L 4 R 212/17

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Mannheim (BWB)
Aktenzeichen
S 12 R 1393/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 212/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2016 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 1. März 2015 bis 28. Februar 2018.

Die am 1958 geborene Klägerin nahm erstmals am 1. September 1974 eine Erwerbstätigkeit auf. Eine am 1. Oktober 1975 begonnene Berufsausbildung zur Hauswirtschafterin schloss sie nicht ab. Ab 1977 war sie als Montagearbeiterin und zuletzt vom 1. September 1990 bis Juli 2012 als Produktionshelferin in Teilzeit (5 Tage à 4 Stunden wöchentlich) versicherungspflichtig beschäftigt. Das Beschäftigungsverhältnis endete durch Insolvenz des Arbeitgebers. Ab dem 7. August 2012 bezog sie Arbeitslosengeld und wegen einer Arbeitsunfähigkeit seit 11. Juli 2013 ab dem 22. August 2013 jedenfalls bis 31. August 2014 Krankengeld.

Ein Grad der Behinderung von 50 ist seit dem 21. Mai 2013 festgestellt (Bescheid des Landratsamts R.-N.-Kreis vom 20. August 2013).

Am 19. August 2014 beantragte sie die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung. Wegen rezidivierender depressiver Störung sei sie seit November 2004 nicht mehr leistungsfähig.

Die Beklagte zog mehrere medizinische Unterlagen bei, darunter den Arztbrief von Dr. H.-Br., Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie, Chefärztin der Privatklinik B. G., Fachklinik für Nerven- und psychosomatische Erkrankungen, vom 24. Oktober 2014 über einen stationären Aufenthalt vom 17. September bis 23. Oktober 2014 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome; chronische Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren; sonstige Spondylose mit Radikulopathie Lumbalbereich, sonstige Spondylose Zervikalbereich; Bandscheibenschaden nicht näher bezeichnet; Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung. Entlassung in leicht verbesserter und stabiler Stimmungslage), den Arztbrief der Dres. K. und S., F.-H.-Klinik, Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 29. Dezember 2009 (rezidivierende depressive Störung, gegenwärtig mittelgradige Episode mit somatischem Syndrom), ein nach Aktenlage durch Dr. W. erstelltes Gutachten für die Bundesagentur für Arbeit vom 8. September 2014 (ausgeprägte seelische Minderbelastbarkeit; Funktionseinschränkung der Hals- und Lendenwirbelsäule. Leistungsvermögen: täglich weniger als drei Stunden voraussichtlich länger als sechs Monate, aber nicht auf Dauer) sowie den diesem zugrunde liegenden Befundbericht des behandelnden Facharztes für Neurologie und Psychiatrie Se. vom 1. September 2014 (Dysthymia, Angst- und depressive Störung gemischt, nervöser Spannungskopfschmerz, chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, Carpaltunnelsyndrom rechts, Irritation des Nervus suralis links; derzeit arbeitsunfähig).

In Auswertung dieser Unterlagen kam Dr. St. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 14. Oktober 2014 zu der Einschätzung, dass die Klägerin bei Beachtung diverser qualitativer Ausschlüsse noch in der Lage sei, leichte bis mittelschwere Tätigkeiten und ihre letzte Tätigkeit als Montagearbeiterin mindestens sechs Stunden täglich und mehr zu verrichten. Vorrangig seien medizinische Rehabilitationsleistungen.

Mit Bescheid vom 17. Oktober 2014 lehnte die Beklagte den Antrag ab, da bei dem festgestellten Leistungsvermögen weder eine Erwerbsminderung noch eine Berufsunfähigkeit vorliege.

Zur Begründung des dagegen eingelegten Widerspruches verwies die Klägerin auf die stationäre Behandlung in der Privatklinik B. G ... Hauptleiden sei eine endogene Depression mit schweren sozialen Anpassungsstörungen. Sie habe sich von ihrem Freundes- und Bekanntenkreis vollständig zurückgezogen, weine viel und habe wiederkehrende Suizidgedanken. Bisherige Behandlungen hätten keine Besserung gebracht. Sie könne sich nicht mehr konzentrieren, sei niedergestimmt, antriebsgemindert, freud- und interesselos.

