Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 1 VG 2285/15
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VG 4265/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Im Opferentschädigungsrecht ist eine Beschränkung des Streitgegenstands auf bestimmte Tatkomplexe zulässig, da in § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG auf einen (bestimmten) vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff als Anspruchsvoraussetzung abgestellt wird. Es liegt mithin in der Dispositionsbefugnis des Betroffenen, einen bestimmten Gewaltvorfall zum Gegenstand seines Antrags zu machen und dementsprechend umgekehrt andere Gewaltvorfälle auszuschließen bzw. auch im Laufe des Verfahrens nicht mehr geltend zu machen.
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Oktober 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsrecht.
Die 1971 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und im Inland wohnhaft. Sie ist in zweiter Ehe verheiratet. Zu der aus erster Ehe stammenden Tochter, die im betreuten Wohnen lebt, besteht kein Kontakt mehr. Ihre Hobbys sind Malen und ein Aquarium sowie ein Terrarium mit Echsen. Seit 1998 ist die dazu ausgebildete Druckformherstellerin nicht mehr berufstätig. Sie bezieht aufgrund eines Vergleichs beim Sozialgericht Düsseldorf (S 5 RJ 129/02) seit dem 1. September 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Das Landratsamt R. stellte bei ihr in Ausführung eines vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) unter dem Aktenzeichen S 5 SB 2695/03 geschlossenen Vergleichs mit Bescheid vom 11. April 2006 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das Merkzeichen "G" seit 1. Oktober 2003 sowie einen GdB von 80 für die Zeit ab 11. Oktober 2002 bis 30. September 2003 fest. Dem lag die versorgungsärztliche Einschätzung von Dr. W. vom 14. Januar 2005 zugrunde, wonach zudem seit 9. Januar 2002 ein GdB von 50 bestände. Wegen einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks liege ein Teil-GdB von 30 vor. Insoweit hatte die Klägerin bereits in ihrem Erstantrag vom 8. Juni 1998 angegeben, dass sie an einer Behinderung der Knie ("Bänderplastik, Meniskus") leide und in einem Klageverfahren beim SG unter dem Aktenzeichen S 13 SB 6349/98 erreicht, dass die ursprünglich mit einem Teil-GdB von 10 beurteile Funktionseinschränkung bei Kniearthrose rechts nunmehr mit einem Teil-GdB von 30 bewertet wurde, was zusammen mit einem Teil-GdB von 20 für Asthma bronchiale und einem Teil-GdB von 10 für degenerative Veränderung der Wirbelsäule insgesamt zu einem GdB von 40 ab 8. Juni 1998 im Anerkenntnis vom 15. Mai 2000 führte. Dem lag das in diesem Gerichtsverfahren erstattete Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 11. Januar 2000 zugrunde, in dem der Sachverständige nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am selben Tag bezüglich des rechten Knies einen chronischen Reizzustand mit endgradiger Beweglichkeitseinschränkung sowie eine deutliche Arthrose und eine muskulär unvollständig kompensierbare Komplexinstabilität nach zwei Traumata und vorderen Kreuzband-Plastiken 1991/1998 diagnostizierte. Die Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenks in drei Ebenen ergab eine deutliche Arthrose vor allem der inneren Gelenke, mit 1/3-iger Knorpelverschmälerung, subchondraler Hypersklerose, abgeflachter Femurcondyle, etwas unebenen Konturen und Kantenappositionen, etwas verplumpte Kreuzbandhöcker, flaue Weichteilverschattungen im Bereich der Fossa intercondycla, Strukturunruhe und teils unvollständig knöchern aufgefüllte Kanäle im Schienbeinkopf und im Femurcondylenmassiv nach Bohrung, grobsträhnige gelenknahe Spongiosastruktur sowie eine Kniescheibendysplasie Wiberg III ohne wesentliche Zentrierungsstörung im femoralen Gleitlager.
Nachdem ein erster Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) vom 20. März 2012 wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin abgelehnt worden war, beantragte sie am 7. August 2013 erneut die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG, weil sie Gesundheitsstörungen durch mehrere Misshandlungen und zwei Vergewaltigungen erlitten habe. Sie sei im Alter von 13 Jahren durch J. N. schwer vergewaltigt worden, woraus eine Anorexie folge, und im Alter von 40 Jahren durch P. D. Mit 25 Jahren sei sie von P. S. in einer Duschkabine gewürgt und geschlagen worden, wodurch ihr Knie "für immer kaputt" sei. Später ergänzte die Klägerin, Si. van De. würde ihr nachstellen.
Der Beklagte ermittelte durch weiteres Befragen der Klägerin, Beiziehung staatsanwaltschaftlicher Akten und der Schwerbehindertenakten der Klägerin sowie ärztlicher Unterlagen des Rentenversicherungsträgers und weiterer medizinischer Unterlagen der behandelnden Ärzte. Danach ergab sich, dass der N. zum behaupteten Tatzeitpunkt zwei Jahre jünger als die Klägerin gewesen und ein Strafverfahren damals aufgrund der Strafunmündigkeit nicht eingeleitet worden war. Das Ermittlungsverfahren gegen den D war von der Staatsanwaltschaft T. gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) mit der Begründung eingestellt worden, dass die Angaben der Klägerin keine höhere Gewähr für die Richtigkeit böten als diejenigen des Beschuldigten, der verantwortlich vernommen ausgesagt hatte, der angeschuldigte Analverkehr sei nicht nur freiwillig geschehen, sondern von der Klägerin eingefordert worden, somit stehe Aussage gegen Aussage (Aktenzeichen: 47 Js 4552/12). Die Ermittlungen gegen den van De., ebenfalls ein ehemaliger Lebensgefährte der Klägerin, waren ebenso eingestellt worden, nachdem mehrere polizeiliche Gefährderansprachen erfolgt waren, objektiv nachweisbare körperliche Gewaltanwendungen seitens des Beschuldigten aber nicht festgestellt werden konnten (Aktenzeichen: 32 Js 8435/13). Das Strafverfahren gegen den S. war mit einem Strafurteil des Amtsgerichts St. vom 4. Dezember 2000 rechtskräftig beendet und er zu der Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Aktenzeichen: 16 Ds 22 Js 66843/00). Danach hatte am 7. August 2000 der ehemalige Lebensgefährte der Klägerin, nach deren Beendigung der Beziehung in St., in alkoholbedingt verminderter Zurechnungsfähigkeit einen Faustschlag in die Rippen versetzt, wodurch diese zu Boden ging und erneut von ihm auf das rechte Knie geschlagen wurde. Dadurch erlitt sie Blutergüsse, eine Kreuzbandverletzung und erhebliche Rückenschmerzen. Der behandelnde Facharzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. K. hatte in einem in diesem Verfahren eingereichten Attest vom 10. August 2000 mitgeteilt, dass Würgemale an der linken Halsseite sowie multiple Hämatome am gesamten Körper inklusive beider Arme und Beine mit entsprechenden schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen bestünden. Untersuchungstechnisch sei die so genannte "hintere Schublade" am rechten Kniegelenk aufgefallen, die mittels NMR dokumentiert worden sei. Es bestehe ein Riss des hinteren Kreuzbandes rechtes Kniegelenk neben massiven Knorpelschäden.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2014 stellte der Beklagte fest, dass zwischen den am 7. August 2000 erlittenen, inzwischen aber folgenlos abgeheilten Gesundheitsstörungen "Würgemale an der linken Halsseite, multiple Hämatome am gesamten Körper inklusive beider Arme und Beine mit entsprechenden schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen, Riss des hinteren Kreuzbandes" und der Schädigung im Sinne des § 1 OEG ein ursächlicher Zusammenhang bestanden habe. Folgen dieser Verletzung lägen jedoch spätestens seit Ende des Jahres 2000 nicht mehr vor. Die daneben noch geltend gemachte Gesundheitsstörung "psychische Erkrankung" könne nicht auf schädigende Tatbestände des § 1 OEG zurückgeführt werden. Im Übrigen lägen dauernde Gesundheitsstörungen, die als Schädigungsfolgen nach dem OEG anzuerkennen wären, nicht vor. Dem Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung könne daher nicht entsprochen werden.
