L 9 U 94/17

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Wiesbaden (HES)
Aktenzeichen
S 32 U 14/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 9 U 94/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. April 2017 wird zurückgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über die Gewährung einer Witwenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.

Die Klägerin ist die Witwe des 1936 geborenen und 2013 verstorbenen Versicherten der Beklagten C. A. Dieser war u. a. vom 8. Dezember 1954 bis 14. März 1955 bei der Firma D. Kanalguss im Werk DX. als Eisen-, Metallerzeuger und Schmelzer tätig. Vom 1. November 1973 bis zum Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 3. Juli 1995 arbeitete er bei der Firma E. GmbH und Co. KG in E-Stadt als Kunststoffverarbeiter. Seine Aufgabe war dabei das Umbördeln von Teflon-Innenverkleidungen für Stahlrohre für die chemische Industrie.

Im Juli 1995 zeige der Internist F. der Süddeutschen Metall-BG - einer Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden einheitlich: Beklagte) - den Verdacht auf ein irritativ-toxisch bedingtes Bronchialasthma an. Die förmliche Anzeige der Berufskrankheit (BK) des Arztes mit dem Hinweis auf akute Luftnot und der Exposition gegenüber Dämpfen von Teflonmaterialien und Lackfarbe datiert vom 18. August 1995. Nach umfangreichen Ermittlungen in arbeitstechnischer und auch arbeitsmedizinischer Hinsicht erkannte die Beklagte mit Bescheid vom 4. September 1997 das Vorliegen der BK Nr. 4302 und als Folge eine durch toxisch wirkende Stoffe verursachte mäßiggradig bis mittelschwere obstruktive Atemwegserkrankung, die zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit gezwungen hat, an. Wegen der Folgen der BK gewährte die Beklagte dem Versicherten ab dem 1. September 1996 eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von 30 vom Hundert (v. H.). Ab September 1996 bezog der Versicherte auch eine Altersrente für Schwerbehinderte, Berufsunfähige oder Erwerbsunfähige aus der gesetzlichen Rentenversicherung.

Im Rahmen einer Folgebegutachtung zur Prüfung der weiteren Rentenberechtigung äußerte der Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. G. in seinem Gutachten vom 14. September 2000 den dringenden Verdacht auf ein zentrales Bronchialkarzinom. Ergänzend wies er darauf hin, dass der Versicherte während seines Berufslebens nicht nur irritativ toxischen Substanzen ausgesetzt gewesen sei, die bei ihm Asthma bronchiale hervorgerufen hätten, sondern auch krebserzeugenden Arbeitsstoffen wie polycyclischen Kohlenwasserstoffen (PAH). Die Beklagte leitete daraufhin ein BK-Feststellungsverfahren zu der BK Nr. 4104 ein. Nach dem vorläufigen Entlassbrief des Chefarztes der Klinik für Thoraxchirurgie bei den Dr. Horst-Schmidt-Kliniken (HSK) GmbH Wiesbaden, PD Dr. H., vom 20. November 2000 handelte es sich bei der Erkrankung des Versicherten um ein nicht-kleinzelliges Bronchialkarzinom der Lunge mit Befall des Mediastinums und dadurch Impression der Trachea.

Für die Tätigkeit des Versicherten bei der D. Guss GmbH im Werk DX. vom 8. Dezember 1954 bis 14. März 1955 als Gießer in der Schleudergießerei ermittelte der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) eine Asbestexposition durch Tragen von Schutzhandschuhen und Schürzen von 0,1 Faserjahren (Bericht vom 27. November 2000). Nach weiteren medizinischen Ermittlungen lehnte die Beklagte die Anerkennung der BK Nr. 4104 mit Bescheid vom 5. Juli 2001 ab. In arbeitstechnischer Hinsicht führte sie zur Begründung aus, der Versicherte habe nur bei seiner Tätigkeit als Gießer in der Firma Eisenwerke D. Umgang mit asbesthaltigen Handschuhen und Schürzen gehabt. Der TAD habe für diese Tätigkeit nur die äußerst geringe Einwirkung einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis von ca. 0,1 Faserjahren errechnet. Dieser Wert liege deutlich unterhalb des geforderten Grenzwertes von 25 Faserjahren. Bei der späteren Beschäftigung bei der Firma E. in E-Stadt habe der Versicherte keinen Kontakt mehr zu kanzerogenen Arbeitsstoffen gehabt. Der zur Klärung der sogenannten medizinischen Brückenbefunde beauftragte Dr. J., Chefarzt der Radiologischen Abteilung der Thoraxklinik Heidelberg, sei in seinem fachradiologischen Gutachten vom 5. April 2001 zu dem Ergebnis gekommen, dass eine typische Radiomorphologie asbeststaubassoziierter Lungen- und Pleuraveränderungen nicht nachzuweisen sei. Nach Auffassung des Gutachters ließen sich keine Brückenbefunde mit Ausbildung von tafelbergartig erhabenen hyalinen Pleuraplaques finden, die diffuse Pleuraverbreiterung beidseits sei unspezifischer Ätiologie, es ergäbe sich kein Hinweis auf eine interstitielle asbesttypische Lungenerkrankung. Darüber hinaus fänden sich keine Hinweise auf eine Pleurahyalinose oder Pleuraverkalkungen. Die Pleuraverbreitung beidseits sei unspezifischer Genese, die vermehrte Lungenzeichnung in den basalen Abschnitten am ehesten auf eine Hypostase zurückzuführen. Der Gutachter sei abschließend zu der Beurteilung gelangt, dass sich keine radiologischen Brückenbefunde im Sinne der BK Nr. 4101 nachweisen ließen. Der zuständige Gewerbearzt im Hessischen Sozialministerium habe sich in seiner abschließenden Stellungnahme vom 17. Mai 2001 dem angeschlossen. Vor diesem Hintergrund bestehe kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung. Der Bescheid der Beklagten vom 5. Juli 2001 wurde bestandskräftig.

