Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 26 KR 650/12
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 644/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.09.2015 wird zurückgewiesen. Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik) beanspruchen kann.
Die 1959 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung; ferner ist bei ihr ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Die Klägerin leidet im Wesentlichen unter einem chronisch-schmerzhaften Nacken-Schulter-Arm-Syndrom bei Verschleiß der Halswirbelsäule und Status nach operativer Behandlung im Bereich C5/6, einem Zustand nach operativer Behandlung bei Verschleißschäden an den Schultergelenken beidseits, einem Zustand nach Nervenkompressionsoperation am rechten Handgelenk, einem generalisierten Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie, einem Beckenschiefstand rechts, einer skoliotischen Fehlhaltung der Rumpfwirbelsäule mit Verschleiß sowie einem Gelenkverschleiß an den unteren Extremitäten. Darüber hinaus wurde bei ihr eine sog. Makromastie mit Ptosis sowie eine Adipositas diagnostiziert. Ein bereits im Jahr 2002 gestellter Antrag auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik blieb nach Einholung eines aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin erstatteten Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 06.05.2002 erfolglos.
Am 07.07.2011 beantragte die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Berichte erneut die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik, die im vollstationären Rahmen durchgeführt werden solle (drei bis fünf Behandlungstage).
Der von der Beklagten eingeschaltete MDK führte in einer nach Aktenlage verfassten Stellungnahme vom 07.07.2011 aus, dass bei der Klägerin bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 Übergewicht vorliege. Da die Größe der Mammae mit dem Gewicht korreliere, sei zunächst Normgewicht herzustellen. Im Übrigen liege eine Asymmetrie der Mammae nicht vor. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 13.07.2011).
Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen mit einem Bericht des sie behandelnden Neurochirurgen Dr. T vom 04.04.2012. Dr. T führte in diesem Bericht aus, dass die Klägerin seit ihrer Jugend unter Schulter-Nacken-Beschwerden in Kombination mit chronischen Kopfschmerzen leide. Aufgrund des bisherigen Verlaufs müsse von einer fortgeschrittenen Chronifizierung ausgegangen werden. Hierfür spreche, dass sich die Klägerin im November 2011 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls im Bereich der Halswirbelsäule einer Operation habe unterziehen müssen. Führende Ursache für die anhaltenden Beschwerden sei die ausgeprägte physiologische Brustgröße, die zu einer ständigen Fehlbelastung führe und damit das chronische Leiden verursache.
Der erneut von der Beklagten beauftragte MDK teilte in einer weiteren nach Aktenlage verfassten Stellungnahme vom 14.05.2012 mit: Es sei nicht recht nachvollziehbar, dass das in den bisherigen medizinischen Stellungnahmen avisierte Resektionsgewicht von insgesamt 1,4 kg einen wesentlichen Einfluss auf die Wirbelsäulenstatik haben solle. Ausdrücklich müsse darauf hingewiesen werden, dass bisher jeder evidenzbasierte Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Brustgewicht und Wirbelsäulenveränderungen fehle. Selbstverständlich könne es durch eine sternosymphysale Fehlhaltung zu Rückenschmerzen kommen. Unabhängig vom Brustgewicht sei die vorhandene Ptosis als Normvariante zu beurteilen und nicht als krankheitswertiger Befund. Eine therapieresistente Hautveränderung bestehe ebenfalls nicht. Insgesamt seien probate konservative Maßnahmen zur Stärkung der Rumpfmuskulatur, Haltungskorrekturen und ggf. eine Ausweitung der Schmerztherapie zu empfehlen.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch zurück und stützte sich auf die von ihr eingeholten Stellungnahmen des MDK. Unter Bezugnahme auf die bisher ergangene obergerichtliche Rechtsprechung vertrat sie ferner die Auffassung, dass bislang ein evidenzbasierter Nachweis, der eine Heilung oder zumindest Linderung von Erkrankungen der Wirbelsäule durch eine Korrektur der Mammae belegen könne, nicht existiere (Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 - Zugang: 18.07.2012).
Mit ihrer am 14.08.2012 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Nur durch die geplante Mammareduktionsplastik könnten die orthopädischen Veränderungen gestoppt und teure physiotherapeutische Behandlungen vermieden werden. Durch die große Brust sei die Muskulatur im Rücken und der Halswirbelsäule stets völlig verhärtet. Seit 10 Jahren leide sie unter sehr starken Dauerkopfschmerzen. Seit 2002 befinde sie sich in orthopädischer Behandlung und sei mit Heißluft, Strecken der Halswirbelsäule etc. behandelt worden. Bereits von 2003 bis 2010 sei sie in der Schmerzambulanz des Universitätsklinikums C in Behandlung gewesen und werde auch aktuell dort behandelt. Seit 2010 werde sie von einem Neurochirurgen betreut. Dieser habe ihr Schmerzmittel mit Hilfe eines Röntgengerätes in die Halswirbelsäule injiziert. Da die Behandlung ohne Erfolg verlaufen sei, sei die HWS vereist worden. Auch diese Behandlung habe keine Linderung gebracht. Im November 2011 sei ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule operiert und eine Titanplatte eingesetzt worden. Von August 1994 bis Dezember 2008 habe sie regelmäßig physiotherapeutische Behandlungen verschiedener Art erhalten. Zudem besitze sie seit 2003 ein Tens-Gerät. Von November 2003 bis Januar 2004 habe sie sich einer ambulanten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation unterzogen. Danach sei im Reha-Zentrum C eine FPZ-Maßnahme über 40 Einheiten durchgeführt worden. Bis ihr die Schmerzambulanz des Universitätsklinikums C davon abgeraten habe, habe sie ferner zweimal wöchentlich ein Fitnessstudio besucht. Zusätzlich gehe sie einmal wöchentlich zu dem Kurs Bauch/Beine/Po. Dies zeige, dass sie sämtliche konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 zu verurteilen, die Kosten für eine Brustreduktions-OP an beiden Brüsten der Klägerin zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre in dem angefochtenen Bescheid dargelegten Argumente vertieft.
Das Sozialgericht (SG) hat von Amts wegen Befundberichte von dem Neurochirurgen Dr. N und dem Orthopäden Dr. V eingeholt. Auf den Inhalt der Berichte vom 30.07.2013 und 31.07.2013 wird Bezug genommen.
Auf Anordnung des SG hat sodann der Arzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. N1 ein Gutachten erstattet. In seinem Gutachten vom 17.01.2014 hat der Sachverständige ausgeführt: Bei der Klägerin liege zwar eine sog. Makromastie mit Ptose vor. Organbezogen handele es sich hierbei jedoch nicht um eine Krankheit. Für die chronisch vorhandene Schmerzproblematik auf dem Boden der dokumentierten Verschleißschäden solle neben einer anzustrebenden Gewichtsreduktion das erkrankungstypische Konzept der mediko-physikalischen Dauertherapie fortgeführt werden, bedarfsorientiert begleitet durch entsprechende Schmerzmedikation bzw. durch Anwendung des Tens-Gerätes. Es existierten keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse im Hinblick auf eine tatsächlich nachweisbare Kausalität zwischen einer Makromastie und einem schmerzhaften Nacken-Schulter-Arm-Syndrom. Die zahlreichen Einzelinformationen zu den unterschiedlichen Erkrankungstatbeständen im Bereich des Nackens, des Schultergürtels und der Schultergelenke sowie der Rumpfwirbelsäule erklärten für sich allein bereits hinlänglich das chronisch-schmerzhafte Syndrom der Halswirbelsäule. Ferner sei auf die Operation der Halswirbelsäule im November 2011 zu verweisen. Jede operative Intervention an der eigentlich organisch gesunden Brust hinterlasse notwendigerweise Narbenfelder, die in Zukunft jedwede Mamma-Diagnostik erschwerten, abgesehen vom üblichen und typischen Operationsrisiko. Überdies sei zu berücksichtigen, dass das avisierte Resektionsgewicht von jeweils 700 g pro Seite in Relation zum Körpergewicht von aktuell 88 kg bei einer Größe von 1,67 m und im Verhältnis zu den umfänglichen degenerativen Veränderungen der Hals- und Rumpfwirbelsäule keine entscheidende Größe darstelle.
