Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 36 U 182/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 3 U 18/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch – (SGB X) die Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit vom 28. Juni 1983 bis 14. September 1986 in Höhe von 60 v.H.
Der 1940 geborene Kläger ist Gas- und Wasserinstallateurmeister. Er erlitt im Rahmen eines Arbeitseinsatzes am 24. April 1975 einen schweren Arbeitsunfall, als er durch einen rückwärtsfahrenden Lkw zwischen diesem und seinem parkenden Auto eingeklemmt wurde. Hierdurch kam es zu einer erheblichen Quetschung des Beckens und des Rückens in der Lendengegend.
Mit Bescheid vom 26. November 1976 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. September 1975 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte die Beklagte einen zunehmenden Druckschmerz im Unterbauch bei sich füllender Blase und Entleerungsstörung der schlaffen Blase und des Mastdarms, Erektionsschwäche, Empfindungsstörungen im Versorgungsbereich von zwei Bewegungsnerven in der linken Leistengegend und des linken Oberschenkels an.
Mit Bescheid vom 7. April 1977 stellte die Beklagte eine Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H. fest. Als Arbeitsunfallfolgen erkannte sie eine schmerzabhängige Blasenfunktionsstörung mit herabgesetztem Blasenentleerungsreflex bei Bereitschaft zum Harninfekt, Darmentleerungsstörungen sowie eine Einschränkung der Beischlaffähigkeit an. Mit weiterem Bescheid vom 21. Juli 1977 gewährte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. September 1975 bis 28. Februar 1976 eine Rente nach einer MdE von 30 v.H.
Im 2. Rentengutachten vom 5. April 1984 berichtete der urologische Gutachter Dr. H., dass der Kläger unter einer Blasenentleerungsstörung leide, welche bisher aber nicht zu Katheterismus, Harnwegsinfekt und Veränderungen des oberen Harntraktes geführt habe und daher – obwohl neurogene Harnblasenentleerungsstörungen üblicherweise eine MdE von 50 v.H. bedingten – hier wegen der im Verhältnis geringeren Funktionseinbußen eine eine MdE von 30 v.H. angemessen sei. In einem weiteren fachurologischen Gutachten vom 20. Juli 1984 weist Dr. K. darauf hin, dass der bei dem Kläger nunmehr erhobene Befund für eine Dekompensation der Blasenfunktion spreche und eine restharnfreie Entleerung der Blase nicht mehr möglich sei, so dass eine Heraufsetzung der MdE von 20 v.H. auf 30 v.H. gerechtfertigt sei. Die Blase könne nicht mehr mittels Bauchpresse restharnfrei entleert werden, weshalb eine größere Gefahr für aufsteigende Infekte und das Auftreten von Funktionsstörungen der Nieren bestehe.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 1984 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der von Dr. K. beschriebenen Verschlechterung der Blasenfunktion eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. mit Wirkung vom 28. Juni 1983.
Dr. H1 beschrieb in seinem urologischen Gutachten von 13. Juni 1985, dass beim Kläger kein normales Blasenfüllungsgefühl bestehe, die Blase könne ohne Restharn nicht entleert werden. Es bestehe andererseits aber gegenwärtig keinerlei Anhalt für eine Schädigung der oberen Harnwege, bei normaler Nierenfunktion. Da ein gehäuftes Auftreten von Harnwegsinfekten bisher nicht aufgetreten sei, könne auf eine Katheterisierung vorerst verzichtet werden. Darüber hinaus sei neben der Bauchpresse die alleinige Anspannung des Darmschließmuskels möglich.
In einem weiteren Gutachten vom 27. Oktober 1986 berichtete Dr. H1 (nunmehr), dass rektal ein deutlich schlaffer Analsphinctertonus vorliege und eine selektive Anspannung des After-Schließmuskels nicht möglich sei. Ferner bestehe fortwährend eine Blasenentleerungsstörung, die zu zunehmendem Restharn führe. Der Kläger sei inzwischen mit einer permanenten suprapubischen Harnleitung durch die Bauchdecke versorgt. Eine Stuhlinkontinenz bestehe nicht.
Am 11. September 1987 erstattete Dr. H. das nächste fachurologische Gutachten und führte aus, dass gegenüber den vorherigen Gutachten jetzt rezidivierend Harnwegsinfekte mit aufsteigender Entzündung ins Nierenbecken bestünden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit werde bei neurogener Blasenentleerungsstörung und Mastdarmentleerungsstörung mit anderen urologischen Komplikationen, wie Reflux, Harnwegsinfekt, Harnsteinbildung und Harnstauung auf 80 bis 100 v.H. geschätzt. In einer ergänzenden Stellungnahme empfahl der Gutachter, den Kläger bei Dr. B. vorzustellen.
Dr. B. erstattet am 31. Mai 1988 einen Zwischenbericht und teilte mit, dass zurzeit eine hyperaktive Blasenentleerungsstörung vorliege. Es müsse zunächst abgewartet werden, wie sich die Blasenfunktion über einen längeren Zeitraum von zunächst 3 bis 6 Monaten verhalte. Mit Gutachten vom 23. Oktober 1990 schätzte Dr. B. die MdE aufgrund einer neurogenen hyperaktiven Blasenentleerungsstörung mit Harninkontinenz, vesico-ureteralen Reflux rechts und der Neigung zu rezidivierender Harnwegsinfektion mit 80 v.H. ein. Mit Bescheid vom 27. November 1990 stellte die Beklagte eine MdE von 80 v.H. ab dem 1. Dezember 1990 fest.
Mit urologischem Gutachten von Dr. J. vom 26. Februar 1991, welcher zu der Auffassung gelangte, dass bei dem Kläger eine MdE von 80 v.H. bereits ab September 1987 vorliege, erließ die Beklagten am 25. März 1991 einen weiteren Bescheid, mit welchem sie rückwirkend die MdE für den Zeitraum vom 28. Juni 1983 bis 21. Oktober 1986 unverändert mit 30 v.H., vom 22. Oktober 1986 bis 10. September 1987 mit 50 v.H. und vom 11. September 1987 bis laufend mit 80 v.H. feststellte. Schließlich erließ die Beklagte am 2. Oktober 2008 aufgrund eines mit dem Kläger geschlossenen außergerichtlichen Vergleiches einen Bescheid, nach welchem unter Abänderung der bisherigen Bescheide eine MdE von 30 v.H. für die Zeit vom 1. März 1976 bis 14. September 1986 sowie eine MdE von 60 v.H. für die Zeit ab 15. September 1986 bis 11. September 1987 feststellte
Zwischenzeitlich hatte der Kläger vor dem Sozialgericht unter anderem das Verfahren S 41 U 407/98 erhoben, in welchem gleichfalls die Höhe der MdE streitig war. In diesem Verfahren wurde zunächst ein internistisches Gutachten des Professor O. vom 12. März 2003 eingeholt, der für den streitigen Zeitraum eine MdE von 30 v.H. für zutreffend erachtete und sich ausdrücklich den chirurgischen, neurologischen und urologischen Gutachten anschloss. Dem schloss sich auch der Internist Dr. F. in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2004 an, der neben der durch den Unfall verursachten inkompletten Querschnittlähmung unterhalb L 3 mit Kaudasymptomatik, Blasen- und Mastdarmlähmung sowie Erektionsstörung, keine internistischen Unfallfolgen feststellen konnte. Auch der Neurologe Dr. H2 führte am 29. Oktober 2004 aus, auf neurologischem Fachgebiet sei keine Unfallfolge messbaren Grades verblieben, die Einschätzung der MdE obliege vielmehr dem urologischen Hauptgutachten. Schließlich fand auch der Chirurg und Unfallchirurg Dr. H3/ Dr. E. im Gutachten vom 28. Oktober 2004 auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen, fasste die MdE für die Unfallfolgen auf allen Fachgebieten, also dem unfallchirurgischen, dem urologischen, dem neurologischen und dem internistischen mit 60 v.H. zum Zeitpunkt der Begutachtung zusammen und verwies für die vorherigen Zeiträume auf das urologische Hauptgutachten. Dieses erstellte Dr. B2 am 5. Mai 2005 und führte aus, er schätze die MdE mit 30 v.H. bis März 1984, ab April 1984 bis Juni 1986 mit 40 v.H. und ab Juli 1986 mit 60 v.H. ein. Bis März 1984 sei die Entleerung der Blase trotz bereits bestehender Blasenentleerungsstörung mit Hilfe der Bauchpresse restharnarm mit nur gelegentlichem Einnässen erfolgt. Es habe bereits eine dokumentierte erektile Dysfunktion bestanden, welche sich auch entgegen der Erwartungen nicht zurückgebildet habe. Ab April 1984 sei es dann zu einer deutlichen Restharnbildung mit medizinischer Behandlungsnotwendigkeit gekommen.