Auf Veranlassung seines Hausarztes Dr. K. wurde der Versicherte am 31. Mai 2013 notfallmäßig in das St. Vincenz Krankenhaus in Limburg wegen Verschlechterung des Allgemeinzustandes, Fieber bis 38 Grad und passagerer Verwirrtheit eingeliefert. Nach Computertomographie (CT) des Schädels konnten cerebrale Metastasen ausgeschlossen werden. Diagnostiziert wurde eine Pneumonie mit Infiltraten rechts basal. Trotz im Rahmen des stationären Aufenthaltes erhöhter Werte bestimmter Tumormarker, speziell für ein Bronchialkarzinom, lehnte der Versicherte eine weitere Abklärung durch CT von Thorax und Abdomen ab. Am 6. Juni 2013 wurde er in die hausärztliche Betreuung entlassen. Am 14. Juni 2013 teilte Dr. K. der Beklagten mit, dass bei dem Versicherten ein unklarer Lungentumor links diagnostiziert worden sei, bei dem es sich um eine Metastase des Lungenbefundes des BG-Falles von 2001 handele. Er wies im Weiteren darauf hin, dass der Versicherte eine ursächliche Therapie zur Zeit verweigere. Am 28. Juni 2013 informierte der Arzt die Beklagte über den Tod des Versicherten am frühen Morgen des Tages. Noch am 28. Juni 2013 informierten auch die Klägerin und ihr Sohn die Beklagte über den Todesfall; die Klägerin selbst beantragte mündlich Hinterbliebenenleistungen. Zum Krankheitsverlauf des Versicherten teilten sie mit, dass der Verdacht auf ein Tumorrezidiv sich wohl bestätigt habe. In der HSK GmbH sei eine Bronchoskopie nach stationärer Behandlung vom 11. Juni 2013 bis 13. Juni 2013 erfolgt. In der Folgezeit habe der Versicherte die Nahrungs- und Medikamenteneinnahme verweigert, woraufhin die stationäre Aufnahme in der Vitos Klinik Hadamar erfolgt sei. Wegen zunehmender Verschlechterung des Allgemeinzustandes sei der Versicherte am 25. Juni 2013 dann nach Limburg verlegt worden. Die Durchführung einer Obduktion lehnten die Angehörigen bereits in diesem Telefongespräch kategorisch mündlich, die Klägerin selbst nochmals mit schriftlicher Erklärung gegenüber der Beklagten vom 12. Juli 2013 ab. Im Rahmen der Sachermittlungen von Amts wegen zog die Beklagte den Entlassungsbericht der Klinik für Thoraxchirurgie der HSK GmbH vom 13. Juni 2013 über den stationären Aufenthalt des Versicherten dort vom 11. Juni 2013 bis 13. Juni 2013 (Prof. Dr. H.) mit der Verdachtsdiagnose auf ein Rezidiv eines Lungenkarzinoms im linken Oberlappen bei, ebenso den Entlassungsbericht des St. Vincenz Krankenhauses vom 28. Juni 2013 (PD Dr. L.) über den stationären Aufenthalt des Versicherten vom 25. Juni 2013 bis zu seinem Tod, ebenfalls mit der Verdachtsdiagnose auf ein Rezidiv des Bronchialkarzinoms. Nach dem Konsiliarbericht der RNS Gemeinschaftspraxis Radiologie, Nuklearmedizin und Strahlentherapie, Prof. Dr. M. und Kollegen vom 12. Juni 2013 wurde die CT des Thorax des Versicherten vom 11. Juni 2013 wie folgt beurteilt: "Bei bekanntem NSCLC (Anmerkung des Gerichts: non small cell lung cancer - nicht kleinzelliges Lungenkarzinom) rechts zeigt sich bei Zustand nach Chemoradiatio kein eindeutiger Hinweis auf Lokalrezidiv. Lymphknotenmetastasen im Mediastinum. Am ehesten Lungenmetastase im linken Oberlappen. Dringender Verdacht auf langstreckiges Ösophaguskarzinom mit begleitenden paraösophagealen und paragastralen Lymphknotenmetastasen. Weitere Abklärung empfohlen. Sonst keine weiteren Organmetastasen." Der Bericht mit epikritischer Bewertung des Instituts für Pathologie und Zytologie Wiesbaden vom 14. Juni 2013 (Prof. Dr. N.) bezüglich gewonnenen Gewebeproben aus dem Magen beschreibt eine mittelgradige chronische mäßiggradig aktive Helicobacter pylori (HP)-Gastritis mit umschriebener lymphofollikulärer Hyperplasie. Ein Tumorinfiltrat sei hier nicht zu belegen. Insbesondere ergebe sich kein Hinweis auf eine Metastasierung des in Diskussion stehenden Lungenkarzinoms. Unter dem 8. August 2013 gab der Internist und Arzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. O. für die Beklagte eine beratungsärztliche Stellungnahme zu den bildgebenden Befunden ab. Zusammenfassend führte er aus, dass bei dem Versicherten keine asbestbedingten Lungenveränderungen vorlägen. Die CT-Aufnahmen ergäben auch keine beweisenden Befunde für asbestassoziierte pleurale Veränderungen. Von einem Rezidiv des seinerzeit mittels Radio-/Chemotherapie behandelten Lungenkarzinoms könne mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Den Klinikunterlagen sei nicht zu entnehmen, dass die anerkannte BK Nr. 4302 irgendeine Mitursache an dem präfinalen klinischen Geschehen gehabt habe und somit nicht rechtlich wesentlich teilursächlich den Tod des Versicherten mitverursacht und auch keine Lebenszeitverkürzung von einem Jahr bedingt habe.

