Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 7 KR 344/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 210/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 1 KR 1/18 R
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. März 2017 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer operativen Entfernung überschüssiger Haut im Brust- und Bauchbereich in der Türkei.
Der 1997 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger litt im Alter von 14 Jahren an einer hochgradigen Adipositas (160 kg bei 160 cm). Infolgedessen kam es beidseits zur Entwicklung von Brüsten (Gynäkomastie). Der Kläger reduzierte sein Gewicht durch konsequente Ernährungsumstellung und regelmäßigen Sport um mehr als 60 kg auf 97 kg bei einer Körpergröße von nunmehr 180 cm. Der Kläger beantragte mit am 27. November 2014 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben einen operativen Eingriff zur Entfernung der überschüssigen Haut im Brust- und Bauchbereich und legte verschiedene ärztliche Bescheinigungen vor. Das Agaplesion Markuskrankenhaus diagnostizierte eine lokalisierte Adipositas am Bauch, Gynäkomastie beidseits bei Z.n. Gewichtsreduktion von 60 kg. Als Therapie wurde eine Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik mit Nabelverlagerung und eine Bruststraffung beidseits vorgeschlagen. Im Attest hieß es: Der schmerzhafte Hautlappen am Bauch behindere den Patienten in seinen Aktivitäten des täglichen Lebens und beim Sport. Die Hautlappen rieben aneinander und entwickelten wiederkehrende Infektionen im Bereich der Unterbauchfalte. Die beiden Brüste zeigten weibliche Formen nach Klassifikation Tanner Stadium IV (Attest des Agaplesion Markus Krankenhauses vom 3. November 2014). Sowohl der Urologe C. als auch die Gynäkologin D. befürworteten die Hautstraffungsoperationen an Brust und Bauch (Attest des Urologen C. vom 29. September 2014, Attest der Gynäkologin D. vom 1. Oktober 2014). Die Beklagte bestätigte gegenüber dem Kläger den Eingang des Antrages mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 und kündigte eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an. Gleichzeitig forderte sie den Kläger auf, eine Fotodokumentation sowie einen dermatologischen Bericht vorzulegen. Der Kläger legte die angeforderte Fotodokumentation sowie weitere Arztberichte mit Schreiben vom 27. Dezember 2014 vor: Die Hausärztin E. erachtete mit Attest vom 25. November 2014 den Eingriff als aus psychischen Gründen notwendig. Die Hautärztin Dr. F. beschrieb psychische Probleme als auch die Gefahr rezidivierender Entzündungen an Brust- und Bauchfalten. Die Beklagte veranlasste am 29. Dezember 2014 eine sozialmedizinische Begutachtung durch den MDK und unterrichtete den Kläger mit Schreiben gleichen Datums darüber, dass er benachrichtigt würde, sobald ihr das Gutachten vorliege. Dr. G. vom MDK gelangte in einem Gutachten vom 7. Januar 2015 zu der Einschätzung, dass mangels Erkrankung, funktioneller Einschränkungen und Entstellung die beantragte Operation nicht befürwortet werden könne. Die Weiterführung von Körpertraining, weitere Gewichtsreduktion, sorgfältige Hautpflege sowie das Tragen angepasster Kleidung werde empfohlen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13. Januar 2015 die Übernahme der beantragten Operationen unter Verweis auf das Ergebnis des MDK-Gutachtens ab. Den Widerspruch des Klägers vom 29. Januar 2015 wies die Beklagte nach Einholung weiterer Stellungnahmen des MDK vom 27. März und 27. April 2015 - unter Auswertung der Atteste der Hausärztin E. vom 21. Januar und vom 21. April 2015 - mit Widerspruchbescheid vom 24. Juni 2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 14. Juli 2015 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben.
Der Kläger hat - während des Klageverfahrens - am 7. August 2015 die begehrten Hautstraffungsoperationen im Brust- und Bauchbereich in der Türkei durchführen lassen und die Rechnung des Krankenhauses "H." vom 7. August 2015 über 12.727,88 Lyra, was nach den Angaben des Klägers einem Betrag von 4.200,- EUR entspreche, vorgelegt.
Zur Begründung seiner auf Kostenerstattung umgestellten Klage hat der Kläger auf Atteste des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten J. vom 16. November 2015 (Diagnosen: Atypische Bulimia nervosa, Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung, Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem aufsässigen Verhalten) und der Hausärztin E. vom 9. Dezember 2015, die einen sozialen Rückzug, starke Depressionen und suizidale Absichten attestierte, verwiesen. Die Beklagte hat ergänzend ausgeführt, zugelassene Leistungserbringer seien grundsätzlich nur Vertragsärzte im Inland. Nicht zugelassene Leistungserbringer könnten nur in Anspruch genommen werden, wenn die notwendige medizinische Versorgung unter Ausschöpfung der vorhandenen Leistungserbringer nicht realisierbar sei. Selbst unter Berücksichtigung zwischenstaatlicher Abkommen sowie der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts zur Leistungserbringung im Ausland sei nicht erkennbar, warum die Behandlung nur in der Türkei hätte ausgeführt werden können.
