S 12 KA 599/16

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 599/16
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die notwendigen Verfahrenskosten zu tragen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Höhe des Honorars für das Quartal IV/15 und hierbei insb. um die Höhe des Regelleistungsvolumens (RLV) und des Qualifikationsbezogenen Zusatzvolumens (QZV) 58.

Der Kläger ist seit 01.10.2015 als zur vertragsärztlichen Versorgung mit Praxissitz in A Stadt zugelassen.

Der Kläger beantragte am 20.08.2015 die Zuteilung der qualitätsgebundenen Zusatzvolumina QZV 16 (Psychosomatische Grundversorgung) und QZV 58 (Betreuung neurologisch bzw. psychisch Kranker im sozialen Umfeld) für die Quartale IV/15 bis III/16. Der Kläger beantragte am 22.09.2015 die Erhöhung seines Regelleistungsvolumens. Er trug vor, er habe den Sitz von Dr. C. übernommen, der bereits verschiedene Alten- und Pflegeheime psychiatrisch versorgt habe. Die KV B-Stadt sei an ihn herangetreten, weitere Heime zu betreuen.

Die Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27.04.2016 die QZV 16 und 58. Eine Erhöhung des Regelleistungsvolumens für das Quartal IV/15 lehnte sie ab, weil die Betreuung von Altenheimen oder ähnlichen Einrichtungen keine Ausnahmeregelung begründe. Eine solche sei auch nicht notwendig, da der Kläger mit 593 Fällen weniger als die RLV-Fallzahl (597 Fälle) abgerechnet habe.

Hiergegen legte der Kläger am 25.05.2016 Widerspruch ein. Zur Begründung trug er vor, die Überschreitung des Regelleistungsvolumens sei der Betreuung von Alten- und Pflegeheimen geschuldet. Die Nr. 21231 (Kontinuierliche Mitbetreuung von Heimen) liege 250 % über dem Fachgruppendurchschnitt, die Grundpauschale über dem 60. Lebensjahr gem. Nr. 21212 EBM sei doppelt so hoch. Die KV habe ihn auch selbst gebeten, weitere Heime zu betreuen. Er sei der einzige Facharzt, der sich zur Betreuung bereit erklärt habe.

Die Beklagte setzte das Honorar wie folgt fest:
Quartal IV/15
Honorarbescheid vom 03.04.2016
Nettohonorar gesamt in EUR 43.268,81
Bruttohonorar PK + EK in EUR 43.148,00
Fallzahl PK + EK 592
Honorar Regelleistungsvolumen 23.175,53
Honorar QZV 4.113,33
Honorar quotiertes RLV/QZV in EUR 3.804,57 Freie Leistungen 441,28
Übrige Leistungen innerhalb der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung (MGV) 7.657,92
Leistungen außerhalb der morbiditäts-bedingten Gesamtvergütung (MGV 7.162,37

RLV Praxis
Fallwert in EUR 38,200
Obergrenze in EUR 23.175,54
Angefordert in EUR 32.629,78
Überschreitung in EUR 9.454,24

QZV gesamt
Obergrenze in EUR 4.112,33
Angefordert in EUR 6.792,92
Überschreitung in EUR 2.680,59

Gegen den Honorarbescheid legte der Kläger am 17.06.2016 Widerspruch ein, ohne diesen zu begründen.

Die Beklagte verband beide Widerspruchsverfahren und wies mit Widerspruchsbescheid vom 28.09.2016 beide Widersprüche als unbegründet zurück. In den Bescheidgründen erläuterte sie die Grundlagen und Berechnung des Regelleistungsvolumens und hielt eine Ausnahmeregelung nicht für gegeben, weil die Betreuung von Altenheimen oder ähnlichen Einrichtungen nicht mit der Aufgabe der Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes in der näheren Umgebung der Arztpraxis vergleichbar sei. Eine Erhöhung komme auch nur bis zur tatsächlich abgerechneten Fallzahl in Betracht. Eine Erhöhung des Fallwerts, der beim Kläger mit 54,66 EUR 40,8 % über dem der Fachgruppe (38,82 EUR) liege, komme nicht in Betracht. Die Leistungen nach Nr. 21211, 21212, 21216, 21220, 21217, 21233 und 21340 entstammten dem Fachkapitel und seien als fachgruppentypisch anzusehen. Auch bei den Leistungen nach Nr. 01620 und 01622 handele es sich um fachgruppentypische Leistungen. Die Leistungen nach Nr. 35300 und 35301 machten nur einen Fallwert von 0,05 Cent aus. Das QZV 16 werde weniger als um 20 % überschritten. Vorwegleistungen dürften nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts quotiert werden.

