S 49 AS 3349/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Duisburg (NRW)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
49
1. Instanz
SG Duisburg (NRW)
Aktenzeichen
S 49 AS 3349/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Gerichtsbescheid
Der Bescheid vom 09.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 wird aufgehoben soweit Leistungsansprüche des Klägers betroffen sind und die Sache wird zur erneuten Entscheidung über die Leistungsansprüche des Klägers im Zeitraum vom 01.11.2012 bis zum 30.04.2013 an den Beklagten zurückverwiesen.
Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer endgültigen Leistungsfestsetzung nach § 41a Abs. 3 Zweites Buch Sozialgesetzbuch [SGB II] für den Zeitraum vom November 2012 bis April 2013.

Der am 03.02.1971 geborene Kläger lebt in einer Wohnung in O. zusammen mit seiner Ehefrau und zwei minderjährigen Kindern. In der Vergangenheit ist der Kläger seit dem 01.06.2012 als Maler und Lackierer selbstständig tätig gewesen. Mit Bescheid vom 26.10.2012 bewilligte der Beklagte dem Kläger und seinen Familienmitgliedern als Bedarfsgemeinschaft nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III] vorläufige Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis 30.04.2013.

Nach Ablauf des Bewilligungszeitraumes forderte der Beklagte den Kläger erstmalig mit Schreiben vom 06.05.2013 auf, bis zum 23.05.2013 abschließende Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit nebst Belegen und Nachweisen vorzulegen. In dem Schreiben wies der Beklagte u.a. auf §§ 60 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 66, 67 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I] hin: "Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie und die mit Ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen keine Leistungen erhalten." Auch dieses Schreiben enthält den optisch hervorgehobenen Hinweis: "Jede Angabe ist zwingend durch einen Beleg nachzuweisen."

Am 16.05.2013 reichte der Kläger eine Anlage "abschließende Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit" für den Zeitraum von November 2012 bis April 2013 bei dem Beklagten ein, ohne dem Vordruck entsprechende Nachweise und Belege für die Einnahmen und Ausgaben beizufügen.

Mit Schreiben vom 11.04.2014 forderte der Beklagte den Kläger letztmalig auf, bis zum 28.04.2014 die entsprechenden Belege vorzulegen. In dem Schreiben wies der Beklagte erneut u.a. auf §§ 60 Abs. 1 Nr. 1 bis 3, 66, 67 Erstes Buch Sozialgesetzbuch [SGB I] hin: "Haben Sie bis zum genannten Termin nicht reagiert oder die erforderlichen Unterlagen nicht eingereicht, können die Geldleistungen ganz versagt werden, bis Sie die Mitwirkung nachholen (§§ 60, 66, 67 SGB I). Dies bedeutet, dass Sie und die mit Ihnen in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen keine Leistungen erhalten." Dieses Schreiben enthält ebenfalls den optisch hervorgehobenen Hinweis: "Bitte fügen Sie den Erklärungen die entsprechenden Belege bei."

Am 02.05.2014 reichte der Kläger nochmals abschließende Einkommenserklärungen für die Zeiträume von Mai bis Oktober 2012 sowie November 2012 bis April 2013 ein, ohne weitere Belege beizufügen.

Nachdem der Kläger auch in der Folgezeit keine weiteren Nachweise bei dem Beklagten eingereicht hatte, setzte der Beklagte – ohne weiteres Hinweisschreiben u.ä. - mit dem angefochtenen Bescheid vom 09.05.2017 für die Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers die Leistungen für den Zeitraum vom 01.11.2012 bis 30.04.2013 endgültig fest. Aufgrund der eingereichten Anlage "Abschließende Angaben zum Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit" habe nun eine abschließende Berechnung erfolgen können. Die sich daraus ergebenen Überzahlungen seien nach § 41a Abs. 6 SGB II zu erstatten. Bei mehreren Punkten sei von den Angaben des Klägers abgewichen worden, weil keine aussagekräftigen Unterlagen zur Verfügung gestellt worden seien.

Hiergegen erhob der Kläger am 31.05.2017 Widerspruch bei dem Beklagten. Zur Begründung führte er aus, dass einzelne Positionen bei der Einkommensermittlung zu Unrecht nicht berücksichtigt worden seien. Mit dem Widerspruch reichte der Kläger bei dem Beklagten erstmalig Nachweise bzgl. eines Darlehens für einen PKW und Telefonkosten ein.

