L 9 EG 68/15

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
9
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 5 EG 22/15
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 9 EG 68/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Maßgebend dafür, ob ein sonstiger Bezug im Sinn von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG oder aber laufender Arbeitslohn vorliegt, ist die zutreffende lohnsteuerrechtliche Behandlung.
2. Erweist sich die lohnsteuerrechtliche Behandlung durch den Arbeitgeber als falsch, darf die Elterngeldbehörde diese nicht übernehmen.
Zum Einfluss der aktuellen BSG-Rechtsprechung vom 14.12.2017.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 wird zurückgewiesen.

II. Der Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Rechtsstreit betrifft das Begehren der Klägerin, höheres Elterngeld zu erhalten.

Die 39-jährige Klägerin ist deutsche Staatsangehörige. Sie ist Mutter des am 03.05.2015 geborenen Kindes H. C ... Während des streitgegenständlichen Zeitraums, vom 03.05.2015 bis 02.05.2016, lebte sie mit H. und dem Vater des Kindes, mit dem sie damals nicht verheiratet war, in einem Haushalt zusammen. Ein weiteres Kind gab es vor und während des Elterngeld-Bezugszeitraums im Haushalt der Familie A./C. noch nicht.

Die Klägerin arbeitete vor H.´s Geburt seit 01.06.2008 in einer laborärztlichen Gemeinschaftspraxis in Vollzeit als Medizinisch-technische Assistentin. Der Arbeitsvertrag vom Mai 2008 enthält unter anderem folgende Vereinbarungen:
* § 6: Der Arbeitnehmer ist verpflichtet, gegen entsprechende Vergütung in einem zumutbaren Rahmen Überstunden zu leisten, wenn die Erfordernisse des Praxisbetriebs diese notwendig machen.
* § 10: Das Bruttogehalt wird mit EURO 2.000,00 monatlich vereinbart. Ab 01.09.2009 wurde der Arbeitsvertrag dahin schriftlich geändert, dass der Klägerin ein monatliches Bruttogehalt von 2.493,12 EUR zustand. Weitere Änderungen sind durch mündliche Absprache erfolgt.

Aus dem Arbeitsverhältnis flossen der Klägerin im Zeitraum März 2014 bis einschließlich Februar 2015 folgende Arbeitsentgelte zu:
* Unter Lohnart 001 wurde die Komponente "Gehalt" gezahlt. Das "Gehalt" betrug 2.950,00 EUR von März bis einschließlich Juni 2014 und 3.100,00 EUR in den übrigen Monaten. Stets war für die lohnsteuerrechtliche Behandlung in den Entgeltbescheinigungen das Kennzeichen "L" angegeben (laufender Arbeitslohn).
* Sonderzahlungen erfolgten unter Lohnart 027 "Urlaubsgeld ..." und 021 "Weihnachtsgeld" im Juli und November 2014. Die Arbeitgeber behandelten diese lohnsteuerrechtlich als sonstige Bezüge.
* In den Monaten März bis November 2014 wurde unter Lohnart 231 "Festbezug netto jhrl" jeweils eine variable Vergütungskomponente ausgezahlt und lohnsteuerrechtlich als sonstiger Bezug behandelt (Kennzeichen "S"). Es handelte sich um folgende Beträge:
März 2014 2.208,54 EUR, April 2014 2.125,61 EUR, Mai 2014 1.591,84 EUR, Juni 2014 1.607,23 EUR, Juli 2014 1.029,34 EUR, August 2014 2.015,91 EUR, September 2014 1.659,69 EUR, Oktober 2014 526,00 EUR, November 2014 700,37 EUR.

Das Beschäftigungsverbot vor der Geburt des Kindes begann bei der Klägerin am 22.03.2015. Von da an bezog sie Mutterschaftsgeld von ihrer Krankenkasse sowie einen Arbeitgeberzuschuss nach § 14 des Mutterschutzgesetzes, und zwar bis 03.07.2015.

Am 27.05.2015 beantragte die Klägerin die Bewilligung von Elterngeld für die ersten zwölf Lebensmonate von H. (03.05.2015 bis 02.05.2016). Sie gab an, sie werde im Bezugszeitraum keiner Erwerbstätigkeit nachgehen und keine Einkünfte haben.