Hiergegen hat der Kläger am 21.10.2016 unter Wiederholung seiner Ausführungen im Verwaltungsverfahren die Klage erhoben. Ergänzend trägt er vor, bei den Leistungen nach Nr. 21211, 21212, 21216, 21220, 21217, 21233 und 21340 EBM handele es sich zwar um fachgruppentypische Leistungen. Die Erhöhung sei nicht wegen erhöhter Abrechnungen, sondern aus Sicherstellungsaspekten zu erteilen. Er nehme dafür auch weitere Anfahrwege in Kauf. Zwei Vertragsärzte hätten ihre Tätigkeit aufgegeben.

Der Kläger beantragt,
unter Aufhebung des Bescheids vom 27.04.2016 und des Honorarbescheids für das Quartal IV/15, beide in der Gestalt des Widerspruchbescheids vom 28.09.2016 die Beklagte zu verurteilen, ihn hinsichtlich des begehrten Fallwertaufschlags bzgl. des Regelleistungsvolumens bzw. des QZV 58 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie trägt ergänzend zu ihren Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid, auf die sie verweist, vor, bei den Leistungen nach Nr. 01620 und 01622 erreiche der Kläger bereits nicht die Grenze von 20 % des eigenen RLV-Fallwerts. Auch handele es sich um fachgruppentypische Leistungen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und beigezogenen Verwaltungsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Kammer hat in der Besetzung mit einer ehrenamtlichen Richterin und einem ehrenamtlichen Richter aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Klage ist zulässig, denn sie ist insb. form- und fristgerecht bei dem zuständigen Sozialgericht erhoben worden.

Die Klage ist aber unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 27.04.2016 und der Honorarbescheid für das Quartal IV/15, beide in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 28.09.2016 sind rechtmäßig. Sie waren daher nicht aufzuheben. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Neubescheidung hinsichtlich des begehrten Fallwertaufschlags bzgl. des Regelleistungsvolumens bzw. des QZV 58 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts. Die Klage war abzuweisen.

Nach dem ab Januar 2012 geltenden Honorarverteilungsmaßstabs aufgrund des Beschlusses der Vertreterversammlung vom 10. März 2012 (HVM 2012), der sich als Ergänzung zu 87b SGB V und des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 218 Sitzung am 26. März 2010, zuletzt geändert durch Beschlüsse vom 29. Oktober 2010 (239. Sitzung, schriftliche Beschlussfassung), vom 24. November 2010 (242. Sitzung), vom 25. Januar 2011 (248. Sitzung) sowie die in der 253. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) bzw. 256. Sitzung (schriftliche Beschlussfassung) und in der 261 Sitzung getroffenen Beschlüsse (nachstehend vereinfachend "Beschluss des Bewertungsausschusses" genannt) definiert (Präambel HVM 2012), erfolgt die Vergütung der Ärzte auf der Basis der gemäß § 87a Abs. 2 Satz 5 SGB V zum jeweiligen Zeitpunkt gültigen regionalen Euro-Gebührenordnung (Nr. 1.1. Abs. 1 HVM 2012). Es werden Regelleistungsvolumina und qualifikationsgebundene Zusatzvolumina (QZV) gebildet (Nr. 1.1 bis 1.4, 2.5 HVM 2012), was auch für die Fachgruppe des Klägers gilt (Nr. 2.1 Abs. 1 i. V. m. Anl. 1 HVM 2012). Dieser HVM galt, insoweit hier von Bedeutung, unverändert fort auch im streitbefangenen Quartal.