Den dagegen im Wesentlichen mit der Begründung erhobenen Widerspruch, die Gesundheitsstörungen seien gerade nicht folgenlos abgeheilt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 zurück. Bei der Schädigung vom 7. August 2000 seien ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG anerkannt und dessen Folgen festgestellt worden. Die erlittenen Schäden seien jedoch schon seit Ende des Jahres 2000 folgenlos abgeheilt. Die als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen könnten daher keinen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) begründen. Die bestehenden Beschwerden, insbesondere am rechten Knie, seien ganz überwiegend schädigungsunabhängig. Aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen gehe hervor, dass bereits vor dem schädigenden Ereignis mehrere Operationen zur Stabilisierung des rechten Knies erforderlich gewesen seien, somit von einer erheblichen und maßgeblichen Vorschädigung auszugehen sei. Auch ihrer Natur nach handele es sich bei den Verletzungen schon augenscheinlich nach nicht um Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit nach der Lehrmeinung eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung zur Folge hätten.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. September 2015 Klage beim SG erhoben, welches eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage bei Dr. Se., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, eingeholt hat, wonach die Klägerin dort einmalig am 26. Februar 2015 zur klinischen Untersuchung und Befundbesprechung anwesend gewesen sei. Anamnestisch habe sich ein Zustand nach diversen Knieoperation im rechten Knie mit anschließend wohl Infektkonstellation und mehrfachen Revisionen ergeben.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2016 abgewiesen. Die Misshandlung durch den S. am 7. August 2000 habe einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff dargestellt, der allerdings keine Gesundheitsstörungen von mehr als sechsmonatiger Dauer zur Folge gehabt habe. Aufgrund der Ausführungen des Amtsgerichts St. im Urteil vom 4. Dezember 2000 sei davon auszugehen, dass der Riss des hinteren Kreuzbandes auf die körperliche Misshandlung durch den S. zurückzuführen sei. Die eigenen Angaben der Klägerin und die vorliegenden medizinischen Unterlagen bestätigten aber, dass bereits vor dem schädigenden Ereignis bei der Klägerin erhebliche Vorschäden im rechten Kniegelenk bestanden hätten. Bis zum schädigenden Ereignis habe sich die Klägerin mehreren Operation am rechten Knie unterziehen müssen. Es habe als Folge eines Sturzes im März 1991 und der nachfolgenden Operationen eine Instabilität mit Arthrose bestanden. Ein Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und der (nach wie vor) bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Kniegelenks liege daher nicht vor. Hinsichtlich der behaupteten Vergewaltigung durch den N. fehle es bereits an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff, da es für das Vorbringen der Klägerin keinerlei Nachweise gebe. Die Angaben der Klägerin erschienen auch nicht als glaubhaft. Vielmehr bestünden an der Richtigkeit der Angaben erhebliche Zweifel, da der N. zum Zeitpunkt der angeblichen Vergewaltigung erst elf Jahre alt gewesen sei und angesichts dieses jungen Alters eine tatsächlich durchgeführte Vergewaltigung wenn nicht sogar auszuschließen, so doch äußerst unwahrscheinlich sei. Am Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffes fehle es auch hinsichtlich der behaupteten Vergewaltigung durch den D. Das Vorbringen, sie sei am 3. März 2012 gegen ihren Willen zum Analverkehr gezwungen worden, sei nicht bewiesen. Dies belege die Einstellung des entsprechenden Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft T. mit der Begründung, dass die Angaben der Klägerin keine höhere Gewähr für die Richtigkeit böten als diejenigen des Beschuldigten. Durch das Verhalten des van De. sei keine physische Gewalteinwirkung auf die Klägerin ausgeübt worden, ein Angriff im Sinne des OEG setze jedoch eine unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus, während die bloße Drohung mit einer – wenn auch erheblichen – Gewaltanwendung oder Schädigung hierfür nicht ausreichten. Es fehle daher auch hier an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff.
Am 18. November 2016 hat die Klägerin hiergegen Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass ihr Knie vor der Tat des S. wieder "o.k." gewesen sei. Hierfür verweist sie auf einen Operationsbericht der Sportklinik St. vom 19. April 2000, wonach am rechten Kniegelenk bei Kniegelenksinfektion eine Fistel-Ausschneidung ventro-medial über dem Tibiakopf sowie Entfernung der Interferenzschraube und Fäden nach Quadrizepssehnenplastik erfolgten und worin unter anderem ausgeführt wird, dass die Seitenbänder in Streckstellung stabil seien. Zudem bezieht sie sich auf einen Entlassungsbericht der Sportklinik St. vom 3. Mai 2000, in dem nach der Operation vom 19. April 2000 über einen regelrechten postoperativen Heilverlauf bei reizlosen Wundverhältnissen und ein endgradig schmerzhaft leicht eingeschränktes Bewegungsausmaß berichtet wird. Im Zweifel sei zu ihren Gunsten zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Oktober 2016 und den Bescheid vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 teilweise aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr wegen der Gewalthandlung von P. S. vom 7. August 2000 eine Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab 7. August 2013 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden Handlung am 7. August 2000 und der (nach wie vor) bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Kniegelenks nicht anzuerkennen sei.
Der damalige Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 8. Februar 2017 erörtert. Die Klägerin hat erklärt, dass sie den Rechtsstreit auf ihre Knieproblematik durch die Tat von P. S. im Jahr 2000 konzentriert haben wolle. Nicht mehr streiten wolle sie über die Tatkomplexe N., D und van De.
