L 6 KR 66/14 BER

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
LSG Sachsen-Anhalt
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
6
1. Instanz
SG Magdeburg (SAN)
Aktenzeichen
S 17 KR 183/14 ER
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 6 KR 66/14 BER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. September 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Der Antragsteller und Beschwerdeführer (im Weiteren nur Antragsteller) begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Verpflichtung der Antragsgegnerin zur vorläufigen Gewährung eines Duschrollstuhls.

Der 1959 geborene Antragsteller ist bei der Antragsgegnerin krankenversichert. Er lebt in der Einrichtung des B.-Haus W., welches als eine Einrichtung der Eingliederungshilfe für Menschen mit geistigen und körperlichen Behinderungen auftritt.

Mit Bescheid vom 9. November 2011 lehnte die Antragsgegnerin die Übernahme der Kosten für den beantragten Duschrollstuhl ab und wies den hiergegen eingelegten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 28. März 2012 zurück. Ein als Überprüfungsantrag bewertetes Schreiben vom 22. April 2012 führte wiederum zu einer Ablehnung der Antragsgegnerin (Bescheid vom 3. Mai 2012). Gegen diese Entscheidung, die keine Rechtsbehelfsbelehrung enthielt, legte der Antragsteller mit Schreiben vom 3. Dezember 2012 Widerspruch ein. Auch diesen bewertete die Antragsgegnerin erneut als Überprüfungsantrag, den sie mit Bescheid vom 1. Juli 2013 ablehnte. Hiergegen erhob der Antragsteller am 1. August 2013 Klage beim Sozialgericht Magdeburg (S 17 KR 578/13). Im April 2014 erwies sich der bisherige Rollstuhl des Antragstellers nach eigenen Angaben als gar nicht mehr brauchbar. Hierzu trägt der Antragsteller vor, nunmehr Angst zu haben, diesen zu benutzen.

Mit Verordnung vom 18. März 2014 wurde von der Gemeinschaftspraxis R./R./S. eine erneute Verordnung für einen fahrbaren Duschtoilettenstuhl ausgestellt. Es handele sich um eine verschleißbedingte Erneuerung eines fahrbaren Duschtoilettenstuhles. Die anspruchsbegründenden Diagnosen seien eine Erkrankung an Hepatitis C, Epilepsie, Imbezillität sowie Parese beider Beine. Die Kosten betrugen nach einem beigefügten Angebot vom 27. März 2014 der Medizintechnik K. GmbH 323,44 EUR (Vergütungspauschale Duschrollstuhl 5-Zoll-Räder). Als Versorgungszeitraum war der 27. März bis 30. April 2014 festgehalten. Hierzu hat der Antragsteller vorgetragen, er benötige abweichend von der Verordnung einen Duschrollstuhl mit 24-Zoll-Rädern, um selbständig in die Dusche zu fahren. Ein solcher Duschstuhl koste 1.369,71 EUR (Hinweis auf ein Angebot vom 20. Juli 2012).