Mit Widerspruchsbescheid vom 06.07.2017 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Die endgültige Festsetzung richte sich seit dem 01.08.2016 nach § 41a SGB II i.V.m. § 80 Abs. 2 SGB II. Die Jahresfrist sei noch nicht abgelaufen gewesen. Die Höhe des anzurechnenden Einkommens sei nicht zu beanstanden. Die abschließenden Einkommenserklärungen seien ohne ausreichende Belege eingereicht worden. Ob und in welcher Höhe die erstmalig im Widerspruchsverfahren nachgewiesenen Positionen in Abzug gebracht werden könnten, könne dahinstehen. Mit einer nachträglichen Vorlage von Unterlagen könne die wirksame Festsetzung des Anspruchs grundsätzlich nicht mehr mit dem Vortrag erfolgreich angegriffen werden, dass ein anderes Einkommen erzielt worden sei, da der Grundsicherungsträger gemäß § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II zu dieser Festsetzung berechtigt gewesen sei. Nach Bekanntgabe der Entscheidung seien später beigebrachte Unterlagen für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung bedeutungslos. Maßstab im folgenden Widerspruchsverfahren sei nur noch, ob die Festsetzung als solche ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die Voraussetzungen hierfür vorlagen. Sofern mangels belegbaren Nachweisen betriebliche Versicherungsbeiträge, KfZ-Steuern, Versicherungen, laufende Betriebskosten, betrieblich gefahrene km mit einem PrivatKfZ, Telefonkosten, AfA GWG sowie die Tilgung bestehender Darlehn bei der Gewinnermittlung von durchschnittlich 792,83 EUR Einkommen nicht berücksichtigt worden seien, sei dies nicht zu beanstanden.

Im Rahmen einer persönlichen Vorsprache beim Sozialgericht Duisburg am 28.07.2017 hat der Kläger vor dem Sozialgericht Duisburg Klage erhoben. Erstmalig am 25.09.2017 hat der Kläger Bescheide überreicht, aus denen hervorgeht, dass er in einer Bedarfsgemeinschaft gelebt hatte. Der Kläger trägt vor, er habe damals alle angeforderten Unterlagen eingereicht und sich dies mit entsprechenden Eingangsstempeln bestätigen lassen. Der Beklagte behaupte zu Unrecht, dass er die Unterlagen nicht bekommen habe. Der Kläger erkenne den Bescheid und den Widerspruchsbescheid nicht an, weil er damals alles abgegeben habe. Er fürchte, dass man jetzt Geld von ihm zurückfordern werde.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid des Beklagten vom 09.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid aufzuheben und zukünftig kein Geld mehr vom Kläger zurückzufordern.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist ergänzend zu ihren Ausführungen im Widerspruchsbescheid darauf, dass die Hinweisschreiben vom 06.05.2013 und vom 11.04.2014 sowohl in Inhalt, Gestalt und Fristsetzungen den Anforderungen an ein Hinweisschreiben nach § 41a Abs. 3 SGB II gerecht werden würden. Die schriftliche Belehrung über die Rechtsfolgen müsse konkret und unmissverständlich sein, so dass der Betroffene erkennen könne, welche Folgen drohen. Der Hinweis auf die Rechtsfolgen müsse bei § 41a Abs. 3 SGB II allerdings nicht auf den individuellen Fall des Betroffenen bezogen sein, da § 41a Abs. 3 S. 3 und 4 SGB II anders als § 66 SGB I kein Ermessen, sondern eine gebundene Entscheidung vorsehe. Aus den Aufforderungsschreiben ginge eindeutig hervor, dass ein endgültiger Leistungsverlust drohe. Darauf, dass bei den Hinweisschreiben vom 06.05.2013 und vom 11.04.2014 eine Frist von unter zwei Monaten gesetzt worden sei, komme es nicht an. Denn der Kläger habe zum 16.05.2013 bereits auf das Schreiben vom 06.05.2013 reagiert. Bzgl. des Schreibens vom 11.04.2014 sei von dem Kläger eine Fristverlängerung bis zum 02.05.2014 beantragt worden, wonach dieser dann erklärte, dass die Belege vorliegen würden. Der Kläger habe somit zum Ausdruck gebracht, dass am 02.05.2014 alle für die Leistungsberechnung erforderlichen Unterlagen beigebracht worden seien, so dass eine Festsetzung erfolgen durfte. Der Amtsermittlung sei mehr als Genüge getan. Der Kläger sei mit seinem Vorbringen präkludiert.

Mit gerichtlicher Verfügung vom 16.11.2017 hat das Gericht den Beteiligten unter Hinweis auf § 105 Sozialgerichtsgesetz [SGG] mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden. Den Beteiligten wurde eine Stellungnahmefrist von 3 Wochen ab Zugang der gerichtlichen Verfügung eingeräumt. Die Verfügung ist den Beteiligten am 16.11.2017 bzw. 21.11.2017 zugegangen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die mit Schriftsatz vom 14.09.2017 übersandte Leistungsakte des Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der Entscheidung waren.

Entscheidungsgründe:

Die isolierte Anfechtungsklage ist zulässig und im Hinblick auf § 131 Abs. 5 SGG auch begründet.