Mit Bescheid vom 12. September 2013 lehnte die Beklagte den Anspruch auf Entschädigungsleistungen wegen des Lungenkarzinoms des Versicherten ab. Die Anerkennung der BK Nr. 4104 sei weiterhin nicht möglich. Bei dem Versicherten sei der Nachweis einer kumulativen Asbestfaserstaubdosis von mindestens 25 Faserjahren nicht erreicht, es lägen nur 0,1 Faserjahre vor. Nach Auswertung der vorliegenden Röntgen- und CT-Aufnahmen (zuletzt vom 25. Juni 2013) zeigten sich auch weiterhin keine typischen asbestbedingten Veränderungen im Sinne einer Asbestose der Lunge oder des Brustfells. Eine weitergehende Abklärung wäre nur im Rahmen einer Obduktion möglich gewesen. Trotz der Hinweise auf die sich evtl. ergebenden Konsequenzen habe die Klägerin mit Schreiben vom 12. Juli 2013 erklärt, dass sie mit einer Obduktion nicht einverstanden sei. Eine weitere Sachaufklärung sei deshalb nicht möglich gewesen. Nachdem alle Ermittlungsmöglichkeiten zur Feststellung einer BK ausgeschöpft worden seien, sei nach der Beweislastregel zu verfahren. Das heiße, dass die mögliche Beweislast (hier den Nachweis einer asbestbedingten BK) den möglichen Anspruchsberechtigten treffe. Es hätten auch keine sonstigen beruflichen Einwirkungen nach der BK-Liste festgestellt werden können, die das Lungenkarzinom hätten verursachen können. Hinterbliebenenleistungen kämen nur in Betracht, wenn der Tod Folge eines Versicherungsfalles sei. Nachdem eine BK nicht vorgelegen habe, könnten auch Hinterbliebenenleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung nicht gewährt werden. Mit weiterem Bescheid vom 12. September 2013 lehnte die Beklagte einen Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen auch in Bezug auf die bei dem Versicherten festgestellte BK Nr. 4302 ab, da dessen Tod nicht mit dieser BK (obstruktive Atemwegserkrankung) in ursächlichem Zusammenhang gestanden habe. Der Versicherte sei 2013 verstorben, Todesursache sei ein Rezidiv des Lungenkarzinoms gewesen. Die letzte Überprüfung der Folgen der mit Bescheid vom 4. September 1997 anerkannten BK Nr. 4302 am 10. November 2011 habe ergeben, dass keine wesentlichen Änderungen eingetreten seien. Die nach der Antragstellung auf Hinterbliebenenleistungen getätigten Ermittlungen hätten ergeben, dass weder den Klinikunterlagen noch der Auswertung der vorliegenden Röntgen- und CT-Aufnahmen ein Hinweis darauf zu entnehmen sei, dass die obstruktive Atemwegserkrankung mitursächlich für das Todesgeschehen gewesen sei. Eine weitergehende Abklärung, ob den Folgen der BK doch eine rechtlich wesentliche Bedeutung für den Eintritt des Todes zukomme, wäre nur im Rahmen einer Obduktion möglich gewesen, der die Klägerin nicht zugestimmt habe. Ein Zusammenhang zwischen dem Tod des Versicherten und den Folgen der BK könne daher nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegt werden, weshalb ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen nicht bestehe.

In ihrem Widerspruch wies die Klägerin darauf hin, dass der Versicherte von 1971 bis 1996 gegenüber Asbest exponiert gewesen und in den Jahren 1993 bis 1995 mindestens drei Mal an seinem Arbeitsplatz zusammengebrochen sei. Ein Kollege des Versicherten sei mit 31 Jahren an Krebs gestorben. Auch heute befände sich immer noch Asbeststaub auf Trägern in der Halle des Arbeitgebers. Der Versicherte habe zu Lebzeiten eine Rente wegen einer anerkannten BK bezogen und sei zu 100 % schwerbehindert gewesen. Es sei nicht Aufgabe der Klägerin nachzuweisen, dass der Tod infolge einer BK eingetreten sei. Im Hinblick auf § 63 Abs. 2 SGB VII dürfe eine Obduktion nicht gefordert werden. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. November 2013 zurück. Der Versicherte sei unstreitig an einem Bronchialkarzinom nach seiner Tätigkeit als Schlosser erkrankt gewesen. Diese Umstände alleine reichten jedoch für die Anerkennung einer BK nur dann aus, wenn bestimmte Expositionsgrößen (Umfang der Schadstoffbelastung) nachgewiesen seien oder anderweitige medizinische Begleitumstände vorlägen. Nach Darstellung der tatbestandlichen Voraussetzungen der BK Nr. 4104 und der Ergebnisse des ersten Verwaltungsverfahrens auf Anerkennung dieser BK wiederholte die Beklagte, dass ausweislich der umfangreichen, aktenkundigen Befunde, insbesondere unter Zugrundelegung der aktuellen Röntgen- und CT-Aufnahmen weiterhin keine asbestassoziierten Befunde von Lunge oder Brustfell bei dem Versicherten hätten diagnostiziert werden können, so dass die Anerkennung der BK Nr. 4104 weiterhin nicht möglich sei. Eine Obduktion zur weitergehenden Abklärung sei nicht durchgeführt und auch nicht gewünscht worden. Nach dem Ergebnis der durchgeführten Ermittlungen sei ein rechtlich wesentlicher Zusammenhang zwischen der Lungenkrebserkrankung des Versicherten und seiner beruflichen Tätigkeit weiterhin nicht wahrscheinlich. Die Rechtsvermutung des § 63 Abs. 2 SGB VII könne nicht zur Anwendung kommen, da zu Lebzeiten des Versicherten eine BK Nr. 4104 nicht vorgelegen habe.

Mit weiterem Widerspruchsbescheid vom 28. November 2013 wies die Beklagte auch den Widerspruch der Klägerin gegen die Ablehnung auf Hinterbliebenenleistungen in Verbindung mit der anerkannten BK Nr. 4302 mit einer MdE von 30 v. H. zurück. Unter Wiederholung der Gründe des Ausgangsbescheides bekräftigte sie, dass die Auswertung der medizinischen Befunde und Unterlagen ergeben habe, dass die obstruktive Atemwegserkrankung nicht mitursächlich für den Tod des Versicherten gewesen sei. Der Tod sei auch nicht um ein Jahr vorverlegt worden. Ein Ursachenzusammenhang zwischen der anerkannten BK und dem Tod sei nicht hinreichend wahrscheinlich.

Gegen die Bescheide vom 12. September 2013 in der Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. November 2013 hat sich die Klägerin mit Klagen vor dem Sozialgericht Mainz vom 2. Januar 2014 gewandt. Von dort sind beide wegen örtlicher Unzuständigkeit mit Beschluss vom 31. Januar 2014 an das Sozialgericht Wiesbaden verwiesen worden (Az.: S 5 U 1/14 bezüglich Hinterbliebenenleistungen in Verbindung mit der BK Nr. 4302; Az.: S 5 U 2/14 bezüglich Hinterbliebenenleistungen in Verbindung mit der BK Nr. 4104). Die Klagen mit den Aktenzeichen S 8 U 14/14 (Hinterbliebenenleistungen in Verbindung mit der BK Nr. 4104) und S 8 U 15/14 (Hinterbliebenenleistungen in Verbindung mit der BK Nr. 4302) hat das Sozialgericht Wiesbaden durch Beschluss vom 26. Februar 2014 zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung unter dem führenden Verfahren S 8 U 14/14 verbunden.

