S 14 AS 1403/14

Land
Sachsen-Anhalt
Sozialgericht
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Dessau-Roßlau (SAN)
Aktenzeichen
S 14 AS 1403/14
Datum
2. Instanz
LSG Sachsen-Anhalt
Aktenzeichen
L 4 AS 87/17
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Grundsicherung für Arbeitsuchende - Unterkunft und Heizung - Angemessenheit der Unterkunftskosten - Zweipersonenhaushalt im Landkreis Witenberg - Nichterfüllung der Anforderungen an ein schlüssiges Konzept
Der Ablehnungsbescheid vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2014 wird abgeändert und der Beklagte verurteilt, den Klägern unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 21. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Juni 2013 weitere Leistungen der Kosten für Unterkunft und Heizung für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Oktober 2013 in Höhe von monatlich 42,60 Euro zu gewähren.

Der Beklagte hat den Klägern die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehren höhere Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch – Grundsicherung für Arbeitsuchende (SGB II) für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Oktober 2013 im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens.

Die 1957 bzw. 1956 geborenen, miteinander verheirateten Kläger stehen bei dem Beklagten im fortlaufenden Bezug von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Die Klägerin erhielt eine befristete Rente wegen voller Erwerbsminderung (bis Juni 2013: 600,15 Euro, ab Juli 2013: 619,45 Euro). Anderweitige Einkünfte wurden nicht bezogen.

Die Kläger zogen nach dem Auszug ihres Sohnes von einer 75 m² großen Wohnung (im selben Haus) in die seit April 2013 bewohnte 61,2 m² große Wohnung in Coswig (Landkreis Wittenberg). Als Miete waren laut Mietvertrag 420,00 Euro zu zahlen (Grundmiete: 285,00 Euro, sonstige Nebenkosten: 60,00 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten [Gas]: 75,00 Euro). Den Antrag auf Zusicherung zu den Aufwendungen der neuen Unterkunft lehnte der Beklagte mit Bescheid vom 8. März 2013 ab. Zur Begründung gab er an, dass der Umzug zwar erforderlich wäre, die Kosten aber unangemessen seien. In der Anlage zum Bewilligungsbescheid vom 16. April 2013 wies der Beklagte darauf hin, dass die angemessenen Kosten der Unterkunft (Grundmiete und kalte Betriebskosten) derzeit monatlich 302,40 Euro betragen würden. Als angemessene Heizkosten sei der Wert entsprechend des aktuellen Heizspiegels für einen 2-Personen-Haushalt mit einer angemessenen Wohnfläche von 60 m² anzusetzen.

Mit Bescheid vom 21. Mai 2013 bewilligte der Beklagte den Klägern für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 30. November 2013 zunächst Leistungen in Höhe von monatlich 583,49 Euro, darunter für Unterkunft und Heizung in Höhe von 251,60 Euro, wobei der Sohn nach wie vor als Haushaltszähler berücksichtigt worden war. Nach Widerspruch bewilligte der Beklagte den Klägern Leistungen in Höhe von monatlich 709,29 Euro, darunter 377,40 Euro für Unterkunft und Heizung (Kosten der Unterkunft: 302,40 Euro, Heiz- und Warmwasserkosten: 75,00 Euro). Die Kürzung belief sich bei den Unterkunftskosten auf monatlich 42,60 Euro. Eine Einkommensanrechnung erfolgte ausschließlich auf die Regelbedarfe und den für die Klägerin gewährten Mehrbedarf für Ernährung.

Infolge der Betriebskostenabrechnung vom 26. August 2013 für das Abrechnungsjahr 2012 floss den Klägern im Oktober 2013 ein Guthaben in Höhe von 237,65 Euro zu. Der Beklagte rechnete dieses im November 2013 in voller Höhe zunächst auf den gedeckelten Bedarf für Unterkunft und Heizung von 377,40 Euro an, sodass für November 2013 Leistungen nur noch in Höhe von insgesamt 471,64 Euro bewilligt und ausgezahlt wurden (Änderungsbescheid vom 17. Oktober 2013). Im gerichtlichen Verfahren S 14 AS 2663/13 erkannte der Beklagte nach Hinweis auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, wonach ein Guthaben die tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung mindert (Urteil vom 12. Dezember 2013, B 14 AS 83/12 R), die Gewährung weiterer Leistungen in Höhe von 42,60 Euro an (Erledigung des Verfahrens durch angenommenes Anerkenntnis am 11. Februar 2015).

Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheiden vom 26. November 2013 forderte der Beklagte aufgrund der Rentenerhöhung für Juli 2013 bis November 2013 für den Regelbedarf bewilligte Leistungen zurück.