Mit Bescheid vom 16.06.2015 bewilligte der Beklagte der Klägerin unter dem Vorbehalt des Widerrufs Elterngeld antragsgemäß für die Lebensmonate eins bis zwölf von H ... Die monatlichen Leistungen betrugen im ersten Lebensmonat Null, im zweiten 158,40 EUR und in den übrigen 1.187,89 EUR. Als Bemessungszeitraum zog der Beklagte den Zwölfmonatszeitraum vor der Geburt heran; wegen des Bezugs von Mutterschaftsgeld vor der Geburt ermittelte er insoweit den Zeitabschnitt März 2014 bis Februar 2015. Der Beklagte errechnete ein Elterngeld-Netto von monatlich 1.872,52 EUR und wandte darauf einen Leistungssatz von 65% an. Die Anlage zum Bewilligungsbescheid zeigt, dass der Beklagte als Bruttoeinnahmen aus nichtselbständiger Arbeit stets nur den Vergütungsbestandteil Lohnart 001 "Gehalt" in die Leistungsbemessung einstellte; alle anderen Komponenten ließ er dagegen unberücksichtigt. Auf diese Weise kam er zu einem monatlichen Elterngeld-Brutto von 2.966,67 EUR.

Am 01.07.2015 legte die Klägerin Widerspruch ein und bat um Berücksichtigung der unter Lohnart 231 gezahlten Vergütung bei der Leistungsbemessung. Bei diesen Bezügen, so die Klägerin zur Begründung, handle es sich um die Auszahlung von geleisteten Überstunden oder Zusatzstunden des jeweiligen Vormonats. Die Klägerin legte eine schriftliche Stellungnahme ihrer Arbeitgeber vom 01.07.2015 bei. Diese bestätigten, es handle sich dabei um die Auszahlung der im Vormonat geleisteten Überstunden oder Zusatzstunden, die als laufendes Entgelt gewertet könne. Eine nachträgliche Korrektur der Entgeltbescheinigungen sei nicht mehr möglich.

Mit Widerspruchsbescheid vom 15.07.2015 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. In der Begründung berief er sich allein auf die Behandlung der Zahlungen in den Entgeltbescheinigungen. Für deren Richtigkeit und Vollständigkeit spreche eine gesetzliche Vermutung.

Am 14.08.2015 hat die Klägerin vor dem Sozialgericht Augsburg Klage erhoben. Der Beklagte hat im Klageverfahren die Ansicht vertreten, es existierten keine Nachweise, dass die Arbeitgeber die Zahlungen zu Unrecht als sonstige Bezüge behandelt hätten. Das zeige schon, dass sie nicht mehr in der Lage seien, eine nachträgliche Korrektur vorzunehmen.

Dennoch hat das Sozialgericht der Klage mit Urteil vom 18.11.2015 stattgegeben und den Beklagten verurteilt, der Klägerin Elterngeld unter Berücksichtigung der Einkünfte aus der Lohnart 231 in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen von März 2014 bis November 2014 zu gewähren. Bei den Einnahmen aus der "Lohnart 231 Festbezug netto jhrl.", so das Sozialgericht zur Begründung, handle es sich um laufenden Arbeitslohn. Aufgrund von § 6 des Arbeitsvertrags sei die Klägerin zu Mehrarbeit verpflichtet gewesen. Die Mehrarbeitsvergütung sei über einen Zeitraum von einem halben Jahr monatlich gezahlt worden, so dass sie regelmäßig und fortlaufend der Klägerin zugeflossen sei. Daran ändere nichts, dass der Klägerin ab Dezember 2014 vermutlich schwangerschaftsbedingt keine Mehrarbeitsvergütung mehr zugeflossen sei. Der Berücksichtigung bei der Elterngeldbemessung stehe nicht entgegen, dass der Arbeitgeber in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen die Mehrarbeitsvergütung als sonstigen Bezug ausgewiesen habe. Sodann hat das Sozialgericht die Begründung zum Gesetzesentwurf zum Elterngeld-Plus-Gesetz wiedergegeben. Trotz des daraus erkennbaren gesetzgeberischen Ziels, so das Sozialgericht, einen Gleichlauf von lohnsteuerrechtlichen Vorgaben und elterngeldrechtlichen Bemessungsgrundlagen zu erreichen, sei die Verbuchung des Arbeitslohns in den Lohn- und Gehaltsabrechnungen nicht ausschlaggebend. Denn die durch § 2c Abs. 2 Satz 2 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG) aufgestellte Vermutung sei widerlegbar. Hier seien die Angaben des Arbeitgebers in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen nachweislich fehlerhaft. Der vom Beklagten ins Feld geführte hohe Verwaltungsaufwand rechtfertige nicht eine andere Beurteilung.