I. Über die Klage kann gemäß § 105 Abs. 1 SGG ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entschieden werden, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind zudem mit gerichtlicher Verfügung vom 16.11.2017 zuvor auf diese Möglichkeit hingewiesen worden. Ihnen wurde dabei die Gelegenheit zur Stellungnahme eingeräumt, § 105 Abs. 1 S. 2 SGG. Die Stellungnahmefrist ist nunmehr verstrichen.

II. Die Klage ist als isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG statthaft und auch im Übrigen für den Kläger zulässig.

1. Für das Begehren des Klägers ist die isolierte Anfechtungsklage nach § 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG statthaft. Der Kläger begehrt in dem Verfahren die gerichtliche Aufhebung des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 09.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017.

Daran ändert auch die Formulierung des Klageantrages nichts, der ausdrücklich auf eine Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung der angegriffenen Bescheide gerichtet ist. Denn das Gericht ist nach § 123 SGG nicht an die Fassung des Antrages gebunden, sondern an das erkennbare Klagebegehren, welches insbesondere bei unvertretenen Klägern nach dem sog. Prinzip der Meistbegünstigung auszulegen ist (vgl. zum Meistbegünstigung: BSG, Urt. v. 27.09.2011 – B 4 AS 160/10 R, juris, Rn. 14 m.w.N.; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 123 SGG, Rn. 3; Breitkreuz, in: Breitkreuz/Fichte, SGG, 2. Aufl. 2014, § 123, Rn. 10 m.w.N. – "Im Zweifel begehrt der unvertretene Kläger (bereits angesichts Art. 19 Abs. 4 GG und §§ 2 Abs. 2, 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I) ungeachtet des Wortlauts seines Antrags dasjenige, was ihm den größten Nutzen bringen kann. Die Auslegung der Anträge muss sich danach richten, was als Leistung möglich ist, wenn jeder verständige Antragsteller mutmaßlich seinen Antrag bei entsprechender Beratung angepasst hätte und keine Gründe zur Annahme eines abweichenden Verhaltens vorliegen."). Insofern ist davon auszugehen, dass der rechtlich nicht weiter vorgebildete Kläger als Laie mit der Klage die endgültige Festsetzung, einschließlich eventueller Rückzahlungspflichten, möglichst effektiv beseitigen möchte und dabei lediglich irrtümlich davon ausgeht, dass nur eine gerichtliche Verpflichtung des Beklagten zur Aufhebung der Bescheide ausgesprochen werden könnte. Diesem Begehren kann jedoch unmittelbar mit der Anfechtungsklage als Gestaltungsklage (§ 54 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 SGG) durch die gerichtliche Entscheidung selbst entsprochen werden.

2. Der Kläger ist als Adressat des endgültigen Festsetzungsbescheides vom 09.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 in Bezug auf seine individuellen Leistungsrechte auch klagebefugt i.S.d. § 54 Abs. 1 S. 2 SGG.

Das Gericht geht davon aus, dass die Individualrechte der anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers hingegen nicht Gegenstand dieses Klageverfahrens geworden sind. Zur Wahrung der jeweiligen Individualrechte ist eine eigene Klageerhebung durch jedes einzelne Mitglied einer Bedarfsgemeinschaft notwendig, da die besondere Vertretungsregelung des § 38 SGB II auf das Gerichtsverfahren nicht anwendbar ist (st. Rspr.; grundlegend: BSG, Urt. v. 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R; vgl. auch: BSG, Urt. v. 02.07.2009 – B 14 AS 54/08 R, juris, Rn. 22; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 09.08.2013 – L 2 AS 1040/13 NZB; LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 30.04.2013 – L 6 AS 1170/12 B; Aubel, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 38, Rn. 12 m.w.N.). Selbst wenn man im Hinblick auf den juristisch nicht vorgebildeten Kläger einen vergleichsweise großzügigen Auslegungsmaßstab zugrunde legen würde, kann nicht von einer Klageerhebung - innerhalb oder außerhalb der Klagefrist nach § 87 SGG - (auch) durch oder für die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft des Klägers ausgegangen werden. Denn dies würde zumindest Anhaltspunkte in der Klage oder Begründung erfordern, aus denen geschlossen werden kann, dass auch für weitere Personen Klage erhoben werden soll. Vorliegend ist dies nicht ersichtlich. Der Kläger hat weder bei Klagerhebung noch zu einem späteren Zeitpunkt zu erkennen gegeben, dass er - auch – für die anderen Mitglieder seiner Bedarfsgemeinschaft handelt. Er hat allein Klage erhoben und dabei nicht einmal zu erkennen geben, dass er überhaupt mit anderen Personen in Bedarfsgemeinschaft steht. Zudem hat er seinen Klageantrag so ausdrücklich formuliert, dass dem Beklagten untersagt werden soll, zukünftig Geld "von mir zurückzufordern". Er hat die Klage somit auf sich als Person beschränkt.