Nach Beiziehung eines Befundberichts des Arztes Se. vom 21. Dezember 2014 (rezidivierende depressive Störung, Angst- und depressive Störung gemischt, nervöser Spannungskopfschmerz, chronisches Hals- und Lendenwirbelsäulen-Syndrom, chronische Schmerzstörung und Spondylose) holte die Beklagte ein Gutachten des Facharzt für Neurologie, Psychiatrie, psychotherapeutische Medizin und Psychoanalyse Ma. vom 14. März 2015 ein, der aufgrund einer Untersuchung am 9. März 2015 die Diagnosen Dysthymia, lumbaler Rückenschmerzen ohne neurologischen Anhaltspunkt für eine Nervenwurzelkompression oder -irritation sowie zwei- bis dreimal im Monat auftretender Spannungskopfschmerzen stellte. Leichte bis mittelschwere Tätigkeiten überwiegend im Stehen, Gehen oder Sitzen in Tagesschicht seien der Klägerin sechs Stunden und mehr täglich zumutbar. Ausgeschlossen seien das Heben und Tragen von Lasten über 10 kg, ständig vornüber gebeugte Körperhaltung, sehr hoher Zeitdruck oder sehr hohe emotionale Belastungen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 27. April 2015 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch als unbegründet zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 11. Mai 2015 beim Sozialgericht Mannheim (SG) Klage, mit der sie die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit begehrte. Zur Begründung führte sie aus, sie habe sich wegen der neurologisch-psychiatrischen Erkrankungen in den letzteren Jahren mehrmals stationär behandeln lassen müssen. Auch Arzt Ma. habe eine erhebliche Behandlungsbedürftigkeit angenommen, so dass nicht nachvollziehbar sei, weshalb sich die festgestellten Beeinträchtigungen nicht leistungsmindernd auswirkten. Arzt Se. gehe aufgrund des trotz hochdosierter Medikation schlechten psychopathologischen Zustandsbildes von einer Erwerbsminderung aus.

Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme von Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. N. vom 30. Oktober 2015 entgegen.

Das SG befragte die behandelnden Ärzte der Klägerin schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. K., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, berichtete unter dem 30. Juli 2015 über zweimalige Vorstellungen im Abstand von ca. einem halben Jahr. Es bestünden chronisch rezidivierende Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlung in beide Beine ohne motorische Ausfälle. Eine Arbeitsunfähigkeit sei nicht bescheinigt worden. Arzt Se. gab in seiner Stellungnahme vom 10. August 2015 regelmäßige Kontakte alle vier Wochen an. Er habe wegen Depression Arbeitsunfähigkeit vom 11. Juli 2013 bis 15. Oktober 2014 bescheinigt. Dem Gutachten des Arztes Ma. könne hinsichtlich der Diagnose, der Besserungsfähigkeit und der Leistungseinschätzung nicht gefolgt werden. Aufgrund ihres psychopathologischen Zustandsbildes sei die Klägerin erwerbsunfähig. Facharzt für Neurologie Dr. Fi. diagnostizierte eine Urgeblase, eine Belastungsinkontinenz und eine exogene Depression. Es bestehe eine geringe Überaktivität der Harnblase, die medikamentös behandelt worden sei (Auskunft vom 1. September 2015). Facharzt für HNO Dr. Sch. gab unter dem 12. Oktober 2015 einen Tinnitus auris rechts und eine rechtsbetonte Innenohrschwerhörigkeit. Eine Hörgeräteversorgung sei erfolgt. Die Ausübung einer körperlich leichten Berufstätigkeit mit Möglichkeit zum Haltungswechsel und ohne erhöhte nervliche Belastung im Umfang von sechs Stunden je Arbeitstag werde aus HNO-ärztlicher Sicht nicht ausgeschlossen.

Das SG bestellte Arzt für Psychiatrie und Psychotherapie Prof. Dr. Schw. zum gerichtlichen Sachverständigen. In seinem am 13. Juli 2016 aufgrund einer Untersuchung am 22 Juni 2016 erstatteten Gutachten vom 13. Juli 2016 stellte dieser die Diagnosen einer Dysthymia, einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig remittiert, einer abhängig-asthenischen Persönlichkeitsstörung, eines Tinnitus aurium rechts sowie einer rechtsbetonten Schallleitungsschwerhörigkeit. Ausgeschlossen seien Tätigkeiten unter erhöhter psychovegetativer Belastung (erhöhter Zeitdruck wie Akkordarbeit) oder durch unphysiologische Belastung (zum Beispiel Nachtarbeit), Tätigkeiten, die höhere soziale Kompetenzen abverlangten (unmittelbarer Publikumskontakt, jegliche Vorgesetztenfunktion), mit erhöhter Lärmbelastung oder Anforderung an subtiles Hören (z.B. dreidimensionales Hören), körperlich schwere Arbeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg. Tätigkeiten, die den genannten qualitativen Ausschlüssen Rechnung trügen, seien sechs Stunden und mehr täglich zumutbar.

Der auf Antrag der Klägerin nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zum gerichtlichen Sachverständigen bestellte Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Prof. Dr. Ga., diagnostizierte in seinem aufgrund einer Untersuchung am 8. Oktober 2016 am 17. Oktober 2016 erstatteten Gutachten eine Dysthymia. Arbeiten mit erhöhter Verantwortung für Menschen und Maschinen, mit besonderer nervlicher Belastung oder besonderer geistiger Beanspruchungen, mit besonderen Anforderungen an die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit, schwere körperliche Arbeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg, Steigen auf Leitern oder Gerüsten sowie Arbeiten in Nacht- oder Wechselschicht seien der Klägerin nicht mehr zumutbar. Die danach noch möglichen Tätigkeiten könne sie bis zu einer Höchstdauer von sechs Stunden und mehr je Arbeitstag verrichten.