Am 27. Dezember 2013 beantragten die Kläger die Überprüfung der Bescheide vom 21. Mai 2013, 25. Juni 2013 und 26. November 2013 für den Zeitraum Juni 2013 bis November 2013. Die Kosten der Unterkunft seien in tatsächlicher Höhe zu übernehmen. Die in der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg festgelegten Beträge seien zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege dieser nicht zugrunde. Die Aufhebungs- und Erstattungsbescheide seien zudem mangels Individualisierung nach Monaten zu unbestimmt.

Mit Bescheid vom 23. April 2014 lehnte der Beklagte den Überprüfungsantrag ab. Dem Antrag könne nicht entsprochen werden, da keine Tatsachen vorgebracht worden wären, die nicht bereits bei der ursprünglichen Entscheidung berücksichtigt worden seien.

Gegen den Ablehnungsbescheid vom 23. April 2014 legten die Kläger am 2. Mai 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung führten sie aus, dass die Absenkung der Kosten der Unterkunft aufgrund der Richtlinie rechtswidrig sei. Diese beruhe nicht auf einem schlüssigen Konzept. Die erhobenen Daten seien nicht ausreichend. Die Angemessenheitsprüfung habe nach den Werten der Wohngeldtabelle stattzufinden. Danach würden die tatsächlichen Kosten im angemessenen Bereich liegen. Die Kosten der Unterkunft seien in tatsächlicher Höhe zu übernehmen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 9. Mai 2014 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Es sei nichts vorgebracht worden, was für die Unrichtigkeit der Entscheidung sprechen könnte. Der Beklagte dürfte eine sachliche Prüfung ablehnen.

Unter dem 10. Juni 2014 haben die Kläger vor dem Sozialgericht Dessau-Roßlau Klage erhoben. Zur Begründung führen sie am 4. Mai 2016 aus, dass sie die Übernahme der tatsächlichen Kosten der Unterkunft für den Zeitraum Juni 2013 bis Oktober 2013 begehren würden. Die Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg sei zur Bestimmung der Angemessenheit der Unterkunftskosten nicht geeignet. Ein schlüssiges Konzept liege der Verwaltungsvorschrift nicht zugrunde.

Die Kläger beantragen schriftsätzlich zuletzt,

den Beklagten zu verpflichten, den Klägern unter Änderung des Ablehnungsbescheides vom 23. April 2014 und des Bewilligungsbescheides vom 21. Mai 2013 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2014 höhere Leistungen nach dem SGB II auf Grundlage der tatsächlichen Kosten der Unterkunft und Heizung, mithin weiterer 42,60 Euro monatlich für Juni 2013 bis Oktober 2013 zu bewilligen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte meint, die Unterkunftsrichtlinie des Landkreises Wittenberg würde den Anforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept entsprechen.

Der Beklagte hat dem Gericht einen Abdruck vom durch die Firma A ... mbH im Auftrag des kommunalen Trägers erstellten "Endbericht der Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" übersandt. Desweiteren hat er Kopien von Rohdaten zur Mietwerterhebung (Aktenordner Band I-III) zur Verfügung gestellt. Schließlich ist noch ein Aktenordner mit einem Abdruck der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg, einer Kopie des Endberichts der Mietwerterhebung sowie zur Indexfortschreibung, Schriftverkehr zur Mieter-/Vermieterbefragung inklusive Anschreiben und Kopien von Stellungnahmen der Firma A ... vom 13. Februar 2015, 18. März 2015, 26. Juni 2015, 13. Oktober 2015 und 15. Oktober 2015 als Band IV übersandt worden.

Die Beteiligten haben schriftsätzlich ihr Einverständnis zu einer Entscheidung der Kammer ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Die Gerichtsakte und die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die Unterlagen zur Mietwerterhebung haben vorgelegen und waren Gegenstand der Entscheidungsfindung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Beiakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

I.

Die Klage hat in der Sache Erfolg.

1.

Die Kammer konnte aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ohne mündliche Verhandlung durch Urteil entscheiden.

2.

Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs-, Verpflichtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 1, Abs. 4 SGG zulässig (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Februar 2014, B 4 AS 22/13 R, Rn. 11; Bundessozialgericht, Urteil vom 12. Dezember 2013, B 4 AS 17/13 R, Rn. 12; aA Bundessozialgericht, Urteil vom 5. September 2006, B 2 U 24/05 R, Rn. 9 ["einer zusätzlichen Verpflichtungsklage bedarf es nicht"] – juris). Die Kläger begehren mit der Anfechtungsklage die Aufhebung des – die Überprüfung des Bewilligungsbescheides vom 21. Mai 2013 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 25. Juni 2013 ablehnenden – Bescheides vom 23. April 2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2014. Die Verpflichtungsklage ist auf die Erteilung eines Bescheides durch den Beklagten gerichtet, mit dem dieser die begehrte Änderung der Bewilligungsbescheide bewirkt. Mit der Leistungsklage beantragen die Kläger die Erbringung höherer Leistungen. Die Kläger begehren ausweislich des Klagevorbringens weitere Leistungen für die Kosten der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum Juni 2013 bis Oktober 2013. Damit liegt nach Auffassung der Kammer eine Beschränkung des Streitgegenstandes auf die Kosten der Unterkunft und Heizung im Sinne von § 22 SGB II vor, welche auch zulässig ist, da es sich hierbei um eine abtrennbare Verfügung (= Verwaltungsakt im Sinne des § 31 SGB X) des Gesamtbescheides handelt und das Gericht bei entsprechendem Antrag auch lediglich über diese Position des Alg II-Anspruchs befinden muss (Bundessozialgericht, Urteil vom 7. November 2006, B 7b AS 8/06 R, Rn. 18; Bundessozialgericht, Urteil vom 16. Dezember 2008, B 4 AS 60/07 R, Rn. 12 – juris). Desweiteren sind die Leistungen für November 2013 nicht mehr streitgegenständlich. Insoweit hatte der Beklagte bereits außerhalb des Überprüfungsverfahrens die Differenz von 42,60 Euro nachbewilligt.

3.

Die Klage ist auch begründet. Die durch den angefochtenen Überprüfungsbescheid vom 23. April 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 9. Mai 2014 ausgesprochene Ablehnung einer Rücknahme der Bewilligungsentscheidungen für den Zeitraum vom 1. Juni 2013 bis 31. Oktober 2013 ist rechtswidrig und verletzt die Kläger in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 SGG).

In den Bewilligungsbescheiden ist das Recht unrichtig angewandt worden. Die Kläger haben einen Anspruch auf die beantragten weiteren Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 42,60 Euro für Juni 2013 bis Oktober 2013.

a)

Nach § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Verbindung mit § 44 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) ist, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen.

b)

Gemäß § 19 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) erhalten erwerbsfähige Leistungsberechtigte Arbeitslosengeld II. Die Leistungen umfassen den Regelbedarf, Mehrbedarfe und den Bedarf für Unterkunft und Heizung. Leistungsberechtigt sind nach § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze des § 7a SGB II noch nicht erreicht haben (Nr. 1), erwerbsfähig sind (Nr. 2), hilfebedürftig sind (Nr. 3) und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben (Nr. 4). Erwerbsfähig ist nach § 8 Abs. 1 SGB II, wer nicht wegen Krankheit oder Behinderung auf absehbare Zeit außerstande ist, unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens drei Stunden täglich erwerbstätig zu sein. Nach § 9 Abs. 1 SGB II (in der ab dem 1. Januar 2011 geltenden Fassung) ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

Der 1957 geborene Kläger war erwerbsfähig gewesen. Zu seiner Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs. 3 Nr. 3a SGB II auch seine 1956 geborene Ehefrau, welche nach den Feststellungen des Rentenversicherungsträgers aufgrund einer Brustkrebserkrankung im streitgegenständlichen Zeitraum voll erwerbsgemindert war. Aufgrund der damals nur befristeten vollen Erwerbsminderung hatte die Klägerin aber keinen vorrangigen Anspruch auf Grundsicherungsleistungen nach dem IV. Kapitel des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (vgl. §§ 5 Abs. 2, 19 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Beide haben ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland. Sie waren hilfebedürftig, weil sie ihren Bedarf mit Einkommen nicht vollständig decken konnten. Verwertbares Vermögen war nicht vorhanden.

c)

Die Kläger haben einen Anspruch auf weitere Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe von monatlich 42,60 Euro.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Bedarfe für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen anerkannt, soweit diese angemessen sind. Die Kosten der Unterkunft und Heizung gehören dabei nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts im Zeitpunkt ihrer Fälligkeit zum aktuellen Bedarf (vgl. u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 24. Februar 2011, B 14 AS 61/10 R, Rn. 14; Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 29; Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7b AS 58/06 R, Rn. 36 – juris). Bei der Nutzung einer Unterkunft durch mehrere Personen erfolgt die Aufteilung der Unterkunftskosten kopfanteilig (st. Rspr., u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 15. April 2008, B 14/7 b AS 58/06 R, Rn. 33; Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/11 b AS 61/06 R, Rn. 19 – juris).

Als Bruttokaltmiete (Grundmiete sowie kalte Betriebskosten) ist im Zeitraum Juni 2013 bis Oktober 2013 ein Betrag von monatlich 345,00 Euro angefallen. Diese Unterkunftskosten sind nicht auf einen Betrag von 302,40 Euro zu begrenzen, sondern in voller Höhe bei der Berechnung zu berücksichtigen.