Am 01.12.2015 hat der Beklagte Berufung eingelegt.

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin zunächst eine schriftliche Stellungnahme ihrer Arbeitgeber vorgelegt. Darin steht, der in den Abrechnungen zusätzlich zum Gehalt unter Lohnart 231 ausgewiesene Bezug errechne sich nicht nach Arbeitsstunden. Es handle sich vielmehr um eine Leistungsprämie, die jeweils aufgrund üblicher Weise im Vormonat bearbeiteter Untersuchungsmaterialien ermittelt werde. In der Stellungnahme der Arbeitgeber findet sich folgende Auflistung:

Abrechnung; Anzahl; Zusatzvergütung (brutto);
2/2014, 140, 494,32 EUR
3/2014, 620, 2.208,54 EUR
4/2014, 610, 2.125,61 EUR
5/2014, 460, 1.591,84 EUR
6/2014, 460, 1.607,23 EUR
7/2014, 300, 1.029,34 EUR
8/2014, 530, 2.015,91 EUR
9/2014, 420, 1.659,69 EUR
10/2014, 120, 526,00 EUR.

Unter Berücksichtigung dieser Stellungnahme vertritt der Beklagte die Meinung, die Lohn- und Gehaltsabrechnungen der Arbeitgeber der Klägerin seien entgegen der Ansicht des Sozialgerichts gerade nicht falsch. Denn nach der einschlägigen Bestimmung der Lohnsteuer-Richtlinien (LStR) gehörten zum laufenden Arbeitslohn nur solche Mehrarbeitsvergütungen, die regelmäßig fortlaufend gezahlt würden. Das sei hier aber nicht der Fall. Nach der arbeitsvertraglichen Regelung handle es sich nicht um eine regelmäßige Mehrarbeit, sondern um Mehrarbeit bei Bedarf. Aus diesem Grund seien die Mehrarbeitsstunden kein laufender Bedarf, sondern eine Sonderzahlung, auch wenn die Mehrarbeitsvergütung über mehrere Monate hinweg fortlaufend zugeflossen sei. Eine Einzelprüfung sei vom Gesetzgeber nicht gewollt. Die "lohnsteuerrechtlichen Lohn- und Gehaltsmitteilungen" könnten grundsätzlich ohne weitere Ermittlungen übernommen werden. Eine Widerlegung der Richtigkeitsvermutung sei nur mit Nachweisen möglich. Angesichts der vorliegenden arbeitsvertraglichen Konstellation sei eine andere Besteuerung als die Einstufung als sonstige Bezüge überhaupt nicht möglich gewesen.

Auf Anfrage des Senats haben die Arbeitgeber der Klägerin mit Schreiben vom 23.08.2017 mitgeteilt, mit dem unter Lohnart 231 ausgewiesenen Entgelt sei keine Überstundenvergütung gezahlt worden. Die Vergütung beziehe sich vielmehr auf eine gesonderte mündliche Vertragsabrede zwischen den Arbeitsvertragsparteien: Der Klägerin sei angeboten worden, an Werktagen außerhalb ihrer arbeitsvertraglichen Verpflichtungen weitere Proben zu bearbeiten. Diese habe frei entscheiden können. Jede ausgewertete Probe sei mit einem jeweils hinterlegten Euro-Multiplikator (1,80 EUR netto) vergütet worden. Darauf basierend sei die Lohnart als "sonstiger Bezug" bzw. "Einmalbezug" abgerechnet worden.

Dies hat den Beklagten zum Vortrag weiterer Argumente veranlasst. Er ist der Ansicht, einfache Hinweise auf eine unrichtige lohnsteuerrechtliche Behandlung genügten nicht, damit er in eine Nachprüfung eintreten müsse. Die Richtigkeitsvermutung müsse derjenige widerlegen, der sich auf die Unrichtigkeit berufe. Solange die Rechtsauffassung des Arbeitgebers, nach der er die Behandlung als sonstige Bezüge vorgenommen habe, vertretbar sei, könne dessen Handhabung nicht als falsch angesehen werden. Das sei erst dann anders, wenn die Einschätzung des Arbeitgebers unter Zugrundelegung einer Ex-ante-Sicht unter keinem Aspekt vertretbar sei. Die Fehlerhaftigkeit müsse evident sein. Im vorliegenden Fall hätten die Arbeitgeber nicht absehen können, ob überhaupt und wann die Klägerin zusätzliche Arbeit leisten würde. Von daher sei die Kategorisierung als sonstiger Bezug nicht falsch.