Mit Gerichtsbescheid vom 13. Dezember 2016 wies das SG die Klage ab. Die Voraussetzungen für die Gewährung einer Rente wegen Erwerbsminderung lägen nicht vor. Den Einschätzungen von Prof. Dr. Schw. und Prof. Dr. Ga. sowie des Arztes Ma. folgend, sei die Leistungsfähigkeit nicht in zeitlicher Hinsicht eingeschränkt.

Gegen diesen ihr am 21. Dezember 2016 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 18. Januar 2017 Berufung beim Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, es erschließe sich nicht, warum sie, die nach allgemeiner Meinung der mit ihr befassten Ärzte seit 2004 unter einer double depression leide und deswegen nach Ansicht von Prof. Dr. Ga. sogar nur eingeschränkt in der Lage sei, den eigenen Verantwortungsbereich zu übersehen, vollschichtig auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt leistungsfähig sein soll. Die von Prof. Dr. Ga. angenommenen Aggravations- bzw. Simulationstendenzen aufgrund des bei der Begutachtung nicht feststellbaren Schmerz- oder Entlastungsverhaltens, stünden im Gegensatz zu den tatsächlich vorliegenden, orthopädisch bedingten Einschränkungen. Die von diesem postulierte Besserungsmöglichkeit sei angesichts der seit mindestens fünf Jahren durchgeführten Psychopharmakotherapie nicht nachvollziehbar und werde auch von Prof. Dr. Schw. nicht gesehen. Ihr Leistungsvermögen sei auch wegen orthopädischer Gesundheitsstörungen in zeitlicher Hinsicht gemindert. Insoweit hat sie auf einen – vorgelegten – radiologischen Arztbrief vom 4. Januar 2017 und eine ebenfalls vorgelegte "gutachterliche Stellungnahme" des Facharztes für Orthopädie Dr. Re. vom 31. Januar 2017 verwiesen. Dieser stelle fest, dass sich bereits aufgrund erheblicher Funktionsminderungen und Behinderungen auf orthopädischem Fachgebiet eine deutliche Funktionsminderung für jedwede Tätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ergebe, und halte unter Würdigung der Gesamtumstände eine mindestens sechsstündige Tätigkeit nicht mehr für möglich.

Die Klägerin beantragt (sachdienlich gefasst),

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Mannheim vom 13. Dezember 2016 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 17. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2015 zu verurteilen, ihr für die Zeit vom 1. März 2015 bis 28. Februar 2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Gestützt auf beratungsärztliche Stellungnahmen von Dr. N. vom 6. März 2017 und der Ärztin für Chirurgie Dr. L. vom 7. März 2017 hat sie ausgeführt, der Vortrag in der Berufungsbegründung und die vorgelegten medizinischen Unterlagen seien nicht geeignet, die bisherige Leistungseinschätzung in Frage zu stellen und eine Erwerbsminderung zu begründen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zu den weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogenen Akten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheidet, ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 144 Abs. 1 Satz 2 SGG. Denn die Klägerin begehrt laufende Rentenleistungen für mehr als ein Jahr.

2. Streitgegenständlich ist das Begehren der Klägerin auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit. Der im klägerischen Schriftsatz vom 27. September 2017 formulierte Antrag, der Klägerin auf ihren Antrag vom 19. August 2014 hin ab dem 19. Februar 2015 befristet bis 18. Februar 2018 Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zu gewähren, bedurfte hinsichtlich des korrekten Zeitraums der Auslegung (§ 123 SGG). Bei einem angenommenen Eintritt der Erwerbsminderung bei Antragstellung am 19. August 2014 begönne nach § 101 Abs. 1 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) eine auf Zeit zu gewährende Rente am 1. März 2015 und endete am 28. Februar 2018 (vgl. § 102 Abs. 2 SGB VI). Die Gewährung einer Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI ist weder nach dem Antrag noch dem erkennbarem Begehren Gegenstand des Berufungsverfahrens.