Auf Antrag der Klägerin hat sodann der Facharzt für Chirurgie, plastische und ästhetische Chirurgie, Handchirurgie Dr. C gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Gutachten erstattet. In seinem Gutachten vom 02.10.2014 hat der Sachverständige Dr. C die Auffassung vertreten, dass es durch eine Mammareduktionsplastik mit einem zu veranschlagenden Resektionsgewicht von insgesamt 1,8 kg zu einer Entlastung der Wirbelsäule mit konsekutiver Schmerzreduktion im Bereich der bereits geschädigten Brustwirbelsäule sowie des Nacken-Schulter-Bereichs kommen werde. Überdies werde die körperliche Belastbarkeit, das Selbstwertgefühl und das Schlafverhalten verbessert. Nichtoperativen Maßnahmen, wie sie der Sachverständige Dr. N1 vorgeschlagen habe, habe sich die Klägerin bereits weitestgehend unterzogen. Allein durch eine Gewichtsreduktion werde die krankhaft asymmetrische Verteilung des Brustgewichtes nicht beeinflusst. Der bestehende BMI von 31 ziehe sich durch die gesamte Akte als Argument gegen eine Mammareduktionsplastik. Dass Übergewicht eine Kontraindikation darstelle, hätten jedoch mehreren Studien entkräftet. Die bei der Klägerin vorhandene Mammahypertrophie sei ebenfalls eine eigene Erkrankung, die bei ihr bereits als junger normgewichtiger Frau mit entsprechenden Sekundärbeschwerden aufgetreten sei. Allein durch die Korrektur der Brustmasse werde der bereits geschädigte Halteapparat im Bereich Brust- und Halswirbelsäule nennenswert entlastet. In einer in einem orthopädischen Journal veröffentlichten Studie von 2012 hätten 339 Frauen einen Fragebogen beantwortet. Es seien die Brustgröße, die BH-Größe sowie Schulter- und Armschmerzen erfragt worden. In den Antworten habe sich eine signifikante positive Korrelation zwischen Schulter-Nacken-Schmerzen und Cup-Größe ergeben. Die Irrtumswahrscheinlichkeit habe bei unter 5 Prozent gelegen. Auch andere Literaturquellen zeigten einen negativen Einfluss einer großen Brust auf die Haltung. Im kanadischen Journal für plastische Chirurgie sei eine signifikante Reduktion der Schmerzen im Nacken-Rücken-Schulter und Armbereich nach erfolgter Brustreduktion nachgewiesen. Bei den Probanden sei es durch die Brustverkleinerung außerdem zu einer Verbesserung der Körperhaltung gekommen.
Anschließend hat das SG von Amts wegen ein weiteres Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie Dr. T1 vom 17.02.2015 eingeholt. Die bei der Klägerin im Bereich des Rückens, des Nackens und der Schulter sowie im Bereich der Brust vorliegenden Gesundheitsstörungen stellten einen regelwidrigen Körperzustand dar. Die gewünschte Operation stelle eine Behandlung dar, die unmittelbar an der Krankheit ansetze, wobei die vorhandene Makromastie nicht mit der Stammadipositas in Verbindung stehe. Zwar werde immer wieder darauf hingewiesen, dass kein wissenschaftlich untermauerter Nachweis dafür existiere, dass die Makromastie mit Beschwerden und Verspannungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule zusammenhänge. Dabei sei es zutreffend, dass bei Gewichtung der entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen die Evidenzklasse 1 oder 2 nicht vergeben werden könne. Dies treffe jedoch auf die meisten orthopädischen Behandlungsmethoden zu. Die Evidenzklasse im Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen Makromastie und Beschwerden in der Hals- und Brustwirbelsäule sei mit 3 einzustufen. Sie bewege sich also ungefähr auf dem Niveau der Evidenzklasse der in der Orthopädie allgemein verbreiteten Akupunkturbehandlung. Zur Stellung einer Operationsindikation reiche die Evidenzklasse 3 aus orthopädischer Sicht völlig aus. Das von Dr. C errechnete Reduktionsgewicht bewirke schon aus mechanischen Gründen eine Entlastung des Schultergürtels.
Nach Kritik der Beklagten hat der Sachverständige Dr. T1 unter dem 03.05.2015 ergänzend ausgeführt: Bei der Klägerin seien konkurrierende Faktoren zur Entstehung des Beschwerdebildes auszuschließen, so dass dies den Pathomechanismus bestätige, der über die Schwerpunktverlagerung nach ventral durch die Makromastie zu einer Überlastung des muskulären ligamentären Halteapparates der Hals- und Brustwirbelsäule führe. In der gesamten einschlägigen Literatur sei kein einziger Artikel zu finden, der einen Kausalzusammenhang zwischen einer Makromastie und einem cervikalen und dorsalen Schmerzsyndrom von vornherein ausschließe. Es sei lediglich so, dass nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin noch keine Studien vorlägen, die dem höchsten wissenschaftlichen Standard entsprächen. Was die Ausschöpfung der konservativen Behandlung mittels Heilmittel angehe, so könnten durch Physiotherapie orthopädische Beschwerden zwar gelindert werden. Unter optimalen Bedingungen sei auch damit zu rechnen, dass sich die Beschwerden der Klägerin durch intensive physikalisch-therapeutische Behandlungsmaßnahmen zunächst kurzzeitig bessern könnten. Die krankheitsauslösende Ursache, nämlich die Fehlstatik durch Verlagerung des Körperschwerpunktes nach vorne, könne hierdurch jedoch nicht beeinflusst werden.
Durch Urteil vom 04.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Aktuell könnten zur Qualität und Wirksamkeit von Brustresektionsoperationen zur Bekämpfung von orthopädischen Beschwerden keine zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen getroffen werden. Denn es fehlten wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Wirksamkeit der Methode. Insoweit sei den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. N1 und Dr. T1 zu folgen. Auch letzterer habe eingeräumt, dass Studien der Evidenzklasse 1 und 2 diesbezüglich nicht vorlägen. Aus einer Vielzahl entschiedener Parallelfälle sei der Kammer bekannt, dass die Kausalität zwischen einem hohen Brustgewicht und orthopädischen Leiden (insbesondere bei einem gleichzeitig bestehenden Übergewicht) unter Orthopäden heftig umstritten sei; ein Konsens in der Fachwelt bestehe insoweit nicht. Es sei außerdem nicht nachvollziehbar, inwieweit eine Resektion von 1,4 kg Brustgewebe bei einem gleichzeitigen Übergewicht von etwa 15 kg einen entscheidenden und wesentlichen Einfluss auf die bei der Klägerin bestehenden mannigfaltigen orthopädischen Beschwerden haben könne.
Gegen das ihr am 16.10.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.10.2015 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest und trägt vor: Es dürfte unstreitig sein, dass eine Mammareduktionsplastik zu einer schnellen Entlastung von Hals- und Brustwirbelsäule führe. Ein operativer Eingriff sei die schnellste und effizienteste Maßnahme, die medizinisch und ethisch vertretbar sei, um sie von ihren Beschwerden zu befreien. Die bislang alternativ genannten Behandlungsmethoden beruhten ebenfalls nicht auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.09.2015 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 zu verurteilen, ihr eine Mammareduktionsplastik zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Weiterer Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), nachdem sich die Beteiligten damit übereinstimmend einverstanden erklärt haben (Schriftsätze vom 01.03.2017 und 03.03.2017).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat und somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert wird.
1. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beanspruchte Sachleistung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der GKV setzt mithin das Vorliegen einer Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil v. 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R, BSGE 93, 252; Nolte in: Kasseler Kommentar, § 27 SGB V Rn. 12 ff. m.w.N.). Auch mittelbar wirkende Therapien werden grundsätzlich vom Leistungsanspruch erfasst, sofern sie ausreichend, wirksam und zweckmäßig sind und den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Wird allerdings im Rahmen einer mittelbar ansetzenden Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, bedarf es hierfür einer besonderen Rechtfertigung (BSG, Urteil v. 19.02.2003 - Az.: B 1 KR 1/02 R, BSGE 90, 289).
a) Dass im Bereich der Mammae der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand im Sinne der vorbezeichneten Grundsätze gegeben ist, lässt sich nicht feststellen. Zwar sind sowohl der Sachverständige Dr. C als auch der Sachverständige Dr. T1 in ihren Gutachten davon ausgegangen, dass die Brust der Klägerin krankhaft vergrößert sei. Allerdings sind diese Sachverständigen eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme, dass eine übermäßig vergrößerte Brust für sich genommen einen krankhaften Befund darstellen soll, schuldig geblieben. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren gehörte MDK und im erstinstanzlichen Verfahren der Sachverständige Dr. N1 Funktionsmängel der Mammae etwa wegen fehlenden Drüsengewebes nicht beschrieben haben.
Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass aufgrund der vergrößerten Brüste der Klägerin bereits von einer Entstellung auszugehen ist (zur Entstellung vgl. BSG, Urteil v. 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R). Dies hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
b) Therapieresistente Hautveränderungen, die nur mit den Mitteln einer Mammareduktionsplastik geheilt oder gelindert werden könnten, liegen nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des MDK in der Stellungnahme vom 14.05.2012 und des Sachverständigen Dr. C, ebenfalls nicht vor.
c) Erkrankungen liegen bei der Klägerin jedoch im Hinblick auf die bei ihr vorhandenen Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet vor. Insoweit haben sämtliche gehörte Sachverständige im Wesentlichen übereinstimmende Diagnosen gestellt. Danach leidet die Klägerin im Bereich der Wirbelsäule unter einem chronischen-schmerzhaften Nacken-Schulter-Arm-Syndrom bei Verschleiß der Halswirbelsäule und Status nach operativer Behandlung im Bereich C5/6, einem generalisierten Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie sowie einer skoliotischen Fehlhaltung der Rumpfwirbelsäule mit Verschleiß. Zur Überzeugung des Senats ist zur Heilung bzw. Linderung dieser Krankheiten eine Mammareduktionsplastik jedoch nicht medizinisch notwendig, weil diese Behandlungsziele nicht ausschließlich durch eine solche Operation erreicht werden können.
Von Bedeutung ist, dass die beabsichtigte Operation nur mittelbar der Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Erkrankungen dienen soll. Wie bereits dargestellt, können auch solche Maßnahmen notwendig und zweckmäßig im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V sein, wenn sie gezielt der Krankheitsbekämpfung dienen. Da es sich jedoch um einen Eingriff an einem funktionell intakten Organ handelt, bedarf es hierfür einer besonderen Rechtfertigung. Dabei sind Art und Schwere der Erkrankung, das Risiko und der Nutzen der Therapie gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen des Abwägungsvorgangs kann von Bedeutung sein, ob es sich bei der Operation um die ultima ratio handelt (BSG, Urteil v. 19.02.2003 - Az.: B 1 KR 1/02 R, BSGE 90, 289).
aa) Wenngleich sich die Klägerin in der Vergangenheit ohne Zweifel zahlreichen ärztlichen, physikalischen und krankengymnastischen Behandlungsmaßnahmen unterzogen und zudem regelmäßig zwei- bis dreimal wöchentlich sportliche Aktivitäten entfaltet hat, konnte sich der Senat nicht die Überzeugung verschaffen, dass sich die geltend gemachte Mammareduktionsplastik als zweckmäßig im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V darstellt. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Sachverständigen Dr. N1 und des im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie im Rahmen des Erstantrages im Jahr 2002 gehörten MDK.
(1) Der Sachverständige Dr. N1 hat in seinem erstinstanzlich erstatteten Gutachten im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die bei der Klägerin vorhandenen zahlreichen Erkrankungen im Bereich des Nackens, des Schultergürtels und der Schultergelenke bzw. der Rumpfwirbelsäule mit daraus resultierenden Behandlungsnotwendigkeiten seit 1981 bereits für sich allein hinlänglich das chronisch-schmerzhafte Syndrom der Halswirbelsäule erklärten. Darüber hinaus bestehe bei der Klägerin bei einer Größe von 1,67 m und einem Körpergewicht von 88 kg ein Übergewicht. Angesichts dessen sei nicht recht nachvollziehbar, dass das avisierte Resektionsgewicht von je 700 g pro Seite in Relation zu diesem Übergewicht und in Relation zu den degenerativen Veränderungen der Hals- und Rumpfwirbelsäule eine entscheidende Größe darstellen solle. Vergleichbare Aussagen hat der MDK in seinen Stellungnahmen vom 06.05.2002, 07.07.2011 und 14.05.2012 getroffen. Insbesondere in dem anlässlich des Erstantrages auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik erstatteten Gutachten vom 06.05.2002 hat der MDK nachvollziehbar dargelegt, dass die ohne Zweifel bei der Klägerin vorhandenen Erkrankungen bei einem nicht lotrechten Aufbau der Wirbelsäule mit erkennbaren skoliotischen Abweichungen und Beckenschiefstand rechts durch den Befund der Mammae nicht nachvollziehbar seien.
(2) Im Gegensatz hierzu haben Dr. C und Dr. T1 zwar die Auffassung vertreten, dass sich die geklagten Beschwerden ohne weiteres aus der Makromastie ableiten ließen, so dass sich eine Mammareduktionsplastik als Mittel der Wahl darstelle. Dr. C hat hierzu ausgeführt, dass insbesondere die Studienlage für eine Ursächlichkeit der übergroßen Mammae für die degenerativen Veränderungen insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule spreche. Er ist unter Berücksichtigung der von ihm referierten Studienlage ferner davon ausgegangen, dass das bei der Klägerin vorhandene Übergewicht jedenfalls keine Kontraindikation gegen eine Mammareduktionsplastik darstelle. Vergleichbare Schlussfolgerungen hat der Sachverständige Dr. T1 gezogen und ausgeführt, dass die bei der Klägerin vorhandene Fehlstatik durch die Makromastie im Sinne einer Schwerpunktverlagerung nach ventral verursacht werde. Die Studienlage sei zwar allenfalls mit Evidenzklasse 3 zu qualifizieren. Dies reiche jedoch völlig aus, weil die meisten orthopädischen Behandlungsmaßnahmen - insbesondere auch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) positiv bewertete Akupunktur - allenfalls Evidenzklasse 3 erreichten.