Das Sozialgericht Gießen hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2017 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative Sozialgesetzbuch Band V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), denn die Beklagte habe die beantragte Leistung in Form von Bruststraffungsoperation beidseits sowie einer Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik nicht zu Unrecht abgelehnt. Bei der Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich im Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie handele es sich nicht per se um eine Krankheit, sondern - wie der MDK zu Recht ausgeführt habe - um ein Symptom, das bei hormonellen oder tumorösen Erkrankungen auftrete und als normale physiologische Veränderung - z.B. bei Neugeborenen, in der Pubertät, im Alter und bei Adipositas - oder als Normvariante zu bewerten sei. Bei dem Kläger sei die Hautlappenbildung nach den übereinstimmenden Diagnosen seiner behandelnden Ärzte auf einen Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie zurückzuführen. Eine Entfernung der Hautlappen aus dermatologischen Gründen komme nur in Betracht, wenn durch den Hautüberschuss ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen auftreten, die sich als dauerhaft therapieresistent erweisen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. November 2006, L 4 KR 60/04). Zwar hätten die Ärzte des Agaplesion Markuskrankenhauses von wiederkehrenden Infektionen zumindest im Bereich der Unterbauchfalte berichtet. Im Einzelnen (fach-) ärztlich dokumentiert sei dies jedoch nicht. Auch die Voraussetzungen einer Entstellung lägen nicht vor, denn diese sei nur anzunehmen, wenn sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in der alltäglichen Situation "im Vorbeigehen" bemerkbar mache. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Entstellung sei vom bekleideten Zustand des zu Beurteilenden auszugehen. Eine Entstellung sei insbesondere auch angesichts der vorgelegten Fotodokumentation zu verneinen. Ein Leistungsanspruch auf eine Heilbehandlung in Form eines körperlichen Eingriffs bestehe zudem nicht, wenn diese Maßnahme nicht durch eine Fehlfunktion oder durch eine Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand, indiziert werde. Operationen am krankenversicherungsrechtlich betrachtet gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, seien keine notwendigen Behandlungen im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R; BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 1/02). Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte über den am 27. November 2014 eingegangenen Antrag erst mit Bescheid vom 13. Januar 2015 - also nach Ablauf von mehr als fünf Wochen - entschieden habe, komme allerdings grundsätzlich der Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V in Betracht. Ob unter diesem Gesichtspunkt insbesondere in dem Schreiben der Beklagten vom 27. Dezember 2014 die Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Entscheidung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gesehen werden könne und ob die fragliche Operation Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwinde, die jedem Versicherten klar sein müssten (vgl. BSG, Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R –, juris, Rn. 26), könne vorliegend allerdings dahinstehen. Denn der Kläger könne in keinem Fall Kostenerstattung für eine in der Türkei vorgenommene Operation beanspruchen. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V scheide aus, da die Türkei nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein Vertragsstaat im Sinne der Norm sei. Da eine Abdominal- und Bruststraffung auch in Deutschland durchgeführt werden könne, scheide auch ein Anspruch nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V aus. Der Kläger könne sich auch nicht auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 berufen. Nach Art. 4a Satz 1 des Abkommens würden - soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimme - die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei gelten, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängig sei, nicht für Staatsangehörige der Vertragsparteien, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhielten. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b des Abkommens gelte dies aber nur für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten sei, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötige. Dies sei bei dem Kläger ersichtlich nicht der Fall gewesen. Dessen ungeachtet habe der Kläger offensichtlich auch keinen Sachleistungsanspruch der nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zuständigen "Sosyal Sigortalar Kurumu" (Sozialversicherungsanstalt) in Anspruch genommen. Der Kläger habe noch nicht einmal vorgetragen, dass er sich um entsprechende Sachleistungen des türkischen Leistungsträgers bemüht habe, sondern er habe lediglich die Privatrechnung eines Privatkrankenhauses vorgelegt. Darüber hinaus bestimme Art. 15 Abs. 3 des Abkommens, dass bei Anwendung von Art. 4a des Abkommens Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt würden, wenn der zuständige Träger zustimme. Die Beklagte habe jedoch nicht zugestimmt. Unbedingte Dringlichkeit für Brust- und Bauchstraffung habe nicht vorgelegen. Bei umgerechnet rund 4.200,- EUR Behandlungskosten sei auch von einer erheblichen finanziellen Bedeutung auszugehen.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 29. März 2017 zugestellte Urteil am 2. Mai 2017 Berufung zu Hessischen Landessozialgericht erhoben. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe aufgrund der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V die Kosten für eine selbstbeschaffte Bruststraffungsoperation beidseits sowie einer Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik in Höhe von 4.200,- EUR zu erstatten. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts finde im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nur eine Begrenzung auf erforderliche Leistungen statt, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lägen. Die Inanspruchnahme einer operativen Versorgung mit der in Rede stehenden Abdominalplastik und der Hautlappenreduktion an der Brust seien solche Maßnahmen. Im Hinblick auf die Höhe der Kosten komme es nicht darauf an, wo in der Welt der Kläger die Maßnahme habe durchführen lassen. Vielmehr habe der Kläger dargelegt, dass die Selbstbeschaffung ihm ausschließlich in der Türkei möglich gewesen sei, da er aufgrund seines Migrationshintergrundes über gute Beziehungen nach dort verfüge. Zudem sei ihm mitgeteilt worden, dass dortige Krankenhäuser sehr gute medizinische Leistungen erbrächten und die Kosten hierfür wesentlich geringer seien, als bei vergleichbaren (nicht vertragsärztlichen) Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger sei nicht auf eine Inanspruchnahme von zugelassenen Leistungserbringern im Inland beschränkt gewesen. Entscheidend sei allein, ob die beantragte Leistung dem Grunde nach erstattungsfähig im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V gewesen sei. Die Ansprüche des Klägers würden ad absurdum geführt, hätten die Krankenkasse die Möglichkeit, bei unrechtmäßiger Leistungsverweigerung Kosten zu sparen und gleichzeitig die wirtschaftliche Zwangslage des Versicherten auszunutzen in dem Bewusstsein, dass dieser nicht in der Lage sein werde, sich die streitgegenständliche Leistung anderweitig im Inland - zu besorgen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. März 2017 sowie den Bescheid vom 13. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Abdominalplastik und Bruststraffung in Höhe von 4.200,00 EUR (zum Wechselkurs vom 7. August 2015 12.727,08 TRY) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil. Eine Leistungsgewährung im Ausland sei zudem aufgrund der Regelungen der §§ 16 und 18 SGB V dem Grunde nach bereits ausgeschlossen. Solange sich der Kläger in der Türkei aufhalte, würde auch ein etwaig bestehender Leistungsanspruch zumindest ruhen und nicht zu verwirklichen sein.
Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermins am 31. August 2017 durchgeführt; auf das Sitzungsprotokoll vom 31. August 2017 (Bl. 94-96 der Gerichtsakte) wird verwiesen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht Gießen hat die Klage auf Kostenerstattung zu Recht mit Urteil vom 7. März 2017 abgewiesen. Der Bescheid vom 13. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 4.200,- Euro für eine in der Türkei selbst beschaffte Bruststraffungsoperation beidseits sowie für eine selbstbeschaffte Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik.
Das Sozialgericht Gießen hat zunächst zutreffend festgestellt, dass der Kläger eine Kostenerstattung nicht gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V beanspruchen kann. Danach sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit die Leistung notwendig war. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das Sozialgericht Gießen verneint zutreffend sowohl eine behandlungsbedürftige Krankheit als auch eine Entstellung aufgrund der Beeinträchtigungen infolge des Hautüberschusses an Brust und Bauch und bestätigt die Leistungsablehnung der Beklagten mit Bescheid vom 13. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 als rechtmäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts Gießen im Urteil vom 7. März 2017; diese sind überzeugend und würdigen alle fallentscheidenden Aspekte insoweit vollständig. Der Kläger greift diese Feststellungen im Berufungsverfahren auch nicht an.
Aber auch unabhängig davon, ob es sich bei den mit dem Hautüberschuss an Brust und Bauch einhergehenden Beeinträchtigungen um eine Krankheit im Sinne des § 27 SGB V handelte, wäre ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, weil wegen des Auslandsaufenthalts des Klägers zur Durchführung der streitgegenständlichen Operationen der gesamte Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ruht ein Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Dabei erstreckt sich der Anwendungsbereich von § 16 SGB V auf alle Leistungsarten, die im Dritten Kapitel des Fünften Sozialgesetzbuchs vorgesehen sind - und zwar unabhängig von deren Beschaffenheit (Blöcher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB V, Rn. 14). Auch Kostenerstattungsansprüche, soweit sie dem Grunde nach bestehen, können "ruhen" (vgl. BT-Drs. 11/2237 zu § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).
