S 22 R 381/10

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Detmold (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
22
1. Instanz
SG Detmold (NRW)
Aktenzeichen
S 22 R 381/10
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit der Aufhebung eines Rentenbewilligungsbescheids der Beklagten, zuletzt noch für die Zeit vom 01.03.2008 bis zum 31.12.2008, und der Rückforderung der für diesen Zeitraum erbrachten Rentenleistungen wegen Hinzuverdienstes.

Die am 1956 geborene Klägerin arbeitete seit Februar 1974 bei der Firma I L in C (Arbeitgeberin) als Büroangestellte. Mit Bescheid vom 27.05.1992 bewilligte ihr die Beklagte Rente wegen Berufsunfähigkeit auf Dauer.

In der Folge gab die Klägerin wiederholt Mitteilungen über ihren Hinzuverdienst zur Prüfung der maßgeblichen Hinzuverdienstgrenzen ab. Mit Bescheid vom 13.11.2002 senkte die Beklagte die gewährten Rentenleistungen wegen Überschreitens der Hinzuverdienstgrenzen für die Zeit von März 2001 bis Dezember 2002 ab und forderte die Erstattung überzahlter Rentenleistungen in Höhe von 1.627,58 Euro. Den von der Klägerin erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.03.2003 zurück. Die hiergegen beim Sozialgericht Detmold erhobene Klage (Az. S 7 RA 17/03) blieb hinsichtlich der grundsätzlichen Verpflichtung zur Erstattung des von der Beklagten geforderten Betrages erfolglos; das Verfahren endete mit einem Vergleich über eine ratenweise Zahlung des Betrages durch die Klägerin. Mit Schreiben vom 10.04.2003 teilte die Klägerin der Beklagten mit, ab dem 01.05.2003 werde ihr monatliches Entgelt über der Hinzuverdienstgrenze liegen; daher bitte sie, die Rentenzahlungen ruhen zu lassen. Entsprechend leistete die Beklagte ab Mai 2003 keine Zahlungen mehr.

Am 15.08.2007 sprach die Klägerin bei der Beklagten vor und erkundigte sich nach den aktuellen Hinzuverdienstgrenzen. Sie teilte mit, ab September 2007 werde der Verdienst bei der Arbeitgeberin eingeschränkt. Sie bitte um Prüfung, ob ein Anspruch auf erneute Rentenzahlung bestehe. Die Arbeitgeberin bestätigte für die Zeit ab September 2007 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.374,00 Euro zuzüglich 26,59 Euro Arbeitgeber-Zuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen, insgesamt 1.400,49 Euro. Die Beklagte bewilligte der Klägerin daraufhin mit Bescheid vom 19.09. 2007 für die Zeit ab September 2007 monatliche Rente in Höhe eines Drittels der Vollrente, mithin in Höhe von 183,10 Euro. In dem Bescheid wird unter der Überschrift "Mitteilungspflichten und Mitwirkungspflichten" u.a. darauf hingewiesen, die Aufnahme oder Ausübung einer Beschäftigung sowie der Bezug von Einkommen seien unverzüglich mitzuteilen. In Anlage 19 des Bescheides sind außerdem die für das Jahr 2007 geltenden Hinzuverdienstgrenzen genannt; für eine Rente in Höhe von einem Drittel der Vollrente ist die Hinzuverdienstgrenze mit 1.415,26 Euro beziffert. Es wird darauf hingewiesen, dass sich die Hinzuverdienstgrenzen bei Veränderung des aktuellen Rentenwertes ebenfalls entsprechend verändern.

Auf ein Schreiben des Ehemannes der Klägerin vom 12.08.2008 teilte die Beklagte der Klägerin mit Schreiben vom 25.11.2008 mit, aufgrund ihres Hinzuverdienstes erhalte die Klägerin ab 01.09.2007 eine 1/3-Teilrente der Berufsunfähigkeitsrente. Falls sie nunmehr keinen bzw. einen geringeren Hinzuverdienst habe als den bereits berücksichtigten, bitte man um Mitteilung. Derzeit werde ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 1.374,00 Euro zugrunde gelegt, welches die Arbeitgeberin bescheinigt habe.