Zur Begründung hat die Klägerin vorgetragen, dass die Arbeitstätigkeit ihres verstorbenen Ehemannes ab 1971 bei der Firma E. in E-Stadt für dessen Erkrankung und auch Tod verantwortlich sei. Die Todesursache sei auf seine Arbeitstätigkeit zurückzuführen. Bei der Firma seien sogenannte "PTFE-Röhren" für den Säurebau hergestellt worden. Der Herstellungsvorgang sei dergestalt abgelaufen, dass der Kunststoff auf 350 Grad Celsius gesintert wurde, wobei Asbestgewebe zur Unterlage verwandt worden sei. Die Asbestunterlage sei mehrfach verwandt worden, infolge brüchig geworden und dann bei Öffnung des Ofens ungehindert in die Raumluft gelangt. Die in der Firma arbeitenden Mitarbeiter hätten keinen Mundschutz getragen, eine Absauge- und Filteranlage sei nicht vorhanden gewesen. Die gebrannten Werkstücke seien nach dem Brennen saubergeblasen worden, wodurch wiederum Asbeststaub in die Luft gelangt sei. Ihr verstorbener Ehemann sei in den Jahren 1993 bis 1995 mindestens drei Mal aufgrund akuter Erkrankung an seinem Arbeitsplatz zusammengebrochen. Nach ihrer Kenntnis befinde sich heute noch Asbeststaub auf den Trägern der Halle, ebenso sei sie darüber informiert, dass ein Verfahren durch die Gewerbeaufsicht bei der Firma E. anhängig sei. Auch habe während der Tätigkeit des Versicherten eine Verpuffung stattgefunden, die seinerzeit anwesenden Mitarbeiter seien alle nach Hause geschickt worden. Zu den Verhältnissen bei der Firma E. GmbH & Co KG und den Tätigkeiten im Einzelnen hat die Klägerin u. a. die früheren Kollegen des Versicherten P., Q., R., S. S. und T. benannt und von letzteren eine schriftliche Stellungnahme vom 10. November 2015 vorgelegt.

Die Beklagte hat daraufhin weitere Ermittlungen durch ihren Präventionsdienst (vormals TAD) bei der E. GmbH & Co KG u. a. durch teilweise Befragung der von der Klägerin genannten Zeugen sowie des ehemaligen Geschäftsführers Herrn E. und Betriebsbesuchen vom 24. Januar 2016, 4. Februar 2016 und 1. Juli 2016 durchgeführt.

Unter dem 28. Juli 2016 hat der Präventionsdienst eine zusammenfassende Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition Lungen-/Kehlkopfkrebs BK Nr. 4104 vorgelegt sowie unter dem 12. September 2016 eine Berechnung der anzusetzenden Faserjahre (15,2). Bei der Berechnung wurden der direkte Umgang des Versicherten mit Asbesthandschuhen beim Umbördeln, Klingerit-Dichtungen bei speziellen T-Stücken und beim Entleeren bzw. Beschicken der PTFA Öfen mit Asbestgewebematten berücksichtigt. Für die gesamte restliche Arbeitszeit (acht Stunden pro Schicht) wurde zu Gunsten des Versicherten angenommen, dass er als Bystander einer Hallenexposition oder Exposition von Nachbararbeitsplätzen ausgesetzt war. Zu der Kritik und den Fragen der Klägerin das Ermittlungsergebnis des Präventionsdienstes betreffend hat sich dieser in einer ergänzenden Stellungnahme vom 22. November 2016 geäußert. Wegen der Einzelheiten - auch zu den Einwendungen der Klägerin - wird auf die Seiten 164 bis 166 und 183 bis 185 der Gerichtsakte Band I verwiesen.