3. Die Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das SG hat die kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage zu Recht abgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung für die Zeit vom 1. März 2015 bis 28. Februar 2018. Der streitbefangene Bescheid vom 17. Oktober 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. April 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.

a) Versicherte haben nach § 43 Abs. 2 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung und nach § 43 Abs. 1 Satz 1 SGB VI Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bis zum Erreichen der Regelaltersgrenze (insoweit mit Wirkung zum 1. Januar 2008 geändert durch Artikel 1 Nr. 12 RV-Altersgrenzenanpassungsgesetz vom 20. April 2007, BGBl. I, S. 554), wenn sie voll bzw. teilweise erwerbsgemindert sind (Nr. 1), in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung drei Jahre Pflichtbeiträge für eine versicherte Beschäftigung oder Tätigkeit haben (Nr. 2) und vor Eintritt der Erwerbsminderung die allgemeine Wartezeit erfüllt haben (Nr. 3). Voll erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 2 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Teilweise erwerbsgemindert sind nach § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI Versicherte, die wegen Krankheit oder Behinderung auf nicht absehbare Zeit außer Stande sind, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Sowohl für die Rente wegen teilweiser als auch für die Rente wegen voller Erwerbsminderung ist Voraussetzung, dass die Erwerbsfähigkeit durch Krankheit oder Behinderung gemindert sein muss. Entscheidend ist darauf abzustellen, in welchem Umfang ein Versicherter durch Krankheit oder Behinderung in seiner körperlichen und geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt wird und in welchem Umfang sich eine Leistungsminderung auf die Fähigkeit, erwerbstätig zu sein, auswirkt. Bei einem Leistungsvermögen, das dauerhaft eine Beschäftigung von mindestens sechs Stunden täglich bezogen auf eine Fünf-Tage-Woche ermöglicht, liegt keine Erwerbsminderung im Sinne des § 43 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VI vor. Wer noch sechs Stunden unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts arbeiten kann, ist nicht erwerbsgemindert; dabei ist die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI).

b) Nach diesen Maßstäben steht für den Senat aufgrund der im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren durchgeführten Beweisaufnahme fest, dass die Klägerin in der Lage ist, zumindest leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes wenigstens sechs Stunden täglich zu verrichten. Zwar liegen bei ihr gesundheitliche und daraus resultierende funktionelle Einschränkungen vor. Diese mindern ihre berufliche Leistungsfähigkeit jedoch nur in qualitativer, nicht aber in quantitativer Hinsicht.

(1) Bei der Klägerin besteht auf psychiatrischem Fachgebiet eine Dysthymia. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Einschätzungen der beiden gerichtlichen Sachverständigen Prof. Dr. Schw. und Prof. Dr. Ga. sowie dem von dem Arzt Ma. bereits im Widerspruchsverfahren erstellten Gutachten, das der Senat im Wege des Urkundsbeweises verwerten konnte (vgl. etwa Bundessozialgericht [BSG], Beschluss vom 14. November 2013 – B 9 SB 10/13 B – juris, Rn. 6; BSG, Urteil vom 5. Februar 2008 – B 2 U 8/07 R – juris, Rn. 51). Anschaulich hat Prof. Dr. Schw. dargestellt, dass für die Differenzialdiagnose – depressive Episode oder Dysthymia – die depressive Kernsymptomatik (Kriterien B1-B3 der depressiven Episode) maßgeblich sei. Hier sei zu beachten, dass bei der Klägerin im Rahmen der vielstündigen Explorationssitzung eine Antriebsminderung definitiv auszuschließen gewesen sei, auch ein kategorischer Interessen- und Freudeverlust sei nicht zu eruieren gewesen. Immerhin habe die Klägerin von verbliebenen Freizeitinteressen, auch von Freude an Begegnungen mit definierten Personen berichtet. Aufhellungen der Stimmung habe sie bei Begegnung mit dem Enkelkind oder grundsätzlich bei Abwesenheit des Ehemannes angegeben. Somit seien die Kernkriterien der depressiven Episode nicht in der erforderlichen Intensität erfüllt, so dass die Diagnose einer Dysthymia zu stellen war. Dies wird weiter untermauert durch die erhaltene Tagesstruktur, die Fähigkeit der Klägerin, ihren Haushalt zu führen und den bei der Begutachtung erhobenen klinischen Befund. Danach war das Auffassungs- und Konzentrationsvermögen altersentsprechend durchschnittlich gut. Klinisch waren keine relevanten mnestischen Funktionsstörungen in Bezug auf das Kurz- oder Langzeitgedächtnis festzustellen, auch keine Hinweise auf verstärkt ausgeprägte kognitive Ermüdungszeichen (im Rahmen der fünfstündigen Exploration und Untersuchung). Die Klägerin zeigte sich in der Stimmungslage gedrückt, im Affekt deprimiert, ratlos und in der emotionalen Schwingungsfähigkeit deutlich eingeengt. Der Antrieb war situationsadäquat, das Ausdrucksverhalten affektkongruent, dabei wenig dynamisch. Befund, Alltagsgestaltung und -kompetenz sowie Diagnose bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Schw. am 22. Juni 2016 werden bestätigt durch die früheren Begutachtungsergebnisse des Arztes Ma. (Untersuchung am 9. März 2015) und die späteren von Prof. Dr. Ga. (Untersuchung am 8. Oktober 2016). Im Befundbericht des Arztes Se. vom 1. September 2014 stellte dieser ebenfalls die Diagnose einer Dysthymia. Abweichend hiervon nennt Dr. H.-Br. im Bericht über den stationären Aufenthalt vom 17. September bis 23. Oktober 2014 in der Privatklinik Bad Gleisweiler die Diagnosen einer rezidivierenden depressiven Störung, gegenwärtig schwere Episode ohne psychotische Symptome, und einer chronischen Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren. Allerdings hatte bereits Dr. N. in seiner Stellungnahme vom 30. Oktober 2015 darauf hingewiesen, der im Entlassbericht der Dr. H.-Br. postulierte Schweregrad der Depression könne aus dem dort mitgeteilten psychopathologischen Befund nicht zweifelsfrei nachvollzogen werden. So sei lediglich angegeben worden, es fielen derzeit keine Konzentrationsstörungen auf. Im Affekt sei die Klägerin zum depressiven Pol hin verschoben mit überwiegender Niedergeschlagenheit, Antriebsminderung, Freud- und Interesselosigkeit und Lustlosigkeit. Im Weiteren folgen nur noch subjektive Beschwerdeangaben der Klägerin, die aber auch dort angegeben hatte, ihren Haushalt noch zu schaffen. Prof. Dr. Ga. bestätigte ebenfalls, dass der wiedergegebene Befund an eine (lediglich) leichte depressive Episode erinnere. Jedenfalls war auch nach Inhalt dieses Entlassberichts die Stimmungslage der Klägerin im Verlauf der Therapie verbessert worden. Die Entlassung erfolgte in verbesserter und stabiler Stimmungslage. Von einer dauerhaften schweren Ausprägung der depressiven Erkrankung kann daher nicht ausgegangen werden. Vielmehr wurde insoweit nach übereinstimmender Einschätzung von Prof. Dr. Schw. und Prof. Dr. Ga. die Dythymia zeitweise von einer leichten depressiven Episode im Sinne einer double depression überlagert.