Am 22.09.2009 übermittelte die Beklagte der Klägerin ein Formular zur Angabe des bezogenen Hinzuverdienstes für die Zeit ab Oktober 2007. In diesem bestätigte der Insolvenzverwalter über das Vermögen der Arbeitgeberin, an welchen die Klägerin das Formular weitergeleitet hatte, u.a. für das Jahr 2008 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 17.664,78 Euro. Darin sei ein jährlich im Juli zu zahlender Betrag in Höhe von 365,70 Euro enthalten. Die Arbeitgeberin bestätigte mit Schreiben vom 20.10.2009, die Klägerin habe ein monatliches Bruttogehalt von 1.415,00 Euro entsprechend der von der Beklagten mitgeteilten Hinzuverdienstgrenze in Höhe von 1.415,26 Euro erhalten, außerdem sei ein Arbeitgeber-Zuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen in Höhe von 26,59 Euro gewährt worden.

Nach Anhörung der Klägerin hob die Beklagte mit Bescheid vom 09.11.2009 die Rentenbewilligung für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 i. V. m. Satz 3 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf und forderte von der Klägerin "für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2009" erbrachte Leistungen in Höhe von 2.206,26 Euro zurück. Aus den Anlagen 1 und 10 des Bescheides ergab sich allerdings, dass sich der Erstattungsbetrag allein aus den für das Jahr 2008 geleisteten Rentenzahlungen zusammensetzte und für das Jahr 2009 keine Erstattung verlangt wurde. Zur Begründung führte die Beklagte aus, im Jahr 2008 sei die Hinzuverdienstgrenze für die Rente in Höhe von einem Drittel der Vollrente überschritten worden, so dass im Jahr kein zahlbarer Rentenanspruch bestanden habe. Auf Vertrauen in den Bestand des Rentenbescheides könne sich die Klägerin nicht berufen. Sie habe den Wegfall des Rentenanspruches kennen müssen. Bereits in den zuvor erteilten Bescheiden sei auf die Hinzuverdienstgrenzen hingewiesen worden.

Hiergegen erhob die Klägerin am 25.11.2009 Widerspruch und führte aus, die Mitarbeiterin der Beklagten T habe der Mitarbeiterin ihrer Arbeitgeberin N und ihr am 04.12.2008 erklärt, ihr Bruttogehalt von 1.415,00 Euro zuzüglich Arbeitgeberzuschuss zu vermögenswirksamen Leistungen überschreite nicht die Hinzuverdienstgrenze. Hierauf habe sie sich verlassen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 01.04.2010 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und führte aus, nach der Bescheinigung ihrer Arbeitgeberin habe die Klägerin im Jahr 2008 einen Hinzuverdienst in Höhe von 17.664,78 Euro erzielt. Darin sei eine Einmalzahlung in Höhe von 365,70 Euro enthalten gewesen, so dass ein monatlicher Hinzuverdienst in Höhe von 17.664,78 Euro abzüglich 365,70 Euro ergebend 17.299,08 Euro geteilt durch 12, mithin 1.441,59 Euro monatlich zugrunde zu legen sei. Hiermit sei die Hinzuverdienstgrenze für 2008 in Höhe von 1.438,21 Euro für einen Anspruch auf Berufsunfähigkeitsrente in Höhe eines Drittels der Teilrente überschritten worden, so dass im Jahr 2008 kein zahlbarer Anspruch bestanden habe. Ab 01.01.2009 habe eine höhere Hinzuverdienstgrenze von 1.458,40 Euro gegolten, so dass die am 04.12.2008 gegebene Information, die Hinzuverdienstgrenze werde mit dem Gesamtverdienst von 1.441,59 Euro eingehalten, richtig gewesen sei. Ab 01.01.2009 ergebe sich deshalb auch keine Überzahlung mehr. Für die Zeit vom 01.01.2008 bis zum 31.12.2008 könne sich die Klägerin nicht auf eine falsche Auskunft vom 04.12.2008 berufen, da auch bei richtiger Information die Überzahlung für die Vergangenheit nicht mehr zu vermeiden gewesen wäre.

Zur Begründung ihrer hiergegen am 27.04.2010 erhobenen Klage wiederholt die Klägerin im Wesentlichen ihr Vorbringen im Widerspruchsverfahren.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung hat die Beklagte den Klageanspruch teilweise anerkannt, den Erstattungsbetrag auf 1.840,06 Euro reduziert und dies damit begründet, für Januar und Februar 2008 liege ein rentenschädliches Überschreiten der Hinzuverdienstgrenze nicht vor, da ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibe, so dass eine Aufhebung nur für die Zeit ab März 2008 zu erfolgen gehabt habe und sich die Erstattungsforderung folglich um zweimal 183,10 Euro auf 1.840,06 Euro reduziere. Die Klägerin hat dieses Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt nunmehr sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 09.11.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 01.04.2010 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 04.09.2012 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen, soweit sie nicht durch das angenommene Teilanerkenntnis erledigt ist.