Anlässlich eines gerichtlichen Vergleichs vom 24. Februar 2009 in verschiedenen von dem Kläger angestrengten Verfahren vor dem Sozialgericht Hamburg – u.a. auch in dem Verfahren S 41 U 407/98 – verpflichtete sich die Beklagte unter anderem zur Überprüfung der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit für den Zeitraum vom 28. Juni 1983 bis 14. September 1986, welche bisher von der Beklagten mit 30 v.H. festgestellt worden war.
Daraufhin holte die Beklagte ein fachurologisches Gutachten von Prof. Dr. G. vom 16.09.2009 ein. Der Gutachter führte aus, dass als Ursache der Blasenfunktionsstörung mehrfach eine Quetschung des unteren Rückenmarks im Rahmen des Unfalls bestätigt worden sei. Von einer vollständigen Läsion des Rückenmarks sei vorliegend jedoch nicht auszugehen, da in einem solchen Fall eine Querschnittlähmung aufgetreten wäre. Die zunächst von dem Kläger beschriebenen Lähmungserscheinungen der Beine hätten sich in den Tagen und Wochen nach dem Unfall rückläufig gezeigt. Eine Rückenmarksläsion habe aufgrund der im Jahre 1975 noch nicht zur Verfügung stehenden bildgebenden Diagnostika zum damaligen Zeitpunkt nicht nachgewiesen werden können. Auch eine genaue Diagnose der Blasenfunktionsstörungen sei damals wegen der noch unzureichenden Untersuchungsmethoden der Urodynamik nicht möglich gewesen. Jedoch habe auf der Ebene der Funktionsstörungen bei dem Kläger habe in dem zu beurteilenden Zeitraum zwischen 1983 und 1986 eine deutliche Beeinträchtigung durch die Blasenfunktionsstörung vorgelegen. Eine auftretende Blasenfüllung sei als starker Schmerz wahrgenommen worden, dann sei teilweise kein Wasserlassen möglich gewesen. Oftmals sei es auch zu einem plötzlich auftretenden, starken Harndrang gekommen, mit der Notwendigkeit sofort eine Toilette aufzusuchen. Gelegentlich sei es zu Harninkontinenz gekommen. Ferner sei es in diesem Zeitraum nicht zu einer regelmäßigen Katheterisierung, Harnableitung oder der Notwendigkeit dauerhafter Inkontinenzversorgung gekommen. Weiterhin seien keine Harnwegsinfektionen oder Komplikationen wie Harnstau oder Steinbildung dokumentiert worden. Zusammenfassend sei eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt für den Zeitraum zwischen dem 28. Juni 1983 und 14. September 1986. Auch wenn möglicherweise eine dauerhafte oder vorübergehende Harnableitung bereits 1984 indiziert gewesen wäre, sei sie nicht durchgeführt worden und daher für die Bewertung der MdE nicht zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 5. November 2009 lehnte die Beklagte die Feststellung einer höheren MdE ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, insbesondere mit dem Hinweis, dass das Gutachten von Prof. Dr. G. lediglich eine Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf urologischem Gebiet vorgenommen habe.
Der beratende Arzt für Chirurgie Dr. P. führte diesbezüglich in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 2010 aus, dass die Beschwerden beim Stuhlgang in einer erschwerten, mit vermehrtem Pressen verbundenen Entleerung des Enddarmes bestanden hätten. Besondere Maßnahmen zur Herbeiführung des Stuhlganges seien nicht erforderlich gewesen. Zusätzliche Folgen auf internistischem Fachgebiet seien laut internistischem Gutachten vom 1. Oktober 2004 (Dr. F. im Klageverfahren S 41 U 407/98 bzw. S 36 U 197/10) ebenso wenig zu benennen wie zusätzliche Unfallfolgen auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet. Durch die Beeinträchtigungen in Bezug auf die Stuhlentleerung seien keine zusätzlichen Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes verschlossen gewesen. Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2010 den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Sozialgericht hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 18. April 2013 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bei seinem Unfall vom 24. April 1975 eine Becken- und Wirbelsäulenquetschung erlitten, in deren Folge es zu einer schmerzabhängigen Blasenfunktionsstörung mit herabgesetztem Blasenentleerungsreflex bei Bereitschaft zum Harninfekt, zu Darmentleerungsstörungen sowie zu einer Einschränkung der Beischlaffähigkeit und im weiteren Verlauf noch zu einer Verschlechterung der Blasenfunktion gekommen sei, ohne dass damit seine Erwerbsfähigkeit jedenfalls bis zum 14. September 1986 auf 60 v.H. gemindert gewesen sei. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass bei dem Kläger erst nach diesem Zeitraum eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit habe festgestellt werden können. Neben den damaligen Gutachtern Dr. H., Dr. Klostehalfen und Dr. H1 im Verwaltungsverfahren, welche übereinstimmend aufgrund der vorliegenden Blasenentleerungsstörung, die bis zu den jeweiligen Untersuchungen nicht zu einer durchgeführten Katheterisierung, zu Harnwegsinfekten und zu Veränderungen des oberen Harntraktes geführt hatte, von einer MdE von 30 v.H. ausgegangen seien, habe insbesondere auch Dr. G. in seinem Gutachten vom 16. September 2009 nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund der bereits damals vorliegenden und von den Ärzten mitgeteilten Befunde eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt gewesen sei. Dr. G. weise zur Recht darauf hin, dass bei dem Kläger in dem zu beurteilenden Zeitraum zwischen 1983 und 1986 zwar eine deutliche Beeinträchtigung durch die Blasenfunktionsstörung vorgelegen habe, gegen eine die Festsetzung einer MdE von 60 v.H. indes spreche, dass es neben dem Harndrang, der Notwendigkeit plötzlich eine Toilette aufsuchen zu müssen und der gelegentlichen Harninkontinenz nicht zu einer regelmäßigen Katheterisierung, Harnableitung oder der Notwendigkeit dauerhafter Inkontinenzversorgung gekommen sei. Auch die fehlende Dokumentation von Harnwegsinfektionen oder Komplikationen wie Harnstau oder Steinbildung spreche gegen die Festsetzung einer MdE von 60 v.H. Entgegen der Ansicht des Klägers reiche auch die möglicherweise bereits zu diesem Zeitpunkt indizierte dauerhafte oder vorübergehende Harnableitung nicht aus, um eine höhere MdE zu begründen, da diese tatsächlich in dem in Rede stehenden Zeitraum nicht durchgeführt worden sei und daher auch für die Bewertung der MdE nicht berücksichtigt werden könne.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen das ihm am 10. Mai 2013 zugestellte Urteil am 25. Mai 2013 Berufung eingelegt, mit welcher er vorträgt, für die Bewertung der MdE auch der Vergangenheit sei die gegenwärtige Aktenlage maßgeblich. Die danach vorliegende inkomplette Querschnittlähmung sei mit einer MdE von 30 v.H. nur unzureichend bewertet. Das von der Beklagten eingeholte Gutachten sei auch nicht von Prof. G., sondern lediglich von einer Assistenzärztin erstellt. Die Gutachten vom 20. Juli 1984 und vom 14. Oktober 1983 habe die Beklagte nicht ausreichend gewürdigt. Nach den Anhaltspunkten 2004 sei bei einer notwendigen Katheterisierung von einer MdE von 50 auszugehen, unabhängig davon, ob die Katheterisierung durchgeführt werde oder nicht. Bei einer inkompletten Querschnittslähmung sei nach den Anhaltspunkten 2004 stets eine MdE von 60 gerechtfertigt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass direkt nach dem Unfall die notwendigen Befunde nicht erhoben worden seien; dies könne nicht zu Lasten des Klägers gehen. Die internistischen, insbesondere die Darmbeschwerden des Klägers, seien nicht ausreichend berücksichtigt, hierauf habe auch bereits Dr. E. in seinem im Verfahren S 36 U 407/98 für das Sozialgericht erstellte Gutachten hingewiesen. Dieser bestätige eine MdE von 60 v.H.