Eine eigenständige Schmerzerkrankung im Sinne einer somatoformen Schmerzstörung liegt bei der Klägerin nicht vor. Überzeugend hat Prof. Dr. Schw. hierzu ausgeführt, bei der Klägerin lägen mehrere durch degenerative Prozesse begründete, typischerweise schmerzbehaftete Veränderungen des Stütz- und Bewegungsapparates vor (dazu unten). Das bei der Untersuchung gezeigte schmerztypische Verhalten war vergleichsweise gering ausgeprägt und zwanglos mit den genannten Veränderungen in Einklang zu bringen. Wegen fehlender symptomatischer Prägnanz und fehlender Dominanz im Erleben der Klägerin sei zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine somatoforme Schmerzstörung nicht zu diagnostizieren. Auch insoweit besteht Übereinstimmung mit Prof. Dr. Ga. und dem Arzt Ma ... Die abweichende Diagnosestellung im Entlassbericht von Dr. H.-Br. ist nicht näher begründet. Ob eine abhängig-asthenische Persönlichkeitsstörung zu diagnostizieren ist, wie von Prof. Dr. Schw. angenommen und von Prof. Dr. Ga. abgelehnt, kann offenbleiben, da sich dies auf die relevante Frage des beruflichen Leistungsvermögens nicht auswirkt (siehe unten).

Auf orthopädischem Fachgebiet bestehen chronisch rezidivierende Beschwerden im Bereich der Lendenwirbelsäule mit Ausstrahlungen in beide Beine. Dies entnimmt der Senat den übereinstimmenden Feststellungen des Arztes Ma. und des behandelnden Orthopäden Dr. K. (Auskunft vom 30. Juli 2015). Neurologische Anhaltspunkte für eine Nervenwurzelkompression oder -irritation bestehen jedoch nicht. Dr. K. bestätigt, dass motorische Ausfallerscheinungen nicht auftreten. Bei der Begutachtung durch den Arzt Ma. fand sich ein Finger-Fußspitzen-Abstand von 20 cm, der sich im Langsitz auf 0 cm verringerte. Das Zeichen nach Lasègue und der umgekehrte Lasègue waren beidseits negativ. Seitengleich zeigte sich ein normaler Muskeltones. Es bestanden keine Paresen, keine trophischen Störungen und keine pathologischen Reflexe. Die angegebenen Hypästhesien im rechten Bein und im Bereich der linken oberen Körperhälfte ließen sich nicht anatomisch zuordnen. Auch bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Schw. waren Reflexstatus, Motorik, Koordination und Sensibilität jeweils unauffällig. Gleiches gilt für die Begutachtung durch Prof. Dr. Ga ... Aus der zuletzt vorgelegten "gutachterlichen Stellungnahme" von Dr. Re. ergibt sich nichts anderes. Zwar listet dieser eine Reihe weiterer Diagnosen auf. Dabei ist aber zu beachten, dass von den fünf angegebenen Behandlungsdaten vier mehr als vier Jahre vor dem streitigen Zeitraum liegen. Der einzig aktuelle Befund vom 27. Dezember 2016 beschränkt sich auf einen Finger-Boden-Abstand von 20 cm mit Inklinationsschmerz der Lendenwirbelsäule. Die getesteten Reflexe waren seitengleich auslösbar. Es bestand keine Gefühls- und Durchblutungsstörung. Eine relevante Änderung im Vergleich zu den Vorbefunden lässt sich nicht erkennen. Im vorgelegten Bericht über eine Kernspintomographie der Lendenwirbelsäule von Januar 2017 sind zwar degenerative Veränderungen im unteren Lendenwirbelsäulenbereich mit Bandscheibenvorwölbungen beschrieben, die auch zu einer Einengung der Nervendurchtrittslöcher führen. Zu beachten ist dabei allerdings der oben dargestellte klinische Befund in den Begutachtungen und der auch aktuell Dr. Re. mitgeteilte. Denn hier findet sich jeweils kein Korrelat für die beschriebenen Veränderungen. Der Senat folgt insoweit der überzeugenden Stellungnahme von Dr. L. vom 7. März 2017.