Sie führt aus, der Klägerin sei die Thematik der Hinzuverdienstgrenzen hinreichend bekannt gewesen, da bereits im Jahr 2003 hierzu ein Klageverfahren geführt worden sei. Die Hinzuverdienstgrenzen seien der Klägerin ausdrücklich und unmissverständlich mit Rentenbescheid und Informationsschreiben bekannt gegeben worden. Das Bruttogehalt - einschließlich der vermögenswirksamen Leistungen - habe die Klägerin ihrer Gehaltsbescheinigung entnehmen und mit einfachen Überlegungen feststellen können, dass die Hinzuverdienstgrenze überschritten war. Soweit im Schreiben vom 25.11.2008 ein Betrag von 1.374,00 Euro statt 1.400,59 Euro genannt sei, handele es sich um einen Schreibfehler. Die Auskunft vom 04.12.2008 könne sich auf die Erstattungspflicht nicht auswirken, da die letzte Zahlung für 2008 bereits am 01.12.2008 angewiesen worden sei. Die Klägerin sei aus den dargestellten Gründen bösgläubig gewesen. Darüber hinaus habe sie auch die Mitteilung über die Erhöhung des Bruttogehaltes versäumt, womit die Mitteilungspflichten verletzt worden seien.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird ergänzend auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und des Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist unbegründet. Denn der Bescheid der Beklagten vom 09.11.2009 und der Widerspruchsbescheid vom 01.04.2010 in der Fassung des Teilanerkenntnisses vom 04.09.2012 sind rechtmäßig und beschweren die Klägerin nicht in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Die Beklagte hat zu Recht die Rentenbewilligung für die Zeit vom 01.03.2012 bis zum 31.12.2008 aufgehoben und die für diesen Zeitraum erbrachten Rentenleistungen erstattet verlangt.

Rechtsgrundlage für die von der Beklagten vorgenommene Aufhebung der Rentenbewilligung ist § 48 Abs. 1 SGB X. Nach Satz 1 dieser Vorschrift ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsakts mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Er soll nach Satz 2 der Vorschrift mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse u.a. aufgehoben werden, soweit der Betroffene einer durch Rechtsvorschriften vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (Nr. 2) oder nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsakts Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde (Nr. 3). Diese Voraussetzungen sind für die Zeit vom 01.03.2008 bis zum 31.12.2008 erfüllt.

Die Verhältnisse, die der Rentenbewilligung zugrunde lagen, änderten sich jedenfalls ab dem 01.03.2008 wesentlich, da die Klägerin durchgängig bis Ende 2008 - jedoch nicht mehr danach - Hinzuverdienst in rentenschädlicher Höhe erzielte.

Bestand am 31.12.2000 - wie vorliegend - Anspruch auf eine Rente wegen Berufsunfähigkeit, ist nach § 313 Abs. 1 SGB VI - in der im Jahr 2008 maßgeblichen Fassung - § 96a SGB VI unter Beachtung der Hinzuverdienstgrenzen des § 313 Abs. 3 SGB VI mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Regelungen zur Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung für die Rente wegen Berufsunfähigkeit entsprechend gelten. Nach § 96a Abs. 1 Satz 1 und 2 SGB VI wird eine Rente nur geleistet, wenn die Hinzuverdienstgrenze nicht überschritten wird. Sie wird nicht überschritten, wenn das Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus einer Beschäftigung oder selbständigen Tätigkeit oder vergleichbares Einkommen im Monat die in § 313 Abs. 3 SGB VI genannten Beträge nicht übersteigt, wobei ein zweimaliges Überschreiten um jeweils einen Betrag bis zur Höhe der Hinzuverdienstgrenze im Laufe eines jeden Kalenderjahres außer Betracht bleibt. Abhängig vom erzielten Hinzuverdienst wird gemäß § 313 Abs. 2 Nr. 1 SGB VI eine Rente wegen Berufsunfähigkeit in voller Höhe, in Höhe von zwei Dritteln oder in Höhe von einem Drittel geleistet.