Der Kläger stellt den Antrag, Herrn Dr. H3, zu laden über das Unfallkrankenhaus B1, als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass die Gesamt-MdE von 60 % ab dem Unfalltag zu gewähren ist. Weiterhin Dr. G. als Zeugen zu vernehmen. Er könne bestätigen, dass sich die von ihm festgestellte MdE von 30 % allein auf den Bereich der Urologie beziehe und zur Berücksichtigung der Gesamt-MdE ein Gutachten aus dem Bereich der Inneren Medizin ergänzend hinzugezogen werden müsse. Er wiederholt den Beweisantrag aus der Berufungsbegründung, in der er ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Frage, dass eine Gesamt-MdE von 60 % ab dem Unfalltag bestehe, eine MdE von 50 % bereits bei der Notwendigkeit einer Katheterisierung bestehe und dass die in 2012 im Krankenhaus R. festgestellte Darmlähmung von allen anderen Gutachtern bisher nicht berücksichtigt worden sei. Weiter wird die Zeugenvernehmung von Herrn W., Mitarbeiter der Beklagten beantragt, der dem Kläger einmal mündlich bestätigt habe, dass dieser schwerer verletzt sei als von der Beklagten zugegeben. Dieser habe dem Kläger bestätigt, dass die BG vergleichsweise über 200.000 EUR von dem Haftpflichtversicherer des Schädigers erhalten hat.
In der Sache beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2010 aufzuheben, und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. Oktober 1984 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 28. Juni 1983 bis 14. September 1986 aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. April 1975 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. Mai 2016 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen, die Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Be¬rufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 SGG entscheiden kann, ist nicht begründet.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unan¬fechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzel¬fall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sach¬verhalt ausgegangen worden ist, der sich als un¬richtig erweist, und soweit Sozialleis¬tungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Obwohl § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht ausdrücklich vor einer erneuten Sachprüfung das Durchlaufen zweier formaler Prüfungsabschnitte verlangt, wird nach der Recht¬sprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch das Rücknahmeverfahren in der allgemeinen Ver¬waltung in Anlehnung an das Wiederaufnahmeverfahren für rechts¬kräftige Urteile (vgl. § 179 SGG) als dreistufiges Ver¬fahren angesehen. Daraus folgt, dass die Verwaltung in eine erneute Sachprü¬fung erst dann eintreten muss, wenn Gründe geltend gemacht wer¬den, die ihrer Art nach ge¬eignet sind, die Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen (erster Schritt) und diese Gründe tatsächlich vor¬liegen sowie der bestandskräftige Ver¬waltungsakt auf einen Umstand gestützt ist, welcher infolge der geltend gemachten Über¬prüfungsgründe nunmehr zweifelhaft gewor¬den ist (zweiter Schritt). Ergibt sich also im Rahmen eines Antrages auf Ertei¬lung eines Zugunstenbescheides nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentschei¬dung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bin¬dungswirkung des ursprünglichen Bescheides berufen (vgl. stän¬dige Recht¬spre¬chung BSG, Urteile vom 3. Februar 1988, 9/9a RV 18/86, vom 22. März 1989, 7 RAr 122/87 und vom 3. April 2001, B 4 RA 22/00 R).
Vorliegend hat sich die Beklagte trotz gründlicher Prüfung noch innerhalb der o. g. ersten Stufe bewegt (Prüfung der Höhe der MdE im streitbefangenen Zeitraum mit dem Ergebnis, dass aus den getroffenen Feststellungen kein an¬derer Sachverhalt folgt und deswegen auch die Rechtsanwendung nicht zweifelhaft ist) und sich zu Recht auf die Bestandskraft der früheren Ablehnungsbescheide be¬rufen. Der Senat sieht nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den in dem Urteil des Sozialgerichts vom 18. April 2013 dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen wird. Lediglich ergänzend ist Folgendes auszuführen: Den Beweisanträgen des Klägers war nicht zu folgen. Soweit der Antrag beinhaltet, dass den zu ladenden Medizinern ausschließlich die Frage zur Höhe der MdE gestellt werden soll, ist darauf hinzuweisen, dass die MdE-Bewertung weder ein Ermessen enthält, noch einer exakten Berechnung zugänglich ist. Die Bemessung des Grades der MdE wird vielmehr vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (zuletzt BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 24/00 R - juris) und die damit nur eine zu Annäherungswerten kommende Schätzung darstellt (vgl. BSG, Urteil v. 30.06.1998 – B 2 U 41/97 R – juris Rn. 20). Zur Mitwirkung ist regelmäßig ein fachkundiger Arzt berufen. Da aber die Höhe der MdE letztlich nach freien Überzeugung des Gerichts zu treffen ist, sind die Gerichte und die Unfallversicherungsträger nicht an die Schätzung der Mediziner gebunden; vielmehr haben sie die MdE aus der aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens gewonnenen Überzeugung in eigener Verantwortung zu prüfen und ggf. zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil v. 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - und vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R – jeweils Juris). Dass die von Dr. G. festgestellte MdE sich allein auf den urologischen Fachbereich bezieht und internistische Unfallfolgen keine Berücksichtigung gefunden hätten, kann im Übrigen zugunsten des Klägers unterstellt werden. Nachdem für den internistischen Fachbereich noch im Jahre 2004 Dr. F. keine Unfallfolgen feststellen konnte, kommt eine Erhöhung der MdE aufgrund solcher Folgen auch nicht in Betracht. Gleiches gilt für die seit dem Jahre 2012 sich manifestierende Darmlähmung, die als Funktionsstörung zuvor nicht festgestellt werden konnte, unabhängig davon, ob sie ursächlich auf den Unfall zurückzuführen ist oder nicht. In die MdE fließen nämlich nur die zum jeweiligen Zeitpunkt gegenwärtigen Funktionseinbußen ein. Zukünftige, ggfs. aufgrund gesicherter Erfahrungen absehbare Schäden können nur berücksichtigt werden, wenn sie dem Versicherten aus präventiven Gründen gegenwärtig Arbeitsplätze verschließen. In der Regel haben daher künftige möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil v. 10.3.1994 – 2 RU 13/93 – Juris). In Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger im streitigen Zeitraum zwar behandlungsbedürftig war und es zu einer bereits deutlichen Restharnbildung in der Blase kam, andererseits aber bei noch normaler Nierenfunktion, nur gelegentlichem Einnässen, und weitgehender Freiheit von Harnwegsinfekten auf eine Katheterisierung noch verzichtet werden konnte, hält auch das