L 9 AS 3842/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 18 AS 3963/17
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 AS 3842/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2017 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist ein Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) für den Monat Juli 2017 als Zuschuss statt als Darlehen streitig.

Auf ihren Antrag vom 20.06.2016 gewährte der Beklagte der am 28.02.1967 geborenen Klägerin mit Bescheid vom 13.07.2016 ab dem 01.08.2016 bis zum 31.07.2017 Leistungen in Höhe von monatlich 840,00 EUR und mit Bescheid vom 21.07.2016 für Juli 2016 in Höhe von 30,40 EUR; mit Änderungsbescheid vom 16.09.2016 wurden für die Zeit vom 01.10.2016 bis 31.07.2017 monatlich 859,00 EUR, mit Änderungsbescheid vom 23.02.2017 für die Zeit vom 01.03.2017 bis 31.07.2017 monatlich 875,00 EUR gewährt. Mit weiterem Änderungsbescheid vom 07.03.2017 gewährte der Beklagte für März 2017 Leistungen in Höhe von 955,00 EUR und für April bis Juli 2017 in Höhe von 870,00 EUR (409,00 EUR Regelbedarf und 546,00 EUR Kosten für Unterkunft und Heizung).

Im Rahmen eines Klageverfahrens vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG, Az. S 2 R 1255/16) gewährte die Deutsche Rentenversicherung (DRV) Bund der Klägerin im Wege einer vergleichsweisen Einigung Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit auf der Grundlage eines Leistungsfalls vom 08.12.2016 ab 01.07.2017 bis 31.12.2019. Mit Bescheid vom 08.05.2017 gewährte die DRV Bund der Klägerin Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.07.2017 bis 31.12.2019 in Höhe von monatlich 1.014,98 EUR, wovon nach Abzug des Beitragsanteils zur Krankenversicherung (74,09 EUR), des Zusatzbeitrags zur Krankenkasse (10,15 EUR) und des Beitrags zur Pflegeversicherung (25,88 EUR) ein monatlicher Zahlbetrag in Höhe von 904,86 EUR verblieb. Zur Begründung führte die DRV Bund aus, der Rentenanspruch sei zeitlich begrenzt, weil es nach den medizinischen Untersuchungsbefunden nicht unwahrscheinlich sei, dass die volle Erwerbsminderung behoben werden könne.

Mit Bescheid vom 15.05.2017 hob der Beklagte die Bescheide vom 16.09.2016, 21.07.2016 und 23.02.2017 ab dem 01.07.2017 ganz auf. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin sei weggefallen. Sie sei nicht mehr in der Lage, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein.

Im Rahmen einer telefonischen Vorsprache beantragte die Klägerin am 18.05.2017 die Gewährung eines Darlehens für den Monat Juli 2017.

Mit Bescheid vom 18.05.2017 gewährte der Beklagte der Klägerin Leistungen für den Monat Juli 2017 in Höhe von 870,00 EUR als zinsloses Darlehen. Außerdem verfügte der Beklagte unter Ziff. 2 des Bescheides, dass das Darlehen am 31.08.2017 in voller Höhe zurückzuzahlen sei. Zur Begründung wurde ausgeführt, die Klägerin beziehe ab dem 01.07.2017 Rente. Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts könnten als Darlehen erbracht werden, soweit in dem Monat, für den die Leistungen erbracht werden, voraussichtlich Einnahmen anfielen und dadurch die Hilfebedürftigkeit entfalle. Bei dieser Entscheidung sei von dem eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse gebührend berücksichtigt worden.

Hiergegen legte die Klägerin am 22.06.2015 Widerspruch ein und führte aus, die darlehensweise Gewährung sei rechtswidrig. Die bewilligte Rente werde erstmals zum Monatsende Juli 2017 ausgezahlt. Für den gesamten Monat bestehe daher eine Versorgungslücke, die sie nicht überbrücken könne. Die Rente für Juli 2017 müsse sie später für den Lebensunterhalt im August 2017 einsetzen. Für den Monat des Renteneintritts seien daher weiterhin vorbehaltslos Leistungen zu gewähren. Außerdem habe sie aufgrund des Änderungsbescheids vom 07.03.2017 weiterhin Anspruch auf Leistungen, da dieser noch nicht wirksam aufgehoben worden sei.

Mit Widerspruchsbescheid vom 28.06.2017 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Aufgrund der ab 01.07.2017 bewilligten Rente wegen voller Erwerbsminderung erfülle die Klägerin die Voraussetzungen für Leistungen nach dem SGB II nicht mehr; es sei daher nur noch eine darlehensweise Leistungsgewährung für den Monat Juli 2017 möglich gewesen.

Mit Zahlungsaufforderung vom 28.06.2017 forderte der Beklagte die Klägerin auf, den Betrag in Höhe von 870,00 EUR bis zum 31.08.2017 zu erstatten.

Mit Bescheid vom 02.08.2017 hob der Beklagte Bescheide vom 13.07.2016, 16.09.2016, 26.11.2016, 23.02.2017 und 07.03.2017 und die Leistungsbewilligung ab dem 01.07.2017 ganz auf.

Am 13.07.2017 hat die Klägerin Klage zum SG erhoben und zugleich Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes (S 18 AS 3964/17 ER) gestellt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, von dem Beklagten massiv unter Druck gesetzt worden zu sein, damit sie den von der DRV Bund angebotenen Vergleich annehme. Sie selbst sei der Ansicht, dass sie bereits zu einem früheren Zeitpunkt Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung gehabt habe. Der Leistungsausschluss sei so lange nicht eingetreten, als die Rente nicht ausgezahlt worden sei. Die Rente werde erst zum Monatsende ausgezahlt, bis dahin seien ihr weiterhin Leistungen zu gewähren. Die darlehensweise Gewährung von Leistungen sei offensichtlich rechtswidrig und verstoße gegen die Menschenwürde und das Sozialstaatsprinzip.