Die bestandskräftig abgelehnte Zusicherung zu den Aufwendungen der Unterkunft (Bescheid vom 8. März 2013) steht dem höheren Leistungsanspruch nicht entgegen. Die Zusicherung nach § 22 Abs. 4 SGB II ist keine zwingende Voraussetzung für einen Anspruch auf Übernahme der Kosten der Unterkunft und Heizung. Das Zusicherungsverfahren hat allein Aufklärungs- und Warnfunktion. Erhöhen sich nach einem nicht erforderlichen Umzug die angemessenen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung, wird nur der bisherige Bedarf anerkannt (§ 22 Abs. 1 Satz 2 SGB II). Die Aufgabe der Zusicherung besteht lediglich darin, in einem Vorabverfahren sicherzustellen, dass die Kosten der Unterkunft und Heizung der neuen Unterkunft künftig übernommen werden. Nach dem erfolgten Umzug ist über die Höhe der zu leistenden Kosten der Unterkunft und Heizung im Rahmen des Verfahrens über die Bewilligung höherer Leistungen zu befinden. Dort ist als Vorfrage eines Anspruchs auf höhere Unterkunftskosten notwendigerweise auch die Erforderlichkeit des Umzugs und die Angemessenheit der neuen Unterkunftskosten zu klären (Bundessozialgericht, Urteil vom 6. April 2011, B 4 AS 5/10 R; vgl. auch Bundessozialgericht, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 6/14 R, Rn. 19 – juris). Die Erforderlichkeit des Umzugs ist vorliegend zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Aufgrund des Auszugs des Sohnes war die zuvor bewohnte Wohnung zu groß. Die neue Unterkunft war für die Kläger kostengünstiger (alt: 519,00 Euro, neu: 420,00 Euro). Im Übrigen wäre eine Deckelung der Leistungen für Unterkunft und Heizung nach einem nicht erforderlichen Umzug auf die bis dahin zu tragenden angemessenen Aufwendungen auch nur zulässig, wenn zutreffend ermittelte Angemessenheitsgrenzen für die Unterkunfts- und Heizkosten bestehen (Bundessozialgericht, Urteil vom 29. April 2015, B 14 AS 6/14 R – juris).

Die der Verwaltungsvorschrift des Landkreises Wittenberg zur Gewährung von Leistungen für Unterkunft und Heizung nach dem SGB II und SGB XII zugrunde liegende Mietwerterhebung entspricht aber nach Auffassung der Kammer nicht den Mindestanforderungen des Bundessozialgerichts an ein schlüssiges Konzept zur Bestimmung von Angemessenheitsgrenzwerten.

Zur Konkretisierung der Angemessenheitsgrenze im Sinne des § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II ist auf einer ersten Stufe eine abstrakte und auf einer zweiten Stufe eine konkret-individuelle Prüfung vorzunehmen. Im Rahmen der Prüfung abstrakter Angemessenheit werden nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zunächst die abstrakt angemessene Wohnungsgröße und der Wohnungsstandard bestimmt sowie anschließend festgelegt, auf welchen räumlichen Vergleichsmaßstab für die weiteren Prüfungsschritte abzustellen ist. Alsdann ist zu ermitteln, wie viel auf diesem Wohnungsmarkt für eine einfache Wohnung aufzuwenden ist (abstrakt angemessener Quadratmeterpreis) (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 19 – juris).

In Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt geht der Beklagte zunächst zutreffend davon aus, dass für einen 2-Personen-Haushalt eine Wohnfläche von 60 m² angemessen ist. Zur Bestimmung der angemessenen Wohnungsgröße ist im Land Sachsen-Anhalt auf die Wohnungsbauförderungsbestimmungen und die dazu erlassenen Richtlinien aus den Jahren 1993 und 1995 (Richtlinie über die Gewährung von Zuwendungen zur Förderung des Mietwohnungsneubaus in Sachsen-Anhalt) zurückzugreifen (Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 3. März 2011, L 5 AS 181/07, Rn. 45; Landessozialgericht Sachsen-Anhalt, Urteil vom 9. Mai 2012, L 5 AS 2/09, Rn. 37 – juris). Die Wohnung der Kläger überschreitet diese Größe geringfügig, führt aber für sich genommen nicht zur Unangemessenheit der Unterkunftskosten, da auf das Produkt von Wohnfläche und Quadratmeterpreis abzustellen ist.