Berufungsgericht eine MdE von 30 für diesen Zeitraum für angemessen. Dem Beweisantrag, einen nicht näher bezeichneten, bei der Beklagten möglicherweise vormals beschäftigten Herrn W. als Zeugen zu vernehmen, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil der Vortrag, dieser habe dem Kläger gegenüber mündlich angegeben, er sei schwerer verletzt als von der Beklagten zugegeben und die Beklagte habe vom Haftpflichtversicherer des Schädigers vergleichsweise 200.000 EUR erhalten, als wahr unterstellt werden kann. Für die konkrete Frage, wie hoch die MdE im streitbefangenen Zeitraum tatsächlich war, ergibt sich aus einer solchen Aussage allerdings nichts. Dem so gefunden Ergebnis steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass die Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VMG) in Ziff. 12.2.2 für Entleerungsstörungen der Blase u.a. mit der Notwendigkeit regelmäßigen Katheterisierens einen Grad der Behinderung von 50 vorsehen. Diese Formulierung kann zum einen nur dahin verstanden werden, dass die regelmäßige Katheterisierung – eben weil sie notwendig ist – auch durchgeführt wird. Dies entspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern auch der Systematik, stellt die notwendige Katheterisierung doch die Steigerung der zuvor genannten Entleerungsstörung stärkeren Grades dar, welche mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten ist und welche z.B. die Notwendigkeit zur manuellen Entleerung, die Anwendung eines Blasenschrittmachers, eine erhebliche Restharnbildung und schmerzhaftes Harnlassen umfasst. Zum anderen ist aber die MdE vom GdB im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich zu unterscheiden. Der GdB orientiert sich nämlich nach der früheren Formulierung an dem durch regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustände verursachten Umfang der Funktionsstörungen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (vgl. die offizielle Bezeichnung und § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz)) und nach der heutigen Formulierung an den Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 69 Abs. 1 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX), wohingegen die MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung auf die durch die Folgen des Versicherungsfalls verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens abstellt. Darüber hinaus gibt es im Schwerbehindertenrecht und im sozialen Entschädigungsrecht bindend vorgeschriebene Mindestvomhundertsätze für den GdB bzw. die MdE für erhebliche äußere Körperschäden (vgl § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB IX, § 30 Abs. 1 Satz 6 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sowie die dazu ergangene Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 30 BVG), die für die gesetzliche Unfallversicherung nicht gelten. Dass die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, 2004, im Folgenden: Anhaltspunkte) und in der Folge auch die VMG für die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur aufgrund ihres Titels, sondern aufgrund des geschilderten anderen Bemessungsansatzes nicht gelten, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. nur Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R – juris). Gleiches gilt für die vom Prozessbevollmächtigten angeführte unvollständige Querschnittlähmung, welche in Ziff. 3.9 VMG bei Vorliegen von Störungen der Blasen- und/ oder Mastdarmfunktion mit einem GdB von 60 bis 80 zu bewerten ist, allerdings nur im Sinne eines Orientierungswertes und auch nur, wenn zugleich eine Teillähmung beider Beine vorliegt, was beim Kläger nicht der Fall ist. Auch insoweit kommt eine Gleichsetzung von GdB und MdE wie dargelegt nicht in Betracht. Da im Übrigen nicht die Diagnose, sondern die damit konkret verbundenen Funktionseinschränkungen und die infolge dessen verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens in der unfallrechtlichen Bewertung entscheidend sind, ist auch unerheblich, ob diese Diagnose direkt nach dem Unfall oder eben erst weit später gestellt worden ist. Gleichfalls unerheblich ist, wer das Gutachten vom 16. September 2009, welches auch von Prof. G. mit dem Zusatz "Einverstanden aufgrund eigener Prüfung und eigener Urteilsbildung" unterschrieben ist, federführend erstellt hat. Das Gutachten ist für die Beklagte und nicht für das Gericht erstellt worden. § 407a Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 118 SGG, wonach der Sachverständige nicht befugt ist, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen, gilt indes nur im gerichtlichen Verfahren. Im Übrigen gibt die Vorschrift dem Sachverständigen durchaus auch die Möglichkeit, sich der Mithilfe anderer Personen zu bedienen.
Schließlich ist es nicht zutreffend, dass, wie der Kläger vorträgt, Dr. E. die MdE im hier streitigen Zeitraum mit 60 bewertet habe. Er hat diese Einschätzung vielmehr zum Zeitpunkt der Begutachtung im Oktober 2004, also fast 20 Jahre später, getroffen. Hinsichtlich der Frage welche Gesundheitsstörungen seit dem Unfalltage vorlagen, verweist Dr. E. auf die urologischen Gutachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens nach § 44 Sozialgesetzbuch - Zehntes Buch – (SGB X) die Feststellung einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) für die Zeit vom 28. Juni 1983 bis 14. September 1986 in Höhe von 60 v.H.
Der 1940 geborene Kläger ist Gas- und Wasserinstallateurmeister. Er erlitt im Rahmen eines Arbeitseinsatzes am 24. April 1975 einen schweren Arbeitsunfall, als er durch einen rückwärtsfahrenden Lkw zwischen diesem und seinem parkenden Auto eingeklemmt wurde. Hierdurch kam es zu einer erheblichen Quetschung des Beckens und des Rückens in der Lendengegend.
Mit Bescheid vom 26. November 1976 gewährte die Beklagte dem Kläger ab dem 1. September 1975 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 20 v.H. Als Folgen des Arbeitsunfalls erkannte die Beklagte einen zunehmenden Druckschmerz im Unterbauch bei sich füllender Blase und Entleerungsstörung der schlaffen Blase und des Mastdarms, Erektionsschwäche, Empfindungsstörungen im Versorgungsbereich von zwei Bewegungsnerven in der linken Leistengegend und des linken Oberschenkels an.
Mit Bescheid vom 7. April 1977 stellte die Beklagte eine Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H. fest. Als Arbeitsunfallfolgen erkannte sie eine schmerzabhängige Blasenfunktionsstörung mit herabgesetztem Blasenentleerungsreflex bei Bereitschaft zum Harninfekt, Darmentleerungsstörungen sowie eine Einschränkung der Beischlaffähigkeit an. Mit weiterem Bescheid vom 21. Juli 1977 gewährte die Beklagte dem Kläger für den Zeitraum vom 1. September 1975 bis 28. Februar 1976 eine Rente nach einer MdE von 30 v.H.