Zudem hat der damalige Berichterstatter von Amts wegen von Prof. Dr. Sch. (Leiter der Gutachtenambulanz im Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie des Universitätsklinikums H. sowie Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Physikalische und Rehabilitative Medizin) das Gutachten vom 20. September 2017 eingeholt. Darin führt der Sachverständige nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 16. August 2017 aus, dass sie nach Kniebinnen-Verletzungen im Jahr 1991 und wiederholten Kreuzbandrissen sowie wiederholten Kreuzband-Revisionseingriffen (unter anderem mit Infektverlauf) zwischen den Jahren 1991 und 2000 mit kombinierter vorderer-innerer Kniegelenksinstabilität an einer drittgradigen medial-betonten Gonarthrose rechts leide, die muskulär nicht kompensiert sei und in einer deutlichen Verminderung der Umfangsmaße im Bereich der Oberschenkelmuskulatur auf der rechten Seite als Ausdruck von Schonung des rechten Beins resultiere. Es sei von einem erheblichen Vorschaden des rechten Knies auszugehen, so dass nicht mit Wahrscheinlichkeit belegt werden könne, dass das Ereignis vom 7. August 2000 zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung geführt habe. Er gehe davon aus, dass es auch ohne dieses Ereignis zu einem Voranschreiten des Knieschadens im dokumentierten Ausmaß gekommen wäre. Der GdB von 30, beschieden vor dem 7. August 2000, deute auf ein schweres Ausmaß schon vor dem Ereignis hin. Der zu erwartende Spontanverlauf des dokumentierten Schadens vom Januar 2000 (kombinierte multidirektionale Kniegelenksinstabilität, die muskulär nicht kompensierbar war sowie Röntgenbefund einer medial-betonten Gonarthrose) spreche gegen eine richtungsweisende Verschlimmerung, sondern stelle einen Schaden dar, der in das Schadensbild heute ohne richtungsweisende Verschlimmerung einmünde. Der GdS betrage unter 10.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten und die beigezogenen Akten S 5 SB 2695/03 und S 13 SB 6349/98 sowie SGB IX-Akten des Landratsamt R. (2 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von einer Zurückverweisung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG abgesehen. Nach diesen Vorschriften kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Angesichts des jungen Lebensalters der zum Tatzeitpunkt erst 28 Jahre alten Klägerin hat es sich aufgedrängt, die von ihr behauptete Besserung der Kniebeschwerden vor dem Gewaltvorfall am 7. August 2000 und dann durch den Gewaltvorfall bedingte erneute Verschlechterung durch einen Sachverständigen medizinisch überprüfen zu lassen, was erstinstanzlich nicht geschehen ist. Entgegen § 103 SGG hat das SG somit nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen ermittelt. Diese erforderlichen Ermittlungen hat der Senat nachgeholt. Darüber hinaus begegnet die Verfahrensweise einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid in einer dem Opferentschädigungsrecht zuzuordnenden Konstellation wie der vorliegenden auch grundsätzlichen Bedenken. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Abgesehen von der unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts ist die Sache vorliegend im Hinblick auf die Kausalitätsbeurteilung der strafgerichtlich festgestellten Gewalttat zu den Kniebeschwerden auch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders schwierig. Eine mündliche Verhandlung, in der die Klägerin bereits erstinstanzlich ihren Fall der gesamten Kammer hätte persönlich schildern können, worum sie zudem ausdrücklich gebeten hatte, wäre daher geboten gewesen. Die erstinstanzliche Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist der Bedeutung der mündlichen Verhandlung und der Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern im sozialgerichtlichen Verfahren mithin nicht gerecht geworden.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 17. Oktober 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 4 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 72 f.) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach dem OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) verfolgt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist sowohl für Verpflichtungs- als auch für Leistungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 7. Dezember 2017 stattfand.
Die Klägerin hat dabei den Streitgegenstand bereits im Erörterungstermin vom 8. Februar 2017 auf die Knieproblematik durch die Gewalthandlung von P. S. am 7. August 2000 begrenzt. Dementsprechend hat sie in der mündlichen Verhandlung auch ihren Berufungsantrag beschränkt. Eine derartige Beschränkung auf bestimmte Tatkomplexe ist zulässig, da in § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG auf einen (bestimmten) vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff als Anspruchsvoraussetzung abgestellt wird. Es liegt mithin in der Dispositionsbefugnis des Betroffenen, einen bestimmten Gewaltvorfall zum Gegenstand seines Antrags zu machen und dementsprechend umgekehrt andere Gewaltvorfälle auszuschließen bzw. auch im Laufe des Verfahrens nicht mehr geltend zu machen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. Dezember 2016 - L 10 VE 72/14 -, juris, Rz. 17).
Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage unbegründet. Das SG hat sie im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), da sie die begehrte Leistung auch nach den vom Senat angestellten Ermittlungen nicht beanspruchen kann.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS – bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als MdE bezeichnet – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Für einen Anspruch der Klägerin auf Beschädigtengrundrente nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)):
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m.w.N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m.w.N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m.w.N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m.w.N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.).
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a.a.O., § 128 Rz. 3b m.w.N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a.a.O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m.w.N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a.a.O., Rz. 3d m.w.N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m.w.N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a.a.O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV – "Versorgungsmedizinische Grundsätze" – VG; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 17).
Vor diesem Hintergrund bedingen die mit Bescheid vom 18. Juni 2014 bindend (§ 77 SGG) als Schädigungsfolgen des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs durch den S. am 7. August 2000 festgestellten "Würgemale an der linken Halsseite, multiple Hämatome am gesamten Körper inklusive beider Arme und Beine mit entsprechenden schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen, Riss des hinteren Kreuzbandes" nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ab der streitgegenständlichen Antragstellung am 7. August 2013 als materiell-rechtlicher Voraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - B 9/9a VG 1/07 R -, SozR 4-3100 § 60 Nr. 5, Rz. 17) vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Kniegelenks.
Es spricht mehr dafür als dagegen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen bereits vorbestehend waren. So hatte die Klägerin bereits in ihrem Erstantrag bei der Versorgungsverwaltung zur Erlangung der Schwerbehinderteneigenschaft vom 8. Juni 1998 angegeben, dass sie an einer Behinderung der Knie ("Bänderplastik, Meniskus") leide. Dies hat sich im Rahmen des von ihr angestrengten Gerichtsverfahrens mit dem Aktenzeichen S 13 SB 6349/98 insoweit bestätigt, als die ursprünglich mit einem Teil-GdB von 10 beurteilte Funktionseinschränkung bei Kniearthrose rechts im Rahmen eines Anerkenntnisses mit einem Teil-GdB von 30 bewertet wurde. Maßgebend waren dafür die Ausführungen des in diesem Verfahren bestellten gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. in seinem orthopädischen Gutachten vom 11. Januar 2000, das der Senat als Sachverständigenbeweis (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO -) verwertet. Noch vor dem schädigenden Ereignis am 7. August 2000 stellte dieser darin bezüglich des rechten Knies einen chronischen Reizzustand mit endgradiger Beweglichkeitseinschränkungen sowie eine deutliche Arthrose und muskulär unvollständig kompensierbare Komplexinstabilität nach zwei Traumata und vorderen Kreuzband-Plastiken 1991/1998 fest. Nach der Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenks in drei Ebenen lag bereits zu diesem Zeitpunkt eine deutliche Arthrose vor allem der inneren Gelenke vor, die eine Funktionsbeeinträchtigung zur Folge hatten, welche er mit einem Teil-GdB von 30 beurteilte. Dies stellt nach den VG eine erhebliche Einschränkung dar, bedingt doch eine unvollständig kompensierbare Lockerung des Kniebandapparates mit Gangunsicherheit erst einen GdB von 20, während ein GdB von 30 vergleichbar ist mit der Versteifung eines Kniegelenks in günstiger Stellung (VG, Teil B, Nr. 18.14).
Der Senat schließt sich in der Bewertung daher dem von Amts wegen eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vom 20. September 2017 an. Er kommt darin insbesondere unter Bezug auf das Gutachten von Dr. H. und dem darin festgestellten erheblichen Vorschaden des rechten Knies zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass dieser Vorschaden ohne richtungsweisende Verschlimmerung durch das Ereignis vom 7. August 2000 in das heute bestehende Schadensbild einmündet. Der zu erwartende Spontanverlauf des im Januar 2000 dokumentierten Schadens spricht gegen die Annahme, dass das Ereignis vom 7. August 2000 eine richtungsweisende Verschlimmerung der Kniegelenksfunktion bewirkt hat.