Des Weiteren besteht eine Urgeblase mit Belastungsinkontinenz. Die resultierende, lediglich geringe Überaktivität der Harnblase wurde medikamentös behandelt. Dies entnimmt der Senat der Auskunft von Dr. Fi. vom 1. September 2015. Zu berücksichtigen sind noch ein Tinnitus auris rechts und eine rechtsbetonte Innenohrschwerhörigkeit; eine Hörgeräteversorgung ist erfolgt. Dies ergibt sich aus der Auskunft von Dr. Sch. vom 12. Oktober 2015.

(2) Die festgestellten Gesundheitsstörungen schränken das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin in qualitativer Hinsicht ein. Überzeugend hat Prof. Dr. Schw. dargelegt, dass aufgrund der psychiatrischen Gesundheitsstörung Tätigkeiten unter erhöhten psychovegetativen Belastungen (erhöhter Zeitdruck wie Akkordarbeit) oder mit unphysiologischer Belastung (zum Beispiel Nachtarbeit) sowie solche, die höhere soziale Kompetenzen abverlangten (unmittelbarer Publikumskontakt, jegliche Vorgesetztenfunktion) ausgeschlossen sind. Dies deckt sich mit den von Arzt Ma. formulierten Ausschlüssen. Zugunsten der Klägerin berücksichtigt der Senat auch die von Prof. Dr. Ga. genannten weiteren Ausschlüsse von Arbeiten mit erhöhter Verantwortung für Menschen und Maschinen, mit besonderer nervlicher Belastung oder besonderer geistiger Beanspruchung sowie mit besonderen Anforderungen an die Reaktions- und Konzentrationsfähigkeit.

Vorwiegend aufgrund der Funktionsbeeinträchtigungen des Haltungs- und Bewegungsapparates sind schwere körperliche Arbeiten mit Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg und das Steigen auf Leitern oder Gerüsten nicht mehr leidensgerecht. Dies entnimmt der Senat den überzeugenden Darlegungen von Prof. Dr. Schw. und dem Arzt Ma., die auch insoweit mit Prof. Dr. Ga. übereinstimmen. Der behandelnde Orthopäde Dr. K. hat in seiner Auskunft vom 30. Juli 2015 keine weitergehenden Ausschlüsse formuliert. Gleiches gilt für die zuletzt vorgelegte Stellungnahme von Dr. Re ... Soweit dieser darüber hinaus Überkopfarbeiten für unzumutbar hält, wird dies durch den von ihm aktuell genannten Befund nicht belegt. Die ohnehin nur geringe Überaktivität der Harnblase ist medikamentös behandelt und begründet keine weiteren Einschränkungen.

Den Beeinträchtigungen der psychovegetativen Stressbelastbarkeit und der sozialen Kompetenzen durch den Tinnitus und die Innenohrschwerhörigkeit wird auch durch die bereits aufgrund der Dysthymia erforderlichen Ausschlüssen Rechnung getragen. Zusätzlich sind Tätigkeiten mit erhöhter Lärmbelastung oder solche, die Anforderungen an subtiles Hören (z.B. dreidimensionales Hören) stellen, nicht leidensgerecht. Dies entnimmt der Senat der HNO-ärztlichen Stellungnahme von Dr. Sch. vom 12. Oktober 2015 sowie dem Gutachten von Prof. Dr. Schw ...

(3) Die bei der Klägerin als rentenrelevant zu berücksichtigen Gesundheitsstörungen führen jedoch nicht zu einem Absinken des tatsächlichen Restleistungsvermögen auf ein unter sechsstündiges Maß; sie ist weiterhin in der Lage, zumindest leichte Tätigkeiten sechs Stunden und mehr täglich auszuüben. Der Senat stützt sich auch insoweit insbesondere auf die überzeugenden Gutachten des Arztes Ma., Prof. Dr. Schw. und Prof. Dr. Ga ...