Der Beklagte unterliegt grundsätzlich einer Methodenfreiheit bei der Ermittlung der angemessenen Bruttokaltmiete. Die Unterkunftsbedarfe müssen als Teil eines menschenwürdigen Existenzminimums aber folgerichtig in einem transparenten und sachgerechten Verfahren, also realitätsgerecht, berechnet werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. November 2014, B 4 AS 9/14 R, Rn. 13 – juris). Die Kosten für Wohnraum können in den einzelnen Vergleichsräumen sehr unterschiedlich sein. Um trotzdem ein gleichmäßiges Verwaltungshandeln auch innerhalb eines Vergleichsraums zu gewährleisten, muss die Ermittlung der regionalen Angemessenheitsgrenze auf Grundlage eines überprüfbaren "schlüssigen Konzepts" erfolgen. Das schlüssige Konzept soll die hinreichende Gewähr dafür bieten, dass die aktuellen Verhältnisse des örtlichen Mietwohnungsmarktes wiedergegeben werden (Bundessozialgericht, Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Ein Konzept ist ein planmäßiges Vorgehen des Grundsicherungsträgers im Sinne der systematischen Ermittlung und Bewertung genereller, wenngleich orts- und zeitbedingter Tatsachen für sämtliche Anwendungsfälle im maßgeblichen Vergleichsraum und nicht nur ein punktuelles Vorgehen von Fall zu Fall. Schlüssig ist das Konzept, wenn es mindestens die folgenden Voraussetzungen erfüllt:

- die Datenerhebung darf ausschließlich in dem genau eingegrenzten und muss über den gesamten Vergleichsraum erfolgen (keine Ghettobildung),

- es bedarf einer nachvollziehbaren Definition des Gegenstandes der Beobachtung, z.B. welche Art von Wohnungen,

- Differenzierung nach Standard der Wohnungen, Brutto- und Nettomiete (Vergleichbarkeit), Differenzierung nach Wohnungsgröße,

- Angaben über den Beobachtungszeitraum,

- Festlegung der Art und Weise der Datenerhebung (Erkenntnisquellen, z.B. Mietspiegel),

- Repräsentativität des Umfangs der eingezogenen Daten,

- Validität der Datenerhebung,

- Einhaltung anerkannter mathematisch-statistischer Grundsätze der Datenauswertung und

- Angaben über die gezogenen Schlüsse (z.B. Spannoberwert oder Kappungsgrenze)

(Bundessozialgericht, Urteil vom 22. September 2009, B 4 AS 18/09 R, Rn. 19 – juris).

Die für die Leistungsberechtigten in Frage kommenden Wohnungen müssen nach Ausstattung, Lage und Bausubstanz einfachen und grundlegenden Bedürfnissen entsprechen, ohne gehobenen Wohnstandard aufzuweisen. Wohnungen, die nicht den einfachen, sondern den untersten Stand abbilden, gehören von vornherein nicht zu dem Wohnungsbestand, der überhaupt für die Bestimmung einer Vergleichsmiete abzubilden ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Dabei ist die Festlegung des unteren Marktsegments zunächst in die Hände der Verwaltung gelegt, denn diese kann am ehesten anhand der regionalen Gegebenheiten entscheiden, welche Wohnungsmerkmale einen einfachen Wohnstandard ausmachen (Bundessozialgericht, Urteil vom 10. September 2013, B 4 AS 77/12 R, Rn. 21 – juris). Eine solche Bestimmung ist ausweislich des Endberichts zur Mietwerterhebung ausschließlich hinsichtlich der als "Substandardwohnungen" bezeichneten Wohnungen erfolgt. Es seien nur diejenigen Wohnungen berücksichtigt worden, die "zumindest über die Merkmale Bad und Sammelheizung" verfügen würden (Endbericht S. 7). Es ist für die Kammer aber nicht nachvollziehbar, ob die dem Ausschluss von Wohnungen des untersten Standards dienenden Vorgaben ("Ausstattung, Lage und Bausubstanz") tatsächlich im Ergebnis bei der Mietwerterhebung beachtet worden sind. Der Konzeptersteller kann gerade nicht gewährleisten, dass unzumutbare Wohnungen ohne Sammelheizung bzw. Bad nicht in die Ermittlung eines angemessenen Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Weder die Vermieterfragebögen noch die Mieterfragebögen enthalten entsprechende Fragen nach dem Standard. Dass der Ausschluss von Substandardwohnungen im Falle der Datenerhebung bei den Wohnungsunternehmen im "persönlichen Kontakt" erfolgt sein soll (vgl. Stellungnahme A ... vom 26. Juni 2015), kann anhand der noch vorhandenen Datensätze nicht verifiziert werden und führt nicht zu belastbaren Ergebnissen. Es sei noch einmal zu betonen, dass zur Sicherstellung des Existenzminimums der Leistungsberechtigten der Bestimmung von pauschalen Grenzwerten ein transparentes und planmäßiges Verfahren zugrunde liegen muss. Auch mit der durchgeführten Extremwertkappung lässt sich der Einfluss von Substandard in die Erhebung nicht ausschließen, denn die Extremwertkappung basiert lediglich auf der Vermutung, dass Wohnungen unterhalb eines bestimmten Quadratmeterpreises dem untersten Marktsegment zuzuordnen sind. Damit werden letztlich aber Schlussfolgerungen vorweggenommen, die erst nach Auswertung der fehlerfrei erhobenen Daten gezogen werden können (Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Juni 2016, S 13 AS 1257/14, Rn. 57 – juris).

