20 SF 1432/15 E

Land
Freistaat Sachsen
Sozialgericht
SG Chemnitz (FSS)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
20
1. Instanz
SG Chemnitz (FSS)
Aktenzeichen
20 SF 1432/15 E
Datum
2. Instanz
Sächsisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
1. Die mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2015 festgesetzten, von dem Beklagten an die Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten i.H.v. 38,08 EUR sind ab 21.08.2015 (Eingang des Antrags bei Gericht) mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen.

2. Der Erinnerungsgegner trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Erinnerungsführerin.

Gründe:

I.

Die Beteiligten streiten nur um die Verzinsung der Kostenfestsetzung nach § 197 Abs. 1 Satz 2 Sozialgerichtgesetz (SGG) i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 Zivilprozessordnung (ZPO) für das sozialgerichtliche Verfahren, Az. S 20 AS 5242/13. Die Kostenfestsetzung betrifft nur die Geschäftsgebühr für das Vorverfahren nach Nr. 2302 sowie Auslagen nach Nr. 7002, 7008 der Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 des Gesetzes über die Vergütung der Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte (Rechtsanwaltsvergütungsgesetz [RVG] - Vergütungsverzeichnis [VV RVG]). Mit am 21.08.2015 eingegangenem Schriftsatz vom 19.08.2016 beantragte der Prozessbevollmächtigte die Kostenfestsetzung und die Verzinsung der festgesetzten Kosten mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz des § 247 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB). Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2016 setzte der Urkundsbeamte die nach VV RVG geltend gemachte Gebühr und Auslagen antragsgemäß auf 38,08 EUR fest, sprach jedoch keine Verzinsung nach § 197 Abs. 1 Satz 2 SGG i.V.m. § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO aus.

Die Erinnerungsführerin trägt vor, § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO sei anzuwenden.

Die Erinnerungsführerin beantragt, die vom Beklagten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 12.10.2015 festgesetzten, an die Klägerin zu erstattenden außergerichtlichen Kosten i.H.v. 38,08 EUR ab 21.08.2015 (Eingang des Antrags bei Gericht) mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen.

Der Erinnerungsgegner beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Der Erinnerungsgegner ist unter Verweis auf die Rspr. des Bundessozialgerichts [BSG] der Ansicht, für die Kosten des Vorverfahrens nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 63 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - (SGB X) sei keine Verzinsung vorgesehen.

II.

Die Erinnerung hat Erfolg.

1. Die festgesetzten außergerichtlichen Kosten von 38,08 EUR sind ab 21.08.2015 (Eingang des Antrags bei Gericht) mit jährlich fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz (§ 247 BGB) zu verzinsen. § 197 Abs. 1 Satz 2 SGG mit seinem Verweis auf § 104 Abs. 2 Satz 2 ZPO ermöglicht die Verzinsung der festgesetzten Kosten ab Eingang des Festsetzungsantrages. Er ist seinem Wortlaut nach eindeutig. Er unterscheidet nicht zwischen der Geschäftsgebühr nach Nr. 2302 Nr. 1 VV RVG für ein Vorverfahren nach § 78 SGG oder ein anderes Verwaltungsverfahren und den im Klageverfahren entstehenden Gebühren nach Nr. 3102 u.a. VV RVG. Sofern vertreten wird, die Verzinsung könne nicht die Geschäftsgebühr für ein Vorverfahren erfassen, steht dies weder im Einklang mit der Entstehungsgeschichte noch mit dem Wesen der Verzinsung nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO. Es gibt keinen Anhaltspunkt, dass der Gesetzgeber zwischen verschiedenen zu erstattenden Kosten nach dem VV RVG unterscheiden wollte. In der Begründung zum Gesetzentwurf ist lapidar ausgeführt: "Der zusätzliche Verweis auf § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ermöglicht auf Antrag eine Verzinsung der festgesetzten Kosten." (BT-DrS 14/5943, Zu Nummer 67, Seite 28). Etwas anderes ergibt sich nach Ansicht des Gerichts nicht aus § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II i.V.m. § 63 SGB X oder anderen Erwägungen (ebenso Sozialgericht [SG] Berlin, B ... v. 06.04.2011, S 180 SF 2301/10 E, juris Rn 5 ff.; keine anderen Erwägungen: Finanzgericht [FG] Hamburg, B ... v. 14.04.2011, 3 KO 201/10, juris Rn 84 f.; SG Berlin, B ... v. 20.01.2010, S 180 SF 1459/09 E, juris; SG Detmold, B ... v. 23.12.2004, S 3 (11) KR 95/03, juris; unentschieden: Verwaltungsgericht [VG] Hamburg, B ... v. 24.08.2006, 2 K 4000/04, juris Rn 12). Dies folgt aus dem Unterschied zwischen dem materiell-rechtlichen (sachlich-rechtlichen) Kostenerstattungsanspruch und dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch. Entscheidend ist folglich, ob sich an das Widerspruchsverfahren ein Klageverfahren anschließt: a) Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch des § 63 SGB X als Entschädigung für rechtswidriges Verwaltungshandeln bei einem erfolgreichen Widerspruchsverfahren sieht keine Verzinsung vor. Da es keinen Rechtssatz gibt, nach dem jede Geldforderung zu verzinsen ist, kann ein Anspruch auf Verzinsung für das Widerspruchsverfahren ohne anschließendes Klageverfahren auch nicht durch analoge Anwendung einer Verzinsungsvorschrift wie § 44 SGB I oder § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO generiert werden (BSG, U. v. 24.07.1986, 7 RAr 86/84 und 25.06.1986, 9a RVs 22/84, jeweils juris Leitsatz). b) Der Anspruch auf Verzinsung nach § 104 Abs. 1 Satz 2 ZPO ist jedoch ein prozessualer Anspruch (prozessualer Kostenerstattungsanspruch). Er unterscheidet sich von anderen Kostenerstattungsregelungen (FG Hamburg, a.a.O.) und steht unabhängig von einem sachlich-rechtlichen Erstattungsanspruch (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hofmann, ZPO, 74. Auflage 2016, Übers § 91 Rn 43). Zudem hat der prozessuale Kostenerstattungsanspruch seine Ursache in dem Umstand, dass der unterliegenden Beteiligte durch eigenes Verschulden infolge unberechtigten Bestreitens des geltend gemachten Anspruchs, verursacht oder gar verschuldet hat, den obsiegenden Beteiligten in prozessuale Rechte und Pflichten hineinzuziehen (Baumbach/Lauterbach/Albers/Hofmann, ZPO, 75. Auflage 2017, Übers § 91 Rn 33). Aus Besonderheiten des Vorverfahrens kann daher für das gerichtliche Verfahren und seinem prozessualen Kostenerstattungsanspruch nichts Abweichendes gelten. Wenn also für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch eine Verzinsung vorgesehen ist, dann ist das so. Anderes würde nur gelten, wenn die Beteiligten die Verzinsung durch Vereinbarung ausgeschlossen haben. Das hier nicht erfolgt.

2. Das Erinnerungsverfahren ist mangels Gebührentatbestands gerichtskostenfrei.

3. Die aufgrund § 18 Nr. 3 RVG und Nr. 3501 VV RVG erforderliche Kostengrundentscheidung für das Erinnerungsverfahren folgt aus § 193 SGG und trägt dem Ergebnis des Erinnerungsverfahrens Rechnung.

4. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 197 Abs. 2 SGG). § 197 Abs. 2 SGG ist lex specialis zu § 56 Abs. 1 und 2, § 1 Abs. 3 RVG, wenn der Kostenschuldner der Beklagte ist.
Rechtskraft
Aus
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