Da sich der Kläger zurzeit der hier im Streit stehenden Krankenhausbehandlung in der Türkei und damit im Ausland befand, sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Ruhen eines Leistungs- oder Kostenerstattungsanspruchs erfüllt. Das Gesetz beschreibt den Begriff "aufhalten" unabhängig von der zeitlichen Dauer der (tatsächlichen oder beabsichtigten) Anwesenheit. Darunter fallen also nicht nur der Wohnsitz ("Wohnung beibehalten und benutzen", § 30 Abs. 2 Satz 1 SGB I) oder gewöhnliche Aufenthalt ("an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt", § 30 Abs. 2 Satz 2 SGB I), sondern nach der ausdrücklichen Gesetzesfassung auch der vorübergehende Aufenthalt. Ein solcher ist auch bei - nach seiner Planung oder Natur - zeitlich begrenztem, zumeist kurzfristigem Aufenthalt gegeben (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 16 SGB V, Rn. 22). Unerheblich ist folglich die Dauer des Aufenthaltes außerhalb des Geltungsbereiches des SGB; auch ein vorübergehender oder kurzfristiger Auslandaufenthalt genügt, um die Ruhenswirkung auszulösen (Schuler in: Hänlein/Schuler, Lehr- und Praxiskommentar SGB V, §16, Rn. 4). Die Erkrankung, welche die jeweiligen Leistungsansprüche auslöst, muss nicht während des Auslandsaufenthalts eingetreten sein. Nach Wortlaut ("solange sich aufhalten") und Zweck der Vorschrift tritt das Ruhen auch dann ein, wenn sich erkrankte Versicherte ins Ausland begeben (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 16 SGB V, Rn. 22).
Dem Ruhen eines Anspruchs stehen vorliegend die Regelungen des Sozialversicherungsabkommens (in der Fassung des Zusatzabkommens vom 2. November 1984, BGBl. II 1986 S. 1038, 1040; im Folgenden einheitlich SVA) nicht entgegen. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) und b) in Verbindung mit Art. 4a des Abkommens haben Versicherte Anspruch auf Leistungen auch bei Aufenthalt in der Türkei. Versicherte deutscher Krankenkassen und deren Familienangehörige erhalten danach Leistungen,
a) wenn sie, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthaltes vorher zugestimmt hat, b) wenn der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthaltes im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigen.
Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, weil die Beklagte nach Eintritt des Versicherungsfalls einer Verlegung des Aufenthalts des Klägers in die Türkei nicht zugestimmt hat und der Kläger die dort erbrachten Leistungen wegen seines Zustandes auch nicht sofort benötigte. Der Kläger hat sich nach Leistungsablehnung ausschließlich zur Durchführung der streitgegenständlichen Operationen ohne Wissen und Zustimmung der Beklagten in die Türkei begeben. Darüber hinaus bestimmt Art. 15 Abs. 1 und 3 des Abkommens, dass bei Anwendung des Art. 4a Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Die aufgrund der Höhe der entstandenen Kosten erforderliche Zustimmung der Beklagten liegt nicht vor, eine unbedingte Dringlichkeit der Behandlung des Klägers in der Türkei war - wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat - nicht gegeben.
Auch die Voraussetzungen der gesetzlichen Ausnahmeregelungen zu § 16 SGB V sind nicht erfüllt. Die in § 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 SGB V - Mutterschaftsgeld und Krankengeld - geregelten Ausnahmen sind vorliegend nicht einschlägig; auch ein Fall des § 17 SGB V (Erstattung von Kosten durch die Krankenkasse an den Arbeitgeber bei einer Beschäftigung im Ausland) ist nicht gegeben. Eine Erstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V kommt - wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat - nicht in Betracht, da die Türkei weder dem Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) noch des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) unterfällt. Das zwischen der Türkei und der Europäischen Union bestehende Assoziierungsabkommen statuiert lediglich ein sozialrechtliches Diskriminierungsverbot für die sich innerhalb der Europäischen Union legal aufhaltenden Arbeitnehmer und Bewohner der Türkei. Daneben scheidet ebenso eine Erstattung nach § 18 SGB V aus. Die selbstbeschaffte Bruststraffungsoperation beidseits sowie eine Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik wären unstreitig ebenso im Geltungsbereich des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens möglich gewesen (§ 18 Abs. 1 SGB V) und die Anspruchsvoraussetzungen sind nicht vor Beginn des Auslandsaufenthaltes des Klägers festgestellt worden (§ 18 Abs. 3 Satz 1 SGB V).
Der Kläger kann eine Kostenerstattung auch nicht gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V verlangen, denn der Anspruch auf Versorgung mit den beantragten Bauch- und Bruststraffungsoperationen infolge einer Genehmigungsfiktion ruhte während des Aufenthaltes in der Türkei gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V.
Vorab ist jedoch festzustellen, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Versorgung mit einer Bruststraffung sowie einer Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik als Naturalleistung aufgrund der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat, denn die von ihm beantragten Operationen galten wegen Fristablaufs gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt.
Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V ist unstreitig eröffnet. Der leistungsberechtigte Kläger stellte bei der Beklagten auch einen hinreichend bestimmten Antrag auf Leistung von Brust- und Bauchstraffungsoperationen (zu den Voraussetzungen: BSG Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R, Rn. 18ff., juris). Durch die Angaben des Klägers in seinem schriftlichen Antrag unter Beifügung ärztlicher Bescheinigungen, insbesondere des Attestes des Markuskrankenhauses vom 3. November 2011 war die Behandlungsleistung ausreichend konkretisiert.
Der Antrag betraf auch eine Leistung, die der Kläger für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung lag. Das Bundessozialgericht hat hierzu entschieden, dass die Begrenzung auf "erforderliche Leistungen" nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung liegen, bedeutet (Urteil vom 8. März 2016, B 1 KR 25/15 R). Die Regelung soll es dem Berechtigten einerseits erleichtern, sich die ihm zustehenden Leistungen zeitnah zu beschaffen, ihn andererseits aber nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Vorliegend durfte der Kläger aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch seine Ärzte Brust- und Bauchstraffungen zur Behandlung der Gynäkomastie und der schmerzenden Bauchlappen für geeignet und erforderlich halten, ohne weitere Einzelheiten zu den Voraussetzungen ambulanter und stationärer Leistungserbringung wissen zu müssen (vgl. hierzu auch BSG, Urteile vom 7. November 2017 B 1 KR 2/17 R: Augmentationsmastopexie und B 1 KR 24717 R: Abdominalplastik - beide Terminbericht vom 7. November 2017). Auch eine antragsmäßige Begrenzung auf Leistungen durch ein Vertragskrankenhaus entfiel spätestens zum Zeitpunkt der vollständigen Ablehnung einer Leistung durch die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R, Rn. 22, 24, juris). Der Kläger durfte sich infolgedessen die Brust- und Bauchstraffungsoperationen grundsätzlich in einer Privatklinik selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R).