III. Die Klage ist i.S.d. § 131 Abs. 5 SGG begründet. Der Festsetzungsbescheid vom 09.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 ist aufzuheben (1.). Die Sache ist zur erneuten Entscheidung über die endgültigen Leistungsansprüche des Klägers von November 2012 bis April 2013 an den Beklagten zurückzuverweisen (2.).

1. Die streitgegenständliche Entscheidung ist nach § 131 Abs. 5 S. 1 SGG aufzuheben. Es bedarf weiterer Sachaufklärung, in welchem Umfang die endgültige Festsetzungsentscheidung des Beklagten vom 09.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 im Ergebnis rechtswidrig ist. Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II sind jedenfalls nicht erfüllt.

a) Die zum 01.08.2016 in Kraft getretene Neuregelung des § 41a Abs. 3 SGB II (BGBl. I 2016, S. 1824) findet auch auf den vorliegenden Festsetzungszeitraum von November 2012 bis April 2013 grundsätzlich Anwendung. Denn nach § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II ist auch für vorläufig beschiedene Bewilligungszeiträume, die vor dem 01.08.2016 endeten, § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Jahresfrist mit dem 01.08.2016 beginnt.

Das Gericht geht davon aus, dass § 41a SGB II insgesamt auch auf Zeiträume vor August 2016 Anwendung findet (SG Augsburg, Urt. v. 03.07.2017 – S 8 AS 400/17, juris, Rn. 22; Grote-Seifert, in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB II, 4. Aufl. 2015, § 80, Rn. 10; unklar: Harig, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 46. Edition, Stand: 01.09.2017, § 80 SGB II, Rn. 3; a.A.: SG Berlin, Urt. v. 25.09.2017 – S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 47 ff.; Kemper, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 80 SGB II, Rn. 10). Sofern § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II davon spricht, dass auch für vorläufig beschiedene Bewilligungszeiträume, die vor dem 01.08.2016 endeten, § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II mit der Maßgabe anzuwenden, dass die Jahresfrist mit dem 01.08.2016 beginnt, ergibt sich hieraus nicht, dass § 41a SGB II im Übrigen – zugunsten der früheren Regelung nach § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F. i.V.m. § 328 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 SGB III - nicht anwendbar wäre. Vielmehr setzt § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II eine grundsätzliche Anwendbarkeit des § 41a SGB II auch für Festsetzungszeiträume vor dem 01.08.2016 voraus. Denn bei § 41a SGB II handelt es sich um ein einheitliche Neuregelung der Festsetzungsregelungen bei vorläufigen Leistungen, die nach dem Gestaltungswillen des Gesetzgebers im Gesetzgebungsverfahren insgesamt zum Zweck der angestrebten Rechtsvereinfachung auf Festsetzungen sämtlicher Vorzeiten Anwendung finden soll (BT-Drs. 18/8041, S. 62 – "§ 41a soll auch für diese Entscheidungen angewandt werden."). Insofern erschiene es auch widersinnig, wenn der Gesetzgeber davon ausgegangen wäre, dass nur die Regelung zum Fristbeginn nach § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II für Leistungszeiträume vor dem 01.08.2016 Anwendung finden würde, da diese Regelung ohne die übrigen Regelungen des § 41a SGB II weitestgehend ins Leere liefe.

b) Entgegen der Ansicht des Beklagten lagen die Voraussetzungen für eine behördliches Vorgehen nach § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II allerdings im Fall des Klägers nicht vor. Die Voraussetzungen für die vom Beklagten getroffenen Feststellungen zum durchschnittlichen Einkommen des Klägers im Bewilligungszeitraum von November 2012 bis April 2013, das zu Unrecht zumindest ein Darlehen für einen PKW und Telefonkosten aus der Einkommensermittlung ausgeklammert hat, sind nicht gegeben.

Zwar geht der Beklagte in Bezug auf § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II zu Recht von einer materiell-rechtlichen Ausschlussfrist aus (aa)). Vorliegend sind die insofern notwendigen Mindestanforderungen an ein ordnungsgemäßes Hinweisschreiben bei Fristsetzung jedoch nicht erfüllt (bb)).