Auf Antrag des Arztes und nach Genehmigung durch den Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen können Leistungen über das arzt-/praxisbezogene Regelleistungsvolumen hinaus mit den Preisen der regionalen Euro-Gebührenordnung vergütet werden. Dies gilt insbesondere für folgende Fallgestaltungen: Bei einer außergewöhnlich starken Erhöhung der Zahl der behandelten Versicherten aufgrund
- urlaubs- und krankheitsbedingter Vertretung eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft
- urlaubs- und krankheitsbedingter Vertretung eines Arztes einer Arztpraxis in der näheren Umgebung der Arztpraxis
- Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes der eigenen Berufsausübungsgemeinschaft
- Aufgabe einer Zulassung oder genehmigten Tätigkeit eines Arztes in der näheren Umgebung der Arztpraxis
- eines außergewöhnlichen und durch den Arzt unverschuldeten Grundes, der zu einer niedrigeren Fallzahl des Arztes im Aufsatzquartal geführt hat. Hierzu zählt z. B. Krankheit des Arztes.
- der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einem Planungsbereich, der für diese Arztgruppe von Unterversorgung betroffen bzw. von Unterversorgung bedroht ist und in dem die Sicherstellung der medizinischen Versorgung – auch nach Anwendung der Regelung gemäß , Nr. 3.2.1, zweiter Absatz, Satz 3 - nicht in ausreichendem Maße gewährleistet ist.
Darüber hinaus kann auf Beschluss des Vorstandes der KV Hessen in begründeten Ausnahmefällen (Urlaub, Krankheit etc.) anstelle des entsprechenden Vergleichsquartals des Vorjahres ein anderes Quartal als Referenzquartal zugrunde gelegt werden. Der Vorstand der KV Hessen kann außerdem im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Versorgung von einer Abstaffelung in Ausnahmefällen und auf Antrag ganz oder teilweise absehen und in begründeten Fällen Sonderregelungen beschließen. Dies gilt insbesondere für Praxisbesonderheiten, die sich aus einem besonderen Versorgungsauftrag oder einer besonderen, für die Versorgung bedeutsamen fachlichen Spezialisierung ergeben, wenn zusätzlich eine aus den Praxisbesonderheiten resultierende Überschreitung des durchschnittlichen Fallwertes der Arztgruppe von mindestens 20 % vorliegt (RLV und QZV). Der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen entscheidet hierüber im Einzelfall (Ziff. 3.5 HVM 2012).

Für Ärzte, die im Aufsatzzeitraum noch nicht niedergelassen waren, wird das arztgruppendurchschnittliche Regelleistungsvolumen für das jeweilige Quartal zugrunde gelegt. Soweit diese Ärzte eine Praxis übernommen haben, werden stattdessen die Fallzahlen des Vorgängers zugrunde gelegt, soweit dies die für den Vertragsarzt günstigere Regelung darstellt (Ziff. 3.6 HVM 2012).

Aus Sicherstellungsgründen kann der Vorstand der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen im Einzelfall auf Antrag von der Minderung des Fallwertes nach Ziff. 3.2.1 Satz 3 HVM 2012 abweichen (Ziff. 3.2.1 Satz 4 HVM 2012). Von einer solchen Minderung des Fallwertes ist der Kläger nicht betroffen. Die dem Kläger zugewiesene RLV-Fallzahl ist höher als die aktuelle Fallzahl im streitbefangenen Quartal, weshalb eine Erhöhung der RLV-Fallzahl nicht in Betracht kommt.