Den Antrag des Klägers beschied die Beklagte auch nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Wochen (§ 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V), die aufgrund der Unterrichtung des Klägers von einer Beauftragung des MDK lief (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V), ohne dem Kläger Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Die Frist begann am Freitag, dem 28. November 2014 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB), denn der Antrag des Klägers ging der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 27. November 2014 zu. Die Frist endete am Freitag, dem 2. Januar 2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später über den Antrag des Klägers (Bescheid vom 13. Januar 2015, genauer Zugangszeitpunkt nicht festgestellt). Die Frist wurde nicht dadurch unterbrochen, dass die Beklagte den Kläger am 2. Dezember 2017 zur Vorlage ergänzender Unterlagen aufforderte. Denn für den Fristbeginn ist stets der Tag maßgeblich, an dem der (hinreichend bestimmte) Antrag bei der Krankenkasse eingegangen ist. Es kommt nicht darauf an, ob Unterlagen vollständig eingereicht worden sind oder sonstiger Aufklärungsbedarf besteht. Wenn im Rahmen der Amtsermittlung weitere Informationen beim Antragsteller einzuholen sind, beeinflusst dieser Umstand nicht den Fristbeginn, sondern er kann ein hinreichender Grund für das Unvermögen zur rechtzeitigen Entscheidung sein (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 B 1 KR 26/16 R Rn. 2ff., juris), sofern die Krankenkasse den Versicherten ausreichend über Grund und Dauer der Verzögerung unterrichtet. Das Schreiben der Beklagten vom 29. Dezember 2014, mit welchem sie dem Kläger mitteilte, dass sie sich bei ihm melde, sobald das Gutachten des MDK vorliege, ist keine ausreichende Fristverlängerung im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V, denn es fehlt insoweit an der Mitteilung der taggenau anzugebenden Dauer des Bestehens eines Verzögerungsgrundes (vgl. hierzu ausdrücklich BSG Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 26/16 R, Rn. 31ff. ).
Der Kläger kann seinen infolge der Genehmigungsfiktion bestehenden Anspruch aber nicht durch eine im (vertragslosen) Ausland selbst beschaffte Operation realisieren, denn aufgrund seines Aufenthaltes in der Türkei ruhte auch sein Anspruch aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Wie bereits dargelegt, tritt die Rechtsfolge des Ruhens - die fehlende Durchsetzbarkeit eines Anspruchs - unabhängig von der Beschaffenheit des Leistungsanspruchs ein; es wird insoweit auf die bisherigen Ausführungen verwiesen.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist eindeutig und eröffnet keine Auslegung zugunsten des Klägers. Denn Hintergrund der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist, dass Sach- und Dienstleistungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der durch das Leistungserbringungsrecht vorgesehenen Form im Ausland regelmäßig nicht erbracht werden können. Es ist grundsätzlich ausgeschlossen, dass Versicherte sich zur Krankenhausbehandlung ins Ausland begeben (vgl. Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 16 SGB V, Rn. 19); die gesetzlichen Ausnahmen sind - wie dargelegt - nicht einschlägig. Die Regelung dient damit der konsequenten Umsetzung des Sachleistungsprinzips und des Territorialprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung und soll verhindern, dass die Sozialversicherungsträger mit (an sich systemfremden) Erstattungsforderungen konfrontiert werden, unabhängig davon, ob ursprünglich ein Sachleistungsanspruch gemäß § 27 SGB V vorlag, der zu Unrecht im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V abgelehnt wurde, oder ob ein Anspruch auf eine Naturalleistung infolge Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V entstanden war.
Der Senat erkennt an, dass der Kläger bereits mit Ablauf der maßgeblichen Fünfwochenfrist am 2. Januar 2015 einen Anspruch auf Versorgung mit der begehrten Brust- und Bauchstraffung als Sachleistung infolge der Genehmigungsfiktion hatte und spätestens zum Zeitpunkt der Leistungsablehnung mit Bescheid vom 13. Januar 2015 berechtigt war, diese Operationen in einer Privatklinik im Inland durchführen zu lassen - zu einem Preis, der wohl deutlich über den vorliegend geltend gemachten 4.200,- EUR gelegen hätte. Dennoch gebietet der Vorrang des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V vor Sachleistungs- und Kostenerstattungsansprüchen des 3. Kapitels des SGB V ein Ruhen auch eines Anspruchs infolge einer Genehmigungsfiktion im Falle eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Zur Anwendung der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V auf Kostenerstattungsansprüche infolge der Inanspruchnahme von Leistungen im Ausland, insbesondere zum Verhältnis der Normen § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Erstattung von Kosten einer operativen Entfernung überschüssiger Haut im Brust- und Bauchbereich in der Türkei.
Der 1997 geborene und bei der beklagten Krankenkasse versicherte Kläger litt im Alter von 14 Jahren an einer hochgradigen Adipositas (160 kg bei 160 cm). Infolgedessen kam es beidseits zur Entwicklung von Brüsten (Gynäkomastie). Der Kläger reduzierte sein Gewicht durch konsequente Ernährungsumstellung und regelmäßigen Sport um mehr als 60 kg auf 97 kg bei einer Körpergröße von nunmehr 180 cm. Der Kläger beantragte mit am 27. November 2014 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben einen operativen Eingriff zur Entfernung der überschüssigen Haut im Brust- und Bauchbereich und legte verschiedene ärztliche Bescheinigungen vor. Das Agaplesion Markuskrankenhaus diagnostizierte eine lokalisierte Adipositas am Bauch, Gynäkomastie beidseits bei Z.n. Gewichtsreduktion von 60 kg. Als Therapie wurde eine Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik mit Nabelverlagerung und eine Bruststraffung beidseits vorgeschlagen. Im Attest hieß es: Der schmerzhafte Hautlappen am Bauch behindere den Patienten in seinen Aktivitäten des täglichen Lebens und beim Sport. Die Hautlappen rieben aneinander und entwickelten wiederkehrende Infektionen im Bereich der Unterbauchfalte. Die beiden Brüste zeigten weibliche Formen nach Klassifikation Tanner Stadium IV (Attest des Agaplesion Markus Krankenhauses vom 3. November 2014). Sowohl der Urologe C. als auch die Gynäkologin D. befürworteten die Hautstraffungsoperationen an Brust und Bauch (Attest des Urologen C. vom 29. September 2014, Attest der Gynäkologin D. vom 1. Oktober 2014). Die Beklagte bestätigte gegenüber dem Kläger den Eingang des Antrages mit Schreiben vom 2. Dezember 2014 und kündigte eine Überprüfung durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) an. Gleichzeitig forderte sie den Kläger auf, eine Fotodokumentation sowie einen dermatologischen Bericht vorzulegen. Der Kläger legte die angeforderte Fotodokumentation sowie weitere Arztberichte mit Schreiben vom 27. Dezember 2014 vor: Die Hausärztin E. erachtete mit Attest vom 25. November 2014 den Eingriff als aus psychischen Gründen notwendig. Die Hautärztin Dr. F. beschrieb psychische Probleme als auch die Gefahr rezidivierender Entzündungen an Brust- und Bauchfalten. Die Beklagte veranlasste am 29. Dezember 2014 eine sozialmedizinische Begutachtung durch den MDK und unterrichtete den Kläger mit Schreiben gleichen Datums darüber, dass er benachrichtigt würde, sobald ihr das Gutachten vorliege. Dr. G. vom MDK gelangte in einem Gutachten vom 7. Januar 2015 zu der Einschätzung, dass mangels Erkrankung, funktioneller Einschränkungen und Entstellung die beantragte Operation nicht befürwortet werden könne. Die Weiterführung von Körpertraining, weitere Gewichtsreduktion, sorgfältige Hautpflege sowie das Tragen angepasster Kleidung werde empfohlen. Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 13. Januar 2015 die Übernahme der beantragten Operationen unter Verweis auf das Ergebnis des MDK-Gutachtens ab. Den Widerspruch des Klägers vom 29. Januar 2015 wies die Beklagte nach Einholung weiterer Stellungnahmen des MDK vom 27. März und 27. April 2015 - unter Auswertung der Atteste der Hausärztin E. vom 21. Januar und vom 21. April 2015 - mit Widerspruchbescheid vom 24. Juni 2015 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 14. Juli 2015 Klage zum Sozialgericht Gießen erhoben.