Im 2. Rentengutachten vom 5. April 1984 berichtete der urologische Gutachter Dr. H., dass der Kläger unter einer Blasenentleerungsstörung leide, welche bisher aber nicht zu Katheterismus, Harnwegsinfekt und Veränderungen des oberen Harntraktes geführt habe und daher – obwohl neurogene Harnblasenentleerungsstörungen üblicherweise eine MdE von 50 v.H. bedingten – hier wegen der im Verhältnis geringeren Funktionseinbußen eine eine MdE von 30 v.H. angemessen sei. In einem weiteren fachurologischen Gutachten vom 20. Juli 1984 weist Dr. K. darauf hin, dass der bei dem Kläger nunmehr erhobene Befund für eine Dekompensation der Blasenfunktion spreche und eine restharnfreie Entleerung der Blase nicht mehr möglich sei, so dass eine Heraufsetzung der MdE von 20 v.H. auf 30 v.H. gerechtfertigt sei. Die Blase könne nicht mehr mittels Bauchpresse restharnfrei entleert werden, weshalb eine größere Gefahr für aufsteigende Infekte und das Auftreten von Funktionsstörungen der Nieren bestehe.
Mit Bescheid vom 10. Oktober 1984 gewährte die Beklagte dem Kläger aufgrund der von Dr. K. beschriebenen Verschlechterung der Blasenfunktion eine Rente nach einer MdE von 30 v.H. mit Wirkung vom 28. Juni 1983.
Dr. H1 beschrieb in seinem urologischen Gutachten von 13. Juni 1985, dass beim Kläger kein normales Blasenfüllungsgefühl bestehe, die Blase könne ohne Restharn nicht entleert werden. Es bestehe andererseits aber gegenwärtig keinerlei Anhalt für eine Schädigung der oberen Harnwege, bei normaler Nierenfunktion. Da ein gehäuftes Auftreten von Harnwegsinfekten bisher nicht aufgetreten sei, könne auf eine Katheterisierung vorerst verzichtet werden. Darüber hinaus sei neben der Bauchpresse die alleinige Anspannung des Darmschließmuskels möglich.
In einem weiteren Gutachten vom 27. Oktober 1986 berichtete Dr. H1 (nunmehr), dass rektal ein deutlich schlaffer Analsphinctertonus vorliege und eine selektive Anspannung des After-Schließmuskels nicht möglich sei. Ferner bestehe fortwährend eine Blasenentleerungsstörung, die zu zunehmendem Restharn führe. Der Kläger sei inzwischen mit einer permanenten suprapubischen Harnleitung durch die Bauchdecke versorgt. Eine Stuhlinkontinenz bestehe nicht.
Am 11. September 1987 erstattete Dr. H. das nächste fachurologische Gutachten und führte aus, dass gegenüber den vorherigen Gutachten jetzt rezidivierend Harnwegsinfekte mit aufsteigender Entzündung ins Nierenbecken bestünden. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit werde bei neurogener Blasenentleerungsstörung und Mastdarmentleerungsstörung mit anderen urologischen Komplikationen, wie Reflux, Harnwegsinfekt, Harnsteinbildung und Harnstauung auf 80 bis 100 v.H. geschätzt. In einer ergänzenden Stellungnahme empfahl der Gutachter, den Kläger bei Dr. B. vorzustellen.
Dr. B. erstattet am 31. Mai 1988 einen Zwischenbericht und teilte mit, dass zurzeit eine hyperaktive Blasenentleerungsstörung vorliege. Es müsse zunächst abgewartet werden, wie sich die Blasenfunktion über einen längeren Zeitraum von zunächst 3 bis 6 Monaten verhalte. Mit Gutachten vom 23. Oktober 1990 schätzte Dr. B. die MdE aufgrund einer neurogenen hyperaktiven Blasenentleerungsstörung mit Harninkontinenz, vesico-ureteralen Reflux rechts und der Neigung zu rezidivierender Harnwegsinfektion mit 80 v.H. ein. Mit Bescheid vom 27. November 1990 stellte die Beklagte eine MdE von 80 v.H. ab dem 1. Dezember 1990 fest.
Mit urologischem Gutachten von Dr. J. vom 26. Februar 1991, welcher zu der Auffassung gelangte, dass bei dem Kläger eine MdE von 80 v.H. bereits ab September 1987 vorliege, erließ die Beklagten am 25. März 1991 einen weiteren Bescheid, mit welchem sie rückwirkend die MdE für den Zeitraum vom 28. Juni 1983 bis 21. Oktober 1986 unverändert mit 30 v.H., vom 22. Oktober 1986 bis 10. September 1987 mit 50 v.H. und vom 11. September 1987 bis laufend mit 80 v.H. feststellte. Schließlich erließ die Beklagte am 2. Oktober 2008 aufgrund eines mit dem Kläger geschlossenen außergerichtlichen Vergleiches einen Bescheid, nach welchem unter Abänderung der bisherigen Bescheide eine MdE von 30 v.H. für die Zeit vom 1. März 1976 bis 14. September 1986 sowie eine MdE von 60 v.H. für die Zeit ab 15. September 1986 bis 11. September 1987 feststellte
Zwischenzeitlich hatte der Kläger vor dem Sozialgericht unter anderem das Verfahren S 41 U 407/98 erhoben, in welchem gleichfalls die Höhe der MdE streitig war. In diesem Verfahren wurde zunächst ein internistisches Gutachten des Professor O. vom 12. März 2003 eingeholt, der für den streitigen Zeitraum eine MdE von 30 v.H. für zutreffend erachtete und sich ausdrücklich den chirurgischen, neurologischen und urologischen Gutachten anschloss. Dem schloss sich auch der Internist Dr. F. in seinem Gutachten vom 1. Oktober 2004 an, der neben der durch den Unfall verursachten inkompletten Querschnittlähmung unterhalb L 3 mit Kaudasymptomatik, Blasen- und Mastdarmlähmung sowie Erektionsstörung, keine internistischen Unfallfolgen feststellen konnte. Auch der Neurologe Dr. H2 führte am 29. Oktober 2004 aus, auf neurologischem Fachgebiet sei keine Unfallfolge messbaren Grades verblieben, die Einschätzung der MdE obliege vielmehr dem urologischen Hauptgutachten. Schließlich fand auch der Chirurg und Unfallchirurg Dr. H3/ Dr. E. im Gutachten vom 28. Oktober 2004 auf seinem Fachgebiet keine Unfallfolgen, fasste die MdE für die Unfallfolgen auf allen Fachgebieten, also dem unfallchirurgischen, dem urologischen, dem neurologischen und dem internistischen mit 60 v.H. zum Zeitpunkt der Begutachtung zusammen und verwies für die vorherigen Zeiträume auf das urologische Hauptgutachten. Dieses erstellte Dr. B2 am 5. Mai 2005 und führte aus, er schätze die MdE mit 30 v.H. bis März 1984, ab April 1984 bis Juni 1986 mit 40 v.H. und ab Juli 1986 mit 60 v.H. ein. Bis März 1984 sei die Entleerung der Blase trotz bereits bestehender Blasenentleerungsstörung mit Hilfe der Bauchpresse restharnarm mit nur gelegentlichem Einnässen erfolgt. Es habe bereits eine dokumentierte erektile Dysfunktion bestanden, welche sich auch entgegen der Erwartungen nicht zurückgebildet habe. Ab April 1984 sei es dann zu einer deutlichen Restharnbildung mit medizinischer Behandlungsnotwendigkeit gekommen.
Anlässlich eines gerichtlichen Vergleichs vom 24. Februar 2009 in verschiedenen von dem Kläger angestrengten Verfahren vor dem Sozialgericht Hamburg – u.a. auch in dem Verfahren S 41 U 407/98 – verpflichtete sich die Beklagte unter anderem zur Überprüfung der Höhe der Minderung der Erwerbsfähigkeit für den Zeitraum vom 28. Juni 1983 bis 14. September 1986, welche bisher von der Beklagten mit 30 v.H. festgestellt worden war.