(3) Der Senat vermag den Schlussfolgerungen der Sachverständigen Dr. C und Dr. T1 nicht zu folgen. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C beziehen sich - abgesehen von der Befund- und Diagnoseerhebung - nahezu ausschließlich auf die von ihm zitierte Studienlage ohne konkreten Bezug zu dem bei der Klägerin vorhandenen Krankheitsgeschehen. Auch der Sachverständige Dr. T1 geht ohne nähere Prüfung von Alternativursachen davon aus, dass ausschließlich die Makromastie die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates verursachten. Beide Sachverständige lassen jedoch die von dem Sachverständigen Dr. N1 und dem MDK in ihren Erwägungen einbezogene Skoliose völlig außer Betracht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nicht nur in den Stellungnahmen des MDK und in dem Gutachten des Dr. N1, sondern auch in einem radiologischen Befundbericht des Medizinischen Versorgungszentrums L vom 20.06.2013 ausdrücklich eine bogenförmige, rechtskonvexe Skoliose im unteren Abschnitt der Halswirbelsäule mit linkskonvexem Gegenschwung im Bereich der mit dargestellten oberen Brustwirbelsäule beschrieben wird. Entgegen den von Dr. T1 gezogenen Schlussfolgerungen reicht es angesichts dieses Befundes nicht aus, ohne nähere Begründung darauf abzustellen, dass die Fehlstatik durch die Makromastie aufgrund einer Schwerpunktverlagerung nach ventral verursacht werde, zumal der MDK bereits in seiner Stellungnahme vom 06.05.2002 über die Skoliose berichtet und außerdem mitgeteilt hat, dass ein Beckenschiefstand rechts bestehe.
Ebenso wenig haben die Sachverständigen Dr. T1 und Dr. C die Ausführungen der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin in einem Bericht vom 31.01.2008 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 15.01.2008 bis 31.01.2008 berücksichtigt. In diesem Bericht werden zwar für den Stütz- und Bewegungsapparat vergleichbare Diagnosen erhoben wie sie sämtliche gehörte Sachverständige, die behandelnden Ärzte und auch der MDK mitgeteilt haben. Darüber hinaus werden jedoch bei der Klägerin ein depressives Syndrom sowie ein Verdacht auf psychosomatische Beeinflussung der Schmerzsymptomatik diagnostiziert. Hierzu wird ausgeführt, dass sich im Verlauf der im Rahmen des stationären Aufenthaltes geführten Gespräche eine deutliche Abhängigkeit der Schmerzsymptomatik durch Stresssituationen gezeigt habe. Diese - möglicherweise psychisch bedingten - (Mit-) Ursachen haben Dr. C und Dr. T1 (allerdings auch Dr. N1) nicht in ihre Überlegungen einbezogen.
Angesichts des Umstandes, dass die Sachverständigen Dr. C und Dr. T1 die oben skizzierten - möglicherweise konkurrierenden - Ursachen für die bei der Klägerin ohne Zweifel vorhandenen Erkrankungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates nicht berücksichtigt haben, sah sich der Senat sich nicht in der Lage, von einer Verursachung dieser Erkrankungen durch die Makromastie auszugehen.
bb) Ohne dass es für die Entscheidung dieses Sachverhaltes darauf ankommt, dürfte auch manches dafür sprechen, dass die Mammareduktionsplastik nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und vor diesem Hintergrund auch im stationären Rahmen nicht zu Lasten der GKV erbracht werden darf.
Im Gegensatz zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung besteht hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung grundsätzlich eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (BSG Urteil v. 06.05.2009 - B 6 KA 1/08 R, BSGE 103, 106 Rn. 57). Das bedeutet aber lediglich, dass im stationären Bereich auf ein vorab durchzuführendes, zentralisiertes und generelles Prüfungsverfahren durch den GBA verzichtet wird. Gleichwohl müssen die anlässlich stationärer Krankenhausbehandlung angewandten Methoden dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, also dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechen (BSG Urteil v. 28.07.2008 - B 1 KR 5/08 R, insoweit unter Aufgabe von BSG Urteil v. 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R, BSGE 90, 289 = NZS 2004, 140; BSG Urteil v. 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R; BSG Urt. v. 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R).
(1) Eine valide und evidenzbasierte Studienlage, aus der sich ableiten ließe, dass die Mammareduktionsplastik dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, dürfte (immer noch) nicht vorliegen (vgl. auch Hessisches LSG, Urteil v. 09.02.2017 - L 1 KR 134/14, juris Rn. 22 ff.; LSG NRW, Urteil vom 24.01.2013 - L 16 KR 226). Auch wenn der Sachverständige Dr. C in seinem Gutachten über einige Studien und Anwendungsbeobachtungen referiert hat, dürfte es sich hierbei unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. T1 lediglich um solche der Evidenzklasse 3 handeln. Die Evidenzklasse 3 beschreibt eine "Evidenz aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller, deskriptiver Studien, wie z.B. Vergleichsstudien, Korrelation und Fall-Kontroll-Studien" und ist bei weitem nicht vergleichbar mit Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien (Evidenzklasse 1b) oder allgemein mit randomisierten, kontrollierten Studien der Evidenzklasse 1a.
(2) Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht unter Berücksichtigung des § 137c Abs. 3 SGB V. Danach dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach Abs. 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind (Satz 1). Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag bei dem GBA gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung durch den GBA noch nicht abgeschlossen ist (Satz 2).
Selbst wenn § 137c Abs. 3 Satz 1 SGB V seinem Wortlaut nach lediglich auf das "Potenzial" einer Behandlungsmethode abstellt und vor diesem Hintergrund die Schlussfolgerung gezogen werden könnte, die Zuordnung zur Evidenzklasse 3 spreche für ein solches Potenzial, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die grundsätzliche Ausrichtung der Leistungsansprüche Versicherter am Qualitätsgebot bei Krankenhausbehandlung aufweichen oder gar beseitigen wollte (vgl. BSG, Urteil v. 17.11.2015 - B 1 KR 15/15 R, NZS 2016, 301 Rn. 30).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG).
Tatbestand:
Streitig ist, ob die Klägerin zu Lasten der Beklagten eine Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik) beanspruchen kann.
Die 1959 geborene Klägerin ist bei der Beklagten gegen Krankheit versichert. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung; ferner ist bei ihr ein Grad der Behinderung von 50 anerkannt. Die Klägerin leidet im Wesentlichen unter einem chronisch-schmerzhaften Nacken-Schulter-Arm-Syndrom bei Verschleiß der Halswirbelsäule und Status nach operativer Behandlung im Bereich C5/6, einem Zustand nach operativer Behandlung bei Verschleißschäden an den Schultergelenken beidseits, einem Zustand nach Nervenkompressionsoperation am rechten Handgelenk, einem generalisierten Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie, einem Beckenschiefstand rechts, einer skoliotischen Fehlhaltung der Rumpfwirbelsäule mit Verschleiß sowie einem Gelenkverschleiß an den unteren Extremitäten. Darüber hinaus wurde bei ihr eine sog. Makromastie mit Ptosis sowie eine Adipositas diagnostiziert. Ein bereits im Jahr 2002 gestellter Antrag auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik blieb nach Einholung eines aufgrund ambulanter Untersuchung der Klägerin erstatteten Gutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 06.05.2002 erfolglos.
Am 07.07.2011 beantragte die Klägerin unter Vorlage ärztlicher Berichte erneut die Kostenübernahme für eine Mammareduktionsplastik, die im vollstationären Rahmen durchgeführt werden solle (drei bis fünf Behandlungstage).
Der von der Beklagten eingeschaltete MDK führte in einer nach Aktenlage verfassten Stellungnahme vom 07.07.2011 aus, dass bei der Klägerin bei einem Body-Mass-Index (BMI) von 30 Übergewicht vorliege. Da die Größe der Mammae mit dem Gewicht korreliere, sei zunächst Normgewicht herzustellen. Im Übrigen liege eine Asymmetrie der Mammae nicht vor. Gestützt auf diese Stellungnahme lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 13.07.2011).