aa) Nach § 41a Abs. 3 S. 1 SGB II entscheidet der Grundsicherungsträger abschließend über den monatlichen Leistungsanspruch, sofern die vorläufig bewilligte Leistung nicht der abschließend festzustellenden entspricht oder die leistungsberechtigte Person eine abschließende Entscheidung beantragt. Der Leistungsberechtigte und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen sind gemäß § 41a Abs. 3 S. 2 SGB II nach Ablauf des Bewilligungszeitraums verpflichtet, die von den Trägern der Grundsicherung für Arbeitsuchende zum Erlass einer abschließenden Entscheidung geforderten leistungserheblichen Tatsachen nachzuweisen; die §§ 60, 61, 65 und 65a des Ersten Buches gelten entsprechend. Sofern der Leistungsberechtigte oder die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen ihrer Nachweis- oder Auskunftspflicht bis zur abschließenden Entscheidung nicht, nicht vollständig oder trotz angemessener Fristsetzung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht fristgemäß nachkommen, setzt der Grundsicherungsträger den Leistungsanspruch nach § 41a Abs. 3 S. 3 SGB II für diejenigen Kalendermonate nur in der Höhe abschließend fest, in welcher seine Voraussetzungen ganz oder teilweise nachgewiesen wurden. Gemäß § 41a Abs. 3 S. 4 SGB II wird für die übrigen Kalendermonate festgestellt, dass ein Leistungsanspruch nicht bestand.

Abweichend von den allgemeinen Regelungen der §§ 60 ff. SGB I und der früheren Regelung des § 3 Abs. 6 der Verordnung zur Berechnung von Einkommen sowie zur Nichtberücksichtigung von Einkommen und Vermögen beim Arbeitslosengeld II/Sozialgeld [ALG II-VO] a.F. wird dabei mit § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II ein eigenständiges Rechtsfolgensystem neu geschaffen, das zu einer dauerhaften materiell-rechtlichen Präklusion von Leistungsrechten des Betroffenen führen kann, indem – auch im Hinblick auf laufenden Festsetzungsfristen nach § 41a Abs. 5 SGB II – eine zeitnahe Berechtigung der Behörde geschaffen wird, abweichend von den tatsächlichen Umständen des Einzelfalles dauerhaft eine abschließende Bescheidung nur auf Grundlage der fristgerecht nachgewiesenen Umstände vorzunehmen (SG Augsburg, Urt. v. 03.07.2017 – S 8 AS 400/17, juris, Rn. 24 – "Zu bedenken ist aber, dass die nun von § 41a Abs. 3 Satz 3 und 4 SGB II vorgesehene Verfahrensweise zu deutlich einschneidenderen Ergebnissen, nämlich der Feststellung des kompletten Anspruchswegfalls führen kann [ ]."; Kallert, in: Gagel, SGB II / SGB III, 67. Ergänzungslieferung September 2017, § 41a SGB II, Rn. 85 ff. – "Die Rechtsposition des Betroffenen verschlechtert sich dadurch deutlich, namentlich gelten die Regelungen über die Nachholung der Mitwirkung und deren Folgen (§ 67 SGB I) nicht; auch § 44 SGB X wird sich bei nachträglicher Klärung des Sachverhalts nur schwerlich anwenden lassen, wenn die ablehnende Entscheidung im Zeitpunkt ihres Erlasses gemessen an den Vorgaben von Abs. 3 und 4 rechtmäßig war, auch wenn materiell ein Anspruch bestanden haben sollte."; a.A.: SG Berlin, Urt. v. 25. September 2017 – S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 75 – "§ 41a Abs. 3 SGB II regelt entgegen der Auffassung des Beklagten keine Präklusionsvorschrift."). Ausgehend von diesem Rechtsfolgenverständnis - das auch der Beklagte und die Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 41a SGB II für sich in Anspruch nehmen (Fachlichen Hinweise der Bundesagentur für Arbeit zu § 41a SGB II, Stand: 20.12.2017, S. 10 f. – "Auch wenn nach Ablauf der von der gE eingeräumten Frist zur Mitwirkung noch Unterlagen vorgelegt werden, die ein anderes Einkommen belegen, war der Grundsicherungsträger gemäß § 41a Absatz 3 Sätze 3 und 4 zu dieser Festsetzung berechtigt. Dies kann grundsätzlich nicht angegriffen werden. Nach Bekanntgabe der Entscheidung beigebrachte Unterlagen spielen für die Rechtmäßigkeit der Entscheidung keine Rolle. Maßstab ist im ggf. folgenden Widerspruchsverfahren oder im Antrag nach § 44 SGB X nur noch, ob die Festsetzung als solche ordnungsgemäß durchgeführt wurde und die Voraussetzungen hierfür vorlagen.") - präkludiert ein Leistungsberechtigter bei einer behördlichen Entscheidung nach § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II materiell-rechtlich dauerhaft mit einem Vorbringen, das nach der abschließenden, behördlichen Ausgangsentscheidung erfolgt.