Am 7. Mai 2014 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Magdeburg einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und die Verpflichtung der Antragsgegnerin begehrt, ihm einen Duschrollstuhl bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu gewähren. Zur Begründung hat er vorgetragen, die Abgrenzung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Hilfsmittelversorgung in Pflegeheimen habe danach zu erfolgen, ob noch eine Krankenbehandlung oder ein Behinderungsausgleich stattfinde oder ob die Pflege im Vordergrund stehe. Die Einrichtung des B.-Hauses sei eine solche der Eingliederungshilfe. Diese stehe im Vordergrund. Die Pflegeleistungen fänden nur am Rande statt, so dass konkrete Hilfsmittel nicht zur Ausstattung der Einrichtung gehörten und damit auch nicht vorgehalten werden müssten. Ein vollstationäres Pflegeheim erhalte völlig andere Leistungen der Pflegekasse. Diese erhielten Leistungen nach § 43 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI), das B.-Haus jedoch monatlich lediglich 256,- EUR gem. § 43a SGB XI. In vollstationären Pflegeeinrichtungen würden jedoch von den Pflegekassen z. B. bei der Pflegestufe III Leistungen i. H. v. 1055,- EUR erbracht. Diese erhebliche Differenz könne damit begründet werden, dass bei Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen gerade die Pflege nur am Rande durchgeführt werde. Leistungen für Eingliederungshilfe nach § 75 Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) könnten diese Differenz nicht ausgleichen, da insoweit lediglich eine Erstattung für die Kosten der Unterkunft und Verpflegung sowie für die jeweilige Betreuung geleistet werde. Die Kosten des B.-Hauses lägen deutlich unter denen einer vollstationären Pflegeeinrichtung. Zwar benutzten 21 Menschen in der Einrichtung einen solchen Duschrollstuhl. Aufgrund seiner Hepatitis C-Erkrankung sei eine gemeinsame Benutzung des Hilfsmittels mit anderen Heimbewohnern nicht möglich. Bei dem Hepatitis C-Virus erfolge die Übertragung über das Blut. Damit könne die Ansteckung durch gemeinsames Benutzen von Gegenständen, die mit Blut in Kontakt gekommen seien, eintreten. Insoweit seien strenge Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen vorgeschrieben, weil das Virus sehr lange infektiös bleibe. Hierbei müssten dann spezielle Desinfektionsmittel genau nach Vorschrift verwandt werden.

Weiter hat er vorgetragen, er leide an sogenannten "Nickanfällen", d. h. er falle in sich zusammen und kippe nach vorne. Daher sei ein weiteres Stützrad an dem Rollstuhl erforderlich, so dass es sich um eine besondere Anfertigung handele. Es sei ihm finanziell nicht möglich, die Kosten für die Versorgung zu tragen. Er verfüge zwar über ein gewisses Vermögen; dieses übersteige jedoch nicht das Schonvermögen. Damit wolle er organisierte Urlaubsreisen sowie kostenaufwändigere Winterbekleidung bezahlen.

Die Antragsgegnerin hat auf die Entscheidung des LSG NRW vom 26. August 2009 (L 11 KR 96/07) verwiesen. Zudem sei die Rechtslage bestandskräftig geregelt. Weiterhin hat der Antragsteller auf einen sogenannten Strukturerhebungsbogen zum Rahmenvertrag hingewiesen, wonach keine weitere Ausstattung mit allgemeinen oder individuellen Hilfsmitteln zu leisten sei. Die Antragsgegnerin hat ein Hygienemerkblatt der Universitätsklinik R. bezüglich Hepatitis B/C/D vorgelegt. Danach war eine Desinfektion von Flächen nach Kontamination bzw. routinemäßig laut Basishygieneordnung mit einem Desinfektionsmittel laut Desinfektionsmittelplan vorzunehmen.

Mit Beschluss vom 29. September 2014 hat das Sozialgericht Magdeburg den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt und zur Begründung ausgeführt, ein Anspruch auf einen Duschrollstuhl mit 24-Zoll-Rädern und einem 5. Sicherheitsrad könne nur dann notwendig sein, wenn im Hauptsacheverfahren nachgewiesen werde, dass der Antragsteller tatsächlich noch in der Lage sei, vollständig allein zu duschen und sich nicht nur selbständig seinen Oberkörper zu waschen. Andernfalls sei ohnehin die Anwesenheit einer Pflegekraft erforderlich. Zudem verfüge der Antragsteller über Ersparnisse i. H. v. 2.478,13 EUR; es sei ihm zumutbar, das Hilfsmittel zunächst aus eigenen Mitteln zu finanzieren. Von den verbleibenden 1.000,- EUR könne der Antragsteller die Ausgaben für Kleidung, Ausflüge, Zuzahlungen und sonstiges bestreiten. Dem entsprechend sei eine Eilbedürftigkeit nicht erkennbar.