Ihren hiergegen erhobenen Widerspruch begründete die Klägerin im Wesentlichen mit einem Bericht des sie behandelnden Neurochirurgen Dr. T vom 04.04.2012. Dr. T führte in diesem Bericht aus, dass die Klägerin seit ihrer Jugend unter Schulter-Nacken-Beschwerden in Kombination mit chronischen Kopfschmerzen leide. Aufgrund des bisherigen Verlaufs müsse von einer fortgeschrittenen Chronifizierung ausgegangen werden. Hierfür spreche, dass sich die Klägerin im November 2011 aufgrund eines Bandscheibenvorfalls im Bereich der Halswirbelsäule einer Operation habe unterziehen müssen. Führende Ursache für die anhaltenden Beschwerden sei die ausgeprägte physiologische Brustgröße, die zu einer ständigen Fehlbelastung führe und damit das chronische Leiden verursache.
Der erneut von der Beklagten beauftragte MDK teilte in einer weiteren nach Aktenlage verfassten Stellungnahme vom 14.05.2012 mit: Es sei nicht recht nachvollziehbar, dass das in den bisherigen medizinischen Stellungnahmen avisierte Resektionsgewicht von insgesamt 1,4 kg einen wesentlichen Einfluss auf die Wirbelsäulenstatik haben solle. Ausdrücklich müsse darauf hingewiesen werden, dass bisher jeder evidenzbasierte Nachweis eines kausalen Zusammenhangs zwischen Brustgewicht und Wirbelsäulenveränderungen fehle. Selbstverständlich könne es durch eine sternosymphysale Fehlhaltung zu Rückenschmerzen kommen. Unabhängig vom Brustgewicht sei die vorhandene Ptosis als Normvariante zu beurteilen und nicht als krankheitswertiger Befund. Eine therapieresistente Hautveränderung bestehe ebenfalls nicht. Insgesamt seien probate konservative Maßnahmen zur Stärkung der Rumpfmuskulatur, Haltungskorrekturen und ggf. eine Ausweitung der Schmerztherapie zu empfehlen.
Daraufhin wies die Beklagte den Widerspruch zurück und stützte sich auf die von ihr eingeholten Stellungnahmen des MDK. Unter Bezugnahme auf die bisher ergangene obergerichtliche Rechtsprechung vertrat sie ferner die Auffassung, dass bislang ein evidenzbasierter Nachweis, der eine Heilung oder zumindest Linderung von Erkrankungen der Wirbelsäule durch eine Korrektur der Mammae belegen könne, nicht existiere (Widerspruchsbescheid vom 12.07.2012 - Zugang: 18.07.2012).
Mit ihrer am 14.08.2012 erhobenen Klage hat die Klägerin vorgetragen: Nur durch die geplante Mammareduktionsplastik könnten die orthopädischen Veränderungen gestoppt und teure physiotherapeutische Behandlungen vermieden werden. Durch die große Brust sei die Muskulatur im Rücken und der Halswirbelsäule stets völlig verhärtet. Seit 10 Jahren leide sie unter sehr starken Dauerkopfschmerzen. Seit 2002 befinde sie sich in orthopädischer Behandlung und sei mit Heißluft, Strecken der Halswirbelsäule etc. behandelt worden. Bereits von 2003 bis 2010 sei sie in der Schmerzambulanz des Universitätsklinikums C in Behandlung gewesen und werde auch aktuell dort behandelt. Seit 2010 werde sie von einem Neurochirurgen betreut. Dieser habe ihr Schmerzmittel mit Hilfe eines Röntgengerätes in die Halswirbelsäule injiziert. Da die Behandlung ohne Erfolg verlaufen sei, sei die HWS vereist worden. Auch diese Behandlung habe keine Linderung gebracht. Im November 2011 sei ein Bandscheibenvorfall in der Halswirbelsäule operiert und eine Titanplatte eingesetzt worden. Von August 1994 bis Dezember 2008 habe sie regelmäßig physiotherapeutische Behandlungen verschiedener Art erhalten. Zudem besitze sie seit 2003 ein Tens-Gerät. Von November 2003 bis Januar 2004 habe sie sich einer ambulanten Maßnahme der medizinischen Rehabilitation unterzogen. Danach sei im Reha-Zentrum C eine FPZ-Maßnahme über 40 Einheiten durchgeführt worden. Bis ihr die Schmerzambulanz des Universitätsklinikums C davon abgeraten habe, habe sie ferner zweimal wöchentlich ein Fitnessstudio besucht. Zusätzlich gehe sie einmal wöchentlich zu dem Kurs Bauch/Beine/Po. Dies zeige, dass sie sämtliche konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft habe.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 zu verurteilen, die Kosten für eine Brustreduktions-OP an beiden Brüsten der Klägerin zu übernehmen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat ihre in dem angefochtenen Bescheid dargelegten Argumente vertieft.
Das Sozialgericht (SG) hat von Amts wegen Befundberichte von dem Neurochirurgen Dr. N und dem Orthopäden Dr. V eingeholt. Auf den Inhalt der Berichte vom 30.07.2013 und 31.07.2013 wird Bezug genommen.
Auf Anordnung des SG hat sodann der Arzt für Orthopädie, Chirurgie und Unfallchirurgie Dr. N1 ein Gutachten erstattet. In seinem Gutachten vom 17.01.2014 hat der Sachverständige ausgeführt: Bei der Klägerin liege zwar eine sog. Makromastie mit Ptose vor. Organbezogen handele es sich hierbei jedoch nicht um eine Krankheit. Für die chronisch vorhandene Schmerzproblematik auf dem Boden der dokumentierten Verschleißschäden solle neben einer anzustrebenden Gewichtsreduktion das erkrankungstypische Konzept der mediko-physikalischen Dauertherapie fortgeführt werden, bedarfsorientiert begleitet durch entsprechende Schmerzmedikation bzw. durch Anwendung des Tens-Gerätes. Es existierten keine wissenschaftlich fundierten Erkenntnisse im Hinblick auf eine tatsächlich nachweisbare Kausalität zwischen einer Makromastie und einem schmerzhaften Nacken-Schulter-Arm-Syndrom. Die zahlreichen Einzelinformationen zu den unterschiedlichen Erkrankungstatbeständen im Bereich des Nackens, des Schultergürtels und der Schultergelenke sowie der Rumpfwirbelsäule erklärten für sich allein bereits hinlänglich das chronisch-schmerzhafte Syndrom der Halswirbelsäule. Ferner sei auf die Operation der Halswirbelsäule im November 2011 zu verweisen. Jede operative Intervention an der eigentlich organisch gesunden Brust hinterlasse notwendigerweise Narbenfelder, die in Zukunft jedwede Mamma-Diagnostik erschwerten, abgesehen vom üblichen und typischen Operationsrisiko. Überdies sei zu berücksichtigen, dass das avisierte Resektionsgewicht von jeweils 700 g pro Seite in Relation zum Körpergewicht von aktuell 88 kg bei einer Größe von 1,67 m und im Verhältnis zu den umfänglichen degenerativen Veränderungen der Hals- und Rumpfwirbelsäule keine entscheidende Größe darstelle.