Der Kläger hat - während des Klageverfahrens - am 7. August 2015 die begehrten Hautstraffungsoperationen im Brust- und Bauchbereich in der Türkei durchführen lassen und die Rechnung des Krankenhauses "H." vom 7. August 2015 über 12.727,88 Lyra, was nach den Angaben des Klägers einem Betrag von 4.200,- EUR entspreche, vorgelegt.
Zur Begründung seiner auf Kostenerstattung umgestellten Klage hat der Kläger auf Atteste des Kinder- und Jugendpsychotherapeuten J. vom 16. November 2015 (Diagnosen: Atypische Bulimia nervosa, Störung des Sozialverhaltens mit depressiver Störung, Störung des Sozialverhaltens mit oppositionellem aufsässigen Verhalten) und der Hausärztin E. vom 9. Dezember 2015, die einen sozialen Rückzug, starke Depressionen und suizidale Absichten attestierte, verwiesen. Die Beklagte hat ergänzend ausgeführt, zugelassene Leistungserbringer seien grundsätzlich nur Vertragsärzte im Inland. Nicht zugelassene Leistungserbringer könnten nur in Anspruch genommen werden, wenn die notwendige medizinische Versorgung unter Ausschöpfung der vorhandenen Leistungserbringer nicht realisierbar sei. Selbst unter Berücksichtigung zwischenstaatlicher Abkommen sowie der Rechtsprechung des Bundesozialgerichts zur Leistungserbringung im Ausland sei nicht erkennbar, warum die Behandlung nur in der Türkei hätte ausgeführt werden können.
Das Sozialgericht Gießen hat die Klage mit Urteil vom 7. März 2017 abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei rechtmäßig und verletze den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger habe keinen Anspruch auf Kostenerstattung gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alternative Sozialgesetzbuch Band V Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V), denn die Beklagte habe die beantragte Leistung in Form von Bruststraffungsoperation beidseits sowie einer Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik nicht zu Unrecht abgelehnt. Bei der Hautlappenbildung im Bauch- und Brustbereich im Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie handele es sich nicht per se um eine Krankheit, sondern - wie der MDK zu Recht ausgeführt habe - um ein Symptom, das bei hormonellen oder tumorösen Erkrankungen auftrete und als normale physiologische Veränderung - z.B. bei Neugeborenen, in der Pubertät, im Alter und bei Adipositas - oder als Normvariante zu bewerten sei. Bei dem Kläger sei die Hautlappenbildung nach den übereinstimmenden Diagnosen seiner behandelnden Ärzte auf einen Zustand nach Adipositas mit beidseitiger Gynäkomastie zurückzuführen. Eine Entfernung der Hautlappen aus dermatologischen Gründen komme nur in Betracht, wenn durch den Hautüberschuss ständige Hautreizungen wie Pilzbefall, Sekretionen oder entzündliche Veränderungen auftreten, die sich als dauerhaft therapieresistent erweisen (LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 16. November 2006, L 4 KR 60/04). Zwar hätten die Ärzte des Agaplesion Markuskrankenhauses von wiederkehrenden Infektionen zumindest im Bereich der Unterbauchfalte berichtet. Im Einzelnen (fach-) ärztlich dokumentiert sei dies jedoch nicht. Auch die Voraussetzungen einer Entstellung lägen nicht vor, denn diese sei nur anzunehmen, wenn sie sich schon bei flüchtiger Begegnung in der alltäglichen Situation "im Vorbeigehen" bemerkbar mache. Bei der Beurteilung des Vorliegens einer Entstellung sei vom bekleideten Zustand des zu Beurteilenden auszugehen. Eine Entstellung sei insbesondere auch angesichts der vorgelegten Fotodokumentation zu verneinen. Ein Leistungsanspruch auf eine Heilbehandlung in Form eines körperlichen Eingriffs bestehe zudem nicht, wenn diese Maßnahme nicht durch eine Fehlfunktion oder durch eine Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand, indiziert werde. Operationen am krankenversicherungsrechtlich betrachtet gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, seien keine notwendigen Behandlungen im Sinne von § 27 Abs. 1 SGB V (BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004 - B 1 KR 3/03 R; BSG, Urteil vom 19. Februar 2003 - B 1 KR 1/02). Angesichts der Tatsache, dass die Beklagte über den am 27. November 2014 eingegangenen Antrag erst mit Bescheid vom 13. Januar 2015 - also nach Ablauf von mehr als fünf Wochen - entschieden habe, komme allerdings grundsätzlich der Eintritt einer Genehmigungsfiktion nach § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V in Betracht. Ob unter diesem Gesichtspunkt insbesondere in dem Schreiben der Beklagten vom 27. Dezember 2014 die Mitteilung eines hinreichenden Grundes für die verzögerte Entscheidung im Sinne von § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gesehen werden könne und ob die fragliche Operation Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwinde, die jedem Versicherten klar sein müssten (vgl. BSG, Urteil vom 8. März 2016 - B 1 KR 25/15 R –, juris, Rn. 26), könne vorliegend allerdings dahinstehen. Denn der Kläger könne in keinem Fall Kostenerstattung für eine in der Türkei vorgenommene Operation beanspruchen. Ein Anspruch nach § 13 Abs. 4 Satz 1 SGB V scheide aus, da die Türkei nicht Mitgliedstaat der Europäischen Union oder ein Vertragsstaat im Sinne der Norm sei. Da eine Abdominal- und Bruststraffung auch in Deutschland durchgeführt werden könne, scheide auch ein Anspruch nach § 18 Abs. 1 Satz 1 SGB V aus. Der Kläger könne sich auch nicht auf das Abkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Republik Türkei über Soziale Sicherheit vom 30. April 1964 berufen. Nach Art. 4a Satz 1 des Abkommens würden - soweit dieses Abkommen nichts anderes bestimme - die Rechtsvorschriften einer Vertragspartei gelten, nach denen die Entstehung von Ansprüchen auf Leistungen oder die Gewährung von Leistungen oder die Zahlung von Geldleistungen vom Aufenthalt im Gebiet dieser Vertragspartei abhängig sei, nicht für Staatsangehörige der Vertragsparteien, die sich im Gebiet der anderen Vertragspartei aufhielten. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchst. b des Abkommens gelte dies aber nur für eine Person, bei der der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthalts im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten sei, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötige. Dies sei bei dem Kläger ersichtlich nicht der Fall gewesen. Dessen ungeachtet habe der Kläger offensichtlich auch keinen Sachleistungsanspruch der nach Maßgabe von Art. 15 Abs. 1 des Abkommens zuständigen "Sosyal Sigortalar Kurumu" (Sozialversicherungsanstalt) in Anspruch genommen. Der Kläger habe noch nicht einmal vorgetragen, dass er sich um entsprechende Sachleistungen des türkischen Leistungsträgers bemüht habe, sondern er habe lediglich die Privatrechnung eines Privatkrankenhauses vorgelegt. Darüber hinaus bestimme Art. 15 Abs. 3 des Abkommens, dass bei Anwendung von Art. 4a des Abkommens Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt würden, wenn der zuständige Träger zustimme. Die Beklagte habe jedoch nicht zugestimmt. Unbedingte Dringlichkeit für Brust- und Bauchstraffung habe nicht vorgelegen. Bei umgerechnet rund 4.200,- EUR Behandlungskosten sei auch von einer erheblichen finanziellen Bedeutung auszugehen.