Gegen den ihm am 6. Oktober 2014 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 4. November 2014 Beschwerde eingelegt. Zur Begründung führt er aus, das Sozialgericht habe eine Anfrage bei dem Betreuungsgericht unterlassen, ob die Verwertung genehmigt werden könne. Die Ansparungen würden nahezu komplett durch die Anschaffung des Duschrollstuhls verbraucht. Schließlich sei auch zu berücksichtigen, dass der Sachverhalt inzwischen ausreichend geklärt und ein Obsiegen sehr wahrscheinlich sei. Das Gericht habe ihm nicht die Möglichkeit gegeben zu klären, ob er selbständig duschen könne. Hierzu hat seine Prozessbevollmächtigte vorgetragen: "Der Antragsteller soll auch gerade durch die Versorgung mit dem entsprechenden Duschrollstuhl mit 24-Zoll-Rädern seine Selbständigkeit soweit wie möglich beibehalten und gerade nicht beim Duschen in jeglicher Hinsicht auf fremde Hilfe angewiesen sein. Er soll selbständig die Dusche befahren können und die Bewegungsfreiheit beibehalten."

Nachdem der Senat mit Beschluss vom 29. Januar 2015 die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für das erstinstanzliche Verfahren durch das Sozialgericht zurückgewiesen hatte, hat der Antragsteller ergänzend ausgeführt, damit habe der Senat die Feststellungen der Hauptsache vorweggenommen. Schwer behinderte Personen seien nicht zwangsläufig schwerpflegebedürftig. Eine solche Prüfung sei äußerst schwierig und aufwändig, so dass diese dem Gericht der Hauptsache vorbehalten bleiben müsse. Angesichts seiner Ausführungen zur Menschenwürde könne es nicht darauf ankommen, ob er noch selbstständig duschen könne.

Der Antragsteller beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Magdeburg vom 29. September 2014 aufzuheben und die Antragsgegnerin zur vorläufigen Gewährung eines Duschrollstuhls mit 24 Zoll-Rädern und Antikipprad/Sicherheitsrad bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens zu verpflichten.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Das Sozialgericht hat die Beschwerde dem Senat zur Entscheidung vorgelegt. Ihm haben die erstinstanzlichen Verfahrensakten sowie die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin vorgelegen. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten verwiesen.

II.

Der Antrag ist zulässig, aber nicht begründet. Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf eine einstweilige Anordnung.

Soweit - wie hier - ein Fall des § 86b Abs. 1 SGG nicht vorliegt, können vom Gericht der Hauptsache zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis einstweilige Anordnungen getroffen werden, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint (§ 86b Abs. 2 Satz 2 SGG). Sie sind zulässig, wenn neben einem Anordnungsanspruch, also dem materiellen Anspruch, den der Antragsteller als Antragsteller im Hauptsacheverfahren geltend zu machen hätte, ein Anordnungsgrund vorliegt. Hierunter ist das Bestehen einer besonderen Eilbedürftigkeit für den Erlass einer einstweiligen Anordnung zu verstehen. Sowohl Anordnungsanspruch (dazu unter 1.) als auch Anordnungsgrund (dazu unter 2.) müssen im Sinne der erforderlichen Glaubhaftmachung gemäß § 86b Abs. 2 Satz 4 SGG in Verbindung mit § 920 Abs. 2 ZPO überwiegend wahrscheinlich sein.

1. Die Voraussetzungen für einen Sachleistungsanspruch auf Gewährung eines Dusch-Rollstuhls waren und sind nicht erfüllt. Dabei kann im Rahmen des Beschwerdeverfahrens offen bleiben, ob insoweit ein bestandskräftiger ablehnender Bescheid der Antragsgegnerin vorliegt. Selbst wenn man dies verneinen würde, ergibt sich kein Anspruch auf Versorgung mit dem begehrten Hilfsmittel.

a) Ein solcher Anspruch ergibt sich nicht bereits aus der von dem Antragsteller vorgelegten ärztlichen Verordnung. Für den Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln ist eine ärztliche Verordnung weder notwendige noch hinreichende Voraussetzung (vgl. u.a. LSG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 14.06.2007 - L 2 KN 209/05 KR - juris m.w.N.).

b) Der Hinweis des Antragstellers auf eine Ersatzbeschaffung i.S.d. § 33 Abs. 1 Satz 4 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) führt ebenfalls nicht weiter. Eine Ersatzbeschaffung setzt, wie sich bereits aus dem Verweis auf den Anspruch nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V ("Der Anspruch umfasst auch") ergibt, voraus, dass die dort normierten (weiteren) Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind.

c) Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte einen Anspruch u.a. auf Versorgung mit orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg einer Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 SGB V durch Rechtsverordnung ausgeschlossen sind.