Auf Antrag der Klägerin hat sodann der Facharzt für Chirurgie, plastische und ästhetische Chirurgie, Handchirurgie Dr. C gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein weiteres Gutachten erstattet. In seinem Gutachten vom 02.10.2014 hat der Sachverständige Dr. C die Auffassung vertreten, dass es durch eine Mammareduktionsplastik mit einem zu veranschlagenden Resektionsgewicht von insgesamt 1,8 kg zu einer Entlastung der Wirbelsäule mit konsekutiver Schmerzreduktion im Bereich der bereits geschädigten Brustwirbelsäule sowie des Nacken-Schulter-Bereichs kommen werde. Überdies werde die körperliche Belastbarkeit, das Selbstwertgefühl und das Schlafverhalten verbessert. Nichtoperativen Maßnahmen, wie sie der Sachverständige Dr. N1 vorgeschlagen habe, habe sich die Klägerin bereits weitestgehend unterzogen. Allein durch eine Gewichtsreduktion werde die krankhaft asymmetrische Verteilung des Brustgewichtes nicht beeinflusst. Der bestehende BMI von 31 ziehe sich durch die gesamte Akte als Argument gegen eine Mammareduktionsplastik. Dass Übergewicht eine Kontraindikation darstelle, hätten jedoch mehreren Studien entkräftet. Die bei der Klägerin vorhandene Mammahypertrophie sei ebenfalls eine eigene Erkrankung, die bei ihr bereits als junger normgewichtiger Frau mit entsprechenden Sekundärbeschwerden aufgetreten sei. Allein durch die Korrektur der Brustmasse werde der bereits geschädigte Halteapparat im Bereich Brust- und Halswirbelsäule nennenswert entlastet. In einer in einem orthopädischen Journal veröffentlichten Studie von 2012 hätten 339 Frauen einen Fragebogen beantwortet. Es seien die Brustgröße, die BH-Größe sowie Schulter- und Armschmerzen erfragt worden. In den Antworten habe sich eine signifikante positive Korrelation zwischen Schulter-Nacken-Schmerzen und Cup-Größe ergeben. Die Irrtumswahrscheinlichkeit habe bei unter 5 Prozent gelegen. Auch andere Literaturquellen zeigten einen negativen Einfluss einer großen Brust auf die Haltung. Im kanadischen Journal für plastische Chirurgie sei eine signifikante Reduktion der Schmerzen im Nacken-Rücken-Schulter und Armbereich nach erfolgter Brustreduktion nachgewiesen. Bei den Probanden sei es durch die Brustverkleinerung außerdem zu einer Verbesserung der Körperhaltung gekommen.
Anschließend hat das SG von Amts wegen ein weiteres Gutachten von dem Facharzt für Orthopädie Dr. T1 vom 17.02.2015 eingeholt. Die bei der Klägerin im Bereich des Rückens, des Nackens und der Schulter sowie im Bereich der Brust vorliegenden Gesundheitsstörungen stellten einen regelwidrigen Körperzustand dar. Die gewünschte Operation stelle eine Behandlung dar, die unmittelbar an der Krankheit ansetze, wobei die vorhandene Makromastie nicht mit der Stammadipositas in Verbindung stehe. Zwar werde immer wieder darauf hingewiesen, dass kein wissenschaftlich untermauerter Nachweis dafür existiere, dass die Makromastie mit Beschwerden und Verspannungen im Bereich der Hals- und Brustwirbelsäule zusammenhänge. Dabei sei es zutreffend, dass bei Gewichtung der entsprechenden wissenschaftlichen Untersuchungen die Evidenzklasse 1 oder 2 nicht vergeben werden könne. Dies treffe jedoch auf die meisten orthopädischen Behandlungsmethoden zu. Die Evidenzklasse im Hinblick auf einen Zusammenhang zwischen Makromastie und Beschwerden in der Hals- und Brustwirbelsäule sei mit 3 einzustufen. Sie bewege sich also ungefähr auf dem Niveau der Evidenzklasse der in der Orthopädie allgemein verbreiteten Akupunkturbehandlung. Zur Stellung einer Operationsindikation reiche die Evidenzklasse 3 aus orthopädischer Sicht völlig aus. Das von Dr. C errechnete Reduktionsgewicht bewirke schon aus mechanischen Gründen eine Entlastung des Schultergürtels.
Nach Kritik der Beklagten hat der Sachverständige Dr. T1 unter dem 03.05.2015 ergänzend ausgeführt: Bei der Klägerin seien konkurrierende Faktoren zur Entstehung des Beschwerdebildes auszuschließen, so dass dies den Pathomechanismus bestätige, der über die Schwerpunktverlagerung nach ventral durch die Makromastie zu einer Überlastung des muskulären ligamentären Halteapparates der Hals- und Brustwirbelsäule führe. In der gesamten einschlägigen Literatur sei kein einziger Artikel zu finden, der einen Kausalzusammenhang zwischen einer Makromastie und einem cervikalen und dorsalen Schmerzsyndrom von vornherein ausschließe. Es sei lediglich so, dass nach den Regeln der evidenzbasierten Medizin noch keine Studien vorlägen, die dem höchsten wissenschaftlichen Standard entsprächen. Was die Ausschöpfung der konservativen Behandlung mittels Heilmittel angehe, so könnten durch Physiotherapie orthopädische Beschwerden zwar gelindert werden. Unter optimalen Bedingungen sei auch damit zu rechnen, dass sich die Beschwerden der Klägerin durch intensive physikalisch-therapeutische Behandlungsmaßnahmen zunächst kurzzeitig bessern könnten. Die krankheitsauslösende Ursache, nämlich die Fehlstatik durch Verlagerung des Körperschwerpunktes nach vorne, könne hierdurch jedoch nicht beeinflusst werden.
Durch Urteil vom 04.09.2015 hat das SG die Klage abgewiesen. Aktuell könnten zur Qualität und Wirksamkeit von Brustresektionsoperationen zur Bekämpfung von orthopädischen Beschwerden keine zuverlässigen, wissenschaftlich nachprüfbaren Aussagen getroffen werden. Denn es fehlten wissenschaftlich einwandfrei durchgeführte Studien über die Wirksamkeit der Methode. Insoweit sei den übereinstimmenden Feststellungen der Sachverständigen Dr. N1 und Dr. T1 zu folgen. Auch letzterer habe eingeräumt, dass Studien der Evidenzklasse 1 und 2 diesbezüglich nicht vorlägen. Aus einer Vielzahl entschiedener Parallelfälle sei der Kammer bekannt, dass die Kausalität zwischen einem hohen Brustgewicht und orthopädischen Leiden (insbesondere bei einem gleichzeitig bestehenden Übergewicht) unter Orthopäden heftig umstritten sei; ein Konsens in der Fachwelt bestehe insoweit nicht. Es sei außerdem nicht nachvollziehbar, inwieweit eine Resektion von 1,4 kg Brustgewebe bei einem gleichzeitigen Übergewicht von etwa 15 kg einen entscheidenden und wesentlichen Einfluss auf die bei der Klägerin bestehenden mannigfaltigen orthopädischen Beschwerden haben könne.
Gegen das ihr am 16.10.2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 26.10.2015 Berufung eingelegt. Sie hält an ihrer erstinstanzlich vertretenen Auffassung fest und trägt vor: Es dürfte unstreitig sein, dass eine Mammareduktionsplastik zu einer schnellen Entlastung von Hals- und Brustwirbelsäule führe. Ein operativer Eingriff sei die schnellste und effizienteste Maßnahme, die medizinisch und ethisch vertretbar sei, um sie von ihren Beschwerden zu befreien. Die bislang alternativ genannten Behandlungsmethoden beruhten ebenfalls nicht auf wissenschaftlich fundierten Erkenntnissen.
Die Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Köln vom 04.09.2015 zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 13.07.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 12.07.2012 zu verurteilen, ihr eine Mammareduktionsplastik zu gewähren.
Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil.
Weiterer Einzelheiten wegen wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden (§ 153 Abs. 1 i.V.m. § 124 Abs. 2 SGG), nachdem sich die Beteiligten damit übereinstimmend einverstanden erklärt haben (Schriftsätze vom 01.03.2017 und 03.03.2017).