Der Kläger hat gegen das seinem Prozessbevollmächtigten am 29. März 2017 zugestellte Urteil am 2. Mai 2017 Berufung zu Hessischen Landessozialgericht erhoben. Er vertritt die Auffassung, die Beklagte habe aufgrund der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V die Kosten für eine selbstbeschaffte Bruststraffungsoperation beidseits sowie einer Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik in Höhe von 4.200,- EUR zu erstatten. Entgegen den Ausführungen des Sozialgerichts finde im Rahmen des § 13 Abs. 3a SGB V nur eine Begrenzung auf erforderliche Leistungen statt, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der GKV lägen. Die Inanspruchnahme einer operativen Versorgung mit der in Rede stehenden Abdominalplastik und der Hautlappenreduktion an der Brust seien solche Maßnahmen. Im Hinblick auf die Höhe der Kosten komme es nicht darauf an, wo in der Welt der Kläger die Maßnahme habe durchführen lassen. Vielmehr habe der Kläger dargelegt, dass die Selbstbeschaffung ihm ausschließlich in der Türkei möglich gewesen sei, da er aufgrund seines Migrationshintergrundes über gute Beziehungen nach dort verfüge. Zudem sei ihm mitgeteilt worden, dass dortige Krankenhäuser sehr gute medizinische Leistungen erbrächten und die Kosten hierfür wesentlich geringer seien, als bei vergleichbaren (nicht vertragsärztlichen) Maßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland. Der Kläger sei nicht auf eine Inanspruchnahme von zugelassenen Leistungserbringern im Inland beschränkt gewesen. Entscheidend sei allein, ob die beantragte Leistung dem Grunde nach erstattungsfähig im Sinne des § 13 Abs. 3a SGB V gewesen sei. Die Ansprüche des Klägers würden ad absurdum geführt, hätten die Krankenkasse die Möglichkeit, bei unrechtmäßiger Leistungsverweigerung Kosten zu sparen und gleichzeitig die wirtschaftliche Zwangslage des Versicherten auszunutzen in dem Bewusstsein, dass dieser nicht in der Lage sein werde, sich die streitgegenständliche Leistung anderweitig im Inland - zu besorgen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 7. März 2017 sowie den Bescheid vom 13. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger die Kosten für eine Abdominalplastik und Bruststraffung in Höhe von 4.200,00 EUR (zum Wechselkurs vom 7. August 2015 12.727,08 TRY) zu erstatten.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Die Beklagte verweist auf die Ausführungen des Sozialgerichts im angefochtenen Urteil. Eine Leistungsgewährung im Ausland sei zudem aufgrund der Regelungen der §§ 16 und 18 SGB V dem Grunde nach bereits ausgeschlossen. Solange sich der Kläger in der Türkei aufhalte, würde auch ein etwaig bestehender Leistungsanspruch zumindest ruhen und nicht zu verwirklichen sein.
Die Berichterstatterin des Senats hat mit den Beteiligten einen Erörterungstermins am 31. August 2017 durchgeführt; auf das Sitzungsprotokoll vom 31. August 2017 (Bl. 94-96 der Gerichtsakte) wird verwiesen.
Wegen des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen sowie wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, aber unbegründet.
Das Sozialgericht Gießen hat die Klage auf Kostenerstattung zu Recht mit Urteil vom 7. März 2017 abgewiesen. Der Bescheid vom 13. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung von 4.200,- Euro für eine in der Türkei selbst beschaffte Bruststraffungsoperation beidseits sowie für eine selbstbeschaffte Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik.
Das Sozialgericht Gießen hat zunächst zutreffend festgestellt, dass der Kläger eine Kostenerstattung nicht gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 2. Alternative SGB V in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V beanspruchen kann. Danach sind dem Versicherten die für eine von ihm selbst beschaffte Leistung entstandenen Kosten von der Krankenkasse zu erstatten, wenn die Krankenkasse diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat, soweit die Leistung notwendig war. Nach § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Das Sozialgericht Gießen verneint zutreffend sowohl eine behandlungsbedürftige Krankheit als auch eine Entstellung aufgrund der Beeinträchtigungen infolge des Hautüberschusses an Brust und Bauch und bestätigt die Leistungsablehnung der Beklagten mit Bescheid vom 13. Januar 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Juni 2015 als rechtmäßig. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat gemäß § 153 Abs. 2 SGG vollumfänglich Bezug auf die Ausführungen des Sozialgerichts Gießen im Urteil vom 7. März 2017; diese sind überzeugend und würdigen alle fallentscheidenden Aspekte insoweit vollständig. Der Kläger greift diese Feststellungen im Berufungsverfahren auch nicht an.
Aber auch unabhängig davon, ob es sich bei den mit dem Hautüberschuss an Brust und Bauch einhergehenden Beeinträchtigungen um eine Krankheit im Sinne des § 27 SGB V handelte, wäre ein Kostenerstattungsanspruch gemäß § 13 Abs. 3 SGB V ausgeschlossen, weil wegen des Auslandsaufenthalts des Klägers zur Durchführung der streitgegenständlichen Operationen der gesamte Leistungsanspruch gegenüber der Beklagten nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V ruht. Nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ruht ein Anspruch auf Leistungen, solange Versicherte sich im Ausland aufhalten, und zwar auch dann, wenn sie dort während eines vorübergehenden Aufenthalts erkranken, soweit in diesem Gesetzbuch nichts Abweichendes bestimmt ist. Dabei erstreckt sich der Anwendungsbereich von § 16 SGB V auf alle Leistungsarten, die im Dritten Kapitel des Fünften Sozialgesetzbuchs vorgesehen sind - und zwar unabhängig von deren Beschaffenheit (Blöcher in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl. 2016, § 16 SGB V, Rn. 14). Auch Kostenerstattungsansprüche, soweit sie dem Grunde nach bestehen, können "ruhen" (vgl. BT-Drs. 11/2237 zu § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V).