Im Rahmen der medizinischen Sachverhaltsermittlungen von Amts wegen hat das Sozialgericht sämtliche bildgebende Befunde des Versicherten angefordert und sodann ein fachradiologisches Gutachten nach Aktenlage eingeholt. In seiner Expertise vom 1. Februar 2017 hat Prof. Dr. V., Chefarzt Diagnostische und Interventionelle Radiologie der Thoraxklinik Heidelberg, eine Auswertung der Röntgen-, CT-Bilder und der Arztbriefe vorgenommen. In Beantwortung der Beweisfragen des Gerichts hat der Sachverständige ausgeführt, dass bei dem Versicherten am 14. November 2000 eine maligne Krebserkrankung in Form eines primären Adenokarzinoms der Lunge gesichert worden sei. Der Tumor habe sich laut der onkologischen Nachsorgeuntersuchung unter Verwendung bildgebender Verfahren vollständig zurückgebildet. Hinweise auf Veränderungen der Luftwege, der Lunge oder der Pleura, die ihrer Art nach durch Asbest verursacht werden, fänden sich radiologisch nicht. Auch zeigten die Bilder der Lunge keine Asbeststaublungenerkrankung oder eine durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura. Anhand der Aktenlage und der bildgebenden Verfahren könne kein Umstand detektiert werden, der für die Entstehung des Lungenkrebses durch die berufliche Belastung mit Asbeststaub ursächlich mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit in Frage komme. Es existierten keine histopathologischen Untersuchungsergebnisse, die einen erhöhten Asbestfasergehalt des Lungengewebes nachwiesen oder minimalasbestotische Gewebsveränderungen beschrieben. Die berufliche Belastung mit Asbeststaub könne nicht als wesentliche Ursache für die Lungenkrebserkrankung eingestuft werden. Für den Tod des Versicherten ursächlich sei ein Infektgeschehen gewesen; neben diesem sei unstreitig, dass in der am 11. Juni 2013 noch durchgeführten CT des Thorax und des Oberbauches deutliche Zeichen einer malignen metastasierenden Erkrankung zu dokumentieren waren. Weitere diagnostische Abklärungen hierzu hätten nicht erfolgen können, da der Versicherte diese abgelehnt habe. Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit habe es sich bei den überwiegend kleinen Lungenrundherden beidseits, den retroperitonealen Lymphknotenvergrößerungen und den Knotenbildungen im mesenterialen Fettgewebe um eine Metastasierung mit Lungenfiliae, abdominellen Lymphknotenmetastasen und wahrscheinlich um eine Peritonealkarzinose gehandelt. Die im Juni 2013 computertomographisch dokumentierten Lungenherde lägen nicht in der ehemaligen rechtszentralen Tumorloge und seien nicht typisch für ein lokales Tumorrezidiv. Bei fehlenden histologischen Untersuchungen aus 2013 könne anhand der vorliegenden Befunde nicht ausgeschlossen werden, dass die sich zuletzt abzeichnende Erkrankung mit malignomtypischen Manifestationen im Thorax und Abdomen aus einem zwischenzeitlich außerhalb des Thorax neu entstandenen Tumorgeschehen unbekannten Ursprungs stamme. Für eine Ausheilung des ehemals primären Lungenkarzinoms spreche auch die lange Heilungsbewährung über mindestens zwölf Jahre. Als Todesursache könne zumindest von einer final endenden Bronchopneumonie bei mitvorliegendem metastasierendem Tumorgeschehen unbekannten Ursprungs ausgegangen werden. Nach subjektiver Einschätzung und kritischer Würdigung der vorliegenden sicheren Befunde scheine sich der im November 2000 diagnostizierte Lungenkrebs nicht messbar relevant auf die Lebensdauer des Versicherten ausgewirkt zu haben. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 20. April 2017 abgewiesen. Ein Ursachenzusammenhang zwischen dem Tod des Versicherten und einem Versicherungsfall könne nicht bejaht werden. Unstreitig sei der Versicherte nicht an den Folgen der anerkannten BK Nr. 4302 gestorben. Es habe sich auch nicht feststellen lassen, dass er an den Folgen einer anderen BK gestorben sei. Die einzig in Betracht kommende BK Nr. 4104 habe sich nicht nachweisen lassen. Der Versicherte sei während seiner beruflichen Tätigkeit unstreitig als Beschäftigter versichert gewesen und sei während dessen auch einer Belastung durch Asbest ausgesetzt gewesen. Das Vorliegen einer Lungenkrebserkrankung sei hingegen nach den medizinischen Ermittlungen nicht im Vollbeweis gesichert. Denn der auf die Auswertung von Bildern der Lunge in hohem Maße spezialisierte Radiologie der Heidelberger Thoraxklinik habe für das Gericht gut nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei dem Tumor, der im Mai 2013 in der Lunge des Versicherten erkannt worden sei, wahrscheinlich nicht um Lungenkrebs, sondern eher um eine Metastase einer anderen Krebsart gehandelt habe. Eine weitere Aufklärung sei nicht möglich. Der Versicherte selbst habe zu Lebzeiten eine genauere Diagnose nicht durchführen lassen; die Klägerin habe einer Obduktion nicht zugestimmt. Selbst wenn man aber davon ausginge, dass der Versicherte im Mai 2013 an Lungenkrebs erkrankt gewesen sei, sei die Feststellung einer BK Nr. 4104 nicht möglich. Denn ein Ursachenzusammenhang zwischen der Krebserkrankung und der Asbestbelastung sei nicht hinreichend wahrscheinlich. Es fehle zum einen jeder Hinweis auf die in der BK Nr. 4104 genannten Brückenerkrankungen. In den Röntgenbildern zeigten sich nach den schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen keine Hinweise auf asbestbedingte Veränderungen oder eine Asbeststaubablagerung. Eine pathologische Untersuchung sei nicht durchgeführt worden. Zum anderen hätten die arbeitstechnischen Ermittlungen eine Belastung im Umfang von nur 15,2 Asbestfaserjahren ergeben. Entgegen der Klägerin sehe das Gericht keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen. Die Beklagte habe ausführlich und mehrfach zu den Arbeitsverhältnissen des Versicherten recherchiert und auch die neuen Angaben der Klägerin jeweils in ihre Berechnungen einbezogen. Dabei habe sie, was die Klägerin übersehe, auch die Belastungen des Versicherten als sog. Bystander einbezogen.