Die Berufung ist unbegründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, weil die Klägerin gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) hat und somit durch den angefochtenen Bescheid nicht im Sinne des § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert wird.
1. Rechtsgrundlage für die von der Klägerin beanspruchte Sachleistung ist § 27 Abs. 1 Satz 1 des Fünften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB V). Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn diese notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Leistungspflicht der GKV setzt mithin das Vorliegen einer Krankheit voraus. Damit wird ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand umschrieben, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (BSG, Urteil v. 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R, BSGE 93, 252; Nolte in: Kasseler Kommentar, § 27 SGB V Rn. 12 ff. m.w.N.). Auch mittelbar wirkende Therapien werden grundsätzlich vom Leistungsanspruch erfasst, sofern sie ausreichend, wirksam und zweckmäßig sind und den allgemein anerkannten wissenschaftlichen Erkenntnissen entsprechen. Wird allerdings im Rahmen einer mittelbar ansetzenden Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, bedarf es hierfür einer besonderen Rechtfertigung (BSG, Urteil v. 19.02.2003 - Az.: B 1 KR 1/02 R, BSGE 90, 289).
a) Dass im Bereich der Mammae der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand im Sinne der vorbezeichneten Grundsätze gegeben ist, lässt sich nicht feststellen. Zwar sind sowohl der Sachverständige Dr. C als auch der Sachverständige Dr. T1 in ihren Gutachten davon ausgegangen, dass die Brust der Klägerin krankhaft vergrößert sei. Allerdings sind diese Sachverständigen eine nachvollziehbare Begründung für die Annahme, dass eine übermäßig vergrößerte Brust für sich genommen einen krankhaften Befund darstellen soll, schuldig geblieben. Zu berücksichtigen ist ferner, dass der im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren gehörte MDK und im erstinstanzlichen Verfahren der Sachverständige Dr. N1 Funktionsmängel der Mammae etwa wegen fehlenden Drüsengewebes nicht beschrieben haben.
Ebenso wenig ist davon auszugehen, dass aufgrund der vergrößerten Brüste der Klägerin bereits von einer Entstellung auszugehen ist (zur Entstellung vgl. BSG, Urteil v. 28.02.2008 - B 1 KR 19/07 R). Dies hat die Klägerin auch nicht geltend gemacht.
b) Therapieresistente Hautveränderungen, die nur mit den Mitteln einer Mammareduktionsplastik geheilt oder gelindert werden könnten, liegen nach dem Gesamtergebnis der Beweisaufnahme, insbesondere unter Berücksichtigung der Ausführungen des MDK in der Stellungnahme vom 14.05.2012 und des Sachverständigen Dr. C, ebenfalls nicht vor.
c) Erkrankungen liegen bei der Klägerin jedoch im Hinblick auf die bei ihr vorhandenen Beschwerden auf orthopädischem Fachgebiet vor. Insoweit haben sämtliche gehörte Sachverständige im Wesentlichen übereinstimmende Diagnosen gestellt. Danach leidet die Klägerin im Bereich der Wirbelsäule unter einem chronischen-schmerzhaften Nacken-Schulter-Arm-Syndrom bei Verschleiß der Halswirbelsäule und Status nach operativer Behandlung im Bereich C5/6, einem generalisierten Schmerzsyndrom bei Fibromyalgie sowie einer skoliotischen Fehlhaltung der Rumpfwirbelsäule mit Verschleiß. Zur Überzeugung des Senats ist zur Heilung bzw. Linderung dieser Krankheiten eine Mammareduktionsplastik jedoch nicht medizinisch notwendig, weil diese Behandlungsziele nicht ausschließlich durch eine solche Operation erreicht werden können.
Von Bedeutung ist, dass die beabsichtigte Operation nur mittelbar der Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet vorliegenden Erkrankungen dienen soll. Wie bereits dargestellt, können auch solche Maßnahmen notwendig und zweckmäßig im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V sein, wenn sie gezielt der Krankheitsbekämpfung dienen. Da es sich jedoch um einen Eingriff an einem funktionell intakten Organ handelt, bedarf es hierfür einer besonderen Rechtfertigung. Dabei sind Art und Schwere der Erkrankung, das Risiko und der Nutzen der Therapie gegeneinander abzuwägen. Im Rahmen des Abwägungsvorgangs kann von Bedeutung sein, ob es sich bei der Operation um die ultima ratio handelt (BSG, Urteil v. 19.02.2003 - Az.: B 1 KR 1/02 R, BSGE 90, 289).
aa) Wenngleich sich die Klägerin in der Vergangenheit ohne Zweifel zahlreichen ärztlichen, physikalischen und krankengymnastischen Behandlungsmaßnahmen unterzogen und zudem regelmäßig zwei- bis dreimal wöchentlich sportliche Aktivitäten entfaltet hat, konnte sich der Senat nicht die Überzeugung verschaffen, dass sich die geltend gemachte Mammareduktionsplastik als zweckmäßig im Sinne des § 12 Abs. 1 SGB V darstellt. Das ergibt sich aus den Feststellungen des Sachverständigen Dr. N1 und des im Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren sowie im Rahmen des Erstantrages im Jahr 2002 gehörten MDK.
(1) Der Sachverständige Dr. N1 hat in seinem erstinstanzlich erstatteten Gutachten im Wesentlichen darauf abgestellt, dass die bei der Klägerin vorhandenen zahlreichen Erkrankungen im Bereich des Nackens, des Schultergürtels und der Schultergelenke bzw. der Rumpfwirbelsäule mit daraus resultierenden Behandlungsnotwendigkeiten seit 1981 bereits für sich allein hinlänglich das chronisch-schmerzhafte Syndrom der Halswirbelsäule erklärten. Darüber hinaus bestehe bei der Klägerin bei einer Größe von 1,67 m und einem Körpergewicht von 88 kg ein Übergewicht. Angesichts dessen sei nicht recht nachvollziehbar, dass das avisierte Resektionsgewicht von je 700 g pro Seite in Relation zu diesem Übergewicht und in Relation zu den degenerativen Veränderungen der Hals- und Rumpfwirbelsäule eine entscheidende Größe darstellen solle. Vergleichbare Aussagen hat der MDK in seinen Stellungnahmen vom 06.05.2002, 07.07.2011 und 14.05.2012 getroffen. Insbesondere in dem anlässlich des Erstantrages auf Gewährung einer Mammareduktionsplastik erstatteten Gutachten vom 06.05.2002 hat der MDK nachvollziehbar dargelegt, dass die ohne Zweifel bei der Klägerin vorhandenen Erkrankungen bei einem nicht lotrechten Aufbau der Wirbelsäule mit erkennbaren skoliotischen Abweichungen und Beckenschiefstand rechts durch den Befund der Mammae nicht nachvollziehbar seien.
(2) Im Gegensatz hierzu haben Dr. C und Dr. T1 zwar die Auffassung vertreten, dass sich die geklagten Beschwerden ohne weiteres aus der Makromastie ableiten ließen, so dass sich eine Mammareduktionsplastik als Mittel der Wahl darstelle. Dr. C hat hierzu ausgeführt, dass insbesondere die Studienlage für eine Ursächlichkeit der übergroßen Mammae für die degenerativen Veränderungen insbesondere im Bereich der Halswirbelsäule spreche. Er ist unter Berücksichtigung der von ihm referierten Studienlage ferner davon ausgegangen, dass das bei der Klägerin vorhandene Übergewicht jedenfalls keine Kontraindikation gegen eine Mammareduktionsplastik darstelle. Vergleichbare Schlussfolgerungen hat der Sachverständige Dr. T1 gezogen und ausgeführt, dass die bei der Klägerin vorhandene Fehlstatik durch die Makromastie im Sinne einer Schwerpunktverlagerung nach ventral verursacht werde. Die Studienlage sei zwar allenfalls mit Evidenzklasse 3 zu qualifizieren. Dies reiche jedoch völlig aus, weil die meisten orthopädischen Behandlungsmaßnahmen - insbesondere auch die vom Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) positiv bewertete Akupunktur - allenfalls Evidenzklasse 3 erreichten.