Der Beklagte beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 18. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für richtig.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakten sowie die Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Die Akten haben vorgelegen, sind als Streitstoff in das Verfahren eingeführt worden und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung des Beklagten bleibt ohne Erfolg. Sie ist zwar zulässig, aber unbegründet.

Zu Recht hat das Sozialgericht den Beklagten verurteilt, der Klägerin höheres Elterngeld unter Berücksichtigung der Einkünfte aus der Lohnart 231 in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen von März 2014 bis November 2014 zu zahlen.

Gegenstand der Anfechtungsklage - insgesamt liegt eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage vor - ist der Bewilligungsbescheid vom 16.06.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 15.07.2015. Da die Bewilligung endgültig und nicht nur vorläufig ausgesprochen worden war, kam es nicht zum Erlass eines Zweitbescheids. Von dem Vorbehalt des Widerrufs hat der Beklagte keinen Gebrauch gemacht. Bei dem hier vorliegenden Höhenstreit ist der Streitgegenstand grundsätzlich nicht auf ein einzelnes Berechnungselement beschränkt. Vielmehr prüft der Senat innerhalb der Grenzen des klägerischen Antrags unter allen tatsächlichen und rechtlichen Facetten, ob der Klägerin höhere Leistungen zustehen. Andererseits berücksichtigt der Senat auch solche Aspekte, die das von der Klägerin begehrte Optimum auf anderem Weg wieder reduzieren.

Die Voraussetzungen für die Entstehung eines Anspruchs dem Grunde nach liegen un-zweifelhaft vor. Dies ergibt sich aus § 1 Abs. 1 BEEG in der seit 01.01.2015 geltenden Fassung; die Maßgeblichkeit dieser Fassung folgt aus § 27 Abs. 1 Satz 1 BEEG in Verbindung mit dem Umstand, dass H. nach dem 31.12.2014 geboren worden ist. Nach § 1 Abs. 1 Satz 1 BEEG hat Anspruch auf Elterngeld, wer
1. einen Wohnsitz oder seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat,
2. mit seinem Kind in einem Haushalt lebt,
3. dieses Kind selbst betreut und erzieht und
4. keine oder keine volle Erwerbstätigkeit ausübt.

Alle diese Voraussetzungen erfüllte die Klägerin. Sie hatte während des gesamten Bezugszeitraums ihren Wohnsitz und gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland, lebte mit H. in einem Haushalt, betreute und erzog ihn selbst und übte entsprechend ihrer Ankündigung im Elterngeldantrag während des Bezugszeitraums keine Erwerbstätigkeit aus. Ein ordnungsgemäßer Antrag lag vor. Der Ausschlusstatbestand des § 1 Abs. 8 BEEG ist nicht erfüllt, weil das zu versteuernde Einkommen beider Elternteile zusammen im letzten abgeschlossenen Veranlagungszeitraum vor der Geburt deutlich unter 500.000 EUR blieb.

Die Höhe des Elterngelds hat der Beklagte zu niedrig festgesetzt. In der Tat hätte er, wie es die Klägerin wünscht und das Sozialgericht entschieden hat, die Einkünfte, die in den Lohn- und Gehaltsbescheinigungen von März 2014 bis November 2014 unter der Lohnart 231 mit der Bezeichnung "Festbezug netto jhrl." ausgewiesen waren, als Bemessungsentgelt für das Elterngeld berücksichtigen müssen.

Für die Bestimmung der Höhe des Elterngelds ist im Wesentlichen das bis zum 31.12.2014 geltende Recht (im Folgenden: aF) heranzuziehen. Dies folgt aus § 27 Abs. 1 Satz 2 BEEG. Allein § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG muss ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens des neuen Rechts, also ab 01.01.2015, in seiner neuen Fassung auf den bereits laufenden Leistungsfall angewandt werden (vgl. § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG).