Gegen die ihr am 9. Mai 2017 zugestellte Entscheidung hat die Klägerin am 8. Juni 2017 Berufung bei dem Hessischen Landessozialgericht angebracht. Zur Begründung hebt sie auf eine fehlerhafte und nur unzureichende Ermittlung der arbeitstechnischen Umstände ab. Wären die Zeugen gehört worden, wäre eine wesentlich höhere Belastung durch Asbest, in jedem Fall von mehr als 25 Faserjahren, festgestellt worden. Die umfangreiche schriftliche Zeugenaussage von T. sei außer Acht gelassen worden. Der Präventionsdienst der Beklagten hätte vor Ort Proben von den Trägern unter dem Dach nehmen müssen. Die Belastung durch Asbestfasern in der Atemluft sei nicht berücksichtigt worden. Auch sei der benannte Zeuge U. S. nicht gehört worden. Auch er könne Angaben zu der tatsächlichen Tätigkeit des Versicherten und den damals vor Ort an seinem Arbeitsplatz herrschenden Umständen machen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Wiesbaden vom 20. April 2017 sowie die Bescheide der Beklagten vom 12. September 2013 in Gestalt der Widerspruchsbescheide vom 28. November 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie als Hinterbliebenenversorgung eine Witwenrente aus der Versicherung ihres am xx. xxx 2013 verstorbenen Ehemannes C. A. zu zahlen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das erstinstanzliche Urteil jedenfalls vom Ergebnis her für zutreffend. Zwar seien die Ausführungen im Urteil zum Tatbestandsmerkmal "Vorliegen einer Lungenkrebserkrankung" insofern falsch, als der Versicherte zweifellos früher an einem primären Lungenkrebs erkrankt gewesen sei und es somit nur noch darum gehen könne, ob dieser Lungenkrebs auch den Tod verursacht habe. Ungeachtet dieser - wohl wegen § 62 Abs. 2 SGB VII trotz des Gutachtens von Prof. Dr. V. ggf. wohl eher positiv zu beantwortenden Frage - scheitere das Begehren der Klägerin aber daran, dass die weiteren Tatbestandsmerkmale für die Anerkennung der BK nicht erfüllt seien. Entgegen der Auffassung der Klägerin sei der Sachverhalt umfassend ermittelt und eine weitere Beweisaufnahme nicht geboten. Dies erläuternd hat die Beklagte ihre Asbestfaserjahrberechnung vom 12. September 2016 unter Einbeziehung der wiederholten Einwendungen der Klägerin nochmals ausführlich erläutert. Hierzu wird auf die Berufungserwiderung vom 6. September 2017, Seiten 2/3 (Blatt 291 ff. der Gerichtsakte Band II) Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sachverhalt und zu dem Vorbringen der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Verwaltungsakten der Beklagten und die Gerichtsakte Bezug genommen, die sämtlich Gegenstand der Beratung und Entscheidungsfindung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG). Die Berufung, mit der sie die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen aufgrund des Todes ihres Ehemannes infolge der bei ihm anerkannten BK Nr. 4302 oder eines Versicherungsfalles einer BK Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV erstrebt, ist jedoch nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten. Es besteht kein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen, insbesondere nicht auf Zahlung einer Rente. Gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 SGB VII erhalten Witwen von Versicherten Witwenrente. Nach § 63 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 SGB VII haben Hinterbliebene Anspruch auf Hinterbliebenenrente, wenn der Tod infolge des Versicherungsfalles eingetreten ist. Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Der Tod ist hingegen kein eigener Versicherungsfall, sondern kann lediglich Folge- und Spätschaden eines Versicherungsfalles sein (BSG vom 7. Februar 2006 - B 2 U 31/04). Dem Tod infolge eines Versicherungsfalles steht der Tod von Versicherten gleich, deren Erwerbsfähigkeit durch die Folgen unter anderem der Berufskrankheit Nr. 4104 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung um 50 v. H. oder mehr gemindert war (§ 63 Abs. 2 Satz 1 SGB VII). Dies gilt nach § 63 Abs. 2 Satz 2 SGB VII nicht, wenn offenkundig ist, dass der Tod mit der Berufskrankheit nicht in ursächlichem Zusammenhang steht (1. Halbsatz), wobei eine Obduktion zum Zwecke einer solchen Feststellung nicht gefordert werden darf (2. Halbsatz). Unstreitig ist, dass der Verstorbene C. A. als Arbeiter, zuletzt bei der Firma E. GmbH und Co. KG in E-Stadt, bei der Beklagten versichert war. Er ist 2013 verstorben. Die Klägerin ist Hinterbliebene, nämlich die Witwe des Versicherten. Berufskrankheiten sind nach § 9 Abs. 1 Satz 1 SGB VII Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung oder mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet (sog. Listen-BK) und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheitenverordnung erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.

Die Anerkennung einer Listen-BK setzt voraus, dass die Verrichtung einer grundsätzlich versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder Ähnlichem auf den Körper geführt hat (Einwirkungskausalität) und diese Einwirkungen zu einer Krankheit geführt haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK.

Ein Anspruch auf Hinterbliebenenleistungen bestand bezogen auf die als BK Nr. 4302 anerkannte obstruktive Atemwegserkrankung schon deshalb nicht, weil - wie die Beklagte im Bescheid vom 12. September 2013 zutreffend ausgeführt hat - ein Zusammenhang zwischen dem Tod des Versicherten und dieser Erkrankung resp. deren Folgen im Sinne einer Mitursächlichkeit nicht mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit belegt werden kann. An einer obstruktiven Atemwegserkrankung oder Folgen davon ist der Versicherte nicht verstorben; dafür, dass diese für den Tod mitursächlich war, haben sich nach den bildgebenden Befunden keine Anhaltspunkte ergeben.

Von den in der Anlage zur BKV bezeichneten Listen-Berufskrankheiten könnte im Falle des Versicherten darüber hinaus einzig noch ein Versicherungsfall nach der BK Nr. 4104 in Betracht kommen, beim Versicherten in der Variante des Lungenkrebses. Ein Anspruch der Klägerin auf eine Hinterbliebenenrente ergibt sich jedoch auch unter diesem Gesichtspunkt nicht.

Das Sozialgericht hat im angefochtenen Urteil zutreffend die einzelnen Varianten der BK Nr. 4104 dargestellt und dargelegt, dass - ungeachtet der Frage, ob die arbeitstechnischen Voraussetzungen erfüllt seien - die Anerkennung einer BK Nr. 4104 bei dem verstorbenen Ehemann der Klägerin allein schon wegen der Art des Tumors und dessen Lokalisation nicht in Betracht komme. Dieser Auffassung stimmt der Senat zu und verweist auch insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG auf die zutreffenden Gründe im angefochtenen Urteil des Sozialgerichts.