Da sich der Kläger zurzeit der hier im Streit stehenden Krankenhausbehandlung in der Türkei und damit im Ausland befand, sind die Voraussetzungen des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V für das Ruhen eines Leistungs- oder Kostenerstattungsanspruchs erfüllt. Das Gesetz beschreibt den Begriff "aufhalten" unabhängig von der zeitlichen Dauer der (tatsächlichen oder beabsichtigten) Anwesenheit. Darunter fallen also nicht nur der Wohnsitz ("Wohnung beibehalten und benutzen", § 30 Abs. 2 Satz 1 SGB I) oder gewöhnliche Aufenthalt ("an diesem Ort oder in diesem Gebiet nicht nur vorübergehend verweilt", § 30 Abs. 2 Satz 2 SGB I), sondern nach der ausdrücklichen Gesetzesfassung auch der vorübergehende Aufenthalt. Ein solcher ist auch bei - nach seiner Planung oder Natur - zeitlich begrenztem, zumeist kurzfristigem Aufenthalt gegeben (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 16 SGB V, Rn. 22). Unerheblich ist folglich die Dauer des Aufenthaltes außerhalb des Geltungsbereiches des SGB; auch ein vorübergehender oder kurzfristiger Auslandaufenthalt genügt, um die Ruhenswirkung auszulösen (Schuler in: Hänlein/Schuler, Lehr- und Praxiskommentar SGB V, §16, Rn. 4). Die Erkrankung, welche die jeweiligen Leistungsansprüche auslöst, muss nicht während des Auslandsaufenthalts eingetreten sein. Nach Wortlaut ("solange sich aufhalten") und Zweck der Vorschrift tritt das Ruhen auch dann ein, wenn sich erkrankte Versicherte ins Ausland begeben (Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 16 SGB V, Rn. 22).
Dem Ruhen eines Anspruchs stehen vorliegend die Regelungen des Sozialversicherungsabkommens (in der Fassung des Zusatzabkommens vom 2. November 1984, BGBl. II 1986 S. 1038, 1040; im Folgenden einheitlich SVA) nicht entgegen. Nach Art. 12 Abs. 1 Buchstabe a) und b) in Verbindung mit Art. 4a des Abkommens haben Versicherte Anspruch auf Leistungen auch bei Aufenthalt in der Türkei. Versicherte deutscher Krankenkassen und deren Familienangehörige erhalten danach Leistungen,
a) wenn sie, nachdem der Versicherungsfall eingetreten ist, ihren Aufenthalt in das Gebiet der anderen Vertragspartei verlegt haben, nur, wenn der zuständige Träger der Verlegung des Aufenthaltes vorher zugestimmt hat, b) wenn der Versicherungsfall während des vorübergehenden Aufenthaltes im Gebiet der anderen Vertragspartei eingetreten ist, nur, wenn sie wegen ihres Zustandes sofort Leistungen benötigen.
Diese Voraussetzungen lagen hier nicht vor, weil die Beklagte nach Eintritt des Versicherungsfalls einer Verlegung des Aufenthalts des Klägers in die Türkei nicht zugestimmt hat und der Kläger die dort erbrachten Leistungen wegen seines Zustandes auch nicht sofort benötigte. Der Kläger hat sich nach Leistungsablehnung ausschließlich zur Durchführung der streitgegenständlichen Operationen ohne Wissen und Zustimmung der Beklagten in die Türkei begeben. Darüber hinaus bestimmt Art. 15 Abs. 1 und 3 des Abkommens, dass bei Anwendung des Art. 4a Sachleistungen von erheblicher finanzieller Bedeutung außer in Fällen unbedingter Dringlichkeit nur gewährt werden, wenn der zuständige Träger zustimmt. Die aufgrund der Höhe der entstandenen Kosten erforderliche Zustimmung der Beklagten liegt nicht vor, eine unbedingte Dringlichkeit der Behandlung des Klägers in der Türkei war - wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat - nicht gegeben.
Auch die Voraussetzungen der gesetzlichen Ausnahmeregelungen zu § 16 SGB V sind nicht erfüllt. Die in § 16 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 4 SGB V - Mutterschaftsgeld und Krankengeld - geregelten Ausnahmen sind vorliegend nicht einschlägig; auch ein Fall des § 17 SGB V (Erstattung von Kosten durch die Krankenkasse an den Arbeitgeber bei einer Beschäftigung im Ausland) ist nicht gegeben. Eine Erstattung nach § 13 Abs. 4 SGB V kommt - wie das Sozialgericht zutreffend festgestellt hat - nicht in Betracht, da die Türkei weder dem Geltungsbereich des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag) noch des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) unterfällt. Das zwischen der Türkei und der Europäischen Union bestehende Assoziierungsabkommen statuiert lediglich ein sozialrechtliches Diskriminierungsverbot für die sich innerhalb der Europäischen Union legal aufhaltenden Arbeitnehmer und Bewohner der Türkei. Daneben scheidet ebenso eine Erstattung nach § 18 SGB V aus. Die selbstbeschaffte Bruststraffungsoperation beidseits sowie eine Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik wären unstreitig ebenso im Geltungsbereich des EG-Vertrages und des EWR-Abkommens möglich gewesen (§ 18 Abs. 1 SGB V) und die Anspruchsvoraussetzungen sind nicht vor Beginn des Auslandsaufenthaltes des Klägers festgestellt worden (§ 18 Abs. 3 Satz 1 SGB V).
Der Kläger kann eine Kostenerstattung auch nicht gemäß § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V verlangen, denn der Anspruch auf Versorgung mit den beantragten Bauch- und Bruststraffungsoperationen infolge einer Genehmigungsfiktion ruhte während des Aufenthaltes in der Türkei gemäß § 16 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 SGB V.
Vorab ist jedoch festzustellen, dass der Kläger dem Grunde nach einen Anspruch auf Versorgung mit einer Bruststraffung sowie einer Hautlappenentfernung am Bauch durch eine Abdominalplastik als Naturalleistung aufgrund der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 1 SGB V hat, denn die von ihm beantragten Operationen galten wegen Fristablaufs gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V als genehmigt.
Der zeitliche und sachliche Anwendungsbereich der Regelung des § 13 Abs. 3a SGB V ist unstreitig eröffnet. Der leistungsberechtigte Kläger stellte bei der Beklagten auch einen hinreichend bestimmten Antrag auf Leistung von Brust- und Bauchstraffungsoperationen (zu den Voraussetzungen: BSG Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R, Rn. 18ff., juris). Durch die Angaben des Klägers in seinem schriftlichen Antrag unter Beifügung ärztlicher Bescheinigungen, insbesondere des Attestes des Markuskrankenhauses vom 3. November 2011 war die Behandlungsleistung ausreichend konkretisiert.