Als fehlerhaft stellt sich aus Sicht der Kammer auch die Herausnahme von Wohnungen in Ein- und Zweifamilienhäusern aus der Datenerhebung dar. Eine konkrete Begründung findet sich im Endbericht nicht. Der Konzeptersteller wollte ausweislich seiner eigenen Ausführungen den gesamten Wohnungsmarkt des einfachen bis gehobenen Standards zugrunde legen und anschließend mittels Extremwertkappungen und Perzentil-Bildungen einen Durchschnittspreis ermitteln (Endbericht S. 14). In einem ländlich und dörflich geprägten Gebiet wie dem Landkreis Wittenberg ist insbesondere nicht davon auszugehen, dass die Anmietung einer solchen Wohnung per se dem Luxussegment zuzuordnen wäre. Wenn bei der Datenerhebung aber nur auf den Geschossbau abgestellt wird, verzerrt es im ländlich geprägten Gebiet den abzubildenden gesamten Mietwohnungsmarkt. Nach der ergänzenden Stellungnahme des Konzepterstellers sollen im gesamten Landkreis rund 8,3 % der Einfamilienhäuser und 31,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäusern zu Wohnzwecken vermietet sein, im Wohnungsmarkttyp 2 (Coswig, Oranienbaum-Wörlitz und Gräfenhainichen) 7,9 % der Einfamilienhäuser und 33,6 % der Wohnungen in Zweifamilienhäuser (Stellungnahme Analyse & Konzepte vom 26. Juni 2015). Daten wurden von vornherein nicht erhoben (die ausgewählten Mieter solcher Wohnungen sollten den Fragebogen weder ausfüllen noch zurückschicken), sodass eine Nachbesserung für die Vergangenheit nicht möglich wäre. Die Vermutung der Klägerseite, diese Herangehensweise sei "zielorientiert", um die erst zu ermittelnden Mietobergrenzen so gering wie möglich zu halten, ist damit nicht von der Hand zu weisen.

Die Bildung des Vergleichsraumes ist für die Kammer nicht nachvollziehbar. Denn um prüfen zu können, welche Aufwendungen für eine "einfache" Wohnung abstrakt angemessener Größe im unteren Segment des Wohnungsmarktes zu zahlen ist, muss nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts auf einer zweiten Prüfungsstufe der maßgebliche räumliche Vergleichsmaßstab festgelegt werden, innerhalb dessen das (durchschnittliche) Mietpreisniveau solcher Wohnungen ermittelt wird. Da es bei der Festlegung des Vergleichsraumes um die Ermittlung einer (angemessenen) Referenzmiete am Wohnort oder im weiteren Wohnumfeld des Hilfebedürftigen geht, sind die Grenzen des Vergleichsraumes insbesondere nach folgenden Kriterien abzustecken: Es geht darum zu beschreiben, welche ausreichend großen Räume (nicht bloße Orts- oder Stadtteile) der Wohnbebauung auf Grund ihrer räumlichen Nähe zueinander, ihrer Infrastruktur und insbesondere ihrer verkehrstechnischen Verbundenheit einen insgesamt betrachtet homogenen Lebens- und Wohnbereich bilden. Einer sog. Ghettobildung wird dadurch begegnet, dass hinsichtlich der Referenzmieten zwar auf Mieten für "Wohnungen mit bescheidenem Zuschnitt" abgestellt wird, insoweit aber nicht einzelne, besonders heruntergekommene und daher "billige" Stadtteile herausgegriffen werden dürfen, sondern auf Durchschnittswerte des unteren Mietpreisniveaus im gesamten Stadtgebiet bzw. räumlichen Vergleichsraum abzustellen ist (Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2009, B 4 AS 30/08 R, Rn. 21 – juris). Nach ergänzender Erläuterung des Konzepterstellers bilden die Wohnungsmarkttypen nicht den homogenen Wohn- und Lebensbereich ab. Vielmehr wurde wohl zunächst das gesamte Kreisgebiet als Vergleichsraum angesehen (Stellungnahme A ... vom 4. Juni 2013). Diese Vorgehensweise kann zwar bei Großstädten zutreffend sein (vgl. München, Berlin, Dresden) und dürfte auch bei kleineren Landkreisen mit einem Mittelzentrum als vertretbar angesehen werden können. Im Falle des Landkreises Wittenberg erachtet die Kammer diese Zuordnung jedoch schon mangels infrastrukturellen Zusammenhangs als abwegig (so schon Urteile der Kammer vom 19. August 2015, S 14 AS 2582/12 und S 14 AS 822/13; im Ergebnis auch: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Juni 2016, S 13 AS 1257/14, Rn. 38 – juris). Gemeinden wie Vockerode und Oranienbaum (jetzige Verwaltungsgemeinschaft Wörlitzer Winkel) sind unabhängig von ihrer verwaltungstechnischen Zuordnung infrastrukturell eindeutig eher der Stadt Dessau-Roßlau als der Lutherstadt Wittenberg oder gar anderen kreisangehörigen Gemeinden wie Jessen oder Bad Schmiedeberg zugewandt. Im Weiteren führt das Unternehmen dann aber aus, dass der Landkreis in zwei unterschiedliche Vergleichsräume differenziert werden könne, mit der Lutherstadt Wittenberg als Mittelzentrum als eigenen Vergleichsraum und "den übrigen Gemeinden des Kreises" als zweiten Vergleichsraum. In dem Endbericht zur Mietwerterhebung finden sich solche Erwägungen nicht. Dort wird allein von drei Wohnungsmarkttypen ausgegangen.