Dass verspätetes Vorbringen im Rahmen des § 41a Abs. 3 SGB II nicht lediglich nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 60 ff. SGB I zu behandeln ist, ergibt sich bereits daraus, dass zum Einen nur eine entsprechende Geltung der einzelnen Mitwirkungsvorschriften aus §§ 60, 61, 65 und 65a SGB I angeordnet wird, zum Anderen gerade eine gesetzliche Bezugnahme auf die – vergleichsweise milden - Rechtsfolgen bei Mitwirkungspflichtverletzung nach §§ 66, 67 SGB I unterlassen worden ist und die Betonung, dass eine abschließende Feststellung erfolgt, mit deren Wesen eine noch spätere Berücksichtigung anderer Umstände gerade nicht vereinbar erscheint (vgl. zum Gestaltungswillen des Gesetzgebers: BT-Drs. 18/8041, S. 62 - "Sofern die leistungsberechtigte Person trotz angemessener Fristsetzung ihren Nachweisobliegenheiten bis zur abschließenden Entscheidung und schriftlicher Belehrung über die Rechtsfolgen nicht, nicht vollständig nachkommt, wird der Leistungsanspruch in den einzelnen Leistungsmonaten abschließend nur in der Höhe festgestellt, soweit dies ohne die Mitwirkung der Leistungsberechtigten möglich ist. [ ] Sofern die Unterlagen bei der abschließenden Entscheidung trotz angemessener Fristsetzung nicht vorliegen, wird für die betroffenen Leistungsmonate im Rahmen der abschließenden Entscheidung über den Leistungsantrag kein Leistungsanspruch festgestellt."). Sofern teilweise Versuche unternommen werden, die allgemeinen Rechtsfolgen der §§ 66, 67 SGB I in § 41a Abs. 3 SGB II hineinzulesen (vgl. hierzu: Kemper, in: Eicher/Luik, SGB II, 4. Auflage 2017, § 41a SGB II, Rn. 42 ff., 50), hält das Gericht dieses Vorgehen im Hinblick auf den eindeutigen und punktierten Gesetzeswortlaut des § 41a Abs. 3 SGB II für nicht überzeugend.

Bei dem hier vertretenen Rechtsfolgenverständnis sind auch die späteren Rechtsschutzmöglichkeiten nur noch eingeschränkt gegeben; dies betrifft insbesondere Widerspruchs-, Klage- oder Überprüfungsverfahren (Kallert, in: Gagel, SGB II / SGB III, 67. Ergänzungslieferung September 2017, § 41a SGB II, Rn. 87 f.; vgl. auch: Merten, in: BeckOK Sozialrecht, Rolfs/Giesen/Kreikebohm/Udsching, 46. Edition, Stand: 01.09.2017, § 41a SGB II, Rn. 23, 28; a.A.: SG Berlin, Urt. v. 25.09.2017 – S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 75 f.). Dies erscheint im Hinblick auf die grundrechtliche Rechtsschutzgarantie des Art. 19 Abs. 4 S. 1 Grundgesetz [GG] verfassungsrechtlich nur dann gerechtfertigt, wenn bei einem entsprechenden Vorgehen der Behörde die verfahrensrechtlichen Anforderungen zum Schutz des Betroffenen eingehalten worden sind. Der Grundrechtsschutz wird durch Verfahrensschutz verwirklicht. Eine Entscheidung nach § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II kann erst dann möglich sein, wenn dem Leistungsberechtigten eine angemessene Frist für die Mitwirkung gesetzt und er über die Rechtsfolgen belehrt worden ist (vgl. SG Augsburg, Urt. v. 03.07.2017 – S 8 AS 400/17, juris, Rn. 23 ff. Kallert, in: Gagel, SGB II / SGB III, 67. Ergänzungslieferung September 2017, § 41a SGB II, Rn. 88). Als regelmäßig angemessen wird dabei regelmäßig die Dauer einer Frist von zwei Monaten angesehen (vgl. SG Augsburg, Urt. v. 03.07.2017 – S 8 AS 400/17, juris, Rn. 24 f.). Da die Rechtsfolgen des § 41a Abs. 3 SGB II richtig verstanden sehr viel weitergehen als §§ 66 f. SGB I, ist für den Hinweis insbesondere zu verlangen, dass der Grundsicherungsträger auf die Gefahr des endgültigen Anspruchsverlustes deutlich hinweist, was regelmäßig eine laienverständliche Erklärung des Gesetzestextes nebst Hinweis auf die wirtschaftlichen Folgen erfordern soll (vgl. hierzu insgesamt: SG Berlin, Urt. v. 25.09.2017 – S 179 AS 6737/17, juris, Rn. 66 ff.; Kallert, in: Gagel, SGB II / SGB III, 67. Ergänzungslieferung September 2017, § 41a SGB II, Rn. 88). Ob noch weitergehender besondere Formerfordernisse an ein ordnungsgemäßes Hinweisschreiben nach § 41a Abs. 3 SGB II zu stellen sind, die in der Rechtsprechung in anderen Zusammenhängen vertreten werden (bspw. Anwendbarkeit des § 37 Abs. 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch [SGB X] nur bei Unterschrift des Sachbearbeiters, nicht schon bei Paraphe; vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschl. v. 15.11.2011 – L 7 AS 1382/11 B, juris, Rn. 4), ist bislang ungeklärt.