Die von der Klägerin vorgelegten Berichte der Sportklinik St. erschüttern dieses Ergebnis nicht. Es handelt sich dabei um den Operationsbericht über einen Eingriff am rechten Knie am 19. April 2000. Abgesehen davon, dass dieser Bericht dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vorlag und mithin in seinem Gutachten Berücksichtigung gefunden hat (S. 4 des Gutachtens), wird damit gerade wiederum belegt, dass schon vor dem schädigenden Ereignis am 7. August 2000 ein (weiterer) krankheitsbedingter Eingriff notwendig war. Es erfolgte bei Kniegelenksinfektion eine Fistel-Ausschneidung ventro-medial über dem Tibiakopf sowie Entfernung der Interferenzschraube und Fäden nach Quadrizepssehnenplastik. Dass im Operationsbericht selbst und insbesondere auch im Entlassungsbericht vom 3. Mai 2000 im Anschluss von einem regelrechten postoperativen Heilverlauf, reizlosen Wundverhältnissen und stabiler Streckstellung der Seitenbänder berichtet wird, zeigt nur, dass die Operation insoweit erfolgreich war. Folgenlos ausgeheilt waren die Knieschäden danach aber keineswegs.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass im Zweifel zu ihren Gunsten zu entscheiden sei, verkennt sie, dass im sozialen Entschädigungsrecht ein solcher Grundsatz nicht existiert, sondern wie vorstehend dargestellt hinsichtlich der Kausalität der Schädigungsfolgen zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss, wovon hier wie ebenfalls ausgeführt gerade nicht ausgegangen werden kann.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten wegen der Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsrecht.
Die 1971 geborene Klägerin ist deutsche Staatsangehörige und im Inland wohnhaft. Sie ist in zweiter Ehe verheiratet. Zu der aus erster Ehe stammenden Tochter, die im betreuten Wohnen lebt, besteht kein Kontakt mehr. Ihre Hobbys sind Malen und ein Aquarium sowie ein Terrarium mit Echsen. Seit 1998 ist die dazu ausgebildete Druckformherstellerin nicht mehr berufstätig. Sie bezieht aufgrund eines Vergleichs beim Sozialgericht Düsseldorf (S 5 RJ 129/02) seit dem 1. September 2002 eine Rente wegen voller Erwerbsminderung.
Das Landratsamt R. stellte bei ihr in Ausführung eines vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) unter dem Aktenzeichen S 5 SB 2695/03 geschlossenen Vergleichs mit Bescheid vom 11. April 2006 einen Grad der Behinderung (GdB) von 100 und das Merkzeichen "G" seit 1. Oktober 2003 sowie einen GdB von 80 für die Zeit ab 11. Oktober 2002 bis 30. September 2003 fest. Dem lag die versorgungsärztliche Einschätzung von Dr. W. vom 14. Januar 2005 zugrunde, wonach zudem seit 9. Januar 2002 ein GdB von 50 bestände. Wegen einer Funktionsbehinderung des rechten Kniegelenks liege ein Teil-GdB von 30 vor. Insoweit hatte die Klägerin bereits in ihrem Erstantrag vom 8. Juni 1998 angegeben, dass sie an einer Behinderung der Knie ("Bänderplastik, Meniskus") leide und in einem Klageverfahren beim SG unter dem Aktenzeichen S 13 SB 6349/98 erreicht, dass die ursprünglich mit einem Teil-GdB von 10 beurteile Funktionseinschränkung bei Kniearthrose rechts nunmehr mit einem Teil-GdB von 30 bewertet wurde, was zusammen mit einem Teil-GdB von 20 für Asthma bronchiale und einem Teil-GdB von 10 für degenerative Veränderung der Wirbelsäule insgesamt zu einem GdB von 40 ab 8. Juni 1998 im Anerkenntnis vom 15. Mai 2000 führte. Dem lag das in diesem Gerichtsverfahren erstattete Gutachten des Arztes für Orthopädie Dr. H. vom 11. Januar 2000 zugrunde, in dem der Sachverständige nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am selben Tag bezüglich des rechten Knies einen chronischen Reizzustand mit endgradiger Beweglichkeitseinschränkung sowie eine deutliche Arthrose und eine muskulär unvollständig kompensierbare Komplexinstabilität nach zwei Traumata und vorderen Kreuzband-Plastiken 1991/1998 diagnostizierte. Die Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenks in drei Ebenen ergab eine deutliche Arthrose vor allem der inneren Gelenke, mit 1/3-iger Knorpelverschmälerung, subchondraler Hypersklerose, abgeflachter Femurcondyle, etwas unebenen Konturen und Kantenappositionen, etwas verplumpte Kreuzbandhöcker, flaue Weichteilverschattungen im Bereich der Fossa intercondycla, Strukturunruhe und teils unvollständig knöchern aufgefüllte Kanäle im Schienbeinkopf und im Femurcondylenmassiv nach Bohrung, grobsträhnige gelenknahe Spongiosastruktur sowie eine Kniescheibendysplasie Wiberg III ohne wesentliche Zentrierungsstörung im femoralen Gleitlager.
Nachdem ein erster Antrag auf Leistungen nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG) vom 20. März 2012 wegen mangelnder Mitwirkung der Klägerin abgelehnt worden war, beantragte sie am 7. August 2013 erneut die Gewährung von Beschädigtenversorgung nach dem OEG, weil sie Gesundheitsstörungen durch mehrere Misshandlungen und zwei Vergewaltigungen erlitten habe. Sie sei im Alter von 13 Jahren durch J. N. schwer vergewaltigt worden, woraus eine Anorexie folge, und im Alter von 40 Jahren durch P. D. Mit 25 Jahren sei sie von P. S. in einer Duschkabine gewürgt und geschlagen worden, wodurch ihr Knie "für immer kaputt" sei. Später ergänzte die Klägerin, Si. van De. würde ihr nachstellen.
Der Beklagte ermittelte durch weiteres Befragen der Klägerin, Beiziehung staatsanwaltschaftlicher Akten und der Schwerbehindertenakten der Klägerin sowie ärztlicher Unterlagen des Rentenversicherungsträgers und weiterer medizinischer Unterlagen der behandelnden Ärzte. Danach ergab sich, dass der N. zum behaupteten Tatzeitpunkt zwei Jahre jünger als die Klägerin gewesen und ein Strafverfahren damals aufgrund der Strafunmündigkeit nicht eingeleitet worden war. Das Ermittlungsverfahren gegen den D war von der Staatsanwaltschaft T. gemäß § 170 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) mit der Begründung eingestellt worden, dass die Angaben der Klägerin keine höhere Gewähr für die Richtigkeit böten als diejenigen des Beschuldigten, der verantwortlich vernommen ausgesagt hatte, der angeschuldigte Analverkehr sei nicht nur freiwillig geschehen, sondern von der Klägerin eingefordert worden, somit stehe Aussage gegen Aussage (Aktenzeichen: 47 Js 4552/12). Die Ermittlungen gegen den van De., ebenfalls ein ehemaliger Lebensgefährte der Klägerin, waren ebenso eingestellt worden, nachdem mehrere polizeiliche Gefährderansprachen erfolgt waren, objektiv nachweisbare körperliche Gewaltanwendungen seitens des Beschuldigten aber nicht festgestellt werden konnten (Aktenzeichen: 32 Js 8435/13). Das Strafverfahren gegen den S. war mit einem Strafurteil des Amtsgerichts St. vom 4. Dezember 2000 rechtskräftig beendet und er zu der Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt worden, deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wurde (Aktenzeichen: 16 Ds 22 Js 66843/00). Danach hatte am 7. August 2000 der ehemalige Lebensgefährte der Klägerin, nach deren Beendigung der Beziehung in St., in alkoholbedingt verminderter Zurechnungsfähigkeit einen Faustschlag in die Rippen versetzt, wodurch diese zu Boden ging und erneut von ihm auf das rechte Knie geschlagen wurde. Dadurch erlitt sie Blutergüsse, eine Kreuzbandverletzung und erhebliche Rückenschmerzen. Der behandelnde Facharzt für Chirurgie und Orthopädie Dr. K. hatte in einem in diesem Verfahren eingereichten Attest vom 10. August 2000 mitgeteilt, dass Würgemale an der linken Halsseite sowie multiple Hämatome am gesamten Körper inklusive beider Arme und Beine mit entsprechenden schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen bestünden. Untersuchungstechnisch sei die so genannte "hintere Schublade" am rechten Kniegelenk aufgefallen, die mittels NMR dokumentiert worden sei. Es bestehe ein Riss des hinteren Kreuzbandes rechtes Kniegelenk neben massiven Knorpelschäden.
