L 12 AS 2259/13 B

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Köln (NRW)
Aktenzeichen
S 6 AS 3506/13
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 12 AS 2259/13 B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Köln vom 20.11.2013 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

In dem der Prozesskostenhilfebewilligung (PKH) zugrundeliegenden Klageverfahren streiten die Beteiligten über die Rechtmäßigkeit der Aufrechnung einer Darlehensrückforderung mit laufenden Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch (SGB) II während eines Insolvenzverfahrens.

Der 1962 geborene Kläger stand bis 31.07.2013 im Bezug von Leistungen nach dem SGB II. Der Beklagte bewilligte ihm ein Darlehen in Höhe von 4.227,77 EUR zur Begleichung von Energierückständen (Bescheid vom 20.10.2009). Der Bescheid enthielt die Regelung, dass die Rückzahlung durch monatliche Aufrechnung in Höhe von 35,00 EUR mit dem laufenden Anspruch auf Regelleistungen erfolgen solle, tatsächlich wurde in Höhe von 50 Euro aufgerechnet. Am 30.01.2012 erfolgte durch Beschluss des Amtsgerichts Köln die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Klägers wegen Zahlungsunfähigkeit.

Am 11.04.2013 beantragte er eine Überprüfung der laufenden Aufrechnung in Höhe von 50,00 EUR monatlich und begehrt die Einstellung der Aufrechnung und Erstattung der aufgerechneten Beträge seit Januar 2012. Im Insolvenzverfahren seien auch offene Forderungen des Beklagten erfasst.

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 07.06.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.09.2013 den Antrag ab. Im Widerspruchsbescheid reduzierte der Beklagte die monatliche Aufrechnung ab 01.01.2012 auf 35,00 EUR da sie nur in dieser Höhe gesetzlich zulässig sei. Der Überprüfungsantrag wurde mit der Begründung abgelehnt, das Darlehen vom Oktober 2009 sei nicht mit in die Insolvenzmasse eingeflossen, daher sei eine weitere Aufrechnung nach § 94 der Insolvenzordnung (InsO) möglich.

Hiergegen richtet sich die am 11.09.2013 vor dem Sozialgericht Köln erhobene Klage, mit der der Kläger sein Begehren weiter verfolgt. Die Aussetzung der monatlichen Rückzahlung sei nach der InsO zwingend notwendig, da anderenfalls Gläubigerbenachteiligung bestehe. Das Darlehen sei mit in die Insolvenzmasse eingeflossen.

Mit Beschluss vom 20.11.2013 hat das Sozialgericht die für die Durchführung des Klageverfahrens beantragte Bewilligung von PKH abgelehnt. Das Verfahren habe nach §§ 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG), 114ff. Zivilprozessordnung (ZPO) keine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die vorgenommene Aufrechnung zur Rückzahlung der Darlehensforderung in Höhe von 35,00 EUR monatlich (10 % des maßgeblichen Regelbedarfs (§ 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II)) sei rechtmäßig. Entgegen der Auffassung des Klägers sei die Aufrechnung nicht durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.01.2012 und der damit zur Anwendung kommenden Vorschriften der InsO ausgeschlossen. Mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens habe der Kläger zwar grundsätzlich die Möglichkeit verloren, über die nach § 35 InsO zur Vermögensmasse gehörenden Vermögensgegenstände oder Vermögenswerte zu verfügen, jedoch seien gem. § 36 Abs. 1 InsO lediglich pfändbare Forderungen des Gemeinschuldners Vermögensbestandteil der Insolvenzmasse. Nach § 36 Abs. 1 Satz 2 InsO gelte § 850c ZPO entsprechend. Danach unterfalle der Anspruch des Klägers auf ALG II in Höhe von 857,66 EUR monatlich (Bescheid vom 29.11.2011) für die Zeit vom 01.01.2012 bis 30.06.2012 und nachfolgend in Höhe von 865,66 EUR monatlich (Bescheid vom 27.11.2012) nicht dem Insolvenzverfahren, denn die Pfändungsfreigrenzen des § 850c ZPO würden nicht überschritten. Der Anspruch des Klägers auf ALG II gehöre nicht zur Insolvenzmasse und sei dem Zugriff der Insolvenzgläubiger von vorn herein entzogen, so dass auch keine Gläubigerbenachteiligung in Betracht komme.

Der Beschluss wurde der Bevollmächtigten des Klägers am 25.11.2015 zugestellt.

Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 03.12.2013. In der Rechtsprechung geklärt sei lediglich die Frage eines nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens zugeflossenen Betriebskostenguthabens, welches nach der Rechtsprechung des BSG nicht in die Insolvenzmasse falle. Der vorliegende Fall sei jedoch anders zu beurteilen, da hier Altschulden aus dem Jahr 2009 durch die nachträgliche Verrechnung nicht insolvenzfähig werden sollten. Grundsätzlich fielen auch die Forderungen des Jobcenters in die Insolvenzmasse. Tatsächlich begonnen habe die Aufrechnung erst am 01.01.2012. Die Vorschrift des § 850c ZPO, die eine Schutzvorschrift für den Schuldner sei, werde dazu benutzt, ihn zu benachteiligen. Das BSG habe entschieden, dass die Vorschriften des § 36 Abs. 1 InsO i. V. m. § 850ff. ZPO dem Schutz des Schuldners aus sozialen Gründen im öffentlichen Interesse dienten und die Durchsetzbarkeit von Ansprüchen mit Hilfe staatlicher Zwangsvollstreckungsmaßnahmen beschränken würden (Urteil vom 16.10.2012 - B 14 AS 188/11 R -). Stünde der Kläger nicht mehr im Leistungsbezug, hätte der Beklagte keinerlei rechtliche Handhabe gegen ihn auf Grund der Insolvenz. Damit werde der Kläger zu Unrecht schlechter gestellt, weil er im SGB II Leistungsbezug stehe.