bb) Nach diesen Maßstäben sind vorliegend die hohen Anforderungen an ein ordnungsgemäßes Hinweisschreiben nach § 41a Abs. 3 SGB II durch die Aufforderungsschreiben vom 06.05.2013 und vom 11.04.2014 nicht erfüllt, so dass die Ausschlussfrist mangels ausreichendem Hinweis weder zu laufen begonnen hatte noch zum Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung vom 09.05.2017 bereits abgelaufen war. Das Gericht kann dabei dahingestellt lassen, inwiefern hier die Anforderungen an eine ausreichende Fristsetzung eingehalten worden sind. Denn inhaltlich waren die Hinweise des Beklagten in den Aufforderungsschreiben vom 06.05.2013 und vom 11.04.2014 bereits ungeeignet einen Fristablauf nach § 41a Abs. 3 SGB II überhaupt in Gang zu setzen.

Die Aufforderungsschreiben vom 06.05.2013 und vom 11.04.2014 beziehen sich einschließlich ihrer Hinweise ausschließlich nur auf §§ 60 ff. SGB I sowie § 328 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F., § 3 Abs. 6 ALG II-VO a.F. Sie nehmen insofern Bezug auf die frühere Rechtslage vor Inkrafttreten des § 41a SGB II zum 01.08.2016 und haben allenfalls die Grundlage für ein Vorgehen des Beklagten nach §§ 60 ff. SGB I sowie § 328 SGB III i.V.m. § 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II a.F., § 3 Abs. 6 ALG II-VO a.F. geschaffen, welche mit der Neuregelung des § 41a SGB II zum 01.08.2016 wieder entfallen ist. In diesem Zusammenhang ist auch der Hinweis zu verstehen, dass der Kläger und die mit ihm in Bedarfsgemeinschaft lebenden Personen keine Leistungen erhalten würden, den der Beklagte im Rahmen der Klageerwiderung zu Unrecht als ausreichenden Hinweis auf einen endgültigen Leistungsverlust nach § 41a Abs. 3 SGB II dargestellt hat. Dass 2013 und 2014 noch nicht auf die spätere Rechtsänderung des § 41a SGB II zum 01.08.2016 hingewiesen worden ist, die ein völlig neues Rechtsfolgesystem bietet und auch als zukünftige Gesetzesänderungsmöglichkeit noch nicht bekannt war, ist offenkundig.

Nach dem Inkrafttreten des § 41a SGB II zum 01.08.2016 können die früheren Aufforderungsschreiben vom 06.05.2013 und vom 11.04.2014 vorliegend auch nicht in wirksame Aufforderungsschreiben nach § 41 Abs. 3 SGB II umgedeutet werden, welche den Beklagten unmittelbar zu einem Vorgehen nach § 41a Abs. 3 SGB II berechtigen würden. Die entsprechenden Hinweise an den Kläger vom 06.05.2013 und vom 11.04.2014 zu der Frage, was bei einer unterlassenen Einreichung geschehen wird, nehmen nur Bezug auf ein früheres Rechtsfolgensystem für die abschließende Festsetzung, das weniger einschneidend ausgestaltet gewesen ist als das spätere Rechtsfolgensystem des § 41a Abs. 3 SGB II, dass nun angewandt werden soll. So zeigt bereits der ausdrückliche Hinweis des Beklagten, dass bei einer nicht fristgerechten Unterlageneinreichung eine Versagung nach §§ 60, 66, 67 SGB I erfolgen könne, bis die Mitwirkung nachgeholt werde, sehr deutlich, dass diese Hinweise in Bezug auf die schärferen Rechtsfolgen des § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II nur unzureichend sind, welche sich der Beklagte nun zu Eigen machen möchte. Gerade die Möglichkeit einer späteren Nachholung der Unterlageneinreichung ist nach dem Gesetzesverständnis des Beklagten ersatzlos entfallen. Der Kläger konnte nicht erkennen, dass die Rechtsfolgen, auf die er in früheren Schreiben des Beklagten vor Jahren hingewiesen worden war, mit der Gesetzesänderung zum 01.08.2016 eine erhebliche Ausweitung zu seinem Nachteil erfahren hätten. Eine derartige Umdeutung des Hinweises von einem früheren Minus in ein gegenwärtiges Mehr ist vorliegend ausgeschlossen. Der Beklagte war nach Inkrafttreten des 01.08.2016 vielmehr gehalten – innerhalb der Jahresfrist des § 41a Abs. 5 SGB II – den Kläger durch eine entsprechende neue Belehrung nach § 41a Abs. 3 SGB II auf die neuen Rechtsfolgen des § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II hinzuweisen, statt unter Bezugnahme auf frühere Belehrungen zu anderen – weniger einschneidenden - Rechtsfolgen unmittelbar nach § 41a Abs. 3 SGB II gegenüber dem Kläger vorzugehen. Ein entsprechender Hinweis des Beklagten nach Inkrafttreten des § 41a SGB II ist aber gegenüber dem Kläger nicht erfolgt.