Daraufhin holte die Beklagte ein fachurologisches Gutachten von Prof. Dr. G. vom 16.09.2009 ein. Der Gutachter führte aus, dass als Ursache der Blasenfunktionsstörung mehrfach eine Quetschung des unteren Rückenmarks im Rahmen des Unfalls bestätigt worden sei. Von einer vollständigen Läsion des Rückenmarks sei vorliegend jedoch nicht auszugehen, da in einem solchen Fall eine Querschnittlähmung aufgetreten wäre. Die zunächst von dem Kläger beschriebenen Lähmungserscheinungen der Beine hätten sich in den Tagen und Wochen nach dem Unfall rückläufig gezeigt. Eine Rückenmarksläsion habe aufgrund der im Jahre 1975 noch nicht zur Verfügung stehenden bildgebenden Diagnostika zum damaligen Zeitpunkt nicht nachgewiesen werden können. Auch eine genaue Diagnose der Blasenfunktionsstörungen sei damals wegen der noch unzureichenden Untersuchungsmethoden der Urodynamik nicht möglich gewesen. Jedoch habe auf der Ebene der Funktionsstörungen bei dem Kläger habe in dem zu beurteilenden Zeitraum zwischen 1983 und 1986 eine deutliche Beeinträchtigung durch die Blasenfunktionsstörung vorgelegen. Eine auftretende Blasenfüllung sei als starker Schmerz wahrgenommen worden, dann sei teilweise kein Wasserlassen möglich gewesen. Oftmals sei es auch zu einem plötzlich auftretenden, starken Harndrang gekommen, mit der Notwendigkeit sofort eine Toilette aufzusuchen. Gelegentlich sei es zu Harninkontinenz gekommen. Ferner sei es in diesem Zeitraum nicht zu einer regelmäßigen Katheterisierung, Harnableitung oder der Notwendigkeit dauerhafter Inkontinenzversorgung gekommen. Weiterhin seien keine Harnwegsinfektionen oder Komplikationen wie Harnstau oder Steinbildung dokumentiert worden. Zusammenfassend sei eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt für den Zeitraum zwischen dem 28. Juni 1983 und 14. September 1986. Auch wenn möglicherweise eine dauerhafte oder vorübergehende Harnableitung bereits 1984 indiziert gewesen wäre, sei sie nicht durchgeführt worden und daher für die Bewertung der MdE nicht zu berücksichtigen.
Mit Bescheid vom 5. November 2009 lehnte die Beklagte die Feststellung einer höheren MdE ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein, insbesondere mit dem Hinweis, dass das Gutachten von Prof. Dr. G. lediglich eine Beurteilung der Minderung der Erwerbsfähigkeit auf urologischem Gebiet vorgenommen habe.
Der beratende Arzt für Chirurgie Dr. P. führte diesbezüglich in seiner Stellungnahme vom 26. Januar 2010 aus, dass die Beschwerden beim Stuhlgang in einer erschwerten, mit vermehrtem Pressen verbundenen Entleerung des Enddarmes bestanden hätten. Besondere Maßnahmen zur Herbeiführung des Stuhlganges seien nicht erforderlich gewesen. Zusätzliche Folgen auf internistischem Fachgebiet seien laut internistischem Gutachten vom 1. Oktober 2004 (Dr. F. im Klageverfahren S 41 U 407/98 bzw. S 36 U 197/10) ebenso wenig zu benennen wie zusätzliche Unfallfolgen auf neurologisch/psychiatrischem Fachgebiet. Durch die Beeinträchtigungen in Bezug auf die Stuhlentleerung seien keine zusätzlichen Bereiche des allgemeinen Arbeitsmarktes verschlossen gewesen. Die Beklagte wies daraufhin mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2010 den Widerspruch des Klägers zurück.
Das Sozialgericht hat die hiergegen erhobene Klage mit Urteil vom 18. April 2013 abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe bei seinem Unfall vom 24. April 1975 eine Becken- und Wirbelsäulenquetschung erlitten, in deren Folge es zu einer schmerzabhängigen Blasenfunktionsstörung mit herabgesetztem Blasenentleerungsreflex bei Bereitschaft zum Harninfekt, zu Darmentleerungsstörungen sowie zu einer Einschränkung der Beischlaffähigkeit und im weiteren Verlauf noch zu einer Verschlechterung der Blasenfunktion gekommen sei, ohne dass damit seine Erwerbsfähigkeit jedenfalls bis zum 14. September 1986 auf 60 v.H. gemindert gewesen sei. Die Beklagte sei zu Recht davon ausgegangen, dass bei dem Kläger erst nach diesem Zeitraum eine höhere Minderung der Erwerbsfähigkeit habe festgestellt werden können. Neben den damaligen Gutachtern Dr. H., Dr. Klostehalfen und Dr. H1 im Verwaltungsverfahren, welche übereinstimmend aufgrund der vorliegenden Blasenentleerungsstörung, die bis zu den jeweiligen Untersuchungen nicht zu einer durchgeführten Katheterisierung, zu Harnwegsinfekten und zu Veränderungen des oberen Harntraktes geführt hatte, von einer MdE von 30 v.H. ausgegangen seien, habe insbesondere auch Dr. G. in seinem Gutachten vom 16. September 2009 nachvollziehbar ausgeführt, dass aufgrund der bereits damals vorliegenden und von den Ärzten mitgeteilten Befunde eine MdE von 30 v.H. gerechtfertigt gewesen sei. Dr. G. weise zur Recht darauf hin, dass bei dem Kläger in dem zu beurteilenden Zeitraum zwischen 1983 und 1986 zwar eine deutliche Beeinträchtigung durch die Blasenfunktionsstörung vorgelegen habe, gegen eine die Festsetzung einer MdE von 60 v.H. indes spreche, dass es neben dem Harndrang, der Notwendigkeit plötzlich eine Toilette aufsuchen zu müssen und der gelegentlichen Harninkontinenz nicht zu einer regelmäßigen Katheterisierung, Harnableitung oder der Notwendigkeit dauerhafter Inkontinenzversorgung gekommen sei. Auch die fehlende Dokumentation von Harnwegsinfektionen oder Komplikationen wie Harnstau oder Steinbildung spreche gegen die Festsetzung einer MdE von 60 v.H. Entgegen der Ansicht des Klägers reiche auch die möglicherweise bereits zu diesem Zeitpunkt indizierte dauerhafte oder vorübergehende Harnableitung nicht aus, um eine höhere MdE zu begründen, da diese tatsächlich in dem in Rede stehenden Zeitraum nicht durchgeführt worden sei und daher auch für die Bewertung der MdE nicht berücksichtigt werden könne.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers hat gegen das ihm am 10. Mai 2013 zugestellte Urteil am 25. Mai 2013 Berufung eingelegt, mit welcher er vorträgt, für die Bewertung der MdE auch der Vergangenheit sei die gegenwärtige Aktenlage maßgeblich. Die danach vorliegende inkomplette Querschnittlähmung sei mit einer MdE von 30 v.H. nur unzureichend bewertet. Das von der Beklagten eingeholte Gutachten sei auch nicht von Prof. G., sondern lediglich von einer Assistenzärztin erstellt. Die Gutachten vom 20. Juli 1984 und vom 14. Oktober 1983 habe die Beklagte nicht ausreichend gewürdigt. Nach den Anhaltspunkten 2004 sei bei einer notwendigen Katheterisierung von einer MdE von 50 auszugehen, unabhängig davon, ob die Katheterisierung durchgeführt werde oder nicht. Bei einer inkompletten Querschnittslähmung sei nach den Anhaltspunkten 2004 stets eine MdE von 60 gerechtfertigt. Zudem sei zu berücksichtigen, dass direkt nach dem Unfall die notwendigen Befunde nicht erhoben worden seien; dies könne nicht zu Lasten des Klägers gehen. Die internistischen, insbesondere die Darmbeschwerden des Klägers, seien nicht ausreichend berücksichtigt, hierauf habe auch bereits Dr. E. in seinem im Verfahren S 36 U 407/98 für das Sozialgericht erstellte Gutachten hingewiesen. Dieser bestätige eine MdE von 60 v.H.