Bei dem von dem Antragsteller begehrten Dusch-Rollstuhl handelt es sich um ein Hilfsmittel, das zumindest auch deshalb erforderlich ist, um eine Behinderung auszugleichen. Er ist auch weder ein Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens noch ist er durch Rechtsverordnung als Hilfsmittel ausgeschlossen.

Dennoch hat der Antragsteller keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin; denn der streitige Dusch-Rollstuhl ist von dem Heim, in dem der Antragsteller untergebracht ist, bzw. dessen Träger als notwendiges Inventar vorzuhalten.

Krankenkassen sind zur Versorgung von Versicherten mit Hilfsmitteln grundsätzlich unabhängig davon verpflichtet, ob sie in einer eigenen Wohnung oder in einem Pflegeheim leben. Dieser Grundsatz erfährt jedoch beim Versicherungsfall der vollstationären Pflegebedürftigkeit, also bei der vollstationären Pflege in einem Pflegeheim (§ 71 Abs. 2 SGB XI), eine Einschränkung: Die Pflicht der gesetzlichen Krankenversicherung zur Versorgung der Versicherten mit Hilfsmitteln endet nach der Konzeption des SGB V und des SGB XI dort, wo bei vollstationärer Pflege die Pflicht des Heimträgers auf Versorgung der Heimbewohner mit Hilfsmitteln einsetzt. Bei vollstationärer Pflege hat der Träger des Heimes für die im Rahmen des üblichen Pflegebetriebs notwendigen Hilfsmittel zu sorgen, weil er verpflichtet ist, die Pflegebedürftigen ausreichend und angemessen zu pflegen und sozial zu betreuen. Die Heime müssen das für die vollstationäre Pflege notwendige Inventar bereithalten. Die Abgrenzung der Leistungsverpflichtung der gesetzlichen Krankenversicherung bei der Hilfsmittelversorgung in Pflegeheimen von der Vorhaltepflicht des Heimträgers hat danach zu erfolgen, ob noch eine Krankenbehandlung und ein Behinderungsausgleich i.S. medizinischer Rehabilitation stattfindet oder aber ganz überwiegend die Pflege im Vordergrund steht, weil eine Selbstbestimmung und gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nicht mehr möglich ist (BSG, 10.02.2000 - B 3 KR 17/99 R - juris; 22.07.2004 - B 3 KR 5/03 R - juris). Einen geeigneten Anhaltspunkt für die von den zugelassenen Pflegeheimen vorzuhaltenden Hilfsmittel bietet zudem der "Abgrenzungskatalog der Spitzenverbände der Krankenkassen - zugleich handelnd als Spitzenverbände der Pflegekassen - zur Hilfsmittelversorgung in stationären Pflegeeinrichtungen (Pflegeheimen)" (s. dazu BSG, 10.02.2000, a.a.O.). Maßgeblich ist insoweit, zu welcher konkreten Ausstattung die Einrichtung nach dem zugrunde liegenden Vertrag verpflichtet ist (vgl. BSG, 10.2.2000, B 3 KR 17/99 - juris).

Diese Grundsätze gelten auch für vollstationäre Einrichtungen der Behindertenhilfe i.S.d. § 43a SGB XI. Zu beachten ist aber, dass diese Einrichtungen häufig überwiegend anderen Zwecken dienen und die Pflege nur am Rande mit durchführen, so dass es z.B. anhand der Vereinbarungen oder des Leistungsangebots der Einrichtung der Feststellung bedarf, ob das konkrete Hilfsmittel zur sächlichen Ausstattung der Einrichtung gehört (BSG, Urteil vom 10.02.2000 - B 3 KR 17/99 - juris).