Unter Beachtung der genannten qualitativen Ausschlüsse bedingt die depressive Erkrankung keine zeitliche Begrenzung des Leistungsvermögens. Dies ergibt sich bereits aus der übereinstimmend gestellten Diagnose einer Dysthymia, die schon definitionsgemäß keine schwererwiegende Gesundheitsstörung darstellt. Aufgrund der oben dargestellten Befunde, die insbesondere keine relevanten Einschränkungen des Antriebs und der kognitiven Funktionen zeigten, der vorhandenen Alltagsgestaltung und -kompetenz ist diese Leistungsbeurteilung für den Senat ohne Weiteres überzeugend. Der abweichenden Auffassung des behandelnden Facharztes Se. vermag sich der Senat hingegen nicht anzuschließen. Dieser hat in seiner Einschätzung, die Klägerin sei nicht mehr erwerbsfähig, deren noch vorhandene Ressourcen nicht erkennbar beleuchtet. Darüber hinaus hatte er als behandelnder Arzt keine Konsistenzprüfung der Beschwerdeangaben und -darstellung vorzunehmen und hat sie ersichtlich auch tatsächlich nicht vorgenommen. Eine solche ist jedoch für die Feststellung der hier allein relevanten Leistungsfähigkeit von erheblicher Bedeutung. So hatte bereits Arzt Ma. im Rahmen der dort durchgeführten psychometrischen Testung eine ganz erhebliche negative Antwortverzerrung durch die Klägerin festgestellt. Gleichermaßen auffällig waren die Testergebnisse bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Schw., der danach gewisse aggravatorische Verhaltenstendenzen nicht auszuschließen vermochte. Dies wurde auch von Prof. Dr. Ga. bestätigt. Durchgängig zeigte sich, dass die von der Klägerin angegebenen Einschränkungen, insbesondere auch der kognitiven Funktionen und der Durchhaltefähigkeit, in den Begutachtungen nicht objektiviert werden konnten. Obwohl sie angegeben hatte, sich nicht länger als eine halbe Stunde auf ein Gespräch konzentrieren zu können, zeigte sich bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Ga. auch nach über drei Stunden noch kein nachlassendes Konzentrationsvermögen. Trotz Berichten über ausgeprägte Schmerzen zeigte sie bei der dortigen Untersuchung und Begutachtung kein Schmerz- oder Entlastungsverhalten. Auch bei der Begutachtung durch Prof. Dr. Schw. ergaben sich Diskrepanzen zwischen angegebenen Beschwerden im Bereich des Bewegungsapparates und den Ergebnissen der körperlichen Untersuchung. Aus diesen Gründen ist auch das durch Dr. W. vom 8. September 2014 für die Bundesagentur für Arbeit erstellte Gutachten nicht geeignet, eine dauerhafte Minderung des quantitativen Leistungsvermögens zu begründen. Die dort vertretene Leistungseinschätzung stützt sich nicht auf eine persönliche Begutachtung der Klägerin, sondern allein auf einen Befundbericht des Arztes Se. vom 1. September 2014, in dem im Übrigen ebenfalls eine Dysthymia diagnostiziert worden war. Zur Begründung der angenommenen Einschränkung des Leistungsvermögens wurde in diesem Gutachten angeführt, da die Klägerin von der Krankenkasse ausgesteuert worden sei, bestehe ein Leistungsvermögen von unter drei Stunden für länger als sechs Monate. Dieser Schluss von einer auf die konkrete letzte Erwerbstätigkeit bezogenen länger dauernden Arbeitsunfähigkeit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne auf eine dauerhafte Erwerbsminderung für die hier allein in Rede stehenden leichten Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes ist rechtlich unzutreffend und medizinisch nicht nachvollziehbar.

Die zu berücksichtigenden orthopädischen Gesundheitsstörungen rechtfertigen keine Einschränkung des zeitlichen Leistungsvermögens. Ihnen wird durch die oben genannten qualitativen Ausschlüsse ausreichend Rechnung getragen. Zutreffend weist Dr. L. in ihrer Stellungnahme vom 7. März 2017 darauf hin, dass keiner der Gutachter im Rahmen der körperlichen Untersuchung Zeichen einer Nervenwurzelschädigung oder -irritation im Bereich der Wirbelsäule habe feststellen können, auch keine sonstigen neurologischen Ausfälle oder Erkrankungen. Dort wurden auch jeweils gute Bewegungs- und Verhaltensbeobachtungen dokumentiert, die zeigen, dass entgegen der Angaben der Klägerin zu Schmerzen eine besondere Schmerzsymptomatik oder wesentliche Funktionsbeeinträchtigungen der Wirbelsäule im Rahmen der spontanen Bewegungen nicht bestanden. Danach besteht auch kein klinisches Korrelat zu dem zuletzt vorgelegten Kernspintomographiebefund. Für die Leistungsbeurteilung ist jedoch entscheidend der klinische Befund.