Mit Bescheid vom 18. Juni 2014 stellte der Beklagte fest, dass zwischen den am 7. August 2000 erlittenen, inzwischen aber folgenlos abgeheilten Gesundheitsstörungen "Würgemale an der linken Halsseite, multiple Hämatome am gesamten Körper inklusive beider Arme und Beine mit entsprechenden schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen, Riss des hinteren Kreuzbandes" und der Schädigung im Sinne des § 1 OEG ein ursächlicher Zusammenhang bestanden habe. Folgen dieser Verletzung lägen jedoch spätestens seit Ende des Jahres 2000 nicht mehr vor. Die daneben noch geltend gemachte Gesundheitsstörung "psychische Erkrankung" könne nicht auf schädigende Tatbestände des § 1 OEG zurückgeführt werden. Im Übrigen lägen dauernde Gesundheitsstörungen, die als Schädigungsfolgen nach dem OEG anzuerkennen wären, nicht vor. Dem Antrag auf Gewährung von Beschädigtenversorgung könne daher nicht entsprochen werden.
Den dagegen im Wesentlichen mit der Begründung erhobenen Widerspruch, die Gesundheitsstörungen seien gerade nicht folgenlos abgeheilt, wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12. August 2015 zurück. Bei der Schädigung vom 7. August 2000 seien ein vorsätzlicher rechtswidriger Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 OEG anerkannt und dessen Folgen festgestellt worden. Die erlittenen Schäden seien jedoch schon seit Ende des Jahres 2000 folgenlos abgeheilt. Die als Schädigungsfolgen anerkannten Gesundheitsstörungen könnten daher keinen Grad der Schädigungsfolgen (GdS) begründen. Die bestehenden Beschwerden, insbesondere am rechten Knie, seien ganz überwiegend schädigungsunabhängig. Aus den vorliegenden ärztlichen Unterlagen gehe hervor, dass bereits vor dem schädigenden Ereignis mehrere Operationen zur Stabilisierung des rechten Knies erforderlich gewesen seien, somit von einer erheblichen und maßgeblichen Vorschädigung auszugehen sei. Auch ihrer Natur nach handele es sich bei den Verletzungen schon augenscheinlich nach nicht um Gesundheitsstörungen, die mit Wahrscheinlichkeit nach der Lehrmeinung eine dauerhafte Funktionsbeeinträchtigung zur Folge hätten.
Hiergegen hat die Klägerin am 2. September 2015 Klage beim SG erhoben, welches eine schriftliche sachverständige Zeugenaussage bei Dr. Se., Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, eingeholt hat, wonach die Klägerin dort einmalig am 26. Februar 2015 zur klinischen Untersuchung und Befundbesprechung anwesend gewesen sei. Anamnestisch habe sich ein Zustand nach diversen Knieoperation im rechten Knie mit anschließend wohl Infektkonstellation und mehrfachen Revisionen ergeben.
Nach vorheriger Anhörung der Beteiligten hat das SG die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. Oktober 2016 abgewiesen. Die Misshandlung durch den S. am 7. August 2000 habe einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff dargestellt, der allerdings keine Gesundheitsstörungen von mehr als sechsmonatiger Dauer zur Folge gehabt habe. Aufgrund der Ausführungen des Amtsgerichts St. im Urteil vom 4. Dezember 2000 sei davon auszugehen, dass der Riss des hinteren Kreuzbandes auf die körperliche Misshandlung durch den S. zurückzuführen sei. Die eigenen Angaben der Klägerin und die vorliegenden medizinischen Unterlagen bestätigten aber, dass bereits vor dem schädigenden Ereignis bei der Klägerin erhebliche Vorschäden im rechten Kniegelenk bestanden hätten. Bis zum schädigenden Ereignis habe sich die Klägerin mehreren Operation am rechten Knie unterziehen müssen. Es habe als Folge eines Sturzes im März 1991 und der nachfolgenden Operationen eine Instabilität mit Arthrose bestanden. Ein Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden Handlung und der (nach wie vor) bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen im Bereich des rechten Kniegelenks liege daher nicht vor. Hinsichtlich der behaupteten Vergewaltigung durch den N. fehle es bereits an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff, da es für das Vorbringen der Klägerin keinerlei Nachweise gebe. Die Angaben der Klägerin erschienen auch nicht als glaubhaft. Vielmehr bestünden an der Richtigkeit der Angaben erhebliche Zweifel, da der N. zum Zeitpunkt der angeblichen Vergewaltigung erst elf Jahre alt gewesen sei und angesichts dieses jungen Alters eine tatsächlich durchgeführte Vergewaltigung wenn nicht sogar auszuschließen, so doch äußerst unwahrscheinlich sei. Am Nachweis eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffes fehle es auch hinsichtlich der behaupteten Vergewaltigung durch den D. Das Vorbringen, sie sei am 3. März 2012 gegen ihren Willen zum Analverkehr gezwungen worden, sei nicht bewiesen. Dies belege die Einstellung des entsprechenden Ermittlungsverfahrens durch die Staatsanwaltschaft T. mit der Begründung, dass die Angaben der Klägerin keine höhere Gewähr für die Richtigkeit böten als diejenigen des Beschuldigten. Durch das Verhalten des van De. sei keine physische Gewalteinwirkung auf die Klägerin ausgeübt worden, ein Angriff im Sinne des OEG setze jedoch eine unmittelbar auf den Körper eines anderen abzielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus, während die bloße Drohung mit einer – wenn auch erheblichen – Gewaltanwendung oder Schädigung hierfür nicht ausreichten. Es fehle daher auch hier an einem vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff.
Am 18. November 2016 hat die Klägerin hiergegen Berufung beim Landessozialgericht Baden-Württemberg eingelegt und zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass ihr Knie vor der Tat des S. wieder "o.k." gewesen sei. Hierfür verweist sie auf einen Operationsbericht der Sportklinik St. vom 19. April 2000, wonach am rechten Kniegelenk bei Kniegelenksinfektion eine Fistel-Ausschneidung ventro-medial über dem Tibiakopf sowie Entfernung der Interferenzschraube und Fäden nach Quadrizepssehnenplastik erfolgten und worin unter anderem ausgeführt wird, dass die Seitenbänder in Streckstellung stabil seien. Zudem bezieht sie sich auf einen Entlassungsbericht der Sportklinik St. vom 3. Mai 2000, in dem nach der Operation vom 19. April 2000 über einen regelrechten postoperativen Heilverlauf bei reizlosen Wundverhältnissen und ein endgradig schmerzhaft leicht eingeschränktes Bewegungsausmaß berichtet wird. Im Zweifel sei zu ihren Gunsten zu entscheiden.
Die Klägerin beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 17. Oktober 2016 und den Bescheid vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 teilweise aufzuheben sowie den Beklagten zu verurteilen, ihr wegen der Gewalthandlung von P. S. vom 7. August 2000 eine Beschädigtengrundrente nach dem Opferentschädigungsgesetz in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz ab 7. August 2013 zu gewähren.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung der Klägerin zurückweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, dass ein Kausalzusammenhang zwischen der schädigenden Handlung am 7. August 2000 und der (nach wie vor) bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörung im Bereich des rechten Kniegelenks nicht anzuerkennen sei.
