Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 79 KA 87/11
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 50/13
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 6 KA 4/18 B
Datum
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Dem Rechtsbegriff "Erlöschen" kommt im SGB V nur eine zukunftsgerichtete Wirkung zu.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2013 geändert. Der Bescheid der Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 wird aufgehoben, soweit Honorarbescheide für das Jahr 2006 aufgehoben und Leistungen für das Jahr 2006 zurückgefordert wurden. Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 7/12 und die Klägerin zu 5/12. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin zur Rückzahlung von Honorar verpflichtet ist, weil sie gegen Vereinbarungen in einem gerichtlichen Vergleich verstoßen hat.
Die klagende Berufsausübungsgemeinschaft, die im streitigen Zeitraum (Quartale I/06 bis IV/07) aus einem Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie (Dr. S), einer Fachärztin für Innere Medizin ohne Schwerpunktbezeichnung (Frau P) sowie zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin (Dr. H, DM K) bestand, nimmt seit vielen Jahren an der vertragsärztlichen Versorgung teil und betreibt an zwei Standorten im B Stadtteil H eine Dialysepraxis. Darüber hinaus verfügte die Praxis über eine von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin wiederholt erteilte Abrechnungsgenehmigung für Leistungen der zentralisierten Heimdialyse (6 Behandlungsplätze) für eine ca. 25 km entfernte Betriebsstätte auf dem Gelände des Krankenhauses in S (Land Brandenburg). Nachdem es zwischen den Beteiligten aufgrund gewandelter Rechtsauffassung der Beklagten zu einem Streit über die Verlängerung dieser Abrechnungsgenehmigung gekommen war, schlossen die damaligen Praxisinhaber (Dres. S und eine, Frau P) und die Beklagte – jeweils unter Beteiligung der KV Brandenburg – vor dem Sozialgericht Berlin zwei Vergleiche. Im Verfahren S 79 KA 199/03 verpflichtete sich die Beklagte, eine auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2005 befristete Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrages gemäß der Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge für die S Betriebsstätte zu erteilen. Im Verfahren S 71 KA 161/03 schlossen die Beteiligten am 30. November 2005 folgenden (nicht widerrufenen) Vergleich:
1. Die Beklagte und die KV Brandenburg sind sich darüber einig, dass die Kläger in der Betriebsstätte S, P, weiterhin bis zum 30. November 2008 LC Dialyse – wie bisher – erbringen und abrechnen dürfen, und zwar nur für die Patienten, die zum letzten Zeitpunkt bereits in S dialysiert wurden. Die Möglichkeit, diese Leistungen zu erbringen und abzurechnen, gilt nicht für Patienten, die bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht in S dialysiert worden sind.
2. Die Kläger verpflichten sich, unverzüglich eine Patientenliste der von ihnen in S dialysierten Patienten vorzulegen. Ferner verpflichten sie sich, diese Liste im Dezember 2006 und Dezember 2007 erneut vorzulegen, damit erkennbar ist, ob weiterhin alle Patienten dialysepflichtig sind.
3. Die Kläger sind sich darüber im Klaren, dass bei einem Verstoß gegen Ziffer 1 diese hier getroffene Vereinbarung erlischt und als Folge für sämtliche in der Betriebsstätte S erbrachten Dialyseleistungen kein Vergütungsanspruch mehr besteht.
4. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
5. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass dieses Verfahren sowie das Verfahren S 79 KA 199/03 hiermit erledigt sind.
6. Die Beteiligten und die KV Brandenburg behalten sich den Widerruf dieser Vereinbarung vor bis zum 14. Dezember 2005 (Eingang bei Gericht).
Nachdem die Beklagte Hinweise der KV Brandenburg erhalten hatte, wonach die Klägerin in ihrer S Betriebsstätte auch Versicherte dialysiere, die sich am 30. November 2005 dort noch nicht in Behandlung befunden hätten, leitete sie weitere Ermittlungen hierzu ein. In diesem Zusammenhang erhielt sie eine undatierte Erklärung des 1926 geborenen, 2011 verstorbenen Versicherten St, derzufolge er nach seiner Ent¬lassung aus dem Krankenhaus S am 4. Januar 2007 bis zum 31. August 2007 ausschließlich in der klägerischen Praxis am Krankenhaus S dialysiert und behandelt worden sei. Unter dem 5. Dezember 2007 erklärte eine Frau M, dass sie den Versicherten St im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der häuslichen Krankenpflege mitbetreue und er in der klägerischen Dialysepraxis in S dialysiert worden sei. Unter dem 26. August 2008 erklärten die beiden – zwischenzeitlich ebenfalls verstorbenen – Versicherten H und Sch wortgleich, dass sie seit dem 1. März bzw. 1. November 2006 "nahezu ausschließlich in der Dialyse [der Klägerin] in S behandelt" worden seien und erst in den letzten Wochen die Behandlung in H erfolgt sei. Später (unter dem 8. Oktober 2010) erklärte die Versicherte Sch, Dr. F und Frau Dr. Ge – diese Ärzte betrieben gemeinsam, u.a. in S, eine Dialysepraxis – hätten sie zur Unterschrift unter ein Schreiben aufgefordert, in dem Stellung zur Dialyse in S bezogen werde. Sie könne den Inhalt und die Bedeutung des Schreibens nicht nachvollziehen und durch ihre Nervenerkrankung auch keine sicheren Aussagen treffen. Sie widerrufe die Aussagen des Schreibens und möchte keine Stellungnahme abgeben. Alle drei o.g. Patientinnen und Patienten wohnten zuletzt in S und werden auf den von Klägerin nach Ziffer 2 des Vergleichs vorzulegenden Listen nicht aufgeführt.
Die Klägerin – von der Beklagten mit diesem Vorwurf bezüglich des Versicherten St konfrontiert – behauptete zunächst (Schreiben an die Beklagte vom 20. Dezember 2007), dass der versicherte St nur "während des stationären und stationär begleitenden Aufenthaltes" in S von ihrer Kollegin B, ansonsten jedoch in H dialysiert worden sei. Später gab sie an, dass die Behandlungen des Versicherten St im Jahre 2007 nicht durch die Kollegin B, sondern "vielmehr durch mehrere verschiedene Kollegen (u.a. Frau Dr. Ha bzw. Dr. G) erbracht" worden seien. Da die Praxis einheitliche Dialyseprotokolle für alle Behandlungsstätten verwende, lasse sich nicht mehr feststellen, ob dieser Versicherte im Einzelfall in B H oder in S dialysiert worden sei. Ebenfalls sei nicht bekannt, welche Leistungen durch das Krankenhaus bei stationären oder stationär begleitenden Aufenthalten, d.h. bei Durchführung der Wundpflege (Wundheilungsstörung) durch Krankenhausärzte im Einzelfall nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus, abgerechnet worden seien. Auch insofern wäre eine – bisher nicht vorgenommene – Erfassung der Dialyseleistungen sortiert nach den Standorten erforderlich (Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 22. Februar 2008. Die Aussage von Herrn St, er sei ausschließlich in S dialysiert und behandelt worden, sei nachweislich wahrheitswidrig, wie ein ärztliches Attest über eine sonographische Untersuchung vom 6. Februar 2007 – das Sonographiegerät stehe in B – sowie ein Arztbrief des ebenfalls in B ansässigen Facharztes für Nuklearmedizin D über eine am 20. März 2007 durchgeführte Schilddrüsen Szintigraphie belegten. Herr St sei über 80 Jahre alt, leide an einer Demenzerkrankung und hege aus persönlichen Gründen einen Groll gegen die klagende Praxis, weil er dieser die Schuld am (krankheitsbedingten) Entzug seiner Fahrerlaubnis zuschreibe.