Mit Beschluss vom 25.08.2017 hat das SG den Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 18.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.06.2017 abgelehnt.

Nach vorheriger Anhörung hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 25.08.2017 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, es sei nur darüber zu befinden gewesen, ob die zugebilligten Darlehensleistungen als Zuschuss hätten erbracht werden müssen. Höhere SGB II-Leistungen seien nicht im Streit. Da der Beklagte bereits geleistet habe und deshalb nicht erneut zur Leistung verurteilt werden könne, müsse gegebenenfalls lediglich der Rechtsgrund der Zahlung (Zuschuss statt Darlehen) verändert werden. Die Klägerin habe im Juli 2017 die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen nach § 7 Abs. 1 SGB II nicht erfüllt, weil sie unstreitig im Juli 2017 voll erwerbsgemindert gewesen sei. Inwieweit überhaupt ein Anspruch auf eine darlehensweise Leistungsgewährung auf der Grundlage von § 24 Abs. 4 SGB II bestanden habe - und zur Überbrückung ein Darlehen nach § 38 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) beim zuständigen Sozialhilfeträger zu beantragen gewesen wäre -, könne aufgrund des Verbots der reformatio in peius offen bleiben. Ein darüber hinausgehender Anspruch auf Gewährung der Leistungen als Zuschuss bestehe jedenfalls nicht.

Gegen den ihr am 01.09.2017 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 02.10.2017, einem Montag, Berufung eingelegt. Zur Berufungsbegründung hat sie ihr bisheriges Vorbringen wiederholt und vertieft.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 25. August 2017 aufzuheben und den Beklagten unter Abänderung des Bescheids vom 18. Mai 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28. Juni 2017 zu verurteilen, ihr die für Juli 2017 erbrachten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts als Zuschuss zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der beigezogenen Verwaltungsakten des Beklagten und der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Der angefochtene Gerichtsbescheid des SG vom 25.08.2017 ist nicht zu beanstanden. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 18.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 28.06.2017, mit dem der Beklagte die begehrten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für den Monat Juli 2017 als Darlehen bewilligt hat. Die hiergegen gerichtete Klage ist als Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§§ 54 Abs. 1, 56 SGG) zulässig, weil die angefochtenen Bescheide des Beklagten den Verfügungssatz enthalten, dass die Leistungen lediglich als Darlehen bewilligt werden (vgl. BSG, Urteile vom 13.11.2008, B 14 AS 36/07 R, vom 27.01.2009, B 14 AS 42/07 R, und vom 18.02.2010, B 4 AS 5/09 R, jeweils Juris). Nach dem Antrag der Klägerin ist nicht über höhere Leistungen nach dem SGB II zu befinden, sondern nur darüber, ob die zugebilligten Darlehensleistungen als Zuschuss hätten erbracht werden müssen. Da der Beklagte bereits geleistet hat und deshalb nicht erneut zur Leistung verurteilt werden kann, muss lediglich der Rechtsgrund der Zahlung (Zuschuss statt Darlehen) verändert werden (BSG, Urteile vom 06.08.2014, B 4 AS 57/13 R und vom 19.05.2009, B 8 SO 7/08 R, Juris) Auch für diesen geltend gemachten Anspruch auf Umwandlung der Leistungen in eine zuschussweise Bewilligung von SGB II-Leistungen gilt, dass grundsätzlich alle Anspruchsvoraussetzungen dem Grunde und der Höhe nach unter jedem rechtlichen Gesichtspunkt zu prüfen sind (BSG, Urteil vom 13.11.2008, B 4 AS 5/09 R, Juris).

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen lagen im Juli 2017 nicht mehr vor. Leistungen nach dem SGB II erhalten nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig sind, hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (erwerbsfähige Hilfebedürftige). Die am 28.02.1967 geborene Klägerin hatte im Juli 2017 ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, sie war aber nicht erwerbsfähig. Erwerbsfähig ist nach der Definition des § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Eine Einschränkung des gesundheitlichen Leistungsvermögens auf unter drei Stunden wurde durch die DRV Bund jedenfalls ab dem von ihr angenommenen Leistungsfall am 08.12.2016 festgestellt und war Grundlage der Gewährung einer von der Arbeitsmarktlage unabhängigen Rente wegen voller Erwerbsminderung ab dem 01.07.2017. Die Erwerbsfähigkeit der Klägerin war daher im Juli 2017 nicht mehr gegeben, was auch von dieser nicht bestritten wird. Ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II bestand nicht.

Auf die Frage, ob die erste Rentenzahlung noch im Juli 2017 - was die Klägerin in der mündlichen Verhandlung allerdings bestätigt hat - zugeflossen ist und damit auch die Hilfebedürftigkeit der Klägerin nicht mehr bestand, da laufende Einnahmen in dem Monat zu berücksichtigen sind, in dem sie zufließen (zum Zuflussprinzip vgl. nur BSG, Urteil vom 30.07.2008, B 14 AS 26/07 R, Juris), auch wenn der Zufluss erst am letzten Tag des Monats erfolgt sein sollte (vgl. dazu BSG, Urteil vom 17.07.2014, B 14 AS 25/13, Juris), kommt es unter diesen Umständen nicht an.

Die Berufung war daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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