Der Beklagte hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend und verweist auf die Ausführungen der erstinstanzlichen Entscheidung.

II.

Die zulässige Beschwerde des Klägers ist nicht begründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe mangels hinreichender Aussicht auf Erfolg des Verfahrens nach §§ 73a SGG, 114ff. ZPO abgelehnt. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist der Senat zunächst auf die zutreffenden Gründe der erstinstanzlichen Entscheidung, die er sich nach Prüfung der Sach- und Rechtslage zu eigen macht (§ 142 Abs. 2 Satz 3 SGG).

Auch das Vorbringen zur Begründung seiner Beschwerde führt zu keiner abweichenden Entscheidung. Soweit der Kläger ausführt, die Aufrechnung sei im Jahre 2009 erklärt worden, tatsächlich habe sie jedoch erst im Januar 2012, also in dem Monat, in dem das Insolvenzverfahren eröffnet worden sei, begonnen und er damit wohl die Anwendbarkeit des § 94 InsO in Frage stellen will, liegt dieser Vortrag neben der Sache. Die vom Sozialgericht zutreffend zitierte Vorschrift des § 94 InsO geht davon aus, dass die Aufrechnungsmöglichkeit durch Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht berührt wird, wenn zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Aufrechnungsberechtigung gegeben ist. Das ist der Fall, wenn eine Aufrechnungslage besteht. Das ist wiederum der Fall, wenn sich gleichartige und gegenseitige Forderungen, die auch durchsetzbar sind, gegenüberstehen. Diese Voraussetzung war gegeben, bevor das Insolvenzverfahren am 30.01.2012 eröffnet wurde, denn das Darlehen wurde dem Kläger im Oktober 2009 bewilligt, als er im laufenden Bezug von Leistungen nach dem SGB II stand. Auf die Frage, wann die Aufrechnung tatsächlich vorgenommen wurde, kommt es daher nicht an, abgesehen davon, dass der Beginn der Aufrechnung am 01.01.2012 auch vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 30.01.2012 lag.

Soweit der Kläger sich auf die Rechtsprechung des BSG in der Entscheidung vom 16.10.2012 bezieht, greift dieser Vortrag nicht. Der Leitsatz der Entscheidung lautet "Einkommen des Insolvenzschuldners, das bei der Deckung seines Bedarfs nach dem SGB II zu berücksichtigen ist, unterliegt nicht der Pfändung und Zwangsvollstreckung und wird daher auch nicht Teil der Insolvenzmasse". Im zu Grunde liegenden Sachverhalt ging es um die Minderung der Unterkunfts- und Heizkosten (KdU) durch Rückzahlung bzw. Gutschrift nach Nebenkostenabrechnung. Nach der Rechtsprechung des BSG sind solche Gutschriften Einkommen. Diese Voraussetzung ist aber vorliegend nicht gegeben, denn es geht um einen Rückzahlungsanspruch des Klägers aus einem ihm gewährten Darlehen. Dieser Rückzahlungsanspruch stellt kein Einkommen dar, das dem Pfändungsschutz unterliegt. Dem Pfändungsschutz unterliegt hingegen die SGB II Leistung, insofern wurden jedoch vom Beklagten, was auch das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, die schützenswerten Pfändungsgrenzen des § 850c ZPO beachtet. Die zitierte Entscheidung des BSG ist nach Auffassung des Senats auf den vorliegenden Sachverhalt nicht anwendbar.

Soweit der Kläger seinen Vortrag, die Vorschriften der InsO seien zu berücksichtigen, weil es sonst zu einer Gläubigerbenachteiligung kommen würde, nunmehr umstellt auf eine Schuldnerbenachteiligung, vermag der Senat eine solche Benachteiligung des Klägers nicht zu erkennen. Der Kläger hat vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Beklagten aus steuerfinanzierten Mitteln ein Darlehen erhalten, um Forderungen des Energieversorgers zu begleichen. Die Rückzahlung eines solchen Darlehens ist eine Selbstverständlichkeit und stellt keine Benachteiligung dar. Die Höhe der Aufrechnung mit 10 v. H. ist durch die gesetzliche Regelung des § 42a Abs. 2 Satz 1 SGB II gedeckt. Die dadurch eintretende "Benachteiligung" des Klägers ist vom Gesetzgeber gewollt.

Der weitere Vortrag des Klägers, stünde er heute nicht mehr im Leistungsbezug, hätte der Beklagte keinerlei rechtliche Handhabe gegen ihn auf Grund der Insolvenz, ist für den Senat nicht nachvollziehbar. Seit 01.08.2013 steht der Kläger nicht mehr im Leistungsbezug, seit diesem Zeitpunkt wird auch keine Aufrechnung mehr vorgenommen. Der streitige Zeitraum endet am 31.07.2013.

Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 73a SGG, 127 ZPO.

Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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