Mit Bescheid vom 31. August 2010, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011, hob die Beklagte die Honorarbescheide der Klägerin für die Quartale I/06 bis IV/07 insoweit auf, als sie die Vergütung der in der Betriebsstätte S durchgeführten Dialysen betreffen, und forderte Honorar i.H.v. insgesamt 1.210.487,84 Euro zurück. Die Beklagte ging hierbei davon aus, dass die Patienten St, H und Sch in der S Betriebsstätte nach Abschluss des Vergleichs dialysiert worden seien, obwohl sie zum Zeitpunkt des Vergleichs dort noch nicht dialysiert worden seien und sich ihr Name auch nicht auf der Liste vom 12. De¬zem¬ber 2006 befinde.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 24. April 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Für die Kammer stehe zweifelsfrei fest, dass die Klägerin gegen Ziffer 1. des Vergleichs verstoßen habe. Ausreichend sei, dass der Versicherte St nach Abschluss des Vergleichs am 30. November 2005 einmal in der Dialysepraxis der Klägerin in S dialysiert worden sei. Die Erklärungen dieses Versicherten und von Frau M habe die Klägerin durch ihre höchst widersprüchlichen Einlassungen nicht widerlegen können. Die von der Klägerin angegebenen Ärztinnen könnten die Behandlungen des Versicherten St in den Monaten Januar bis März 2007 nicht durchgeführt haben, weil sie entweder nicht mehr oder noch nicht in der Praxis tätig gewesen seien. Weil die Klägerin verpflichtet gewesen sei, der Beklagten im Dezember 2006 und im Dezember 2007 Listen über die in S dialysierten Patienten vorzulegen, sei es nicht nachvollziehbar, dass sie nicht mehr feststellen könne, an welchem Standort die Dialyseleistungen für den Versicherten St erbracht worden seien. Dass die Versicherte Sch ihre Erklärung vom 26. August 2008 am 8. Oktober 2010 widerrufen habe, entlaste die Klägerin nicht. Entgegen der klägerischen Auffassung habe die Beklagte bei einem Verstoß gegen Ziffer 1. des Vergleichs auch nicht nur die ärztlichen Honorare, sondern auch die Sachkosten zurückfordern dürfen. Dis ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut von Ziffer 3. des Vergleichs.
Gegen dieses ihr am 10. Mai 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 6. Juni 2013, zu deren Begründung sie vorträgt: Der angegriffene Rückforderungsbescheid benenne keine Daten der angeblichen Verstöße gegen den Vergleich. Aufgrund von Kommunikationsmissverständnissen mit ihrem Prozessbevollmächtigten seien versehentlich unrichtige angeblich behandelnde Ärzte benannt worden. Tatsächlich sei die Behandlung von Herrn St in der Regel durch Dr. H oder Dr. S erfolgt. Die Angaben von Herrn St und anderen Patienten zu Behandlungen in der Dialysepraxis S seien in Bezug auf einen angeblichen Verstoß gegen den Vergleich nicht aussagekräftig, weil in derselben Dialyseeinrichtung für das Krankenhaus S auf der Basis von konsiliarärztlichen Vereinbarungen Dialyseleistungen im Rahmen der stationären Behandlung erbracht worden seien. Darüber hinaus werde ausdrücklich in Zweifel gezogen, dass die angeblichen schriftlichen Erklärungen überhaupt von den Patienten stammten bzw. von ihnen unterzeichnet worden seien. Da man wohl davon ausgehen müsse, dass Patienten sehr genau wüssten, wann bei ihnen mit der Dialyse begonnen worden sei, sei es sehr wahrscheinlich, dass die angeblichen Erklärungen gar nicht von den Patienten stammten. Auch befänden sich die (angeblichen) Unterschriften der Patientinnen H und Sch ungewöhnlich rechts auf den Dokumenten platziert; üblicherweise unterschreibe man auf einer – wie hier eindeutig – vorformulierten Erklärung links unterhalb von Ort/Datum. Man könne daher vermuten, dass die Unterschriften auf einem Blankoblatt geleistet und der Text nachträglich eingefügt worden sei. Der Begriff "Vergütungsanspruch" habe objektiv den Erklärungswert, dass das ärztliche Honorar, nicht jedoch die Summe von Honorar- und Sachkosten gemeint gewesen sei. Dies ergebe sich nicht nur aus der "Vereinbarung über die Abgeltung von Kosten für Sach- und Dienstleistungen bei der ambulanten Dialysebehandlung", in welcher die Vergütung im Sinne der Honorierung ärztlicher Leistungen und die Sachkosten eindeutig getrennt seien, sondern auch aus den Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes – EBM – (Kapitel I. Allgemeine Bestimmungen Ziffer 7).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat – soweit noch möglich – Unterlagen beigezogen, die Auskunft über Fahrkostenbewilligungen im Zusammenhang mit Dialyse-Behandlungen der drei o.g. Versicherten ab Januar 2006 geben können, und den Sohn des Versicherten St, Frank St, in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2017 als Zeugen vernommen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt der Senat auf die Niederschrift über die Sitzung vom 18. Oktober 2017 Bezug.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit sie Honorarbescheide für das Jahr 2006 ändern und für dieses Jahr Honorar zurückfordern.
I. Rechtsgrundlage für die Bescheide vom 31. August 2010 und 18. Januar 2011 ist der Vergleich vom 30. November 2005 i.V.m. den Bestimmungen über die Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106a Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch - SGB V in der bis zum 31. Dezember 2016, hier maßgeblichen Fassung). Weil die Klägerin ab Januar 2007 gegen ihre Verpflichtung aus diesem Vergleich verstoßen hat, künftig keine Versicherten in S zu dialysieren, die bislang nicht bereits dort dialysiert wurden (hierzu 1. und 2.), ist sie verpflichtet, die gesamte Vergütung einschließlich der Sachkosten für die Behandlung von Versicherten an diesem Standort ab dem 1. Januar 2007 zurückzuzahlen (hierzu 3.). In diesem Umfang durfte die Beklagte die Honorarbescheide der Klägerin für die streitigen Quartale im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung teilweise aufheben.
1. Die Klägerin hat den Versicherten St erstmals nach dem 30. November 2005 in ihrer Betriebsstätte in S dialysiert. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund der Beweisaufnahme. Dass dieser Versicherte bereits vor dem 30. November 2005 in S dialysiert wurde, hat die Klägerin zu keiner Zeit behauptet. Dass er nach diesem Zeitpunkt in S im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung dialysiert wurde, steht zur Überzeugung des Senats aufgrund folgende Umstände und Überlegungen fest:
a. Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 20. Dezember 2007 eingeräumt, den Versicherten St in ihren Räumen in S dialysiert zu haben, dies jedoch auf einen "stationären und stationär begleitenden" Aufenthalt in S begrenzt. Die Dialyse für diesen Versicherten während seines stationären Aufenthaltes bis zum 4. Januar 2017 ist indes nicht der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sind allgemeine Krankenhausleistungen diejenigen Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Unter diesen Voraussetzungen gehören dazu die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG), nicht aber eine Dialyse, wenn hierdurch eine entsprechende Behandlung fortgeführt wird, das Krankenhaus keine eigene Dialyseeinrichtung hat und ein Zusammenhang mit dem Grund der Krankenhausbehandlung nicht besteht (§ 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG). Diese Voraussetzungen lagen nicht vor, weil der Versicherte St nach dem seinen Aufenthalt bis zum 4. Januar 2007 betreffenden Entlassungsbericht des Krankenhauses am 2. Januar 2007 erstmals dialysiert und somit keine Dialyse fortgeführt wurde. Die Erstdialyse war daher Bestandteil der stationären Behandlung.