Die Höhe der Hinzuverdienstgrenzen ist in § 313 Abs. 3 Nr. 2 SGB VI geregelt. Danach beträgt die Hinzuverdienstgrenze bei einer Rente wegen Berufsunfähigkeit a) in voller Höhe das 0,57-fache, b) in Höhe von zwei Dritteln das 0,76-fache, c) in Höhe von einem Drittel das 0,94-fache der monatlichen Bezugsgröße, vervielfältigt mit den Entgeltpunkten (§ 66 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 SGB VI) des letzten Kalenderjahres vor Eintritt der Berufsunfähigkeit, mindestens jedoch mit 0,5 Entgeltpunkten.

Vorliegend betrugen die monatlichen Hinzuverdienstgrenzen für die Klägerin - unter Zugrundelegung der maßgeblichen 0,6157 Entgeltpunkte - im Jahr 2008 für eine Vollrente 872,11 Euro, für eine Rente in Höhe von zwei Dritteln 1.162,81 Euro und für eine Rente in Höhe von einem Drittel 1.438,21 Euro. Die Klägerin überschritt im Jahr 2008 mit dem zugrundezulegenden regelmäßigen Bruttoentgelt von 1.441,59 Euro sämtliche Hinzuverdienstgrenzen. Insbesondere hat die Beklagte die vermögenswirksamen Leistungen zu Recht in die Berechnung des Bruttoentgelts einbezogen. Gemäß § 2 Abs. 6 Satz 1 des Fünften Gesetzes zur Förderung der Arbeitnehmer (Fünftes Vermögensbildungsgesetz - 5. VermBG) - in der im Jahr 2008 geltenden Fassung - sind vermögenswirksame Leistungen Arbeitsentgelt im Sinne der Sozialversicherung.

Für die Monate Januar und Februar 2008 kann die Klägerin entsprechend dem Teilanerkenntnis der Beklagten die Privilegierung des § 313 Abs. 1 SGB VI i. V. m. § 96a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 SGB VI in Anspruch nehmen, so dass insoweit eine Änderung der Verhältnisse nicht vorlag, eine Aufhebung nicht zu erfolgen hatte und eine Erstattung der für diese beiden Monate gezahlten Rentenleistungen nicht gefordert werden kann.

Die rückwirkende vollständige Aufhebung der Rentenbewilligung in Höhe des streitbefangenen Erstattungsbetrages im Übrigen lässt sich allerdings nicht auf § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X stützen, denn auf der Grundlage dieser Vorschrift ist eine rückwirkende Aufhebung der Leistungsbewilligung nur in Höhe des die Hinzuverdienstgrenze übersteigenden Teils des Arbeitsentgelts möglich. Die Höhe der Rückforderung ist mithin nur auf die Höhe des Mehrverdiensts - hier monatlich 3,38 Euro - beschränkt.

Dies steht jedoch einer weitergehenden Aufhebung des Rentenbescheids nach § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 4 SGB X nicht entgegen.