Der damalige Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 8. Februar 2017 erörtert. Die Klägerin hat erklärt, dass sie den Rechtsstreit auf ihre Knieproblematik durch die Tat von P. S. im Jahr 2000 konzentriert haben wolle. Nicht mehr streiten wolle sie über die Tatkomplexe N., D und van De.
Zudem hat der damalige Berichterstatter von Amts wegen von Prof. Dr. Sch. (Leiter der Gutachtenambulanz im Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie des Universitätsklinikums H. sowie Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Physikalische und Rehabilitative Medizin) das Gutachten vom 20. September 2017 eingeholt. Darin führt der Sachverständige nach ambulanter Untersuchung der Klägerin am 16. August 2017 aus, dass sie nach Kniebinnen-Verletzungen im Jahr 1991 und wiederholten Kreuzbandrissen sowie wiederholten Kreuzband-Revisionseingriffen (unter anderem mit Infektverlauf) zwischen den Jahren 1991 und 2000 mit kombinierter vorderer-innerer Kniegelenksinstabilität an einer drittgradigen medial-betonten Gonarthrose rechts leide, die muskulär nicht kompensiert sei und in einer deutlichen Verminderung der Umfangsmaße im Bereich der Oberschenkelmuskulatur auf der rechten Seite als Ausdruck von Schonung des rechten Beins resultiere. Es sei von einem erheblichen Vorschaden des rechten Knies auszugehen, so dass nicht mit Wahrscheinlichkeit belegt werden könne, dass das Ereignis vom 7. August 2000 zu einer richtungsweisenden Verschlimmerung geführt habe. Er gehe davon aus, dass es auch ohne dieses Ereignis zu einem Voranschreiten des Knieschadens im dokumentierten Ausmaß gekommen wäre. Der GdB von 30, beschieden vor dem 7. August 2000, deute auf ein schweres Ausmaß schon vor dem Ereignis hin. Der zu erwartende Spontanverlauf des dokumentierten Schadens vom Januar 2000 (kombinierte multidirektionale Kniegelenksinstabilität, die muskulär nicht kompensierbar war sowie Röntgenbefund einer medial-betonten Gonarthrose) spreche gegen eine richtungsweisende Verschlimmerung, sondern stelle einen Schaden dar, der in das Schadensbild heute ohne richtungsweisende Verschlimmerung einmünde. Der GdS betrage unter 10.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakte des Beklagten und die beigezogenen Akten S 5 SB 2695/03 und S 13 SB 6349/98 sowie SGB IX-Akten des Landratsamt R. (2 Bände) verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Klägerin ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet.
Der Senat hat im Rahmen seines Ermessens von einer Zurückverweisung gemäß § 105 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG abgesehen. Nach diesen Vorschriften kann das Landessozialgericht durch Urteil die angefochtene Entscheidung aufheben und die Sache an das Sozialgericht zurückverweisen, wenn das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche und aufwändige Beweisaufnahme notwendig ist. Angesichts des jungen Lebensalters der zum Tatzeitpunkt erst 28 Jahre alten Klägerin hat es sich aufgedrängt, die von ihr behauptete Besserung der Kniebeschwerden vor dem Gewaltvorfall am 7. August 2000 und dann durch den Gewaltvorfall bedingte erneute Verschlechterung durch einen Sachverständigen medizinisch überprüfen zu lassen, was erstinstanzlich nicht geschehen ist. Entgegen § 103 SGG hat das SG somit nicht alle entscheidungserheblichen Tatsachen von Amts wegen ermittelt. Diese erforderlichen Ermittlungen hat der Senat nachgeholt. Darüber hinaus begegnet die Verfahrensweise einer Entscheidung durch Gerichtsbescheid in einer dem Opferentschädigungsrecht zuzuordnenden Konstellation wie der vorliegenden auch grundsätzlichen Bedenken. Nach § 105 Abs. 1 Satz 1 SGG kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Abgesehen von der unzureichenden Aufklärung des Sachverhalts ist die Sache vorliegend im Hinblick auf die Kausalitätsbeurteilung der strafgerichtlich festgestellten Gewalttat zu den Kniebeschwerden auch in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht besonders schwierig. Eine mündliche Verhandlung, in der die Klägerin bereits erstinstanzlich ihren Fall der gesamten Kammer hätte persönlich schildern können, worum sie zudem ausdrücklich gebeten hatte, wäre daher geboten gewesen. Die erstinstanzliche Entscheidung durch Gerichtsbescheid ist der Bedeutung der mündlichen Verhandlung und der Mitwirkung von ehrenamtlichen Richtern im sozialgerichtlichen Verfahren mithin nicht gerecht geworden.
Gegenstand des Rechtsmittelverfahrens ist der Gerichtsbescheid des SG vom 17. Oktober 2016, mit dem die als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 und 4 SGG; vgl. BSG, Urteil vom 15. Dezember 1999 - B 9 VS 2/98 R -, SozR 3-3200 § 81 Nr. 16, S. 72 f.) erhobene Klage, mit welcher die Klägerin unter Abänderung des Bescheides vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 die Verurteilung des Beklagten zur Gewährung einer Beschädigtengrundrente nach dem OEG in Verbindung mit dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) verfolgt hat, abgewiesen wurde. Maßgebender Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist sowohl für Verpflichtungs- als auch für Leistungsklagen grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in den Tatsacheninstanzen (vgl. BSG, Urteil vom 2. September 2009 - B 6 KA 34/08 R -, BSGE 104, 116 (124); Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), welche am 7. Dezember 2017 stattfand.
Die Klägerin hat dabei den Streitgegenstand bereits im Erörterungstermin vom 8. Februar 2017 auf die Knieproblematik durch die Gewalthandlung von P. S. am 7. August 2000 begrenzt. Dementsprechend hat sie in der mündlichen Verhandlung auch ihren Berufungsantrag beschränkt. Eine derartige Beschränkung auf bestimmte Tatkomplexe ist zulässig, da in § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG auf einen (bestimmten) vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff als Anspruchsvoraussetzung abgestellt wird. Es liegt mithin in der Dispositionsbefugnis des Betroffenen, einen bestimmten Gewaltvorfall zum Gegenstand seines Antrags zu machen und dementsprechend umgekehrt andere Gewaltvorfälle auszuschließen bzw. auch im Laufe des Verfahrens nicht mehr geltend zu machen (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 19. Dezember 2016 - L 10 VE 72/14 -, juris, Rz. 17).
Die Berufung ist mangels Begründetheit der Klage unbegründet. Das SG hat sie im Ergebnis zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 18. Juni 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG), da sie die begehrte Leistung auch nach den vom Senat angestellten Ermittlungen nicht beanspruchen kann.
Rechtsgrundlage für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch ist § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 3 Alt. 1, § 30, § 31 BVG. Danach erhält wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG, unter anderem auch Beschädigtengrundrente nach § 31 Abs. 1 BVG, wer im Geltungsbereich des OEG oder auf einem deutschen Schiff oder Luftfahrzeug infolge eines vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs gegen seine oder eine andere Person oder durch dessen rechtmäßige Abwehr eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat. Die Versorgung umfasst nach dem insoweit entsprechend anwendbaren § 9 Abs. 1 Nr. 3 BVG die Beschädigtenrente (§§ 29 ff. BVG). Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 BVG ist der GdS – bis zum Inkrafttreten des Gesetzes zur Änderung des BVG und anderer Vorschriften des Sozialen Entschädigungsrechts vom 13. Dezember 2007 (BGBl. I S. 2904) am 21. Dezember 2007 als MdE bezeichnet – nach den allgemeinen Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen, welche durch die als Schädigungsfolge anerkannten körperlichen, geistigen oder seelischen Gesundheitsstörungen bedingt sind, in allen Lebensbereichen zu beurteilen. Der GdS ist nach Zehnergraden von 10 bis 100 zu bemessen; ein bis zu fünf Grad geringerer GdS wird vom höheren Zehnergrad mit umfasst (§ 30 Abs. 1 Satz 2 BVG). Beschädigte erhalten gemäß § 31 Abs. 1 BVG eine monatliche Grundrente ab einem GdS von 30. Liegt der GdS unter 25 besteht kein Anspruch auf eine Rentenentschädigung (vgl. Urteil des Senats vom 18. Dezember 2014 - L 6 VS 413/13 -, juris, Rz. 42; Dau, in: Knickrehm, Gesamtes Soziales Entschädigungsrecht, 2012, § 31 BVG, Rz. 2).