Dass die Klägerin diese Erstdialyse über die Gebührenordnungsposition 13602 ("Kontinuierliche Betreuung eines dialysepflichtigen Patienten") des EBM für das Quartal I/06 gleichwohl gegenüber der Beklagten abrechnete – wie sich aus dem entsprechenden Abrechnungsschein ergibt –, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit liegt eine einzelne Fehlabrechnung vor, die zwar sachlich-rechnerisch berichtigt werden darf und muss, aber nicht den Rückschluss zulässt, auch die für die Folgezeit erbrachten und abgerechneten Dialysen dieses Versicherten seien in den Räumlichkeiten der Klägerin in S durchgeführt worden.
b. Keine Rückschlüsse auf den Ort der Dialyse ergeben sich aus den vom Senat eingeholten Unterlagen bezüglich der Krankenfahrten des Versicherten St im Zusammenhang mit den Dialysebehandlungen. Denn die Krankenkasse hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sie Krankenfahrten nur bis zur nächsterreichbaren Dialysemöglichkeit – bei der Klägerin in S – bewillige, dies aber nicht ausschließe, dass der Versicherte tatsächlich bis nach Berlin gefahren worden sei. Das vom Senat befragte Fuhrunternehmen konnte keine Angaben zum Sachverhalt mehr machen.
Dass der Facharzt für Nuklearmedizin D den Versicherten St im März 2007 in seiner Praxis in B-H behandelt hat, schließt entgegen der klägerischen Ansicht nicht aus, dass er (zumindest einmal) in S dialysiert wurde.
c. Dass der Versicherte St nach dem 4. Januar 2007 zumindest auch in den Ser Räumlichkeiten der Klägerin dialysiert wurde, entnimmt der Senat der glaubwürdigen Aussage des Zeugen F. St.
Nach dessen Angaben wurde bei seinem Vater die Dialyse ab dem Jahre 2006 in Räumlichkeiten auf dem Gelände des Krankenhauses S durchgeführt. Weil die "Praxis Dr. S" in S habe "zumachen müssen" – die Namen "Dr. S und Dr. H" seien öfter gefallen –, habe sein Vater danach für kurze Zeit in B-H behandelt werden müssen. Schließlich sei, weil er wieder in S habe dialysiert werden wollen, seine Behandlung in der F-Straße in S fortgeführt worden. Den Namen der Praxis konnte der Zeuge nicht benennen, weil sein Vater sich hierzu aufgrund fortschreitender Demenz nicht klar geäußert habe.
Aufgrund dieser Angaben steht für den Senat fest, dass die Klägerin den Versicherten St – von der Behandlung während des o.g. stationären Aufenthalts abgesehen – zumindest auch in ihren Räumen in S dialysiert hat. Denn zum einen konnte sich der Zeuge daran erinnern, dass diese Behandlung "in dem Gebäude des Krankenhauses" stattfand (das Krankenhaus in S verfügte damals über keine eigenen Dialyseeinrichtungen). Zum anderen passen seine weiteren Angaben – Schließung der Praxis von Dr. S auf dem Krankenhausgelände S, deshalb zunächst Weiterbehandlung in B-H, schließlich Fortsetzung der Behandlung in der F-Straße in S (wo sich Praxisräume der Dialysepraxis Dr. F u.a. befanden und befinden) – hierzu. Mit den dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen (insbesondere den Abrechnungsscheinen), wonach die Klägerin die Dialyse des Versicherten erst ab Januar 2007 durchgeführt hat, nicht in Einklang zu bringen ist lediglich die Behauptung des Zeugen, sein Vater sei bereits ab dem Sommer 2006 dialysiert worden, weil er – der Zeuge – bei seiner Hochzeit in diesem Jahr darauf habe Rücksicht nehmen müssen. Dies spricht nach Auffassung des Senats aber nicht gegen die Glaubhaftigkeit der übrigen Angaben des Zeugen. Denn zum einen ist für die Klärung der Frage, ob die Klägerin entgegen ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 30. November 2005 danach zumindest eine/n Versicherte/n in S erstmalig dialysiert hat, der Zeitpunkt des Verstoßes zweitrangig. Zum anderen war der Zeuge nach dem Gesamteindruck seiner Aussage glaubwürdig. Seine Angaben waren in sich widerspruchsfrei, Unsicherheiten und Erinnerungslücken hat er offen eingeräumt. Ein persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, welches ggf. Grundlage für unwahre Angaben sein könnte, ist nicht erkennbar. Dass sich der Zeuge hinsichtlich des Beginns der Dialyse offensichtlich geirrt hat, belegt vielmehr, dass er aufrichtig und unvoreingenommen ausgesagt und sich seine Angaben nicht "zurechtgelegt" hat.
2. Dass die Klägerin auch die Versicherten H und Sch, die nach den eingereichten Abrechnungsscheinen schon ab Januar bzw. Dezember 2006 dialysiert wurden, in S behandelte, steht zur Überzeugung des Senats nicht fest. Die Versicherte Sch hat ihre ursprüngliche Erklärung widerrufen. Hinsichtlich der Versicherten H existiert nur ihre Erklärung vom 26. August 2008, was nach Auffassung des Senats als alleinige Entscheidungsgrundlage nicht ausreicht.
Die vom Senat eingeleiteten Ermittlungen haben zu keinerlei verwertbaren Ergebnissen geführt. Hinsichtlich der beigezogenen Unterlagen zur Krankenfahrten dieser Versicherten im Zusammenhang mit der Dialyse gilt das oben Gesagte. Eine Vernehmung weiterer Personen schied aus: Der Ehemann der Versicherten H teilte mit, er könne sich nach so langer Zeit an nichts mehr erinnern. Die Tochter der Versicherten Sch gab an, wegen der Ausschlagung des Erbes über keine Unterlagen zu verfügen. Insoweit wirkt sich zum Nachteil der Beklagten aus, dass sie ihrer Pflicht zur Amtsermittlung nach § 20 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch nicht nachgekommen ist. Sie hätte zeitnah zu den ersten Verdachtsmomenten noch im Jahre 2007 die o.g. Versicherten selbst befragen können und müssen, um so belastbare Informationen "aus erster Hand" zu erhalten (zu den Möglichkeiten der Behörden, nach § 21 SGB X Zeugen zu befragen: Siefert, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A., § 21 Rd. 9ff, 21ff, m.w.N.); stattdessen hat sie sich mit den ihr zugetragenen Informationen begnügt.