Insgesamt fanden sich auch keine wirkungsverstärkende Kumulation oder Wechselwirkungen der psychischen und somatischen Gesundheitsstörungen von Relevanz für die Leistungsfähigkeit. Der folgt insoweit der gutbegründeten Einschätzung von Prof. Dr. Schw ...

(4) Ob der Klägerin ein Arbeitsplatz vermittelt werden kann oder nicht, ist für den geltend gemachten Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung nicht erheblich. Die jeweilige Arbeitsmarktlage ist nicht zu berücksichtigen (§ 43 Abs. 3 SGB VI). Maßgebend ist, ob die Klägerin mit dem ihr verbliebenen Restleistungsvermögen – wenn auch mit qualitativen Einschränkungen – in der Lage ist, zumindest körperlich leichte Tätigkeiten arbeitstäglich für mindestens sechs Stunden zu verrichten, sie also in diesem zeitlichen Umfang unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarkts erwerbstätig sein kann, wovon im Regelfall ausgegangen werden kann (vgl. z.B. BSG, Urteil vom 19. Oktober 2010 – B 13 R 78/09 R – juris, Rn. 31). Dies bejaht der Senat, wie zuvor dargelegt.

(5) Eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegen nicht vor. In einem solchen Fall kann der Arbeitsmarkt selbst bei einem noch vorhandenen sechsstündigen Leistungsvermögen ausnahmsweise als verschlossen gelten (siehe – auch zum Folgenden – etwa Urteil des Senats vom 21. November 2014 – L 4 R 4797/13 – nicht veröffentlicht). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass eine Verweisung auf noch vorhandenes Restleistungsvermögen nur dann möglich ist, wenn nicht nur die theoretische Möglichkeit besteht, einen entsprechenden Arbeitsplatz zu erhalten.

Dies ist hier nicht der Fall. Die qualitativen Leistungseinschränkungen der Klägerin (siehe oben) sind nicht als ungewöhnlich zu bezeichnen. Darin ist weder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung noch eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen zu sehen. Eine schwere spezifische Leistungsbehinderung liegt nur vor, wenn bereits eine erhebliche (krankheitsbedingte) Behinderung ein weites Feld von Verweisungsmöglichkeiten versperrt. Hierzu können – unter besonderer Berücksichtigung der jeweiligen Einzelfallumstände – beispielsweise Einäugigkeit, Einarmigkeit und Einschränkungen der Arm- und Handbeweglichkeit sowie besondere Schwierigkeiten hinsichtlich der Gewöhnung und Anpassung an einen neuen Arbeitsplatz zählen (vgl. BSG, Urteil vom 9. Mai 2012 – B 5 R 68/11 R – juris, Rn. 28 m.w.N.). Keine dieser Fallkonstellationen ist hier gegeben.

(6) Auch die Wegefähigkeit der Klägerin war und ist gegeben. Neben der zeitlich ausreichenden Einsetzbarkeit eines Versicherten am Arbeitsplatz gehört zur Erwerbsfähigkeit auch das Vermögen, eine Arbeitsstelle in zumutbarer Zeit aufsuchen zu können. Das BSG hat dieses Vermögen nur dann für gegeben erachtet, wenn es dem Versicherten möglich ist, Entfernungen von über 500 Metern zu Fuß zurückzulegen, weil davon auszugehen ist, dass derartige Wegstrecken üblicherweise erforderlich sind, um Arbeitsstellen oder Haltestellen eines öffentlichen Verkehrsmittels zu erreichen (zum Ganzen z.B. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1991 – 13/5 RJ 73/90 – juris, Rn. 16 ff.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 21/10 R – juris, Rn. 21 f.; Urteil vom 12. Dezember 2011 – B 13 R 79/11 R – juris, Rn. 19 f.). Die Klägerin ist in der Lage, eine Gehstrecke von 500 Metern viermal in weniger als 20 Minuten täglich zurückzulegen und öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Aus den ärztlichen Äußerungen ergeben sich keine Befunde, die für eine unter den genannten Maßstäben eingeschränkte Gehfähigkeit der Klägerin sprechen.

(7) Aus der Anerkennung eines Grades der Behinderung von 50 folgt ebenfalls nicht, dass die Klägerin erwerbsgemindert wäre. Zwischen der Schwerbehinderung nach dem Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) und der Erwerbsminderung nach dem SGB VI besteht keine Wechselwirkung, da die gesetzlichen Voraussetzungen unterschiedlich sind (BSG, Beschluss vom 8. August 2001 – B 9 SB 5/01 B – juris, Rn. 5; BSG, Beschluss vom 9. Dezember 1987 – 5b BJ 156/87 – juris, Rn. 3).

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.

5. Die Revision war nicht zuzulassen, da Gründe hierfür (vgl. § 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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