Für einen Anspruch der Klägerin auf Beschädigtengrundrente nach dem OEG in Verbindung mit dem BVG sind folgende rechtlichen Grundsätze maßgebend (vgl. BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 V 1/12 R -, BSGE 113, 205 (208 ff.)):
Ein Versorgungsanspruch setzt zunächst voraus, dass die allgemeinen Tatbestandsmerkmale des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG gegeben sind (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 23. April 2009 - B 9 VG 1/08 R -, juris, Rz. 27 m.w.N). Danach erhält eine natürliche Person ("wer"), die im Geltungsbereich des OEG durch einen vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriff eine gesundheitliche Schädigung erlitten hat, wegen der gesundheitlichen und wirtschaftlichen Folgen auf Antrag Versorgung in entsprechender Anwendung der Vorschriften des BVG. Somit besteht der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG aus drei Gliedern (tätlicher Angriff, Schädigung und Schädigungsfolgen), die durch einen Ursachenzusammenhang miteinander verbunden sind.
Nach der Rechtsprechung des BSG ist bei der Auslegung des Rechtsbegriffes "vorsätzlicher, rechtswidriger tätlicher Angriff" im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG entscheidend auf die Rechtsfeindlichkeit, vor allem verstanden als Feindlichkeit gegen das Strafgesetz, abzustellen; von subjektiven Merkmalen, wie etwa einer kämpferischen, feindseligen Absicht, hat sich die Auslegung insoweit weitestgehend gelöst (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 32 m.w.N.). Dabei sind je nach Fallkonstellation unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt und verschiedene Gesichtspunkte hervorgehoben worden. Leitlinie ist insoweit der sich aus dem Sinn und Zweck des OEG ergebende Gedanke des Opferschutzes. Das Vorliegen eines tätlichen Angriffes hat das BSG daher aus der Sicht von objektiven, vernünftigen Dritten beurteilt und insbesondere sozial angemessenes Verhalten ausgeschieden. Allgemein ist es in seiner bisherigen Rechtsprechung davon ausgegangen, dass als tätlicher Angriff grundsätzlich eine in feindseliger oder rechtsfeindlicher Willensrichtung unmittelbar auf den Körper eines anderen zielende gewaltsame Einwirkung anzusehen ist, wobei die Angriffshandlung in aller Regel den Tatbestand einer – jedenfalls versuchten – vorsätzlichen Straftat gegen das Leben oder die körperliche Unversehrtheit erfüllt (st. Rspr.; vgl. nur BSG, Urteil vom 29. April 2010 - B 9 VG 1/09 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 17, Rz. 25 m.w.N.). Abweichend von dem im Strafrecht umstrittenen Gewaltbegriff im Sinne des § 240 Strafgesetzbuch (StGB) zeichnet sich der tätliche Angriff im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 OEG durch eine körperliche Gewaltanwendung (Tätlichkeit) gegen eine Person aus, wirkt also körperlich (physisch) auf einen anderen ein (vgl. BSG, Urteil vom 7. April 2011 - B 9 VG 2/10 R -, SozR 4-3800 § 1 Nr. 18, Rz. 36 m.w.N.). Ein solcher Angriff setzt eine unmittelbar auf den Körper einer anderen Person zielende, gewaltsame physische Einwirkung voraus; die bloße Drohung mit einer wenn auch erheblichen Gewaltanwendung oder Schädigung reicht hierfür demgegenüber nicht aus (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 1/13 R -, juris, Rz. 23 ff.).
Hinsichtlich der entscheidungserheblichen Tatsachen kennen das soziale Entschädigungsrecht und damit auch das OEG drei Beweismaßstäbe. Grundsätzlich bedürfen die drei Glieder der Kausalkette (schädigender Vorgang, Schädigung und Schädigungsfolgen) des Vollbeweises. Für die Kausalität selbst genügt gemäß § 1 Abs. 3 BVG die Wahrscheinlichkeit. Nach Maßgabe des § 15 Satz 1 des Gesetzes über das Verwaltungsverfahren der Kriegsopferversorgung (KOVVfG), der gemäß § 6 Abs. 3 OEG anzuwenden ist, sind bei der Entscheidung die Angaben der Antragstellenden, die sich auf die mit der Schädigung, also insbesondere auch mit dem tätlichen Angriff im Zusammenhang stehenden Tatsachen beziehen, zugrunde zu legen, wenn sie nach den Umständen des Falles glaubhaft erscheinen.
Für den Vollbeweis muss sich das Gericht die volle Überzeugung vom Vorhandensein oder Nichtvorhandensein einer Tatsache verschaffen. Allerdings verlangt auch der Vollbeweis keine absolute Gewissheit, sondern lässt eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit ausreichen. Denn ein darüber hinausgehender Grad an Gewissheit ist so gut wie nie zu erlangen (vgl. Keller, a.a.O., § 128 Rz. 3b m.w.N.). Daraus folgt, dass auch dem Vollbeweis gewisse Zweifel innewohnen können, verbleibende Restzweifel mit anderen Worten bei der Überzeugungsbildung unschädlich sind, solange sie sich nicht zu gewichtigen Zweifeln verdichten (vgl. BSG, Urteil vom 24. November 2010 - B 11 AL 35/09 R -, juris, Rz. 21). Eine Tatsache ist bewiesen, wenn sie in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (vgl. Keller, a.a.O.).
Der Beweisgrad der Wahrscheinlichkeit im Sinne des § 1 Abs. 3 Satz 1 BVG ist dann gegeben, wenn nach der geltenden wissenschaftlichen Lehrmeinung mehr für als gegen einen ursächlichen Zusammenhang spricht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 m.w.N.). Diese Definition ist der Fragestellung nach dem wesentlichen ursächlichen Zusammenhang (vgl. hierzu BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 18 ff.) angepasst, die nur entweder mit ja oder mit nein beantwortet werden kann. Es muss sich unter Würdigung des Beweisergebnisses ein solcher Grad von Wahrscheinlichkeit ergeben, dass ernste Zweifel hinsichtlich einer anderen Möglichkeit ausscheiden. Für die Wahrscheinlichkeit ist ein "deutliches" Übergewicht für eine der Möglichkeiten erforderlich. Sie entfällt, wenn eine andere Möglichkeit ebenfalls ernstlich in Betracht kommt.