3. Wegen der unzulässigen Behandlung des Versicherten St in S war die Beklagte berechtigt, die der Klägerin erteilten Honorarbescheide ab Januar 2007 (hierzu a) aufzuheben, soweit diese die Vergütung der in S erbrachten Leistungen betraf, und das überzahlte Honorar zurückzufordern. Aufhebung und Rückforderung durfte sie auch auf die Sachkosten erstrecken (hierzu b).
a. Ein Verstoß der Klägerin gegen ihre Pflichten aus Ziffer 1 des Vergleichs vom 30. November 2005 hat "nur" zur Folge, dass dessen Wirkungen ex nunc, d.h. ab dem Quartal, in dem der Verstoß begangen wurde, entfallen. Eine ex-tunc-Wirkung war nach dem Wortlaut des Vergleichs hingegen nicht beabsichtigt. Dies entnimmt der Senat der Verwendung des Begriffs "erlischt" in Ziffer 3 der Vereinbarung. Ein Blick auf die Verwendung des Rechtsbegriffs "Erlöschen" im SGB V belegt, dass ihm stets nur eine zukunftsgerichtete Wirkung innewohnt, und zwar unabhängig davon, ob eine Versicherung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V), ein Anspruch (§ 19 Abs. 1, § 85 Abs. 4f Satz 2 SGB V), eine Ermächtigung (§ 95 Abs. 11 Satz 5 SGB V) oder eine Akkreditierung (§ 126 Abs. 2 Sätze 3 und 5 SGB V) "erlischt". Hätten die Vergleichsparteien auch eine Rückwirkung gewollt, hätte die Verwendung anderer Begriffe, z.B. "entfällt", nahe gelegen. Soweit die Beklagte auch die Honorarbescheide für das Jahr 2006 teilweise aufgehoben und Honorar zurückgefordert hat, war sie hierzu nach dem Vergleich vom 30. November 2005 nicht berechtigt. Insoweit waren ihre Bescheide vom 31. August 2010 und 18. Januar 2011 und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts aufzuheben.
b. Infolge der Behandlung des Versicherten St in S ab Januar 2007 bestand für keine der ab dem Quartal I/07 dort erbrachten Dialyseleistungen ein Vergütungsanspruch der Klägerin mehr. "Vergütungsanspruch" i.S.v. Ziffer 3 des Vergleichs meint entgegen der klägerischen Auffassung nicht nur den Anspruch auf das gerade für ärztliche Leistungen gezahlte Honorar, sondern umfasst den gesamten "Vergütungsanspruch", der der Klägerin für die Quartale I/07 bis IV/07 gegenüber der Beklagten zusteht und demnach auch den Erstattungsanspruch für Sachkosten umfasst. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz) und verweist auf diese. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin überzeugen nicht.
aa. Nach Ziffer 3 des Vergleichs sollte der Vergütungsanspruch "für sämtliche in der Betriebsstätte S erbrachten Dialyseleistungen" entfallen. Eine Beschränkung auf den Vergütungsanspruch nur für ärztliche Dialyseleistungen wurde gerade nicht vereinbart.
bb. Dass der Begriff der vertragsärztlichen Vergütung zumindest im Regelfall auch die Sachkosten(erstattung) umfasst, ergibt sich schon aus den die vertragsärztliche Vergütung regelnden gesetzlichen Bestimmungen. So wurde § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V ("Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen.") durch das GKV-Versorgungs¬stärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 (BGBl. I, 1211) die Worte "im ärztlichen Bereich einschließlich der Sachkosten" angefügt. Diese Ergänzung wurde in den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GKV-VSG, BR-Drs. 641/14, S. 110f) damit begründet, dass zur Bündelung der Zuständigkeit für die bundeseinheitlich zu entscheidenden Fragen der vertragsärztlichen Vergütung das Leistungssegment der Dialysesachkostenpauschalen künftig durch den Bewertungsausschuss bestimmt werde. Auch wenn diese Gesetzesänderung lange Zeit nach den streitigen Quartalen beschlossen wurde, belegt sie doch das Verständnis des Gesetzgebers, wonach auch (Dialyse-)Sachkosten schon immer zur vertragsärztlichen Vergütung zählten.
cc. Der Hinweis der Klägerin auf Kapitel I ("Allgemeine Bestimmungen") Ziffer 7 ("Kosten") des EBM in der in den streitigen Quartalen geltenden Fassung geht fehl. Während unter Ziffer 7.1 die – vorbehaltlich einer anderen Bestimmung – in den berechnungsfähigen Leistungen enthaltenen Kosten auflistet, beschreibt Ziffer 7.3 die nicht darin enthaltenen Kostenarten: - Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur weiteren Verwendung behält, - Kosten für Einmalinfusionsbestecke, Einmalinfusionskatheter, Einmalinfusionsnadeln und Einmalbiopsienadeln, - Telefonkosten, die entstehen, wenn der behandelnde Arzt mit dem Krankenhaus zu einer erforderlichen stationären Behandlung Rücksprache nehmen muss. Diese Regelungen führen aber weder die Dialysesachkosten auf noch findet sich darin der Begriff "Vergütung", der eine Abgrenzung oder Gegenüberstellung zum Begriff "Sachkosten" erlauben würde. Auf die Gesamtverträge, nach deren Maßgabe die Kosten nach Ziffer 7.3 abzurechnen sind (Ziffer 7.4), kommt es schon deswegen nicht an, weil für die Erstattung der Dialysesachkosten in Kapitel 40.14 des EBM eine eigenständige Regelung geschaffen wurde. Der von der Klägerin offenbar in Bezug genommenen Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin bzw. dem BKK-Landesverband Ost "über die Abgeltung von Kosten für die Sach- und Dienstleistungen bei der ambulanten Dialysebehandlung durch Vertragsärzte" vom 18. Juni 2001 (https://www.kvberlin.de/20praxis/60vertrag/10vertraege/haemo ldl/archiv/dialyse aok bkk 010701.pdf) ist nicht Gegenteiliges zu entnehmen. Indem deren § 6 gerade für die "Vergütung der ärztlichen Leistungen" auf die Regelungen des Bewertungsmaßstabs für kassenärztliche Leistungen verweist, belegt er, dass der allgemeinere Begriff "Vergütung" nicht per se und in jedem Zusammenhang nur das auf ärztliche Leistungen entfallende Honorar meint.
dd. Der Senat verkennt nicht, dass dieses Ergebnis für die Klägerin mit einer besonderen Härte verbunden sein dürfte, zumal es sich bei den Dialysesachkosten lediglich um durchlaufende Posten handelt (BSG, Urteil vom 09. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R -, juris). Die Auslegung des o.g. Vergleichs lässt jedoch mangels Differenzierung nach Vergütungsbestandteilen das klägerseitig gewünschte Ergebnis nicht zu.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Frage, ob die Klägerin zur Rückzahlung von Honorar verpflichtet ist, weil sie gegen Vereinbarungen in einem gerichtlichen Vergleich verstoßen hat.
Die klagende Berufsausübungsgemeinschaft, die im streitigen Zeitraum (Quartale I/06 bis IV/07) aus einem Facharzt für Innere Medizin mit dem Schwerpunkt Nephrologie (Dr. S), einer Fachärztin für Innere Medizin ohne Schwerpunktbezeichnung (Frau P) sowie zwei Fachärzten für Allgemeinmedizin (Dr. H, DM K) bestand, nimmt seit vielen Jahren an der vertragsärztlichen Versorgung teil und betreibt an zwei Standorten im B Stadtteil H eine Dialysepraxis. Darüber hinaus verfügte die Praxis über eine von der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KV) Berlin wiederholt erteilte Abrechnungsgenehmigung für Leistungen der zentralisierten Heimdialyse (6 Behandlungsplätze) für eine ca. 25 km entfernte Betriebsstätte auf dem Gelände des Krankenhauses in S (Land Brandenburg). Nachdem es zwischen den Beteiligten aufgrund gewandelter Rechtsauffassung der Beklagten zu einem Streit über die Verlängerung dieser Abrechnungsgenehmigung gekommen war, schlossen die damaligen Praxisinhaber (Dres. S und eine, Frau P) und die Beklagte – jeweils unter Beteiligung der KV Brandenburg – vor dem Sozialgericht Berlin zwei Vergleiche. Im Verfahren S 79 KA 199/03 verpflichtete sich die Beklagte, eine auf die Zeit bis zum 31. Dezember 2005 befristete Genehmigung zur Übernahme des Versorgungsauftrages gemäß der Anlage 9.1 der Bundesmantelverträge für die S Betriebsstätte zu erteilen. Im Verfahren S 71 KA 161/03 schlossen die Beteiligten am 30. November 2005 folgenden (nicht widerrufenen) Vergleich:
1. Die Beklagte und die KV Brandenburg sind sich darüber einig, dass die Kläger in der Betriebsstätte S, P, weiterhin bis zum 30. November 2008 LC Dialyse – wie bisher – erbringen und abrechnen dürfen, und zwar nur für die Patienten, die zum letzten Zeitpunkt bereits in S dialysiert wurden. Die Möglichkeit, diese Leistungen zu erbringen und abzurechnen, gilt nicht für Patienten, die bis zum heutigen Zeitpunkt noch nicht in S dialysiert worden sind.