Das Vorliegen einer Lungenkrebserkrankung (Lungenkarzinom) als Tatbestandsmerkmal der BK Nr. 4104 kann auch zur Überzeugung des Senats entgegen auch der Auffassung der Beklagten in den angefochtenen Bescheiden auf Grundlage der aktenkundigen medizinischen Unterlagen und den Feststellungen des Sachverständigen Prof. Dr. V. nicht im Vollbeweis gesichert werden. Voraussetzung für die Feststellung jeder Erkrankung als Berufskrankheit ist, dass die versicherte Tätigkeit, die schädigenden Einwirkungen sowie die Erkrankung, für die Entschädigungsleistungen beansprucht werden, einschließlich tatbestandlicher Brückensymptome, wie sie nach Nr. 4104 der Anlage 1 zur BKV vorliegen müssen, im Sinne des Vollbeweises nachgewiesen sind. Eine absolute Sicherheit ist bei der Feststellung des Sachverhalts nicht zu erzielen. Erforderlich ist aber eine an Gewissheit grenzende Wahrscheinlichkeit, wonach kein vernünftiger Mensch mehr am Vorliegen vorgenannter Tatbestandsmerkmale zweifelt (BSGE 6, 144; Keller in: Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Auflage, § 118 Rn. 5 m. w. N.). Es muss ein so hoher Grad von Wahrscheinlichkeit vorliegen, dass alle Umstände des Einzelfalles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (BSGE 45, 285, 287; 61, 127, 128). Der Vollbeweis einer Krankheit in jenem Sinne ist geführt, wenn ihr Vorliegen in so hohem Grade wahrscheinlich ist, dass sämtliche Umstände des Einzelfalles unter Berücksichtigung der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung hiervon zu begründen (LSG Nordrhein-Westfalen vom 18. März 2011 - L 15 U 263/03). Nach der Interdisziplina&776;ren AWMF-S3-Leitlinie "Pra&776;vention, Diagnostik, Therapie und Nachsorge des Lungenkarzinoms" der Deutschen Gesellschaft für Pneumologie und Beatmungsmedizin in der Deutschen Krebsgesellschaft, Registernummer 020-007, Stand: 01.02.2010 (in Überarbeitung), gültig bis 28.02.2015, ist in der Diagnostik das wichtigste Verfahren zur Sicherung eines vermuteten Lungenkarzinoms die Bronchoskopie - möglichst nach einer Thorax-CT. Die Diagnose hat danach in aller Regel mikroskopisch-morphologisch, d. h. mit bioptischen Methoden zu erfolgen. Zum Einsatz kommen dabei histopathologische und erga&776;nzende immunhistochemischen Untersuchungen mit verschiedenen Markerspektren zur Kla&776;rung, ob ein prima&776;res Lungenkarzinom oder eine metastatische Absiedlung eines extrapulmonalen Tumors vorliegt. Zusätzlich ist die Einbeziehung von Tumorvorerkrankungen und allen klinischen Untersuchungsergebnissen zur Ermittlung der Prima&776;rtumorlokalisation erforderlich (vgl. hierzu die "Empfehlung fu&776;r die Begutachtung asbestbedingter Berufskrankheiten - Falkensteiner Empfehlung", S. 37). Bei dem Versicherten wurden in einer CT des Thorax vom 11. Juni 2013 ein metastasenverdächtiger Lungenrundherd im linken Lungenoberlappen, langstreckige Veränderungen entlang des Ösophagus und mediastinale sowie abdominelle Lymphknotenvergrößerungen beschrieben. Prof. Dr. M. fand bildgebend keinen eindeutigen Hinweis auf ein Lokalrezidiv, sah als Befund am ehesten eine Lungenmetastase im linken Oberlappen und äußerte zusammenfassend den dringenden Verdacht auf ein langstreckiges Ösophaguskarzinom mit begleitenden paraösophagealen und paragastralen Lymphknotenmetastasen (Bericht RNS Gemeinschaftspraxis Wiesbaden vom 12. Juni 2013). Eine Bronchoskopie vom Folgetag zeigte keinen endobronchialen Tumor, eine Ösophagogastroduodenoskopie vom 13. Juni 2013 fand ebenfalls keine direkten oder indirekten Tumorzeichen, in endoskopisch entnommene Probeexzissionen konnten keine Tumorzellen nachgewiesen werden (Arztbrief Prof. Dr. H. vom 13. Juni 2013). In ihrer epikritischen Bewertung führte Prof. Dr. N. dazu wörtlich aus, dass "insbesondere kein Hinweis auf eine Metastasierung des in Rede stehenden Lungenkarzinoms" zu finden sei (Bericht Institut für Pathologie und Zytologie der HSK GmbH vom 14. Juni 2013). Weitere Untersuchungen zur diagnostischen Abklärung lehnte der Versicherte ab; eine Obduktion erfolgte nach seinem Tod am 28. Juni 2013 nicht. Ausgehend von diesen aktenkundigen, medizinisch gesicherten Tatsachen und Befunden ist ein primäres Lungenkarzinom bei dem pulmonalen Krankheitsprozess 2013 nicht belegt. Den Feststellungen des in der ersten Instanz gehörten gerichtlichen Sachverständigen folgend geht der Senat von einer Ausheilung des im November 2000 diagnostizierten Primärtumors der Lunge und einem sich neu entwickelt habenden Tumor oder einer Tochtergeschwulst (Metastase) unbekannten Ursprungs aus. Mit nachvollziehbarer und überzeugender Begründung führt Prof. Dr. V. in seiner Expertise vom 1. Februar 2017 aus, dass neben dem Infektgeschehen, das am 31. Mai 2013 zur stationären Aufnahme des Versicherten in das St. Vincenz-Krankenhaus in Limburg geführt hatte, auch eine maligne metastasierende Erkrankung vorgelegen hat. Als Todesursache sei von einer final endenden Bronchopneumonie - also einer Lungenentzündung - bei Tumorgeschehen unbekannten Ursprungs auszugehen. Die in der Lunge des Versicherten gefundenen kleinen Rundherde beidseits, die retroperitonealen Lymphknotenvergrößerungen und die Knotenbildungen im mesenterialen Fettgewerbe befundete der Sachverständige "mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit" als Metastasierung mit Lungenfiliae (Lungenbeteiligung), abdominelle Lymphknotenmetastasen, wahrscheinlich ausgehend von einer Peritonealkarzinose (Bauchfellkrebs). Aus den genannten Gründen sei fraglich, ob es sich zuletzt tatsächlich um ein Rezidiv des in 2000 diagnostizierten Lungenkarzinoms gehandelt habe. Für eine Ausheilung dieses Erstkarzinoms spreche die lange Heilungsbewährung von mindestens zwölf Jahren; die in der CT dokumentierten Lungenrundherde hätten zudem nicht in der ehemaligen rechtszentralen Tumorlage gelegen und seien nicht typisch für ein lokales Tumorrezidiv. Nicht aussagekräftig hält der Senat die dem entgegenstehende, inhaltlich zudem sehr knapp gehaltene Feststellung des beratenden Arztes der Beklagten Dr. O. (Stellungnahme vom 8. August 2013), nach der mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit von einem Rezidiv des früheren Lungenkarzinoms auszugehen sei. Die Bewertung krankt bereits daran, dass dem Arzt ausschließlich bildgebende Befunde zur Auswertung überlassen worden sind, dies nicht einmal vollständig. Dr. O. hat bei dem Zweitgeschehen 2013 bildgebende Ähnlichkeiten mit der Primärerkrankung 2000 vermutet, ohne im Besitz der 2000 angerfertigten CT-Filme zu sein. Die Vermutung verbleibt letztlich daher im Bereich der Spekulation. Hingegen erscheint die Folgerung von Prof. Dr. V., dass bei multipel vorliegenden bösartigen Befunden im Gastrointestinalbereich (Ösophagus, Bauchfell) ohne begleitende Lungenproblematik mit größerer Wahrscheinlichkeit von einem dort metastasierten Geschehen denn als von einem Primärprozess der Lunge mit umgekehrtem Metatasierungsweg ausgegangen werden muss, schlüssig. Hierfür spricht entscheidend, dass keine Befunde evident sind, die ein Lungenkarzinom auch in 2013 wahrscheinlich gemacht hätten. Insbesondere fehlt ein immunhistologischer Befund (TTF-1 Positivtest), der gemeinhin beweisend für den primären Tumorursprung aus der Lunge gilt, wie auch von Prof. Dr. H. im Jahr 2000 nachgewiesen (siehe dessen Bericht vom 20. November 2000). Insgesamt bewertet der Senat daher die medizinisch diagnostische Expertise von Prof. Dr. V. deutlich höher.