Die vom Konzeptersteller vorgenommene Clusteranalyse kann nach Auffassung der Kammer nicht die Festlegung eines Vergleichsraums ersetzen, da hier die Kriterien für einen homogenen Lebens- und Wohnbereich wie räumliche Nähe und verkehrstechnische Verbundenheit gerade keine Berücksichtigung gefunden haben (vgl. schon Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 17. August 2012, S 11 AS 2430/11, Rn. 19 – juris). Im Endbericht wird sogar ausgeführt, dass "Gemeinden eines Wohnungsmarkttyps [ ] dabei nicht zwingend räumlich nebeneinander liegen [müssten], sondern [ ] sich über das Untersuchungsgebiet (Kreisgebiet) verteilen [könnten]" (Endbericht S. 3). Im Übrigen soll die Clusteranalyse ausweislich der Erläuterungen im Endbericht gerade auf Indikatoren beruhen, die Aufschluss auf den Mietpreis geben können. Parameter wie Bevölkerungswachstum und entsprechende Nachfrageerhöhung nach Wohnraum oder das Pro-Kopf-Einkommen – sofern dies nicht auf veralteten Erhebungen beruht – erachtet die Kammer als nachvollziehbar. Inwieweit aber die Wahlbeteiligung an einer Kommunalwahl (hier 2007) im Landkreis Wittenberg tatsächlich Einfluss auf den Wohnungsmarkt gehabt haben soll, erschließt sich nicht, zumal die Wahlbeteiligung in den Gemeinden des Wohnungsmarkttyps 3 durch den Konzeptersteller tatsächlich als höher bewertet worden ist als im Wohnungsmarkttyp 1, der durchschnittliche Mietpreis aber dennoch geringer sein soll. Dagegen sind andere wohnungsmarktspezifische Indikatoren wie Neubautätigkeit, Mietstufe, Bodenpreis und Zentralität nicht in die Bildung der Wohnungsmarkttypen eingeflossen (so auch Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 14. Juni 2016, S 13 AS 1257/14, Rn. 54 – juris). Die im Endbericht festgelegte Zugehörigkeit der Gemeinden im Landkreis Wittenberg zu den Wohnungsmarkttypen basiert damit nicht auf den Anforderungen zur Bestimmung eines homogenen Wohn- und Lebensraums. Es ist allerdings nicht ausgeschlossen, dass der Wohnungsmarkttyp tatsächlich mit dem Vergleichsraum übereinstimmen kann (vgl. zur Stadt Bitterfeld-Wolfen im Landkreis Anhalt-Bitterfeld: Sozialgericht Dessau-Roßlau, Urteil vom 13. März 2015, S 3 AS 168/14, Rn. 33 – juris).