2. Die Kläger verpflichten sich, unverzüglich eine Patientenliste der von ihnen in S dialysierten Patienten vorzulegen. Ferner verpflichten sie sich, diese Liste im Dezember 2006 und Dezember 2007 erneut vorzulegen, damit erkennbar ist, ob weiterhin alle Patienten dialysepflichtig sind.
3. Die Kläger sind sich darüber im Klaren, dass bei einem Verstoß gegen Ziffer 1 diese hier getroffene Vereinbarung erlischt und als Folge für sämtliche in der Betriebsstätte S erbrachten Dialyseleistungen kein Vergütungsanspruch mehr besteht.
4. Die Kosten werden gegeneinander aufgehoben.
5. Die Beteiligten sind sich darüber einig, dass dieses Verfahren sowie das Verfahren S 79 KA 199/03 hiermit erledigt sind.
6. Die Beteiligten und die KV Brandenburg behalten sich den Widerruf dieser Vereinbarung vor bis zum 14. Dezember 2005 (Eingang bei Gericht).
Nachdem die Beklagte Hinweise der KV Brandenburg erhalten hatte, wonach die Klägerin in ihrer S Betriebsstätte auch Versicherte dialysiere, die sich am 30. November 2005 dort noch nicht in Behandlung befunden hätten, leitete sie weitere Ermittlungen hierzu ein. In diesem Zusammenhang erhielt sie eine undatierte Erklärung des 1926 geborenen, 2011 verstorbenen Versicherten St, derzufolge er nach seiner Ent¬lassung aus dem Krankenhaus S am 4. Januar 2007 bis zum 31. August 2007 ausschließlich in der klägerischen Praxis am Krankenhaus S dialysiert und behandelt worden sei. Unter dem 5. Dezember 2007 erklärte eine Frau M, dass sie den Versicherten St im Rahmen ihrer Tätigkeit bei der häuslichen Krankenpflege mitbetreue und er in der klägerischen Dialysepraxis in S dialysiert worden sei. Unter dem 26. August 2008 erklärten die beiden – zwischenzeitlich ebenfalls verstorbenen – Versicherten H und Sch wortgleich, dass sie seit dem 1. März bzw. 1. November 2006 "nahezu ausschließlich in der Dialyse [der Klägerin] in S behandelt" worden seien und erst in den letzten Wochen die Behandlung in H erfolgt sei. Später (unter dem 8. Oktober 2010) erklärte die Versicherte Sch, Dr. F und Frau Dr. Ge – diese Ärzte betrieben gemeinsam, u.a. in S, eine Dialysepraxis – hätten sie zur Unterschrift unter ein Schreiben aufgefordert, in dem Stellung zur Dialyse in S bezogen werde. Sie könne den Inhalt und die Bedeutung des Schreibens nicht nachvollziehen und durch ihre Nervenerkrankung auch keine sicheren Aussagen treffen. Sie widerrufe die Aussagen des Schreibens und möchte keine Stellungnahme abgeben. Alle drei o.g. Patientinnen und Patienten wohnten zuletzt in S und werden auf den von Klägerin nach Ziffer 2 des Vergleichs vorzulegenden Listen nicht aufgeführt.
Die Klägerin – von der Beklagten mit diesem Vorwurf bezüglich des Versicherten St konfrontiert – behauptete zunächst (Schreiben an die Beklagte vom 20. Dezember 2007), dass der versicherte St nur "während des stationären und stationär begleitenden Aufenthaltes" in S von ihrer Kollegin B, ansonsten jedoch in H dialysiert worden sei. Später gab sie an, dass die Behandlungen des Versicherten St im Jahre 2007 nicht durch die Kollegin B, sondern "vielmehr durch mehrere verschiedene Kollegen (u.a. Frau Dr. Ha bzw. Dr. G) erbracht" worden seien. Da die Praxis einheitliche Dialyseprotokolle für alle Behandlungsstätten verwende, lasse sich nicht mehr feststellen, ob dieser Versicherte im Einzelfall in B H oder in S dialysiert worden sei. Ebenfalls sei nicht bekannt, welche Leistungen durch das Krankenhaus bei stationären oder stationär begleitenden Aufenthalten, d.h. bei Durchführung der Wundpflege (Wundheilungsstörung) durch Krankenhausärzte im Einzelfall nach einer Entlassung aus dem Krankenhaus, abgerechnet worden seien. Auch insofern wäre eine – bisher nicht vorgenommene – Erfassung der Dialyseleistungen sortiert nach den Standorten erforderlich (Schreiben des Prozessbevollmächtigten der Kläger vom 22. Februar 2008. Die Aussage von Herrn St, er sei ausschließlich in S dialysiert und behandelt worden, sei nachweislich wahrheitswidrig, wie ein ärztliches Attest über eine sonographische Untersuchung vom 6. Februar 2007 – das Sonographiegerät stehe in B – sowie ein Arztbrief des ebenfalls in B ansässigen Facharztes für Nuklearmedizin D über eine am 20. März 2007 durchgeführte Schilddrüsen Szintigraphie belegten. Herr St sei über 80 Jahre alt, leide an einer Demenzerkrankung und hege aus persönlichen Gründen einen Groll gegen die klagende Praxis, weil er dieser die Schuld am (krankheitsbedingten) Entzug seiner Fahrerlaubnis zuschreibe.
Mit Bescheid vom 31. August 2010, bestätigt durch den Widerspruchsbescheid vom 18. Januar 2011, hob die Beklagte die Honorarbescheide der Klägerin für die Quartale I/06 bis IV/07 insoweit auf, als sie die Vergütung der in der Betriebsstätte S durchgeführten Dialysen betreffen, und forderte Honorar i.H.v. insgesamt 1.210.487,84 Euro zurück. Die Beklagte ging hierbei davon aus, dass die Patienten St, H und Sch in der S Betriebsstätte nach Abschluss des Vergleichs dialysiert worden seien, obwohl sie zum Zeitpunkt des Vergleichs dort noch nicht dialysiert worden seien und sich ihr Name auch nicht auf der Liste vom 12. De¬zem¬ber 2006 befinde.