Der Kläger stellt den Antrag, Herrn Dr. H3, zu laden über das Unfallkrankenhaus B1, als Zeugen zu der Frage zu vernehmen, dass die Gesamt-MdE von 60 % ab dem Unfalltag zu gewähren ist. Weiterhin Dr. G. als Zeugen zu vernehmen. Er könne bestätigen, dass sich die von ihm festgestellte MdE von 30 % allein auf den Bereich der Urologie beziehe und zur Berücksichtigung der Gesamt-MdE ein Gutachten aus dem Bereich der Inneren Medizin ergänzend hinzugezogen werden müsse. Er wiederholt den Beweisantrag aus der Berufungsbegründung, in der er ein gerichtliches Sachverständigengutachten zur Frage, dass eine Gesamt-MdE von 60 % ab dem Unfalltag bestehe, eine MdE von 50 % bereits bei der Notwendigkeit einer Katheterisierung bestehe und dass die in 2012 im Krankenhaus R. festgestellte Darmlähmung von allen anderen Gutachtern bisher nicht berücksichtigt worden sei. Weiter wird die Zeugenvernehmung von Herrn W., Mitarbeiter der Beklagten beantragt, der dem Kläger einmal mündlich bestätigt habe, dass dieser schwerer verletzt sei als von der Beklagten zugegeben. Dieser habe dem Kläger bestätigt, dass die BG vergleichsweise über 200.000 EUR von dem Haftpflichtversicherer des Schädigers erhalten hat.
In der Sache beantragt der Kläger,
das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 18. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 5. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2010 aufzuheben, und die Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 10. Oktober 1984 zu verurteilen, ihm für den Zeitraum vom 28. Juni 1983 bis 14. September 1986 aufgrund der Folgen des Arbeitsunfalls vom 24. April 1975 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit von 60 v.H. zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten und des Sachverhalts im Übrigen wird Bezug genommen auf den Inhalt der ausweislich der Sitzungsniederschrift vom 24. Mai 2016 zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Akten und Unterlagen, die Grundlage der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch im Übrigen zulässige Be¬rufung des Klägers (vgl. §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG)), über die die Berichterstatterin mit dem Einverständnis der Beteiligten an Stelle des Senats nach § 155 Abs. 4 in Verbindung mit Absatz 3 SGG entscheiden kann, ist nicht begründet.
Gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unan¬fechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzel¬fall ergibt, dass bei Erlass dieses Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sach¬verhalt ausgegangen worden ist, der sich als un¬richtig erweist, und soweit Sozialleis¬tungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht erhoben worden sind. Obwohl § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X nicht ausdrücklich vor einer erneuten Sachprüfung das Durchlaufen zweier formaler Prüfungsabschnitte verlangt, wird nach der Recht¬sprechung des Bundessozialgerichts (BSG) auch das Rücknahmeverfahren in der allgemeinen Ver¬waltung in Anlehnung an das Wiederaufnahmeverfahren für rechts¬kräftige Urteile (vgl. § 179 SGG) als dreistufiges Ver¬fahren angesehen. Daraus folgt, dass die Verwaltung in eine erneute Sachprü¬fung erst dann eintreten muss, wenn Gründe geltend gemacht wer¬den, die ihrer Art nach ge¬eignet sind, die Verwaltungsentscheidung in Frage zu stellen (erster Schritt) und diese Gründe tatsächlich vor¬liegen sowie der bestandskräftige Ver¬waltungsakt auf einen Umstand gestützt ist, welcher infolge der geltend gemachten Über¬prüfungsgründe nunmehr zweifelhaft gewor¬den ist (zweiter Schritt). Ergibt sich also im Rahmen eines Antrages auf Ertei¬lung eines Zugunstenbescheides nichts, was für die Unrichtigkeit der Vorentschei¬dung sprechen könnte, darf sich die Verwaltung ohne jede Sachprüfung auf die Bin¬dungswirkung des ursprünglichen Bescheides berufen (vgl. stän¬dige Recht¬spre¬chung BSG, Urteile vom 3. Februar 1988, 9/9a RV 18/86, vom 22. März 1989, 7 RAr 122/87 und vom 3. April 2001, B 4 RA 22/00 R).
Vorliegend hat sich die Beklagte trotz gründlicher Prüfung noch innerhalb der o. g. ersten Stufe bewegt (Prüfung der Höhe der MdE im streitbefangenen Zeitraum mit dem Ergebnis, dass aus den getroffenen Feststellungen kein an¬derer Sachverhalt folgt und deswegen auch die Rechtsanwendung nicht zweifelhaft ist) und sich zu Recht auf die Bestandskraft der früheren Ablehnungsbescheide be¬rufen. Der Senat sieht nach eigener Überprüfung der Sach- und Rechtslage nach § 153 Abs. 2 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab, da die Berufung aus den in dem Urteil des Sozialgerichts vom 18. April 2013 dargelegten Gründen als unbegründet zurückgewiesen wird. Lediglich ergänzend ist Folgendes auszuführen: Den Beweisanträgen des Klägers war nicht zu folgen. Soweit der Antrag beinhaltet, dass den zu ladenden Medizinern ausschließlich die Frage zur Höhe der MdE gestellt werden soll, ist darauf hinzuweisen, dass die MdE-Bewertung weder ein Ermessen enthält, noch einer exakten Berechnung zugänglich ist. Die Bemessung des Grades der MdE wird vielmehr vom BSG in ständiger Rechtsprechung als Tatsachenfeststellung gewertet, die das Gericht gemäß § 128 Abs. 1 Satz 1 SGG nach seiner freien aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung trifft (zuletzt BSG Urteil vom 2.5.2001 - B 2 U 24/00 R - juris) und die damit nur eine zu Annäherungswerten kommende Schätzung darstellt (vgl. BSG, Urteil v. 30.06.1998 – B 2 U 41/97 R – juris Rn. 20). Zur Mitwirkung ist regelmäßig ein fachkundiger Arzt berufen. Da aber die Höhe der MdE letztlich nach freien Überzeugung des Gerichts zu treffen ist, sind die Gerichte und die Unfallversicherungsträger nicht an die Schätzung der Mediziner gebunden; vielmehr haben sie die MdE aus der aufgrund des Gesamtergebnisses des Verfahrens gewonnenen Überzeugung in eigener Verantwortung zu prüfen und ggf. zu korrigieren (vgl. BSG, Urteil v. 13.09.2005 - B 2 U 4/04 R - und vom 30.06.2009 - B 2 U 3/08 R – jeweils Juris). Dass die von Dr. G. festgestellte MdE sich allein auf den urologischen Fachbereich bezieht und internistische Unfallfolgen keine Berücksichtigung gefunden hätten, kann im Übrigen zugunsten des Klägers unterstellt werden. Nachdem für den internistischen Fachbereich noch im Jahre 2004 Dr. F. keine Unfallfolgen feststellen konnte, kommt eine Erhöhung der MdE aufgrund solcher Folgen auch nicht in Betracht. Gleiches gilt für die seit dem Jahre 2012 sich manifestierende Darmlähmung, die als Funktionsstörung zuvor