilfe zum Lebensunterhalt gelten (BSG, aaO). Nach Ansicht des erkennenden Gerichts ist bei der Gewährung der Eingliederungshilfe ebenfalls auf einen Bewilligungszeitraum von 12 Monaten abzustellen. Zwar existiert in diesem Zusammenhang keine gesetzliche Regelung, die den Zeitraum für die Bewilligung von Eingliederungshilfe beschreibt. Es ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichts – unabhängig von der tatsächlichen längeren Bewilligung von Leistungen der Eingliederungshilfe – der Gedanke des § 44 SGB XII entsprechend heranzuziehen und ebenfalls auf einen Zeitraum von 12 Kalendermonaten abzustellen. Insofern war für den Kläger bei der Beantragung von Sozialhilfeleistungen prognostisch nicht erkennbar, ob in diesem Zeitraum von 12 Kalendermonaten tatsächlich eine Verwertung des Grundstückes erfolgen würde. Insofern hätte auch der Beklagte aus der Sicht des Gerichts wegen den Erbstreitigkeiten keine sichere Prognose treffen können, dass innerhalb des so verstandenen Bewilligungszeitraumes eine Verwertung des Grundstücks hätte erfolgen können.
Dem Kläger wäre es aus tatsächlichen Gründen nicht möglich gewesen, über seinen Anteil am Nachlass zu verfügen. Das Gericht geht insofern bei der geschilderten Sachlage davon aus, dass eine Verwertung am Markt auf Grund der Erbstreitigkeiten tatsächlich nicht realisierbar gewesen war. Es hätte bei Antragstellung auch keine Prognose angestellt werden können, dass der Anteil am Nachlass während des einjährigen Bewilligungszeitraums hätte verwertet werden können. Jedenfalls war es aus der Sicht des Gerichts zeitlich nicht absehbar, wann eine Verwertung des Anteils am Nachlass durch den Kläger hätte erfolgen können. Es ist für das Gericht auch nicht beurteilbar, in welcher Höhe eine Verwertung hätte erfolgen können. Der Wert des Erbteils muss insofern nicht dem Anteil am Auseinandersetzungsguthaben entsprechen. Jedenfalls hat der Kläger aus seinem Erbanteil keine bedarfsmindernden Vorteile ziehen können, sodass bereits vor diesem Hintergrund der Erbanteil nicht als Vermögen zu berücksichtigen ist.
Auch den Anspruch auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach §§ 2042 ff. BGB hätte nicht verwertet werden können. Diesen Anspruch hätte der Kläger gerichtlich geltend machen müssen um eine Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erreichen zu können. Es wäre auch in diesem Zusammenhang nicht absehbar gewesen, wann genau die gerichtliche Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft erfolgt wäre und beendet gewesen wäre. Es wäre insbesondere nicht absehbar gewesen, zu welchem Ergebnis diese Form der Auseinandersetzung geführt hätte. Auch in der Hinsicht war das Vermögen des Klägers nicht verwertbar gewesen.