Die hiergegen gerichtete Klage hat das Sozialgericht mit Urteil vom 24. April 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Für die Kammer stehe zweifelsfrei fest, dass die Klägerin gegen Ziffer 1. des Vergleichs verstoßen habe. Ausreichend sei, dass der Versicherte St nach Abschluss des Vergleichs am 30. November 2005 einmal in der Dialysepraxis der Klägerin in S dialysiert worden sei. Die Erklärungen dieses Versicherten und von Frau M habe die Klägerin durch ihre höchst widersprüchlichen Einlassungen nicht widerlegen können. Die von der Klägerin angegebenen Ärztinnen könnten die Behandlungen des Versicherten St in den Monaten Januar bis März 2007 nicht durchgeführt haben, weil sie entweder nicht mehr oder noch nicht in der Praxis tätig gewesen seien. Weil die Klägerin verpflichtet gewesen sei, der Beklagten im Dezember 2006 und im Dezember 2007 Listen über die in S dialysierten Patienten vorzulegen, sei es nicht nachvollziehbar, dass sie nicht mehr feststellen könne, an welchem Standort die Dialyseleistungen für den Versicherten St erbracht worden seien. Dass die Versicherte Sch ihre Erklärung vom 26. August 2008 am 8. Oktober 2010 widerrufen habe, entlaste die Klägerin nicht. Entgegen der klägerischen Auffassung habe die Beklagte bei einem Verstoß gegen Ziffer 1. des Vergleichs auch nicht nur die ärztlichen Honorare, sondern auch die Sachkosten zurückfordern dürfen. Dis ergebe sich aus dem eindeutigen Wortlaut von Ziffer 3. des Vergleichs.
Gegen dieses ihr am 10. Mai 2013 zugestellte Urteil richtet sich die Berufung der Klägerin vom 6. Juni 2013, zu deren Begründung sie vorträgt: Der angegriffene Rückforderungsbescheid benenne keine Daten der angeblichen Verstöße gegen den Vergleich. Aufgrund von Kommunikationsmissverständnissen mit ihrem Prozessbevollmächtigten seien versehentlich unrichtige angeblich behandelnde Ärzte benannt worden. Tatsächlich sei die Behandlung von Herrn St in der Regel durch Dr. H oder Dr. S erfolgt. Die Angaben von Herrn St und anderen Patienten zu Behandlungen in der Dialysepraxis S seien in Bezug auf einen angeblichen Verstoß gegen den Vergleich nicht aussagekräftig, weil in derselben Dialyseeinrichtung für das Krankenhaus S auf der Basis von konsiliarärztlichen Vereinbarungen Dialyseleistungen im Rahmen der stationären Behandlung erbracht worden seien. Darüber hinaus werde ausdrücklich in Zweifel gezogen, dass die angeblichen schriftlichen Erklärungen überhaupt von den Patienten stammten bzw. von ihnen unterzeichnet worden seien. Da man wohl davon ausgehen müsse, dass Patienten sehr genau wüssten, wann bei ihnen mit der Dialyse begonnen worden sei, sei es sehr wahrscheinlich, dass die angeblichen Erklärungen gar nicht von den Patienten stammten. Auch befänden sich die (angeblichen) Unterschriften der Patientinnen H und Sch ungewöhnlich rechts auf den Dokumenten platziert; üblicherweise unterschreibe man auf einer – wie hier eindeutig – vorformulierten Erklärung links unterhalb von Ort/Datum. Man könne daher vermuten, dass die Unterschriften auf einem Blankoblatt geleistet und der Text nachträglich eingefügt worden sei. Der Begriff "Vergütungsanspruch" habe objektiv den Erklärungswert, dass das ärztliche Honorar, nicht jedoch die Summe von Honorar- und Sachkosten gemeint gewesen sei. Dies ergebe sich nicht nur aus der "Vereinbarung über die Abgeltung von Kosten für Sach- und Dienstleistungen bei der ambulanten Dialysebehandlung", in welcher die Vergütung im Sinne der Honorierung ärztlicher Leistungen und die Sachkosten eindeutig getrennt seien, sondern auch aus den Bestimmungen des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes – EBM – (Kapitel I. Allgemeine Bestimmungen Ziffer 7).
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 24. April 2013 sowie den Bescheid der Beklagten vom 31. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Januar 2011 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen. Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.
Der Senat hat – soweit noch möglich – Unterlagen beigezogen, die Auskunft über Fahrkostenbewilligungen im Zusammenhang mit Dialyse-Behandlungen der drei o.g. Versicherten ab Januar 2006 geben können, und den Sohn des Versicherten St, Frank St, in der mündlichen Verhandlung vom 18. Oktober 2017 als Zeugen vernommen.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen sowie wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, verwiesen. Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme nimmt der Senat auf die Niederschrift über die Sitzung vom 18. Oktober 2017 Bezug.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist teilweise begründet. Zu Unrecht hat das Sozialgericht die Klage insgesamt abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig, soweit sie Honorarbescheide für das Jahr 2006 ändern und für dieses Jahr Honorar zurückfordern.
I. Rechtsgrundlage für die Bescheide vom 31. August 2010 und 18. Januar 2011 ist der Vergleich vom 30. November 2005 i.V.m. den Bestimmungen über die Abrechnungsprüfung in der vertragsärztlichen Versorgung (§ 106a Sozialgesetzbuch / Fünftes Buch - SGB V in der bis zum 31. Dezember 2016, hier maßgeblichen Fassung). Weil die Klägerin ab Januar 2007 gegen ihre Verpflichtung aus diesem Vergleich verstoßen hat, künftig keine Versicherten in S zu dialysieren, die bislang nicht bereits dort dialysiert wurden (hierzu 1. und 2.), ist sie verpflichtet, die gesamte Vergütung einschließlich der Sachkosten für die Behandlung von Versicherten an diesem Standort ab dem 1. Januar 2007 zurückzuzahlen (hierzu 3.). In diesem Umfang durfte die Beklagte die Honorarbescheide der Klägerin für die streitigen Quartale im Wege der sachlich-rechnerischen Richtigstellung teilweise aufheben.
1. Die Klägerin hat den Versicherten St erstmals nach dem 30. November 2005 in ihrer Betriebsstätte in S dialysiert. Zu diesem Ergebnis gelangt der Senat aufgrund der Beweisaufnahme. Dass dieser Versicherte bereits vor dem 30. November 2005 in S dialysiert wurde, hat die Klägerin zu keiner Zeit behauptet. Dass er nach diesem Zeitpunkt in S im Rahmen der vertragsärztlichen Versorgung dialysiert wurde, steht zur Überzeugung des Senats aufgrund folgende Umstände und Überlegungen fest:
a. Die Klägerin hat in ihrem Schreiben vom 20. Dezember 2007 eingeräumt, den Versicherten St in ihren Räumen in S dialysiert zu haben, dies jedoch auf einen "stationären und stationär begleitenden" Aufenthalt in S begrenzt. Die Dialyse für diesen Versicherten während seines stationären Aufenthaltes bis zum 4. Januar 2017 ist indes nicht der vertragsärztlichen Versorgung zuzurechnen.
Nach § 2 Abs. 2 Satz 1 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG) sind allgemeine Krankenhausleistungen diejenigen Krankenhausleistungen, die unter Berücksichtigung der Leistungsfähigkeit des Krankenhauses im Einzelfall nach Art und Schwere der Krankheit für die medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung des Patienten notwendig sind. Unter diesen Voraussetzungen gehören dazu die vom Krankenhaus veranlassten Leistungen Dritter (§ 2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 KHEntgG), nicht aber eine Dialyse, wenn hierdurch eine entsprechende Behandlung fortgeführt wird, das Krankenhaus keine eigene Dialyseeinrichtung hat und ein Zusammenhang mit dem Grund der Krankenhausbehandlung nicht besteht (§ 2 Abs. 2 Satz 3 KHEntgG). Diese Voraussetzungen lagen nicht vor, weil der Versicherte St nach dem seinen Aufenthalt bis zum 4. Januar 2007 betreffenden Entlassungsbericht des Krankenhauses am 2. Januar 2007 erstmals dialysiert und somit keine Dialyse fortgeführt wurde. Die Erstdialyse war daher Bestandteil der stationären Behandlung.