Davon ausgehend ist vorliegend eine Vorhaltepflicht der Einrichtung zu bejahen. Denn nach der Leistungsbeschreibung des Wohnheimes, in dem der Antragsteller wohnt, leistet dieses Eingliederungshilfe im Sinne von §§ 39, 40 Bundessozialhilfegesetz (BSHG). Im Rahmen der Betreuungsleistungen zur Grundversorgung wird die Gewährung einer individuellen Hilfestellung sowie stellvertretende Ausführung bei Maßnahmen zur Körperhygiene und -pflege gewährleistet. Die Vergütung ist mit 71,18 EUR/Leistungstag vereinbart. Unverständlich ist daher, warum der Antragsteller darauf verweist, dass in der vollstationären Pflege Leistungen i. H. v. 1.055,- EUR erbracht werden würden.

Nach dem Urteil des BSG vom 10. Februar 2000 (a.a.O.) ist eine Orientierungshilfe zur Bestimmung des notwendigen Inventars, dass entweder eine Einrichtung mit einer "erheblichen Zahl von Schwer- und Schwerstpflegebedürftigen" oder umgekehrt ein Ausschluss der Aufnahme von Schwerpflegebedürftigen, vorliegt. Hier liegt ein eindeutiger Fall im Sinne der erwähnten Rechtsprechung vor, da nach den vorgelegten Vertrag Zielgruppe des Wohnheimes "Menschen mit schweren und schwersten geistigen und mehrfachen besonders hervorgehobenen wesentlichen Behinderungen sind."

Zwar mag in ganz besonders gelagerten Fällen keine Identität zwischen Schwerpflegebedürftigen und Menschen mit schwersten geistigen und mehrfachen wesentlichen Behinderungen bestehen. Nahe liegend ist dies jedoch nicht, zumal der begehrte Duschrollstuhl von einer Vielzahl von Bewohnern verwandt wird, was ebenfalls ein Indiz für eine erhebliche Pflegebedürftigkeit darstellt. Irgendwelche Anhaltspunkte, dass hier ein besonders gelagerter Fall vorliegt, hat der Antragsteller trotz der vorgeblichen Eilbedürftigkeit weder angedeutet noch überhaupt bezüglich der Zahl der Schwerpflegebedürftigen etwas Abweichendes behauptet. Der Senat sieht sich nicht in der Pflicht, ins Blaue hinein zu ermitteln.

Der von dem Antragsteller begehrte Dusch-Rollstuhl dient vorrangig dieser Pflege. Er ist den Mobilitätshilfen zuzuordnen; er ermöglicht die Grundpflege (Körperhygiene - vgl. auch den Abgrenzungskatalog der Spitzenverbände der Krankenkassen zur Hilfsmittelversorgung vom 26.03.2007, S. 6). Dementsprechend hält das Wohnheim eine Vielzahl solcher Rollstühle vor. Es handelt sich bei dem beantragten Duschrollstuhl um kein individuell zugerichtetes Hilfsmittel, sondern um eine Standardausführung, die nach den Angaben der Einrichtung eine Vielzahl der Heimbewohner benötigen.

Auch wenn der hier streitige Rollstuhl im konkreten Einzelfall eventuell aufgrund einer Hepatitis C-Infektion des Antragstellers nur durch ihn persönlich genutzt werden kann, hat das auf die Eigenschaft des Duschrollstuhls keine Auswirkung. Abgesehen davon ist die Unmöglichkeit einer Nutzung durch andere Heimbewohner fraglich. Dass der Duschrollstuhl nach dem Duschvorgang trocknen muss, ist selbstverständlich und insbesondere nicht weiter zeitaufwändig. Zusätzlich fällt lediglich die Desinfektion an. Zudem ist nicht ersichtlich, warum der Antragsteller nicht (vorrangig) einen bestimmten der vom Wohnheim bereitgestellten Dusch-Rollstühle benutzen können sollte. Hierzu ist auch kein weiterer Vortrag erfolgt.