Weitere Ermittlungs- / Erkenntnismöglichkeiten bestehen nicht. Die Folgen dieser - im Ergebnis - Nichterweislichkeit der Lungenkrebserkrankung hat die Klägerin zu tragen. Kann ein behaupteter Sachverhalt nicht nachgewiesen oder der ursächliche Zusammenhang nicht wahrscheinlich gemacht werden, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der objektiven Beweislast zu Lasten des Beteiligten, der aus diesem Sachverhalt Rechte herleitet, bei den anspruchsbegründenden Tatsachen also zu Lasten des jeweiligen Klägers (BSG vom 27. Juni 1991 - 2 RU 31/90; Schmidt in Meyer-Ladewig u. a., SGG, 12. Aufl. 2017, § 103 Rn. 19a).

Liegt bereits die von der BK Nr. 4104 erfasste Erkrankung nicht (im Vollbeweis) vor, kommt es auf die weiteren alternativen Voraussetzungen (Asbestose oder durch Asbeststaub verursachte Erkrankung der Pleura oder kumulative Asbestfaserstaubdosis am Arbeitsplatz von mindestens 25 Faserjahren) nicht an. Den von der Klägerin vorgebrachten Zweifeln an der Berechnung der Faserjahre (zuletzt 15,2) brauchte der Senat aus diesem Grund nicht weiter nachzugehen.

Weiterer Sachermittlungen bedurfte es im Übrigen nicht. Soweit die Klägerin mit am 14. Dezember 2017 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz beantragt hat, ein Gutachten gemäß § 109 SGB X - gemeint § 109 Abs. 1 SGG - einzuholen und die Gutachter- und Schlichtungsstelle für ärztliche Behandlungen bei der Landesärztekammer Hessen als Gutachter benannt hat, fehlt es bereits an der erforderlichen Bezeichnung eines bestimmten Arztes. Den nochmals ausdrücklich in der mündlichen Verhandlung vom 18. Dezember 2017 gestellten Antrag nach § 109 Abs. 1 SGG, die Prof. Dres. W. und X. zu hören, lehnt der Senat in Ausübung des ihm obliegenden Ermessens wegen Verspätung ab. Nach § 109 Abs. 2 SGG kann das Gericht einen Antrag ablehnen, wenn durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreites verzögert werden würde und der Antrag nach der freien Überzeugung des Gerichts in der Absicht, das Verfahren zu verschleppen oder aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Eine Verzögerung tritt regelmäßig durch eine Gutachtenseinholung ein. Eine Verspätung aus grober Nachlässigkeit liegt vor, wenn jede nach sorgfältiger Prozessführung erforderliche Sorgfalt außer Acht gelassen ist, wenn nicht getan wird, was jedem einleuchten müsste (vgl. BSG vom BSGE 7, 221; Hess. LSG vom 22. Oktober 2008 – L 4 VG 15/07, Keller in Meyer-Ladewig u. a. SGG, 12. Aufl. 2017, § 109, Rn. 11, Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 109 SGG, Rn. 32). Ein Kläger handelt i. d. R. grob nachlässig, wenn er den Antrag nach § 109 SGG nicht in angemessener Frist oder erst in der mündlichen Verhandlung stellt, obgleich er schon vorher erkennen musste, dass das Gericht von Amts wegen kein Gutachten mehr einholen werde (LSG Mecklenburg-Vorpommern v. 16. August 2001 - L 5 U 83/99).

Nach dem Erörterungstermin vom 3. November 2017, in dem die Beteiligten auch ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung (§§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG) erklärt hatten, stand fest, dass der Senat keine weiteren Ermittlungen beabsichtigt und der Rechtsstreit zur Entscheidung vorgesehen war. Bei dieser Sachlage hätte die Klägerin ihren Antrag nach § 109 SGG umgehend stellen müssen. Dies hat sie jedoch erst mit am 14. Dezember 2017 bei Gericht eingegangenem Schreiben - damit verspätet - getan. Von einer verspäteten Antragstellung und grober Nachlässigkeit ist nach der Rechtsprechung auszugehen, wenn der Verfahrensbeteiligte nach Erkennbarkeit des beabsichtigten Verfahrensabschlusses durch das Gericht länger als einen Monat (Hess. LSG a. a. O.; Pitz in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGG, 1. Aufl. 2017, § 109 SGG, Rn. 32) untätig bleibt. In diesen Fällen kann der Antrag als verspätet nach § 109 Abs. 2 SGG zurückgewiesen werden.

Da zwischen dem Erörterungstermin und der Antragstellung nach § 109 SGG ein Zeitraum von fast sechs Wochen liegt, die Klägerin zudem ihren Antrag erst knapp drei Wochen gestellt hat, nachdem ihr am 24. November 2017 die Ladung zum Termin zur mündlichen Verhandlung zugestellt worden war, hat der Senat den Antrag abgelehnt, da ansonsten die Erledigung des Rechtsstreites verzögert würde und der Antrag von der Klägerin schuldhaft zu spät gestellt worden ist.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Gründe, die Revision nach § 160 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG durch den Senat zuzulassen, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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