nicht festgestellt werden konnte, unabhängig davon, ob sie ursächlich auf den Unfall zurückzuführen ist oder nicht. In die MdE fließen nämlich nur die zum jeweiligen Zeitpunkt gegenwärtigen Funktionseinbußen ein. Zukünftige, ggfs. aufgrund gesicherter Erfahrungen absehbare Schäden können nur berücksichtigt werden, wenn sie dem Versicherten aus präventiven Gründen gegenwärtig Arbeitsplätze verschließen. In der Regel haben daher künftige möglicherweise eintretende Schäden grundsätzlich unberücksichtigt zu bleiben (ständige Rechtsprechung des BSG, vgl. nur Urteil v. 10.3.1994 – 2 RU 13/93 – Juris). In Anbetracht des Umstandes, dass der Kläger im streitigen Zeitraum zwar behandlungsbedürftig war und es zu einer bereits deutlichen Restharnbildung in der Blase kam, andererseits aber bei noch normaler Nierenfunktion, nur gelegentlichem Einnässen, und weitgehender Freiheit von Harnwegsinfekten auf eine Katheterisierung noch verzichtet werden konnte, hält auch das Berufungsgericht eine MdE von 30 für diesen Zeitraum für angemessen. Dem Beweisantrag, einen nicht näher bezeichneten, bei der Beklagten möglicherweise vormals beschäftigten Herrn W. als Zeugen zu vernehmen, ist schon deshalb nicht zu folgen, weil der Vortrag, dieser habe dem Kläger gegenüber mündlich angegeben, er sei schwerer verletzt als von der Beklagten zugegeben und die Beklagte habe vom Haftpflichtversicherer des Schädigers vergleichsweise 200.000 EUR erhalten, als wahr unterstellt werden kann. Für die konkrete Frage, wie hoch die MdE im streitbefangenen Zeitraum tatsächlich war, ergibt sich aus einer solchen Aussage allerdings nichts. Dem so gefunden Ergebnis steht entgegen der Auffassung des Klägers nicht entgegen, dass die Versorgungsmedizinischen Grundsätze zu § 2 der Versorgungsmedizinverordnung (VMG) in Ziff. 12.2.2 für Entleerungsstörungen der Blase u.a. mit der Notwendigkeit regelmäßigen Katheterisierens einen Grad der Behinderung von 50 vorsehen. Diese Formulierung kann zum einen nur dahin verstanden werden, dass die regelmäßige Katheterisierung – eben weil sie notwendig ist – auch durchgeführt wird. Dies entspricht nicht nur dem Wortlaut, sondern auch der Systematik, stellt die notwendige Katheterisierung doch die Steigerung der zuvor genannten Entleerungsstörung stärkeren Grades dar, welche mit einem GdB von 20 bis 40 zu bewerten ist und welche z.B. die Notwendigkeit zur manuellen Entleerung, die Anwendung eines Blasenschrittmachers, eine erhebliche Restharnbildung und schmerzhaftes Harnlassen umfasst. Zum anderen ist aber die MdE vom GdB im Schwerbehindertenrecht grundsätzlich zu unterscheiden. Der GdB orientiert sich nämlich nach der früheren Formulierung an dem durch regelwidrige körperliche, geistige oder seelische Zustände verursachten Umfang der Funktionsstörungen in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (vgl. die offizielle Bezeichnung und § 3 Abs. 1 des Gesetzes zur Sicherung der Eingliederung Schwerbehinderter in Arbeit, Beruf und Gesellschaft (Schwerbehindertengesetz)) und nach der heutigen Formulierung an den Auswirkungen auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft (§ 69 Abs. 1 Satz 3 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch - Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX), wohingegen die MdE in der gesetzlichen Unfallversicherung auf die durch die Folgen des Versicherungsfalls verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens abstellt. Darüber hinaus gibt es im Schwerbehindertenrecht und im sozialen Entschädigungsrecht bindend vorgeschriebene Mindestvomhundertsätze für den GdB bzw. die MdE für erhebliche äußere Körperschäden (vgl § 69 Abs. 2 Satz 4 SGB IX, § 30 Abs. 1 Satz 6 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sowie die dazu ergangene Verwaltungsvorschrift Nr. 5 zu § 30 BVG), die für die gesetzliche Unfallversicherung nicht gelten. Dass die "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" (herausgegeben vom Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung, 2004, im Folgenden: Anhaltspunkte) und in der Folge auch die VMG für die gesetzliche Unfallversicherung nicht nur aufgrund ihres Titels, sondern aufgrund des geschilderten anderen Bemessungsansatzes nicht gelten, entspricht der ständigen Rechtsprechung des BSG (vgl. nur Urteil vom 22.06.2004 – B 2 U 14/03 R – juris). Gleiches gilt für die vom Prozessbevollmächtigten angeführte unvollständige Querschnittlähmung, welche in Ziff. 3.9 VMG bei Vorliegen von Störungen der Blasen- und/ oder Mastdarmfunktion mit einem GdB von 60 bis 80 zu bewerten ist, allerdings nur im Sinne eines Orientierungswertes und auch nur, wenn zugleich eine Teillähmung beider Beine vorliegt, was beim Kläger nicht der Fall ist. Auch insoweit kommt eine Gleichsetzung von GdB und MdE wie dargelegt nicht in Betracht. Da im Übrigen nicht die Diagnose, sondern die damit konkret verbundenen Funktionseinschränkungen und die infolge dessen verschlossenen Arbeitsmöglichkeiten auf dem Gesamtgebiet des Erwerbslebens in der unfallrechtlichen Bewertung entscheidend sind, ist auch unerheblich, ob diese Diagnose direkt nach dem Unfall oder eben erst weit später gestellt worden ist. Gleichfalls unerheblich ist, wer das Gutachten vom 16. September 2009, welches auch von Prof. G. mit dem Zusatz "Einverstanden aufgrund eigener Prüfung und eigener Urteilsbildung" unterschrieben ist, federführend erstellt hat. Das Gutachten ist für die Beklagte und nicht für das Gericht erstellt worden. § 407a Abs. 2 der Zivilprozessordnung i.V.m. § 118 SGG, wonach der Sachverständige nicht befugt ist, den Auftrag auf einen anderen zu übertragen, gilt indes nur im gerichtlichen Verfahren. Im Übrigen gibt die Vorschrift dem Sachverständigen durchaus auch die Möglichkeit, sich der Mithilfe anderer Personen zu bedienen.
Schließlich ist es nicht zutreffend, dass, wie der Kläger vorträgt, Dr. E. die MdE im hier streitigen Zeitraum mit 60 bewertet habe. Er hat diese Einschätzung vielmehr zum Zeitpunkt der Begutachtung im Oktober 2004, also fast 20 Jahre später, getroffen. Hinsichtlich der Frage welche Gesundheitsstörungen seit dem Unfalltage vorlagen, verweist Dr. E. auf die urologischen Gutachten.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und entspricht dem Ausgang des Rechtsstreits in der Hauptsache.
Der Senat hat die Revision nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder Nr. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
HAM
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