Schließlich ist zum jetzigen Zeitpunkt auch ungeklärt, mit welchem Rollstuhl der Antragsteller versorgt werden müsste. Die ärztliche Verordnung lautet auf einen deutlich preiswerteren Duschrollstuhl mit 5-Zoll-Rädern. Hierzu trägt der Antragsteller vor, er könne diesen nicht verwenden. Die einstweilige Gewährung eines solchen Rollstuhls wäre damit nach den eigenen Angaben des Antragstellers nutzlos. Für die teurere Variante mit 24-Zoll-Rädern gibt es jedoch bisher keine ärztliche Stellungnahme. Die Notwendigkeit eines solchen Rollstuhls wird vom Antragsteller lediglich behauptet. Auch hierzu fehlt weiterhin jeglicher Vortrag.

2. Zudem fehlt es vorliegend auch an einem Anordnungsgrund im Sinne der erforderlichen besonderen Eilbedürftigkeit der vom Antragsteller erstrebten Regelung.

In diesem Zusammenhang weist der Antragsteller zutreffend darauf hin, dass die Entscheidung des einstweiligen Rechtsschutzes die Hauptsache grundsätzlich nicht vorwegnehmen sollte. Eine Vorwegnahme der Hauptsache liegt etwa dann vor, wenn eine begehrte Sachleistung aufgrund einer einstweiligen Anordnung erbracht wird. Eine solche - auch leihweise mögliche - Sachleistung könnte nicht mehr rückgängig gemacht werden. Allerdings ist auch umgekehrt die rückwirkende Bereitstellung faktisch nicht möglich. Es ist jedoch nicht ersichtlich, warum der Antragsteller nicht für die Dauer des Klageverfahrens (vorrangig) einen bestimmten der vom Wohnheim bereitgestellten Dusch-Rollstühle benutzen können sollte, so dass dieser Aspekt nicht so schwer wiegt. Insoweit hat der Antragsteller auch keine Einwände erhoben.

Soweit der Antragsteller weiter darauf hinweist, dass er mit dem beantragten Duschrollstuhl selbständig in die Dusche fahren könne, so erscheint dies unter Abwägung aller Umstände einschließlich der hier genannten Menschenwürde nicht geeignet, eine Eilbedürftigkeit zu begründen. Wie bereits das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, bestehen durchgreifende Zweifel, ob der Antragsteller in der Lage ist, anschließend selbständig zu Duschen. Damit ist durch das selbständige Befahren in die Dusche kein relevanter Fortschritt zu erkennen, soweit der Antragsteller anschließend ohnehin wieder der Unterstützung bedarf. Die Menschenwürde verlangt nicht, in solchen besonders gelagerten Situationen eine Selbstständigkeit für wenige Sekunden zu ermöglichen, zumal der unmittelbare vorhergehende Transfer in den Dusch-Rollstuhl ebenfalls nur mit Hilfe möglich ist. Hier ist im Übrigen weiterhin nicht ersichtlich, warum der Antragsteller faktisch keinen anderen im Heim befindlichen Dusch-Rollstuhl nutzen kann, zumal er hierauf nach Ansicht des Senats einen Rechtsanspruch hat.

Es wäre im Übrigen angesichts der notwendigen Hilfebedürftigkeit auch zu klären, ob nicht ein schlichter Duschstuhl bereits genügen würde. Ein Umsetzen von dem normalen Rollstuhl in den Duschrollstuhl ist ohnehin notwendig; warum der notwendige Transfer nicht gleich in einen preiswerteren Stuhl erfolgen kann, ist bisher nicht ersichtlich.

Insgesamt drohen dem Antragsteller zum gegenwärtigen Zeitpunkt, auf den es für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblich ankommt (vgl. Keller in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl., § 86b Rn. 43, m.w.N.), jedenfalls keine wesentlichen Nachteile. Auch darauf hat bereits das Sozialgericht zutreffend hingewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf entsprechender Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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