2. Das Gericht beschränkt sich vorliegend nach § 131 Abs. 5 S. 1 SGG darauf die Sache unter Aufhebung der endgültigen Festsetzung vom 09.05.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 06.07.2017 zur weiteren Sachverhaltsaufklärung an den Beklagten zurückzuverweisen, ohne eine gerichtliche Sachentscheidung zu treffen. Ob und in welcher Höhe sich im streitgegenständlichen Zeitraum von November 2012 bis April 2013 danach abschließende Leistungsansprüche des Klägers ergeben, bleibt noch zu klären. Hierzu fehlt es bislang völlig an Ermittlung und Prüfung durch den Beklagten, weil dieser ein anderes Vorgehen gewählt hatte und damit insbesondere auch die im Rahmen des Widerspruchsverfahrens erstmalig eingereichten Unterlagen unberücksichtigt gelassen hatte.

Es ist zwar Aufgabe des Gerichts, den Sachverhalt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht umfassend nachzuprüfen. Allerdings ist es nicht gerichtliche Aufgabe, anstelle der Behörde erstmals umfassende Sachverhaltsaufklärung zu betreiben und den Leistungsanspruch zu berechnen. Denn die Verwaltung trifft primär eine Amtsermittlungspflicht und die Gerichte sind primär zur Nachprüfung behördlicher Entscheidung berufen. Gerade bei reinen Anfechtungsklagen, wie der vorliegenden Klage, und einem erheblichem Ermittlungsdefizit tritt daher die Pflicht der Gerichte aus § 103 SGG hinter die Amtsermittlungspflicht der Verwaltung zurück (SG Augsburg, Urt. v. 03.07.2017 – S 8 AS 400/17, juris, Rn. 29; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Auflage 2017, § 131 SGG, Rn. 17 ff.; vgl. auch: BSG, Urt. v. 25.06.2015, B 14 AS 30/14 R, juris, Rn. 22 ff.).

Angesichts dieser Umstände hält es das Gericht für zweckmäßig, nach § 131 Abs. 5 Satz 1 SGG vorzugehen. Es besteht, wie dargelegt, noch Ermittlungs- und Prüfungsbedarf zum Umfang der Leistungsberechtigung des Klägers und es handelt sich um die Situation einer isolierten Anfechtung einer behördlichen Entscheidung. Auch die Interessen des Klägers sprechen nicht gegen eine Rückverweisung, weil er von dem Beklagten eine eingehende Prüfung erwarten kann. Gegen eine Rückverweisung spricht auch nicht der Umstand, dass ggf. nach Ablauf der Jahresfrist nach § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II i.V.m. § 80 Abs. 2 Nr. 1 SGB II zum 31.07.2017 gegenüber der vorläufigen Bewilligung vom 26.10.2012 zukünftig keine abweichende endgültige Festsetzung durch den Beklagten mehr erfolgen kann. Denn ob sich aus einer Berücksichtigung zumindest der im Widerspruchsverfahren eingereichten Nachweise höhere Leistungsansprüche des Klägers ergeben und inwiefern hier nach § 41a Abs. 5 S. 2 SGB II eine Durchbrechung einer Endgültigkeitsfiktion in Betracht kommt, wird der Beklagte im Rahmen seiner erneuten Sachprüfung festzustellen haben. Jedenfalls stellt allein ein Zeitablauf im Hinblick auf die Fristen des § 41a Abs. 5 S. 1 SGB II kein berechtigtes Interesse der Beteiligte dar, eine im Hinblick auf die fehlerhafte Anwendung des § 41a Abs. 3 S. 3 und S. 4 SGB II offensichtlich fehlerhaft ergangene Festsetzungsentscheidung des Beklagten fortbestehen zu lassen.

Schließlich erfolgt die Rückverweisung auch im Hinblick auf § 131 Abs. 5 S. 5 SGG fristgerecht, da die Leistungsakte des Beklagten mit dem Schriftsatz vom 14.09.2017 übersandt worden ist, was zum Entscheidungszeitpunkt noch nicht über sechs Monate zurückliegt.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und trägt dem Ausgang des Verfahrens Rechnung.
Rechtskraft
Aus
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