Der Antrag betraf auch eine Leistung, die der Kläger für erforderlich halten durfte und die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung lag. Das Bundessozialgericht hat hierzu entschieden, dass die Begrenzung auf "erforderliche Leistungen" nach § 13 Abs. 3a Satz 7 SGB V eine Beschränkung auf subjektiv für den Berechtigten erforderliche Leistungen, die nicht offensichtlich außerhalb des Leistungskatalogs der Gesetzlichen Krankenversicherung liegen, bedeutet (Urteil vom 8. März 2016, B 1 KR 25/15 R). Die Regelung soll es dem Berechtigten einerseits erleichtern, sich die ihm zustehenden Leistungen zeitnah zu beschaffen, ihn andererseits aber nicht zu Rechtsmissbrauch einladen, indem sie Leistungsgrenzen des Leistungskatalogs überwindet, die jedem Versicherten klar sein müssen. Vorliegend durfte der Kläger aufgrund der fachlichen Befürwortung seines Antrags durch seine Ärzte Brust- und Bauchstraffungen zur Behandlung der Gynäkomastie und der schmerzenden Bauchlappen für geeignet und erforderlich halten, ohne weitere Einzelheiten zu den Voraussetzungen ambulanter und stationärer Leistungserbringung wissen zu müssen (vgl. hierzu auch BSG, Urteile vom 7. November 2017 B 1 KR 2/17 R: Augmentationsmastopexie und B 1 KR 24717 R: Abdominalplastik - beide Terminbericht vom 7. November 2017). Auch eine antragsmäßige Begrenzung auf Leistungen durch ein Vertragskrankenhaus entfiel spätestens zum Zeitpunkt der vollständigen Ablehnung einer Leistung durch die Beklagte mit dem angefochtenen Bescheid (vgl. BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R, Rn. 22, 24, juris). Der Kläger durfte sich infolgedessen die Brust- und Bauchstraffungsoperationen grundsätzlich in einer Privatklinik selbst verschaffen, weil die Beklagte unter Missachtung der fingierten Genehmigung deren Gewährung abgelehnt hatte. Versicherte, denen ihre Krankenkasse rechtswidrig Leistungen verwehrt, sind nicht prinzipiell auf die Selbstbeschaffung der Leistungen bei zugelassenen Leistungserbringern verwiesen. Sie müssen sich nur eine der vorenthaltenen Naturalleistung entsprechende Leistung verschaffen (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 1/17 R).
Den Antrag des Klägers beschied die Beklagte auch nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von fünf Wochen (§ 13 Abs. 3a Satz 1 Fall 2 SGB V), die aufgrund der Unterrichtung des Klägers von einer Beauftragung des MDK lief (§ 13 Abs. 3a Satz 2 SGB V), ohne dem Kläger Gründe für die Überschreitung der Frist mitzuteilen. Die Frist begann am Freitag, dem 28. November 2014 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 187 Abs. 1 BGB), denn der Antrag des Klägers ging der Beklagten ausweislich des Eingangsstempels am 27. November 2014 zu. Die Frist endete am Freitag, dem 2. Januar 2015 (§ 26 Abs. 1 SGB X i.V.m. § 188 Abs. 2 BGB). Die Beklagte entschied erst später über den Antrag des Klägers (Bescheid vom 13. Januar 2015, genauer Zugangszeitpunkt nicht festgestellt). Die Frist wurde nicht dadurch unterbrochen, dass die Beklagte den Kläger am 2. Dezember 2017 zur Vorlage ergänzender Unterlagen aufforderte. Denn für den Fristbeginn ist stets der Tag maßgeblich, an dem der (hinreichend bestimmte) Antrag bei der Krankenkasse eingegangen ist. Es kommt nicht darauf an, ob Unterlagen vollständig eingereicht worden sind oder sonstiger Aufklärungsbedarf besteht. Wenn im Rahmen der Amtsermittlung weitere Informationen beim Antragsteller einzuholen sind, beeinflusst dieser Umstand nicht den Fristbeginn, sondern er kann ein hinreichender Grund für das Unvermögen zur rechtzeitigen Entscheidung sein (BSG, Urteil vom 11. Juli 2017 B 1 KR 26/16 R Rn. 2ff., juris), sofern die Krankenkasse den Versicherten ausreichend über Grund und Dauer der Verzögerung unterrichtet. Das Schreiben der Beklagten vom 29. Dezember 2014, mit welchem sie dem Kläger mitteilte, dass sie sich bei ihm melde, sobald das Gutachten des MDK vorliege, ist keine ausreichende Fristverlängerung im Sinne des § 13 Abs. 3a Satz 5 SGB V, denn es fehlt insoweit an der Mitteilung der taggenau anzugebenden Dauer des Bestehens eines Verzögerungsgrundes (vgl. hierzu ausdrücklich BSG Urteil vom 11. Juli 2017, B 1 KR 26/16 R, Rn. 31ff. ).
Der Kläger kann seinen infolge der Genehmigungsfiktion bestehenden Anspruch aber nicht durch eine im (vertragslosen) Ausland selbst beschaffte Operation realisieren, denn aufgrund seines Aufenthaltes in der Türkei ruhte auch sein Anspruch aus § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V. Wie bereits dargelegt, tritt die Rechtsfolge des Ruhens - die fehlende Durchsetzbarkeit eines Anspruchs - unabhängig von der Beschaffenheit des Leistungsanspruchs ein; es wird insoweit auf die bisherigen Ausführungen verwiesen.
Der Wortlaut des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist eindeutig und eröffnet keine Auslegung zugunsten des Klägers. Denn Hintergrund der Regelung des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V ist, dass Sach- und Dienstleistungen nach § 2 Abs. 2 Satz 1 SGB V in der durch das Leistungserbringungsrecht vorgesehenen Form im Ausland regelmäßig nicht erbracht werden können. Es ist grundsätzlich ausgeschlossen, dass Versicherte sich zur Krankenhausbehandlung ins Ausland begeben (vgl. Noftz in: Hauck/Noftz, SGB, 06/16, § 16 SGB V, Rn. 19); die gesetzlichen Ausnahmen sind - wie dargelegt - nicht einschlägig. Die Regelung dient damit der konsequenten Umsetzung des Sachleistungsprinzips und des Territorialprinzips in der gesetzlichen Krankenversicherung und soll verhindern, dass die Sozialversicherungsträger mit (an sich systemfremden) Erstattungsforderungen konfrontiert werden, unabhängig davon, ob ursprünglich ein Sachleistungsanspruch gemäß § 27 SGB V vorlag, der zu Unrecht im Sinne des § 13 Abs. 3 Satz 1, 2. Alt. SGB V abgelehnt wurde, oder ob ein Anspruch auf eine Naturalleistung infolge Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V entstanden war.
Der Senat erkennt an, dass der Kläger bereits mit Ablauf der maßgeblichen Fünfwochenfrist am 2. Januar 2015 einen Anspruch auf Versorgung mit der begehrten Brust- und Bauchstraffung als Sachleistung infolge der Genehmigungsfiktion hatte und spätestens zum Zeitpunkt der Leistungsablehnung mit Bescheid vom 13. Januar 2015 berechtigt war, diese Operationen in einer Privatklinik im Inland durchführen zu lassen - zu einem Preis, der wohl deutlich über den vorliegend geltend gemachten 4.200,- EUR gelegen hätte. Dennoch gebietet der Vorrang des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V vor Sachleistungs- und Kostenerstattungsansprüchen des 3. Kapitels des SGB V ein Ruhen auch eines Anspruchs infolge einer Genehmigungsfiktion im Falle eines vorübergehenden Auslandsaufenthaltes.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs. 1 SGG.
Der Senat hat die Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG zugelassen. Zur Anwendung der Genehmigungsfiktion gemäß § 13 Abs. 3a Satz 6 SGB V auf Kostenerstattungsansprüche infolge der Inanspruchnahme von Leistungen im Ausland, insbesondere zum Verhältnis der Normen § 16 Abs. 1 Nr. 1 SGB V und § 13 Abs. 3a Satz 6 und 7 SGB V liegt bisher keine höchstrichterliche Rechtsprechung vor.
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