Die Voraussetzungen für eine Erhöhung des RLV-Fallwerts liegen nicht vor.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts genügt es zur Begründung einer versorgungsrelevanten Besonderheit nicht, lediglich ein "Mehr" an fachgruppentypischen Leistungen abzurechnen. Die Überschreitung des praxisindividuellen Regelleistungsvolumens muss darauf beruhen, dass in besonderem Maße spezielle Leistungen erbracht werden. Dabei wird es sich typischerweise um arztgruppenübergreifend erbrachte spezielle Leistungen handeln, die eine besondere (Zusatz-)Qualifikation und eine besondere Praxisausstattung erfordern. Deutliches Indiz für einen solchen speziellen Leistungsbereich ist die entsprechende Ausweisung dieser Leistungen im EBM. Mit dem Regelleistungsvolumen soll nicht ein eingeschränktes, sondern ein umfassendes Leistungsprofil abgebildet werden. Es würde dem Konzept des Regelleistungsvolumens mit seiner Anknüpfung an fachgruppenbezogene Durchschnittswerte, die alle fachgruppentypischen Leistungen abbilden, widersprechen, wenn ein Teil der Fachgruppe ausschließlich die niedriger bewerteten Leistungen erbringt und abrechnet, während ein anderer Teil ausschließlich die hoch bewerteten Leistungen erbringt und abrechnet und dafür eine individuelle Erhöhung des Regelleistungsvolumens erhalten würde (vgl. BSG, Urt. v. 29.06.2011 - B 6 KA 17/10 R - SozR 4-2500 § 85 Nr. 66, juris Rdnr. 21 f.; BSG, Urt. v. 29.06.2011 - B 6 KA 20/10 R - MedR 2012, 413, juris Rdnr. 17 f., jeweils m.w.N.). Diese zu den Praxisbudgets und den in den Quartalen II/05 bis IV/08 geltenden Regelleistungsvolumina entwickelte Rechtsprechung ist auch auf das ab dem Quartal I/09 geltende Regelwerk anzuwenden (vgl. BSG, Urt. v. 29.06.2011 - B 6 KA 17/10 R - a.a.O., Rdnr. 31; BSG, Urt. v. 29.06.2011 - B 6 KA 20/10 R - a.a.O., Rdnr. 22). Diese Rechtsprechung kann auch für die Quartale ab I/12 fortgeführt werden, da insofern die Beklagte die vormals geltenden Regelungen in ihren HVM übernommen hat.

Die Frage der Fachgruppentypik einer Leistung ist allein nach der Häufigkeit der Praxen bzw. Ärzte der Fachgruppe zu bestimmen, die diese Leistungen erbringen. Dies ist unabhängig davon, in welchem Kapitel die Leistungen geregelt werden. Insofern bewertet das Bundessozialgericht die Systematik des EBM nur als ein Indiz für die Fachgruppentypik. Ergebnis der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ist jedenfalls, dass immer dann, wenn eine bestimmte Leistungen von einer Mehrzahl der Ärzte in der Fachgruppe erbracht wird und sie damit fachgruppentypisch wird, sie nicht zu einer Sonderregelung führen kann, wird sie aber von einem Arzt einer anderen Fachgruppe erbracht, innerhalb der die Leistung nur von wenigen Ärzten erbracht wird, so kann es für diesen Arzt zu einer Sonderregelung führen. Beispielhaft wird hier auf die Entscheidung des BSG vom 29.06.2011 - B 6 KA 17/10 R - a.a.O. verwiesen, in der eine Sonderregelung hinsichtlich sonographischer Untersuchungen für einen Chirurgen zuerkannt wurde. Der klagende Chirurg begehrte ein Regelleistungsvolumen wie Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie. Eine überdurchschnittliche Erbringung von sonographischen Untersuchungen im Bereich der Internisten mit dem Schwerpunkt Angiologie würde aber nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts nicht zu einer Sonderregelung für den Internisten führen. So hat das Bundessozialgericht die Erhöhung des Regelleistungsvolumens eines zeitintensive Operationen im MKG-Bereich durchführenden Anästhesisten abgelehnt, da dieser lediglich fachgruppentypische Leistungen überproportional abgerechnet habe (vgl. BSG, Urt. v. 29.06.2011 - B 6 KA 20/10 R - a.a.O.) (vgl. bereits SG Marburg, Urt. v. 02.04.2014 - S 12 KA 919/11 -; SG Marburg, Gerichtsb. v. 04.07.2014 - S 12 KA 262/13 -).