Nach Auffassung der Kammer ist der Umfang der erhobenen und in das Verfahren eingeführten Daten nicht dazu geeignet, den Mietwohnungsmarkt im Landkreis Wittenberg zuverlässig abzubilden. Eine repräsentative Abbildung des Wohnungsmarktes hat das Bundessozialgericht zwar für den Fall angenommen, wenn die Datenbasis auf mindestens 10 % des regional in Betracht zu ziehenden Mietwohnungsbestandes beruht (vgl. Urteil vom 18. Juni 2008, B 14/7b AS 44/06 R, Rn. 16 – juris). Nach den Ausführungen im Endbericht gebe es im Landkreis 72.219 Wohnungen. In einer ergänzenden Stellungnahme wurde dann eine Zahl von 30.300 vermieteten Wohnungen angegeben (Stellungnahme Analyse & Konzepte vom 26. Juni 2015). Letztlich in die Auswertung eingeflossen sind 4.632 Datensätze, was also die geforderten mindestens 10% des Mietwohnungsmarktes umfassen würde. Sofern man nur auf den für die Kläger geltenden Wohnungsmarkttyp (= Wohnungsmarkttyp 2) abstellen würde, sind lediglich 775 Wohnungen in die Bestandsmietenauswertung eingeflossen. Dies führt aber nach Auffassung der Kammer noch nicht zu dem belastbaren Ergebnis, dass der gesamte relevante Mietwohnungsmarkt abgebildet worden ist. Eine Konzentration Leistungsberechtigter auf bestimmte Stadtbezirke (sog. Ghettobildung) ist anhand der vorliegenden Datenausdrucke nicht auszuschließen. Es sind keine Straßennamen oder zumindest Ortsteile der größeren Gemeinden dargestellt. Die vom Konzeptersteller angebotene Straßenübersicht (vgl. Stellungnahme A ... vom 13. Oktober 2015 und 15. Oktober 2015) hat keine nachprüfbare Aussagekraft dahingehend, aus welchen Gebieten Daten tatsächlich in die Erhebung und Bildung des Quadratmeterpreises eingeflossen sind. Eine Nachbesserung ist angesichts der "Löschung sämtlicher Erhebungsdaten nach Beendigung der Auswertungen" (Endbericht S. 2) nicht möglich, sodass es letztlich auch nicht darauf ankommt, ob die Kammer ausschließlich die Stadt Coswig als für die Kläger maßgeblichen Vergleichsraum ansieht.

Überdies verlangt der Konzeptersteller selbst, dass die "auf der Basis von konkreten Bestandsmieten vorläufig definierte Angemessenheit [ ] auf die Verfügbarkeit eines konkreten Wohnungsangebots im Landkreis überprüft werden [muss]" (Endbericht S. 19). Ausweislich der Tabelle 16 für Angebotsmieten im Wohnungsmarkttyp 2 konnten für einen 2-Personen-Haushalt von den insgesamt neun erhobenen Datensätzen keine Angebotsmieten innerhalb der vorgesehenen Mietobergrenzen ausgewiesen werden.

Kann kein abstrakt angemessener Bedarf für die Unterkunft ermittelt werden, sind die tatsächlichen Aufwendungen zu übernehmen, gedeckelt im Sinne einer Angemessenheitsgrenze nach oben durch die Tabellenwerte der rechten Spalte der Wohngeldtabelle zzgl. eines Sicherheitszuschlags von 10 % (u.a. Bundessozialgericht, Urteil vom 22. März 2012, B 4 AS 16/11 R, Rn. 20 ff. – juris). Einen Betrag von 387,20 Euro überschreiten die Kläger nicht, sodass die tatsächlichen und nachgewiesenen Unterkunftskosten von 345,00 Euro zugrunde zu legen sind. Der mit der Klage ausdrücklich geltend gemachte Differenzbetrag ergibt sich aus dem so berücksichtigten höheren Bedarf bei den Unterkunftskosten. Die Heiz- und Warmwasserkosten sind bereits in tatsächlicher Höhe (monatlich 75,00 Euro) berücksichtigt worden. Für eine Unangemessenheit dieser Kosten bestehen keinerlei Anhaltspunkte. Nach dem Heizspiegel 2014 (für 2013) wären 92,50 Euro angemessen gewesen (18,50 Euro x 60 m²: 12).

Das Einkommen war zunächst auf die Bedarfe nach §§ 20, 21, 23 SGB II anzurechnen (vgl. § 19 Abs. 3 Satz 2 SGB II). Die insoweit gewährten Regelbedarfe sowie der Mehrbedarf für Ernährung sind zwischen den Beteiligten nicht umstritten. Das wegen § 9 Abs. 2 Satz 1 SGB II auf beide Kläger nach Bereinigung zu verteilende Renteneinkommen der Klägerin von 600,15 Euro bzw. 619,45 Euro (incl. Zuschuss für freiwillige Krankenversicherung) konnte sich rechnerisch nicht auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung auswirken.

II.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und berücksichtigt den Ausgang des Verfahrens.

III.

Die Berufung ist nicht nach § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes beträgt nicht mehr als 750,00 Euro. Es liegen nach Auffassung der Kammer aber Gründe für die Zulassung der Berufung nach § 144 Abs. 2 SGG vor. Die Berufung ist gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Die Frage der Schlüssigkeit der "Mietwerterhebung zur Ermittlung der KdU-Kosten im Landkreis Wittenberg" hat im Hinblick auf die Vielzahl der Anwendungsfälle der Verwaltungsvorschrift grundsätzliche Bedeutung.
Rechtskraft
Aus
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