Dass die Klägerin diese Erstdialyse über die Gebührenordnungsposition 13602 ("Kontinuierliche Betreuung eines dialysepflichtigen Patienten") des EBM für das Quartal I/06 gleichwohl gegenüber der Beklagten abrechnete – wie sich aus dem entsprechenden Abrechnungsschein ergibt –, führt zu keinem anderen Ergebnis. Insoweit liegt eine einzelne Fehlabrechnung vor, die zwar sachlich-rechnerisch berichtigt werden darf und muss, aber nicht den Rückschluss zulässt, auch die für die Folgezeit erbrachten und abgerechneten Dialysen dieses Versicherten seien in den Räumlichkeiten der Klägerin in S durchgeführt worden.
b. Keine Rückschlüsse auf den Ort der Dialyse ergeben sich aus den vom Senat eingeholten Unterlagen bezüglich der Krankenfahrten des Versicherten St im Zusammenhang mit den Dialysebehandlungen. Denn die Krankenkasse hat in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass sie Krankenfahrten nur bis zur nächsterreichbaren Dialysemöglichkeit – bei der Klägerin in S – bewillige, dies aber nicht ausschließe, dass der Versicherte tatsächlich bis nach Berlin gefahren worden sei. Das vom Senat befragte Fuhrunternehmen konnte keine Angaben zum Sachverhalt mehr machen.
Dass der Facharzt für Nuklearmedizin D den Versicherten St im März 2007 in seiner Praxis in B-H behandelt hat, schließt entgegen der klägerischen Ansicht nicht aus, dass er (zumindest einmal) in S dialysiert wurde.
c. Dass der Versicherte St nach dem 4. Januar 2007 zumindest auch in den Ser Räumlichkeiten der Klägerin dialysiert wurde, entnimmt der Senat der glaubwürdigen Aussage des Zeugen F. St.
Nach dessen Angaben wurde bei seinem Vater die Dialyse ab dem Jahre 2006 in Räumlichkeiten auf dem Gelände des Krankenhauses S durchgeführt. Weil die "Praxis Dr. S" in S habe "zumachen müssen" – die Namen "Dr. S und Dr. H" seien öfter gefallen –, habe sein Vater danach für kurze Zeit in B-H behandelt werden müssen. Schließlich sei, weil er wieder in S habe dialysiert werden wollen, seine Behandlung in der F-Straße in S fortgeführt worden. Den Namen der Praxis konnte der Zeuge nicht benennen, weil sein Vater sich hierzu aufgrund fortschreitender Demenz nicht klar geäußert habe.
Aufgrund dieser Angaben steht für den Senat fest, dass die Klägerin den Versicherten St – von der Behandlung während des o.g. stationären Aufenthalts abgesehen – zumindest auch in ihren Räumen in S dialysiert hat. Denn zum einen konnte sich der Zeuge daran erinnern, dass diese Behandlung "in dem Gebäude des Krankenhauses" stattfand (das Krankenhaus in S verfügte damals über keine eigenen Dialyseeinrichtungen). Zum anderen passen seine weiteren Angaben – Schließung der Praxis von Dr. S auf dem Krankenhausgelände S, deshalb zunächst Weiterbehandlung in B-H, schließlich Fortsetzung der Behandlung in der F-Straße in S (wo sich Praxisräume der Dialysepraxis Dr. F u.a. befanden und befinden) – hierzu. Mit den dem Senat vorliegenden medizinischen Unterlagen (insbesondere den Abrechnungsscheinen), wonach die Klägerin die Dialyse des Versicherten erst ab Januar 2007 durchgeführt hat, nicht in Einklang zu bringen ist lediglich die Behauptung des Zeugen, sein Vater sei bereits ab dem Sommer 2006 dialysiert worden, weil er – der Zeuge – bei seiner Hochzeit in diesem Jahr darauf habe Rücksicht nehmen müssen. Dies spricht nach Auffassung des Senats aber nicht gegen die Glaubhaftigkeit der übrigen Angaben des Zeugen. Denn zum einen ist für die Klärung der Frage, ob die Klägerin entgegen ihren Verpflichtungen aus dem Vergleich vom 30. November 2005 danach zumindest eine/n Versicherte/n in S erstmalig dialysiert hat, der Zeitpunkt des Verstoßes zweitrangig. Zum anderen war der Zeuge nach dem Gesamteindruck seiner Aussage glaubwürdig. Seine Angaben waren in sich widerspruchsfrei, Unsicherheiten und Erinnerungslücken hat er offen eingeräumt. Ein persönliches Interesse am Ausgang des Rechtsstreits, welches ggf. Grundlage für unwahre Angaben sein könnte, ist nicht erkennbar. Dass sich der Zeuge hinsichtlich des Beginns der Dialyse offensichtlich geirrt hat, belegt vielmehr, dass er aufrichtig und unvoreingenommen ausgesagt und sich seine Angaben nicht "zurechtgelegt" hat.
2. Dass die Klägerin auch die Versicherten H und Sch, die nach den eingereichten Abrechnungsscheinen schon ab Januar bzw. Dezember 2006 dialysiert wurden, in S behandelte, steht zur Überzeugung des Senats nicht fest. Die Versicherte Sch hat ihre ursprüngliche Erklärung widerrufen. Hinsichtlich der Versicherten H existiert nur ihre Erklärung vom 26. August 2008, was nach Auffassung des Senats als alleinige Entscheidungsgrundlage nicht ausreicht.
Die vom Senat eingeleiteten Ermittlungen haben zu keinerlei verwertbaren Ergebnissen geführt. Hinsichtlich der beigezogenen Unterlagen zur Krankenfahrten dieser Versicherten im Zusammenhang mit der Dialyse gilt das oben Gesagte. Eine Vernehmung weiterer Personen schied aus: Der Ehemann der Versicherten H teilte mit, er könne sich nach so langer Zeit an nichts mehr erinnern. Die Tochter der Versicherten Sch gab an, wegen der Ausschlagung des Erbes über keine Unterlagen zu verfügen. Insoweit wirkt sich zum Nachteil der Beklagten aus, dass sie ihrer Pflicht zur Amtsermittlung nach § 20 Sozialgesetzbuch / Zehntes Buch nicht nachgekommen ist. Sie hätte zeitnah zu den ersten Verdachtsmomenten noch im Jahre 2007 die o.g. Versicherten selbst befragen können und müssen, um so belastbare Informationen "aus erster Hand" zu erhalten (zu den Möglichkeiten der Behörden, nach § 21 SGB X Zeugen zu befragen: Siefert, in: von Wulffen/Schütze, SGB X, 8.A., § 21 Rd. 9ff, 21ff, m.w.N.); stattdessen hat sie sich mit den ihr zugetragenen Informationen begnügt.