(3) Der Senat vermag den Schlussfolgerungen der Sachverständigen Dr. C und Dr. T1 nicht zu folgen. Die Ausführungen des Sachverständigen Dr. C beziehen sich - abgesehen von der Befund- und Diagnoseerhebung - nahezu ausschließlich auf die von ihm zitierte Studienlage ohne konkreten Bezug zu dem bei der Klägerin vorhandenen Krankheitsgeschehen. Auch der Sachverständige Dr. T1 geht ohne nähere Prüfung von Alternativursachen davon aus, dass ausschließlich die Makromastie die bei der Klägerin vorhandenen Gesundheitsstörungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates verursachten. Beide Sachverständige lassen jedoch die von dem Sachverständigen Dr. N1 und dem MDK in ihren Erwägungen einbezogene Skoliose völlig außer Betracht. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass nicht nur in den Stellungnahmen des MDK und in dem Gutachten des Dr. N1, sondern auch in einem radiologischen Befundbericht des Medizinischen Versorgungszentrums L vom 20.06.2013 ausdrücklich eine bogenförmige, rechtskonvexe Skoliose im unteren Abschnitt der Halswirbelsäule mit linkskonvexem Gegenschwung im Bereich der mit dargestellten oberen Brustwirbelsäule beschrieben wird. Entgegen den von Dr. T1 gezogenen Schlussfolgerungen reicht es angesichts dieses Befundes nicht aus, ohne nähere Begründung darauf abzustellen, dass die Fehlstatik durch die Makromastie aufgrund einer Schwerpunktverlagerung nach ventral verursacht werde, zumal der MDK bereits in seiner Stellungnahme vom 06.05.2002 über die Skoliose berichtet und außerdem mitgeteilt hat, dass ein Beckenschiefstand rechts bestehe.
Ebenso wenig haben die Sachverständigen Dr. T1 und Dr. C die Ausführungen der Klinik und Poliklinik für Anästhesiologie und operative Intensivmedizin in einem Bericht vom 31.01.2008 über einen stationären Aufenthalt der Klägerin vom 15.01.2008 bis 31.01.2008 berücksichtigt. In diesem Bericht werden zwar für den Stütz- und Bewegungsapparat vergleichbare Diagnosen erhoben wie sie sämtliche gehörte Sachverständige, die behandelnden Ärzte und auch der MDK mitgeteilt haben. Darüber hinaus werden jedoch bei der Klägerin ein depressives Syndrom sowie ein Verdacht auf psychosomatische Beeinflussung der Schmerzsymptomatik diagnostiziert. Hierzu wird ausgeführt, dass sich im Verlauf der im Rahmen des stationären Aufenthaltes geführten Gespräche eine deutliche Abhängigkeit der Schmerzsymptomatik durch Stresssituationen gezeigt habe. Diese - möglicherweise psychisch bedingten - (Mit-) Ursachen haben Dr. C und Dr. T1 (allerdings auch Dr. N1) nicht in ihre Überlegungen einbezogen.
Angesichts des Umstandes, dass die Sachverständigen Dr. C und Dr. T1 die oben skizzierten - möglicherweise konkurrierenden - Ursachen für die bei der Klägerin ohne Zweifel vorhandenen Erkrankungen im Bereich des Stütz- und Bewegungsapparates nicht berücksichtigt haben, sah sich der Senat sich nicht in der Lage, von einer Verursachung dieser Erkrankungen durch die Makromastie auszugehen.
bb) Ohne dass es für die Entscheidung dieses Sachverhaltes darauf ankommt, dürfte auch manches dafür sprechen, dass die Mammareduktionsplastik nicht dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht und vor diesem Hintergrund auch im stationären Rahmen nicht zu Lasten der GKV erbracht werden darf.
Im Gegensatz zur ambulanten vertragsärztlichen Versorgung besteht hinsichtlich neuer Untersuchungs- und Behandlungsmethoden im Rahmen der stationären Krankenhausbehandlung grundsätzlich eine Erlaubnis mit Verbotsvorbehalt (BSG Urteil v. 06.05.2009 - B 6 KA 1/08 R, BSGE 103, 106 Rn. 57). Das bedeutet aber lediglich, dass im stationären Bereich auf ein vorab durchzuführendes, zentralisiertes und generelles Prüfungsverfahren durch den GBA verzichtet wird. Gleichwohl müssen die anlässlich stationärer Krankenhausbehandlung angewandten Methoden dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse, also dem Qualitätsgebot des § 2 Abs. 1 Satz 3 SGB V entsprechen (BSG Urteil v. 28.07.2008 - B 1 KR 5/08 R, insoweit unter Aufgabe von BSG Urteil v. 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R, BSGE 90, 289 = NZS 2004, 140; BSG Urteil v. 18.12.2012 - B 1 KR 34/12 R; BSG Urt. v. 21.03.2013 - B 3 KR 2/12 R).
(1) Eine valide und evidenzbasierte Studienlage, aus der sich ableiten ließe, dass die Mammareduktionsplastik dem allgemeinen Stand der medizinischen Erkenntnisse entspricht, dürfte (immer noch) nicht vorliegen (vgl. auch Hessisches LSG, Urteil v. 09.02.2017 - L 1 KR 134/14, juris Rn. 22 ff.; LSG NRW, Urteil vom 24.01.2013 - L 16 KR 226). Auch wenn der Sachverständige Dr. C in seinem Gutachten über einige Studien und Anwendungsbeobachtungen referiert hat, dürfte es sich hierbei unter Berücksichtigung der Ausführungen des Sachverständigen Dr. T1 lediglich um solche der Evidenzklasse 3 handeln. Die Evidenzklasse 3 beschreibt eine "Evidenz aufgrund gut angelegter, nicht experimenteller, deskriptiver Studien, wie z.B. Vergleichsstudien, Korrelation und Fall-Kontroll-Studien" und ist bei weitem nicht vergleichbar mit Metaanalysen randomisierter, kontrollierter Studien (Evidenzklasse 1b) oder allgemein mit randomisierten, kontrollierten Studien der Evidenzklasse 1a.
(2) Ein anderes Ergebnis ergibt sich nicht unter Berücksichtigung des § 137c Abs. 3 SGB V. Danach dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der GBA bisher keine Entscheidung nach Abs. 1 getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig sind (Satz 1). Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag bei dem GBA gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung durch den GBA noch nicht abgeschlossen ist (Satz 2).
Selbst wenn § 137c Abs. 3 Satz 1 SGB V seinem Wortlaut nach lediglich auf das "Potenzial" einer Behandlungsmethode abstellt und vor diesem Hintergrund die Schlussfolgerung gezogen werden könnte, die Zuordnung zur Evidenzklasse 3 spreche für ein solches Potenzial, ist nichts dafür ersichtlich, dass der Gesetzgeber die grundsätzliche Ausrichtung der Leistungsansprüche Versicherter am Qualitätsgebot bei Krankenhausbehandlung aufweichen oder gar beseitigen wollte (vgl. BSG, Urteil v. 17.11.2015 - B 1 KR 15/15 R, NZS 2016, 301 Rn. 30).
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
3. Anlass, die Revision zuzulassen, hat nicht bestanden (§ 160 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
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