Die Leistungen nach Nr. 21211, 21212, 21216 und 21220 EBM werden von 44 bis 49 Praxen der 49 Praxen umfassenden Fachgruppe erbracht. Bereits von daher handelt es sich nicht um fachgruppenuntypische Leistungen. Die Nr. 21217 EBM wird von 25 Praxen, die Nr. 21233 EBM von 31 Praxen erbracht, beide Leistungen damit ebf. von mehr als der Hälfte aller Praxen. Es handelt sich gleichfalls um keine fachgruppenuntypischen Leistungen. Lediglich die Nr. 21340 EBM wird von weniger als der Hälfte aller Praxen, nämlich von 18 Praxen erbracht. Der Fallwert für diese Leistung beträgt aber lediglich 0,04 Cent. Die Leistungen nach Nr. 01620 (Bescheinigung oder Zeugnis) und 01622 EBM (Kurplan, Gutachten, Stellungnahme) werden von 8 bzw. 44 Praxen erbracht, der Fallwert beträgt aber lediglich 0,01 Cent bzw. 0,13 Cent. Von daher scheidet eine Sonderregelung ebf. aus.

Die Voraussetzungen für eine Erhöhung des Fallwerts für das QZV 58 liegen nicht vor.

QZV 58 (Betreuung neurologisch bzw. psychisch Kranker im sozialen Umfeld) mit einem Fallwert von 6,37 EUR umfasst für die Fachgruppe des Klägers die Leistungen nach Nr. 21230 (Kontinuierliche Mitbetreuung in häuslicher Umgebung) und 21231 (Kontinuierliche Mitbetreuung von Heimen) EBM. Diese Leistungen werden von 42 bzw. 24 Praxen erbracht mit einer Häufigkeit von 15 bzw. 14 auf 100 Behandlungsfälle (5,67 EUR bzw. 3,02 EUR = 8,69 EUR). Der Kläger erbringt diese Leistungen 1 bzw. 48mal auf 100 Behandlungsfälle (0,39 EUR bzw. 10,52 EUR = 10,91 EUR).

Bei den QZV handelt es sich bereits um Sonderregelungen zum RLV. Die Berechnung der QZV erfolgt je Fall gemäß Nr. 2.1 a) der Anlage 8 zum Beschluss des Bewertungsausschusses (Ziff. 3.3 Satz 3 HVM 2012). Nach Nr. 2.1 a) der Anlage 8 des Beschlusses des Bewertungsausschusses in seiner 218. Sitzung am 26. März 2010 wird der QZV-Fallwert aus dem Quotienten des Vergütungsbereichs für ein qualifikationsgebundenes Zusatzvolumen einer Arztgruppe, also des Honorarvolumens, das in der Arztgruppe auf die vom QZV-erfassten Leistungen entfällt, und der Anzahl der RLV-Fälle (gemäß Abschnitt I., Ziffer 2.6 derjenigen Ärzte einer Arztgruppe, die Anspruch auf das qualifikationsgebundene Zusatzvolumen haben) gebildet. Der Beschluss des Bewertungsausschusses definiert im Übrigen lediglich, welchen Leistungen QZV zugeordnet werden. Das sind neben den "freien" Leistungen auch Leistungen, die von weniger als der Hälfte der Ärzte einer Arztgruppe erbracht werden (zum Beispiel Bronchoskopie) sowie Leistungen, die bislang über Fallwertzuschläge vergütet werden (zum Beispiel Psychosomatik bei Hausärzten oder Teilradiologie bei Fachärzten) (vgl. Korzilius, DÄB 2010; (Heft 16), S. A-735, zit. nach www.aerzteblatt.de). Die Kassenärztliche Bundesvereinigung weist in ihrer Stellungnahme vom 07.05.2015 zum Berufungsverfahren vor dem LSG Hessen - L 4 KA 38/15 -, die von der Beklagten in das Verfahren eingeführt wurde, darauf hin, dass insb. die unquotierte Vergütung der "freien" Leistungen zur Problematik der Finanzierbarkeit geführt habe. Eines der Kernelemente der Vergütungsreform zum Quartal III/10 sei dabei die Einführung der QZV gewesen anstelle der bisherigen "freien" Leistungen. Die QZV seien für alle Arztgruppen nach gleicher Systematik gebildet worden. Wenn eine Leistung von mindestens drei Prozent und maximal 50 Prozent der Ärzte einer Arztgruppe erbracht worden sei, sei sie durch QZV vergütet worden. Für den Fall, dass eine Leistung von weniger als drei Prozent der Ärzte einer Arztgruppe erbracht worden sei, habe der Beschluss die Möglichkeit der Geltendmachung von Praxisbesonderheiten vorgesehen und für den Fall, dass mehr als 50 Prozent der Ärzte einer Arztgruppe die Leistung erbracht hätten, dass es sich um eine Leistung handele, die im Rahmen des RLV zu vergüten sei.

