S 8 KR 224/14

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 8 KR 224/14
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 1 KR 484/15
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Frage der Rechtmäßigkeit der Übermittlung von Daten durch die Beklagte an die Finanzverwaltung, die Meldung von Prämienzahlungen von je 100 EUR in den Jahren 2013 und 2014.

Der Kläger ist seit November 2010 Mitglied der Beklagten aufgrund einer versicherungspflichtigen Beschäftigung. Er forderte die Beklagte mit Schreiben vom 24.6.2013 auf, zu bestätigen, dass keine Daten an das Finanzamt mitgeteilt würden. Am 25.6.2013 löste er den Scheck der Beklagten über 100 EUR ein, bei dem es sich um eine satzungsgemäße Prämienzahlung der Beklagten (§ 242 SGB V) handelte. Im weiteren Verlauf kam es zum Schriftwechsel zwischen den Beteiligten mit erläuternden Schreiben der Beklagten zu Rechtslage und Rechtsgrundlage der Datenübermittlung von Beiträgen und Prämien ans Finanzamt sowie Aufforderungen des Klägers, die Datenübermittlung zu unterlassen und dies zu bestätigen.

Am 12.1.2014 teilte die Beklagte die Auszahlung der Prämie von 100 EUR im Juni 2013 dem Finanzamt mit und informierte den Kläger hierüber im Februar 2014. Mit Schreiben vom 24.2.2014 informierte die Beklagte den Kläger erneut über Rechtsgrundlagen zur Datenübermittlung und teilte ihm konkret mit, dass mit Datenübermittlung vom 12.1.2014 die Höhe der gezahlten Prämie für das Jahr 2013 (Einlösen des Schecks am 25.6.2013) an das Finanzamt gemeldet worden sei. Das Schreiben war mit einer Rechtsbehelfsbelehrung versehen.

Der Kläger hat im März 2014 Klage erhoben, mit der er im Wesentlichen die Feststellung begehrt, dass sie Datenübermittlung an das Finanzamt rechtswidrig gewesen sei, verbunden mit verschiedenen Folgeanträgen wie die Verpflichtung zu einer Unterlassungserklärung, Schadensersatzleistungen und disziplinarrechtlichen Konsequenzen. Das gleiche Begehren hat er auch für die während des Klageverfahrens erfolgte Mitteilung über die Prämienzahlung im Dezember 2014 geltend gemacht. Mit Schreiben von Februar 2015 und vom 11.6.2015 hatte die Beklagte ihn über die Mitteilung nach dem Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung an das Finanzamt über die Prämienzahlungen im Jahr 2014 informiert. Der Kläger macht geltend, dass die Mitteilungen der Beklagten an das Finanzamt rechtswidrig seien, da die gesetzlich bestimmten Voraussetzungen für eine Übermittlung nicht vorlagen und nicht vorliegen. Die Einwilligungsfiktion aus § 10 Abs. 2 S. 3 EStG sei vorliegend nicht einschlägig, da der Wortlaut des Gesetzes nur für Beiträge gelte, die "mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung oder der Rentenbezugsmitteilung übermittelt werden", und damit ausdrücklich nicht für Beitragserstattungen, die an seinem Arbeitgeber vorbei laufen würden. Die "Hinweise zur Datenübermittlung nach dem Gesetz zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung)" würden ebenfalls keine ausreichende Rechtsgrundlage zur Ermächtigung der Krankenkasse darstellen. § 10 Abs. 2 S. 3 EStG stelle keine "Generalvollmacht" für die Datenübermittlung dar, da sich diese Vorschrift mit ihrem zweiten Halbsatz lediglich auf "die Beiträge" und damit auf die Beiträge auf der elektrischen Lohnsteuerbescheinigung beziehe (" wenn die Beiträge mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung übermittelt werden"). Des Weiteren sei es grotesk und widersprüchlich, wenn nach dieser Vorschrift einerseits ein Widerspruch eingelegt werden könne, der dann aber der "Fiktion der Einwilligung" weichen müsse und unwirksam sei. Jedenfalls sei mit dieser Bestimmung in dem von der Beklagten gehandhabten Sinne das Grundrecht der Versicherten auf informationelle Selbstbestimmung mit Füßen getreten.

Der Kläger beantragt,

1. festzustellen, dass die seitens der Beklagten durchgeführte Datenübermittlung an die Finanzverwaltung rechtswidrig war, soweit sich diese Übermittlung auf die sog. Beitragserstattungen/ "Prämien Mitglied" aus Juni 2013 und Dezember 2014 bezieht,

2. die Beklagte zur Stornierung der durchgeführten Datenübermittlung zu verurteilen,

3. die Beklagte unter Androhung eines vom Gericht festzusetzenden Ordnungsgeldes zu verpflichten, zukünftig jegliche Datenübermittlung an die Finanzverwaltung zu unterlassen, soweit diese Daten zukünftige Beitragserstattungen oder aber andere Zahlungen betreffen, die nicht über die elektronische Lohnsteuerbescheinigung durch den Arbeitgeber übermittelt werden und eine Einwilligung des Klägers nicht vorliegt,

4. die Beklagte zur Herausgabe sämtlicher persönlicher Daten des Klägers sowie zur Herausgabe sämtlicher Informationen zu Herkunft, Verwendung, Zweck und bisheriger Weitergabe zu verurteilen,

5. die Beklagte dem Grunde nach dem Kläger gegenüber zur Leistung von Schadensersatz gemäß §§ 823 ff. BGB, hilfsweise zum Aufwendungsersatz gemäß § 683 BGB zu verurteilen,

6. die Beklagte zur Einleitung disziplinar- bzw. arbeitsrechtlicher Verfahren gegen die für die Datenübermittlung Verantwortlichen (wegen der Übermittlung) sowie gegen deren Vorgesetzte (wegen Verletzung der Dienstaufsicht) zu verurteilen, und

7. die Rechtswidrigkeit bzw. Ungültigkeit der "Hinweise zur Datenübermittlung nach dem Gesetz zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung)" des GKV-Spitzenverbands festzustellen bzw. feststellen zu lassen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hält die Datenübermittlung für rechtmäßig. Des Weiteren habe der Kläger mit Datum vom 24.2.2014 einen Bescheid über die Rechtmäßigkeit der Datenübermittlung zugesandt bekommen, gegen den er keinen Widerspruch eingelegt habe.