Bei dem "Glaubhafterscheinen" im Sinne des § 15 Satz 1 KOVVfG handelt es sich um den dritten, mildesten Beweismaßstab des Sozialrechts. Glaubhaftmachung bedeutet das Dartun einer überwiegenden Wahrscheinlichkeit (vgl. Keller, a.a.O., Rz. 3d m.w.N.), also der guten Möglichkeit, dass sich der Vorgang so zugetragen hat, wobei durchaus gewisse Zweifel bestehen bleiben können (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 14 f. m.w.N.). Dieser Beweismaßstab ist durch seine Relativität gekennzeichnet. Es muss nicht, wie bei der Wahrscheinlichkeit des ursächlichen Zusammenhanges, absolut mehr für als gegen die glaubhaft zu machende Tatsache sprechen. Es reicht die gute Möglichkeit aus, also es genügt, wenn bei mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Möglichkeiten das Vorliegen einer davon relativ am wahrscheinlichsten ist (vgl. Keller, a.a.O.), weil nach der Gesamtwürdigung aller Umstände besonders viel für diese Möglichkeit spricht. Von mehreren ernstlich in Betracht zu ziehenden Sachverhaltsvarianten muss einer den übrigen gegenüber ein gewisses, aber kein deutliches Übergewicht zukommen. Wie bei den beiden anderen Beweismaßstäben reicht die bloße Möglichkeit einer Tatsache nicht aus, um die Beweisanforderungen zu erfüllen. Das Tatsachengericht ist allerdings mit Blick auf die Freiheit der richterlichen Beweiswürdigung (§ 128 Abs. 1 Satz 1 SGG) im Einzelfall grundsätzlich darin nicht eingeengt, ob es die Beweisanforderungen als erfüllt ansieht (vgl. BSG, Beschluss vom 8. August 2001 - B 9 V 23/01 B -, SozR 3-3900 § 15 Nr. 4, S. 15). Diese Grundsätze haben ihren Niederschlag auch in den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertengesetz" in ihrer am 1. Oktober 1998 geltenden Fassung der Ausgabe 1996 (AHP 1996) und nachfolgend – seit Juli 2004 – den "Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht (Teil 2 SGB IX)" in ihrer jeweils geltenden Fassung (AHP 2005 und 2008) gefunden, welche zum 1. Januar 2009 durch die Anlage zu § 2 Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (Teil C, Nrn. 1 bis 3 und 12 der Anlage zu § 2 VersMedV – "Versorgungsmedizinische Grundsätze" – VG; vgl. BR-Drucks 767/1/08 S. 3, 4) inhaltsgleich ersetzt worden ist (vgl. BSG, Urteil vom 16. Dezember 2014 - B 9 V 6/13 R -, juris, Rz. 17).
Vor diesem Hintergrund bedingen die mit Bescheid vom 18. Juni 2014 bindend (§ 77 SGG) als Schädigungsfolgen des vorsätzlichen, rechtswidrigen tätlichen Angriffs durch den S. am 7. August 2000 festgestellten "Würgemale an der linken Halsseite, multiple Hämatome am gesamten Körper inklusive beider Arme und Beine mit entsprechenden schmerzbedingten Bewegungseinschränkungen, Riss des hinteren Kreuzbandes" nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit die ab der streitgegenständlichen Antragstellung am 7. August 2013 als materiell-rechtlicher Voraussetzung (vgl. BSG, Urteil vom 11. Dezember 2008 - B 9/9a VG 1/07 R -, SozR 4-3100 § 60 Nr. 5, Rz. 17) vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen des rechten Kniegelenks.
Es spricht mehr dafür als dagegen, dass die Funktionsbeeinträchtigungen bereits vorbestehend waren. So hatte die Klägerin bereits in ihrem Erstantrag bei der Versorgungsverwaltung zur Erlangung der Schwerbehinderteneigenschaft vom 8. Juni 1998 angegeben, dass sie an einer Behinderung der Knie ("Bänderplastik, Meniskus") leide. Dies hat sich im Rahmen des von ihr angestrengten Gerichtsverfahrens mit dem Aktenzeichen S 13 SB 6349/98 insoweit bestätigt, als die ursprünglich mit einem Teil-GdB von 10 beurteilte Funktionseinschränkung bei Kniearthrose rechts im Rahmen eines Anerkenntnisses mit einem Teil-GdB von 30 bewertet wurde. Maßgebend waren dafür die Ausführungen des in diesem Verfahren bestellten gerichtlichen Sachverständigen Dr. H. in seinem orthopädischen Gutachten vom 11. Januar 2000, das der Senat als Sachverständigenbeweis (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a Zivilprozessordnung - ZPO -) verwertet. Noch vor dem schädigenden Ereignis am 7. August 2000 stellte dieser darin bezüglich des rechten Knies einen chronischen Reizzustand mit endgradiger Beweglichkeitseinschränkungen sowie eine deutliche Arthrose und muskulär unvollständig kompensierbare Komplexinstabilität nach zwei Traumata und vorderen Kreuzband-Plastiken 1991/1998 fest. Nach der Röntgenuntersuchung des rechten Kniegelenks in drei Ebenen lag bereits zu diesem Zeitpunkt eine deutliche Arthrose vor allem der inneren Gelenke vor, die eine Funktionsbeeinträchtigung zur Folge hatten, welche er mit einem Teil-GdB von 30 beurteilte. Dies stellt nach den VG eine erhebliche Einschränkung dar, bedingt doch eine unvollständig kompensierbare Lockerung des Kniebandapparates mit Gangunsicherheit erst einen GdB von 20, während ein GdB von 30 vergleichbar ist mit der Versteifung eines Kniegelenks in günstiger Stellung (VG, Teil B, Nr. 18.14).
Der Senat schließt sich in der Bewertung daher dem von Amts wegen eingeholten Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vom 20. September 2017 an. Er kommt darin insbesondere unter Bezug auf das Gutachten von Dr. H. und dem darin festgestellten erheblichen Vorschaden des rechten Knies zu dem nachvollziehbaren Ergebnis, dass dieser Vorschaden ohne richtungsweisende Verschlimmerung durch das Ereignis vom 7. August 2000 in das heute bestehende Schadensbild einmündet. Der zu erwartende Spontanverlauf des im Januar 2000 dokumentierten Schadens spricht gegen die Annahme, dass das Ereignis vom 7. August 2000 eine richtungsweisende Verschlimmerung der Kniegelenksfunktion bewirkt hat.
Die von der Klägerin vorgelegten Berichte der Sportklinik St. erschüttern dieses Ergebnis nicht. Es handelt sich dabei um den Operationsbericht über einen Eingriff am rechten Knie am 19. April 2000. Abgesehen davon, dass dieser Bericht dem Sachverständigen Prof. Dr. Sch. vorlag und mithin in seinem Gutachten Berücksichtigung gefunden hat (S. 4 des Gutachtens), wird damit gerade wiederum belegt, dass schon vor dem schädigenden Ereignis am 7. August 2000 ein (weiterer) krankheitsbedingter Eingriff notwendig war. Es erfolgte bei Kniegelenksinfektion eine Fistel-Ausschneidung ventro-medial über dem Tibiakopf sowie Entfernung der Interferenzschraube und Fäden nach Quadrizepssehnenplastik. Dass im Operationsbericht selbst und insbesondere auch im Entlassungsbericht vom 3. Mai 2000 im Anschluss von einem regelrechten postoperativen Heilverlauf, reizlosen Wundverhältnissen und stabiler Streckstellung der Seitenbänder berichtet wird, zeigt nur, dass die Operation insoweit erfolgreich war. Folgenlos ausgeheilt waren die Knieschäden danach aber keineswegs.
Soweit die Klägerin vorträgt, dass im Zweifel zu ihren Gunsten zu entscheiden sei, verkennt sie, dass im sozialen Entschädigungsrecht ein solcher Grundsatz nicht existiert, sondern wie vorstehend dargestellt hinsichtlich der Kausalität der Schädigungsfolgen zumindest eine überwiegende Wahrscheinlichkeit gegeben sein muss, wovon hier wie ebenfalls ausgeführt gerade nicht ausgegangen werden kann.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
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