3. Wegen der unzulässigen Behandlung des Versicherten St in S war die Beklagte berechtigt, die der Klägerin erteilten Honorarbescheide ab Januar 2007 (hierzu a) aufzuheben, soweit diese die Vergütung der in S erbrachten Leistungen betraf, und das überzahlte Honorar zurückzufordern. Aufhebung und Rückforderung durfte sie auch auf die Sachkosten erstrecken (hierzu b).
a. Ein Verstoß der Klägerin gegen ihre Pflichten aus Ziffer 1 des Vergleichs vom 30. November 2005 hat "nur" zur Folge, dass dessen Wirkungen ex nunc, d.h. ab dem Quartal, in dem der Verstoß begangen wurde, entfallen. Eine ex-tunc-Wirkung war nach dem Wortlaut des Vergleichs hingegen nicht beabsichtigt. Dies entnimmt der Senat der Verwendung des Begriffs "erlischt" in Ziffer 3 der Vereinbarung. Ein Blick auf die Verwendung des Rechtsbegriffs "Erlöschen" im SGB V belegt, dass ihm stets nur eine zukunftsgerichtete Wirkung innewohnt, und zwar unabhängig davon, ob eine Versicherung (§ 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB V), ein Anspruch (§ 19 Abs. 1, § 85 Abs. 4f Satz 2 SGB V), eine Ermächtigung (§ 95 Abs. 11 Satz 5 SGB V) oder eine Akkreditierung (§ 126 Abs. 2 Sätze 3 und 5 SGB V) "erlischt". Hätten die Vergleichsparteien auch eine Rückwirkung gewollt, hätte die Verwendung anderer Begriffe, z.B. "entfällt", nahe gelegen. Soweit die Beklagte auch die Honorarbescheide für das Jahr 2006 teilweise aufgehoben und Honorar zurückgefordert hat, war sie hierzu nach dem Vergleich vom 30. November 2005 nicht berechtigt. Insoweit waren ihre Bescheide vom 31. August 2010 und 18. Januar 2011 und das sie bestätigende Urteil des Sozialgerichts aufzuheben.
b. Infolge der Behandlung des Versicherten St in S ab Januar 2007 bestand für keine der ab dem Quartal I/07 dort erbrachten Dialyseleistungen ein Vergütungsanspruch der Klägerin mehr. "Vergütungsanspruch" i.S.v. Ziffer 3 des Vergleichs meint entgegen der klägerischen Auffassung nicht nur den Anspruch auf das gerade für ärztliche Leistungen gezahlte Honorar, sondern umfasst den gesamten "Vergütungsanspruch", der der Klägerin für die Quartale I/07 bis IV/07 gegenüber der Beklagten zusteht und demnach auch den Erstattungsanspruch für Sachkosten umfasst. Insoweit folgt der Senat den Ausführungen des Sozialgerichts (§ 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz) und verweist auf diese. Die hiergegen gerichteten Einwände der Klägerin überzeugen nicht.
aa. Nach Ziffer 3 des Vergleichs sollte der Vergütungsanspruch "für sämtliche in der Betriebsstätte S erbrachten Dialyseleistungen" entfallen. Eine Beschränkung auf den Vergütungsanspruch nur für ärztliche Dialyseleistungen wurde gerade nicht vereinbart.
bb. Dass der Begriff der vertragsärztlichen Vergütung zumindest im Regelfall auch die Sachkosten(erstattung) umfasst, ergibt sich schon aus den die vertragsärztliche Vergütung regelnden gesetzlichen Bestimmungen. So wurde § 87 Abs. 1 Satz 1 SGB V ("Die Kassenärztlichen Bundesvereinigungen vereinbaren mit dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen durch Bewertungsausschüsse als Bestandteil der Bundesmantelverträge einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die ärztlichen und einen einheitlichen Bewertungsmaßstab für die zahnärztlichen Leistungen.") durch das GKV-Versorgungs¬stärkungsgesetz vom 16. Juli 2015 (BGBl. I, 1211) die Worte "im ärztlichen Bereich einschließlich der Sachkosten" angefügt. Diese Ergänzung wurde in den Gesetzesmaterialien (Gesetzentwurf der Bundesregierung zum GKV-VSG, BR-Drs. 641/14, S. 110f) damit begründet, dass zur Bündelung der Zuständigkeit für die bundeseinheitlich zu entscheidenden Fragen der vertragsärztlichen Vergütung das Leistungssegment der Dialysesachkostenpauschalen künftig durch den Bewertungsausschuss bestimmt werde. Auch wenn diese Gesetzesänderung lange Zeit nach den streitigen Quartalen beschlossen wurde, belegt sie doch das Verständnis des Gesetzgebers, wonach auch (Dialyse-)Sachkosten schon immer zur vertragsärztlichen Vergütung zählten.
cc. Der Hinweis der Klägerin auf Kapitel I ("Allgemeine Bestimmungen") Ziffer 7 ("Kosten") des EBM in der in den streitigen Quartalen geltenden Fassung geht fehl. Während unter Ziffer 7.1 die – vorbehaltlich einer anderen Bestimmung – in den berechnungsfähigen Leistungen enthaltenen Kosten auflistet, beschreibt Ziffer 7.3 die nicht darin enthaltenen Kostenarten: - Kosten für Arzneimittel, Verbandmittel, Materialien, Instrumente, Gegenstände und Stoffe, die nach der Anwendung verbraucht sind oder die der Kranke zur weiteren Verwendung behält, - Kosten für Einmalinfusionsbestecke, Einmalinfusionskatheter, Einmalinfusionsnadeln und Einmalbiopsienadeln, - Telefonkosten, die entstehen, wenn der behandelnde Arzt mit dem Krankenhaus zu einer erforderlichen stationären Behandlung Rücksprache nehmen muss. Diese Regelungen führen aber weder die Dialysesachkosten auf noch findet sich darin der Begriff "Vergütung", der eine Abgrenzung oder Gegenüberstellung zum Begriff "Sachkosten" erlauben würde. Auf die Gesamtverträge, nach deren Maßgabe die Kosten nach Ziffer 7.3 abzurechnen sind (Ziffer 7.4), kommt es schon deswegen nicht an, weil für die Erstattung der Dialysesachkosten in Kapitel 40.14 des EBM eine eigenständige Regelung geschaffen wurde. Der von der Klägerin offenbar in Bezug genommenen Vereinbarung zwischen der Beklagten und der Allgemeinen Ortskrankenkasse Berlin bzw. dem BKK-Landesverband Ost "über die Abgeltung von Kosten für die Sach- und Dienstleistungen bei der ambulanten Dialysebehandlung durch Vertragsärzte" vom 18. Juni 2001 (https://www.kvberlin.de/20praxis/60vertrag/10vertraege/haemo ldl/archiv/dialyse aok bkk 010701.pdf) ist nicht Gegenteiliges zu entnehmen. Indem deren § 6 gerade für die "Vergütung der ärztlichen Leistungen" auf die Regelungen des Bewertungsmaßstabs für kassenärztliche Leistungen verweist, belegt er, dass der allgemeinere Begriff "Vergütung" nicht per se und in jedem Zusammenhang nur das auf ärztliche Leistungen entfallende Honorar meint.
dd. Der Senat verkennt nicht, dass dieses Ergebnis für die Klägerin mit einer besonderen Härte verbunden sein dürfte, zumal es sich bei den Dialysesachkosten lediglich um durchlaufende Posten handelt (BSG, Urteil vom 09. Dezember 2004 - B 6 KA 44/03 R -, juris). Die Auslegung des o.g. Vergleichs lässt jedoch mangels Differenzierung nach Vergütungsbestandteilen das klägerseitig gewünschte Ergebnis nicht zu.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 und 2, § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und entspricht dem Ergebnis des Rechtsstreits.
Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe hierfür (§ 160 Abs. 2 SGG) nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
Login
BRB
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