Zur weiteren Sachdarstellung wird auf die zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätze und Unterlagen der Beteiligten sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die als Fortsetzungsfeststellungsklage auch ohne durchgeführtes Widerspruchsverfahren zulässige Klage ist unbegründet.

Die Beklagte stützt sich zur erfolgten Datenübermittlung an die Finanzverwaltung zutreffend auf die Vorschriften des § 71 Abs. 1 Nr. 4 SGB X und § 10 Abs. 2 S. 3 HS 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG). Gemäß § 10 Abs. 2 S. 3 HS 2 EStG gilt die Einwilligung zur Datenübermittlung "für alle sich aus dem Versicherungsverhältnis ergebenden Zahlungsverpflichtungen" als erteilt, wenn die Beiträge mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung übermittelt werden. Mit dieser Formulierung hat der Gesetzgeber klargestellt, dass sich entgegen dem Standpunkt des Klägers die fingierte Einwilligung nicht nur auf die Beiträge, sondern z.B. auch auf Zusatzbeiträge und auf Beitragserstattungen und Prämienzahlungen - wie vorliegend - erstreckt (Blümich, Kommentar zum EStG, § 10 EStG, Rn. 230; vgl. auch des BT-Drucks. 16/12254, S. 23f.).

Dementsprechend und parallel regelt § 71 Abs. 1 Nr. 4 SGB X im Sozialgesetzbuch die Rechtsgrundlage für die Zulässigkeit der Übermittlung der Sozialdaten zur Gewährung und Prüfung des Sonderausgabenabzugs nach § 10 EStG.

Soweit der Kläger für den Fall der Einschlägigkeit der einfachgesetzlichen Grundlagen eine Verletzung des Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung geltend macht, konnte dies zu keiner anderen Entscheidung führen. Das Gericht hat keine durchgreifenden verfassungsrechtlichen Bedenken gesehen. Die Übermittlung der Daten zur Prämienzahlung dient der Vervollständigung der Daten für die absetzbaren Vorsorgeaufwendungen. Anders als in dem Fall, in dem die Beiträge dem Finanzamt nicht mittels elektronischer Lohnsteuerbescheinigung übermittelt werden und positiv die Einwilligung des Steuerpflichtigen gegenüber der Krankenkasse erforderlich ist (§ 10 Abs. 2 S. 3 HS 1 EStG), erscheint der Eingriff ins informationelle Selbstbestimmungsrecht aufgrund der fiktiven Einwilligung jedenfalls noch verhältnismäßig und verfassungsgemäß, da dem Finanzamt mit der elektronischen Lohnsteuerbescheinigung ohnedies die Beitragsdaten von dritter Seite (dem Arbeitgeber) gemeldet sind und die hier streitigen Daten insoweit lediglich der Vervollständigung dieser bereits bekannten Daten dienen.

Mit der Unterscheidung des § 10 Abs. 2 S. 3 EStG in Einwilligungsfälle mit und ohne elektronische Lohnsteuerbescheinigung ist auch der vom Kläger angeführte "von vornherein unwirksame Widerspruch", "ein Placebo" erklärt. Denn der Gesetzgeber differenziert insoweit zwischen den Fällen, in denen keine automatische Mitteilung von dritter Seite über die gezahlten Beiträge erfolgt (Widerspruch möglich bzw. Einwilligung erforderlich, § 10 Abs. 2 S. 3 HS 1 EStG) und den Fällen, in denen diese Datenübermittlung bereits automatisch mittels elektronischer Lohnsteuerbescheinigung erfolgt (fingierte Einwilligung, § 10 Abs. 2 S. 3 HS 2 EStG).

Da der Klageantrag zu 1. unbegründet ist, sind daraus folgend auch die Folgeanträge zu 2., 3., 5., 6., 7 ... Auf die Frage der Rechtswidrigkeit der "Hinweise zur Datenübermittlung nach dem Gesetz zur steuerlichen Berücksichtigung von Vorsorgeaufwendungen durch die gesetzliche Krankenversicherung (Bürgerentlastungsgesetz Krankenversicherung)" des GKV-Spitzenverbandes kommt es aus den angeführten Gründen nicht mehr an. Bereits die gesetzlichen Vorschriften stellen eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für die Übermittlung von Daten zu Prämienzahlungen wie vorliegend dar. Darüber hinaus liegt eine - vom Kläger geltend gemacht - Rechtswidrigkeit dieser Hinweise aus den angeführten Gründen nicht nahe.

Der Klageantrag zu 4. ist unzulässig. Über die Herausgabe sämtlicher persönlicher Daten des Klägers ist weder ein Verwaltungsverfahren noch ein Widerspruchsverfahren mit Ausgangsbescheid und Widerspruchsbescheid durchgeführt worden.

Die Kostentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Rechtskraft
Aus
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