Die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X sind ebenfalls erfüllt, denn die Klägerin hat (zumindest) grob fahrlässig im Sinne von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X ihre der Beklagten gegenüber bestehende Mitteilungspflicht anlässlich der Erhöhung des Bruttoverdienstes im Jahr 2008 mit der Folge des Überschreitens sämtlicher Hinzuverdienstgrenzen für die Berufsunfähigkeitsrente, auf die sie im Rentenbescheid vom 19.09.2007 ausdrücklich hingewiesen worden ist, verletzt. Grobe Fahrlässigkeit ist gegeben, wenn die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt wird (vgl. § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 3 letzter Teils. SGB X). Das Außerachtlassen von gesetzlichen Mitteilungspflichten, auf die vom Versicherungsträger in einem Leistungsbescheid hingewiesen wurde, ist im Allgemeinen grob fahrlässig, es sei denn, dass der Betroffene nach seiner Persönlichkeitsstruktur und nach seinem Bildungsstand die Vorschrift bzw. entsprechende Hinweise nicht verstanden hat. Nach § 60 Abs. 1 Nr. 2 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) hat derjenige, der Sozialleistungen erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen. Die Beklagte hat die Klägerin in dem Bescheid vom 19.09.2007 darauf hingewiesen, dass die Berufsunfähigkeitsrente nicht oder nur vermindert geleistet werde, wenn der durch die Aufnahme einer Beschäftigung erzielte Bruttolohn die für diese Rente maßgebende Hinzuverdienstgrenze überschreite. Die Hinzuverdienstgrenze für eine Rente in Höhe eines Drittels der Vollrente betrage (bei Beginn der Zahlung ab 01.09.2007) 1.415,26 Euro. Die Hinzuverdienstgrenzen veränderten sich bei Veränderung des aktuellen Rentenwertes ebenfalls entsprechend. Es bestehe die Verpflichtung, den Bezug von Einkommen unverzüglich mitzuteilen. Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach ihren intellektuellen Fähigkeiten nicht in der Lage war, diese Hinweise zu verstehen, sind nicht ersichtlich. Der Klägerin war bekannt, dass sie Einkommen mitzuteilen hatte. Ihr war weiter bekannt, dass es wegen der Hinzuverdienstgrenzen auf die Höhe des Einkommens ankam. Ihr musste daher klar sein, dass sie auch Veränderungen der Höhe des Einkommens mitzuteilen hatte. Dies hat sie nicht getan. Der Einwand der Klägerin, ihr sei nicht bekannt gewesen, dass auch vermögenswirksame Leistungen in die Berechnung einzubeziehen seien, vermag die grobe Fahrlässigkeit der Verletzung ihrer Mitteilungspflichten nicht zu beseitigen. Zum einen weisen die Gehaltsabrechnungen der Klägerin in der Rubrik "Gesamtbrutto" den jeweiligen Betrag unter Einbeziehung der vermögenswirksamen Leistungen aus. Zum anderen hätte die Klägerin im Zweifel - rechtzeitig umgehend nach Erhöhung des Entgelts - bei der Beklagten nachzufragen gehabt, um bezüglich der Behandlung der vermögenswirksamen Leistungen Klarheit zu erhalten. Dies zu unterlassen stellt lediglich einen vermeidbaren Rechtsirrtum dar, der den Vorwurf der groben Fahrlässigkeit nicht entfallen lässt.

Außerdem hat die Klägerin gewusst oder nicht gewusst, weil sie die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der Rentenanspruch zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen war (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X). Auch wenn ihr die für das Jahr 2008 konkret geltenden Hinzuverdienstgrenzen nicht mitgeteilt wurden, musste ihr klar sein, dass sie diese überschritt. Ihr waren die für das Jahr 2007 geltenden Grenzen bekannt. Diese überschritt sie mit dem im Jahr 2008 erzielten Bruttoverdienst in Höhe von 1.441,59 Euro. Sie hatte weder Anhaltspunkte, dass die maßgebliche Hinzuverdienstgrenze für das Jahr 2008 im Vergleich zum Jahr 2007 in dem für einen unveränderten Rentenbezug erforderlichen Maße erhöht worden wäre, noch durfte sie - wie ausgeführt - davon ausgehen, die vermögenswirksamen Leistungen seien nicht in die Berechnung einzubeziehen. Unerheblich ist insoweit, was der von der Klägerin unter Beweis gestellte Inhalt des mit der Beklagten geführten Telefonats vom 04.12.2008 war, da dieses Telefonat nach Auszahlung sämtlicher Rentenansprüche für das Jahr 2008 erfolgte und somit Vertrauensschutz bei Empfang der Leistungen nicht erzeugen konnte.

Anzeichen für einen atypischen Fall, der die Beklagte im Rahmen ihrer Aufhebungsentscheidung zur Ermessensausübung verpflichtet hätte, sind nicht vorgetragen und nach der Sachlage auch nicht ersichtlich.

Die Fristen des § 48 Abs. 4 Satz 1 SGB X i. V. m. § 45 Abs. 3 Satz 3, Abs. 4 Satz 2 SGB X sind gewahrt.

Da somit die Aufhebung des Bescheides über die Bewilligung der Berufsunfähigkeitsrente für die Zeit von März bis Dezember 2008 rechtmäßig war, steht zugleich fest, dass die Klägerin gemäß § 50 Abs. 1 SGB X zur Erstattung der überzahlten Leistungen für den vorgenannten Zeitraum verpflichtet ist.

Gegen die Berechnung des von der Klägerin zu erstattenden Betrages sind Einwendungen nicht erhoben worden; er beläuft sich mithin auf 1.840,06 Euro.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 Satz 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
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