d) Der angefochtene Bescheid ist auch anfänglich rechtswidrig. Anfängliche Rechtswidrigkeit liegt vor, sofern der Bewilligungsbescheid zum Zeitpunkt seines Erlasses bereits rechtswidrig war. Erlassen in diesem Sinne war ein Verwaltungsakt mit dem Eintritt seiner Wirksamkeit, somit nach § 39 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit seiner Bekanntgabe (Schütze in von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 45 Rn. 31). Wie bereits oben unter 2. a) ausgeführt, ist jedenfalls durch den Kostenbeitragsbescheid vom 04.07.2008 eine Bekanntgabe der Bewilligung von Sozialhilfe auch gegenüber dem Kläger erfolgt, sodass damit auch ihm gegenüber der Erlass des Bewilligungsbescheides, belastet mit einem monatlichen Kostenbeitrag, erfolgte. Die Bewilligung war jedoch anfänglich rechtswidrig, da auf Grund des vorhandenen Vermögens keine Gewährung von "echter" Sozialhilfe erfolgen durfte. Nach § 91 Satz 1 SGB XII soll Sozialhilfe als Darlehen gewährt werden, soweit für den Bedarf der nachfragenden Person Vermögen einzusetzen ist, bei dem der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung nicht möglich ist. Nicht möglich ist der sofortige Verbrauch oder die sofortige Verwertung des vorhandenen Vermögens, wenn ihnen vorübergehend tatsächlich oder rechtliche Hindernisse entgegensteht. Die Unmöglichkeit des sofortigen Vermögenseinsatzes besteht darin, dass grundsätzlich verwertbares Vermögen nicht zur Verfügung steht, sondern für die Verwertung einige Zeit benötigt wird (Hohm in Schellhorn/Hohm/Schneider, Sozialgesetzbuch XII, Kommentar, § 91 Rn. 6). Rechtliche Hindernisse liegen bei vorübergehenden Verfügungsbeschränkungen des Vermögensinhabers vor. Eine solche Verfügungsbeschränkung stellt insofern § 2033 Abs. 2 BGB unstreitig dar, sodass eine Gewährung von Sozialhilfe lediglich darlehensweise hätte erfolgen dürfen. Der Kläger war – wie oben bereits ausgeführt – in seiner Verfügungsbeschränkung beschränkt. Eine darlehensweise Gewährung hätte insbesondere bei Berücksichtigung des weiteren Vermögens von 10.000,-EUR aus der Lebensversicherung der Ehefrau des Klägers erfolgen müssen.
e) Unabhängig von der Frage, ob der Kläger eine Mitwirkungspflicht verletzt hat und ihm dies grob fahrlässig vorzuwerfen ist, ist bei einer Rücknahme nach § 45 SGB X Ermessen eröffnet. Vor diesem Hintergrund war auch nicht der Frage nachzugehen, ob die Rücknahme rechtzeitig innerhalb der Jahresfrist nach § 45 Abs. 4 Satz 2 SGB X erfolgt ist. Zudem braucht nicht untersucht werden, ob die Fristen nach § 45 Abs. 3 Satz 3 SGB X eingehalten wurden.
Nach § 54 Abs. 2 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz können die Gerichte das Ermessen der Behörde lediglich darauf überprüfen, ob die Beklagte von ihrem Ermessen Gebrauch gemacht hat (Ermessensnichtgebrauch), ob sie die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessen überschritten sind (Ermessensüberschreitung) oder ob sie von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat (Ermessensmissbrauch).
Nach § 39 Abs. 1 SGB I ist das nach § 45 Abs. 1 SGB X eröffnete Ermessen unter Einhaltung seiner Grenzen dem Zweck der Ermächtigung entsprechend auszuüben. Dazu müssen alle wesentliche Umstände des Einzelfalls ermittelt und berücksichtigt werden, soweit sie einen unmittelbaren Bezug auf Vertrauen und Schutzwürdigkeit des Betroffenen sowie des öffentlichen Interesses haben (Schütze in Von Wulffen, SGB X, Kommentar, § 45 Rn. 89). Der Beklagte hat ausgehend von seiner Rechtsansicht vorliegend jedoch weder im Ausgangs- noch im Widerspruchsbescheid erkannt, dass ihm Ermessen zustehen könnte. Er hat vielmehr darauf verwiesen, dass eine Gewährung von Sozialhilfe lediglich als erweiterte Hilfe in Betracht komme. Eine Abwägung des öffentlichen Interesses an der Rücknahme der ursprünglichen Bewilligungsentscheidung mit dem Interesse des Klägers am Weiterbestehen dieser Entscheidungen hat der Beklagte nicht vorgenommen. Vor diesem Hintergrund hat der Beklagte von seinem Ermessen keinen Gebrauch gemacht, sodass keine Ermessensausübung erfolgte. Der Bescheid vom 22.02.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.06.2011 leidet insofern an einem unheilbaren Fehler, sodass diese Bescheide aufzuheben sind.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung. Die Berufung ist nach §§ 143, 144 SGG zulassungsfrei möglich.
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