Die von einem QZV umfassten Leistungen werden bei einer bestimmten Abrechnungshäufigkeit innerhalb einer Fachgruppe aus dem RLV herausgenommen. Der Fallwert des QZV wird dann aus dem Durchschnitt der diese Leistungen erbringenden Abrechner gebildet. Es kann hier dahingestellt bleiben, ob die Gewährung von Zuschlägen auf die QZV grundsätzlich ausgeschlossen ist, da die QZV bereits Zuschläge auf das RLV wegen spezieller Tätigkeitsbereiche darstellen (vgl. SG Düsseldorf, Urt. v. 06.07.2017 - S 33 KA 414/12 - juris Rdnr. 14). Jedenfalls sieht Ziff. 3.5 HVM 2012 grundsätzlich eine Sonderregelung auch für QZV vor. Die Voraussetzungen für eine Erhöhung des QZV-Fallwerts sind aber hinsichtlich der Fachgruppentypik die gleichen wie bei einer Erhöhung des QZV-Fallwerts, d. h. eine Erhöhung kommt bei fachgruppentypischen Leistungen nicht in Betracht. Von solchen fachgruppentypischen Leistungen ist jedenfalls auszugehen, wenn die Leistungen von mehr als der Hälfte der Ärzte der Fachgruppe erbracht werden.

Unter Anwendung vorstehender Grundsätze kommt damit eine Ausnahmeregelung zum QZV 58 nicht in Betracht.

In ihrem Honorarverteilungsmaßstab unterscheidet die Beklagte zwischen der Arztgruppe der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie mit einem Anteil an Leistungen der Richtlinien-Psychotherapie im Vorjahresquartal von höchstens 30 %, der der Kläger zugeordnet wird, und der Fachärzte für Psychiatrie und Psychotherapie mit einem Anteil an Leistungen der Richtlinien-Psychotherapie im Vorjahresquartal von mehr als 30 %. Die Arztgruppe des Klägers bestand in den Quartalen IV/15 bis IV/16 aus 49, 46, 46, 46 bzw. 45 Praxen. Die Leistung nach Nr. 21230 EBM wurde in allen Quartalen von 42 Praxen, im Quartal IV/16 von 43 Praxen erbracht. Die Nr. 21231 EBM wurde von 24, 25, 26, 26 bzw. 25 Praxen und damit immer von mindestens der Hälfte der Praxen mit Ausnahme des Quartals IV/15 erbracht. Eine Sonderregelung kommt aber allenfalls in Betracht, wenn die Voraussetzungen über vier Quartale vorliegen, was für die Nr. 21231 EBM nicht der Fall ist. Das Abstellen auf die Vorquartale scheidet aus, da der Kläger in diesen noch nicht zugelassen war. Von daher kann auch dahinstehen, ob eine Erhöhung schon im ersten Quartal möglich ist.

Soweit die klägerische Praxis als neu gegründete Praxis für die Zeit des Aufbaus von Wachstumsbegrenzung freizustellen ist, gilt dies nur für die Möglichkeit zur Steigerung der Fallzahl, die im streitbefangenen Quartal aber nicht begrenzt wird. Liegen die Voraussetzungen für QZV und Berücksichtigung von Praxisbesonderheiten nicht vor, dann kann nicht beansprucht werden, dass einer Jungpraxis - unabhängig von der tatsächlichen Fallzahl - ein RLV mindestens in Höhe des Durchschnitts der Fachgruppe zugebilligt wird (vgl. BSG, Beschl. v. 28.06.2017 - B 6 KA 89/16 B - juris Rdnr. 9).

Nach allem war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 VwGO. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
Rechtskraft
Aus
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