Die Basisnorm für die Bemessung des Elterngelds ist § 2 Abs. 1 und 2 BEEG aF. Soweit für den vorliegenden Fall von Bedeutung, lauten diese Regelungen wie folgt:
(1) 1Elterngeld wird in Höhe von 67 Prozent des Einkommens aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt des Kindes gewährt. 2Es wird bis zu einem Höchstbetrag von 1 800 Euro monatlich für volle Monate gezahlt, in denen die berechtigte Person kein Einkommen aus Erwerbstätigkeit hat. 3Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit errechnet sich nach Maßgabe der §§ 2c bis 2f aus der um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben verminderten Summe der positiven Einkünfte aus 1. nichtselbständiger Arbeit nach § 2 Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 des Einkommensteuergesetzes sowie 2 ..., die im Inland zu versteuern sind und die die berechtigte Person durchschnittlich monatlich im Bemessungszeitraum nach § 2b ... hat.
(2) ... 2In den Fällen, in denen das Einkommen aus Erwerbstätigkeit vor der Geburt höher als 1 200 Euro war, sinkt der Prozentsatz von 67 Prozent um 0,1 Prozentpunkte für je 2 Euro, um die dieses Einkommen den Betrag von 1 200 Euro überschreitet, auf bis zu 65 Prozent.

Eine zeitliche Spezifizierung des Normteils "vor der Geburt des Kindes" erfolgt in § 2b Abs. 1 Satz 1 BEEG aF. Danach sind für die Ermittlung des Einkommens aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit vor der Geburt die zwölf Kalendermonate vor dem Monat der Geburt des Kindes maßgeblich. Im Fall der Klägerin, die nur Einkommen aus nichtselbständiger Erwerbstätigkeit bezog, handelt es sich grundsätzlich um die zwölf Kalendermonate vor Mai 2015. Wegen des Bezugs von Mutterschaftsgelds während des Beschäftigungsverbots vor der Geburt verlagerte sich der Bemessungszeitraum gemäß § 2b Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 BEEG aF um zwei Kalendermonate in die Vergangenheit. Der Beklagte hat also mit den Monaten also März 2014 bis Februar 2015 den zutreffenden Bemessungszeitraum herangezogen.

Das Einkommen aus Erwerbstätigkeit im Bemessungszeitraum hat der Beklagte zu niedrig angesetzt; denn er hat die Vorschrift des § 2c Abs. 1, 2 BEEG aF nicht korrekt angewandt. Diese Bestimmung lautet:
(1) 1Der monatlich durchschnittlich zu berücksichtigende Überschuss der Einnahmen aus nichtselbstständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert über ein Zwölftel des Arbeitnehmer-Pauschbetrags, vermindert um die Abzüge für Steuern und Sozialabgaben nach den §§ 2e und 2f, ergibt das Einkommen aus nichtselbstständiger Erwerbstätigkeit. 2Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden. 3Maßgeblich ist der Arbeitnehmer-Pauschbetrag nach § 9a Satz 1 Nummer 1 Buchstabe a des Einkommensteuergesetzes in der am 1. Januar des Kalenderjahres vor der Geburt des Kindes für dieses Jahr geltenden Fassung.

(2) Grundlage der Ermittlung der Einnahmen sind die Angaben in den für die maßgeblichen Monate erstellten Lohn- und Gehaltsbescheinigungen des Arbeitgebers.

Allerdings gilt gemäß § 27 Abs. 1 Satz 3 BEEG von dieser alten Fassung nicht auch § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG. Diese Norm findet auf den vorliegenden Fall vielmehr in der Fassung ab 01.01.2015 Anwendung, wonach Einnahmen nicht berücksichtigt werden dürfen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge zu behandeln sind.

Aus § 2c Abs. 1 Satz 1 BEEG aF geht hervor, dass die Einnahmen aus nichtselbständiger Arbeit in Geld oder Geldeswert die Ausgangsgröße für die Elterngeldberechnung bei abhängig Beschäftigten verkörpern. Diese Ausgangsgröße hat der Beklagte unzutreffend quantifiziert. Er ist fälschlicher Weise davon ausgegangen, § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG bewirke, die unter Lohnart 231 ausgewiesenen und in den Monaten März bis November 2014 ausgezahlten Vergütungsbestandteile dürften nicht in die Ausgangsgröße einbezogen werden (dazu unten 1.). Das gilt auch noch nach Erlass des BSG-Urteils vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R (vgl. dazu unten 2.), von dem bislang lediglich ein Terminsbericht (Nr. 61/17) sowie eine Pressemitteilung (62/2017) vorliegen, dessen Gründe aber noch nicht abgesetzt sind.

1. Richtig ist der Ausgangspunkt des Beklagten, für die Auslegung des Tatbestandsmerkmals "sonstige Bezüge" in § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG müsse auf das Einkommensteuerrecht, und zwar speziell auf das Lohnsteuerrecht, abgestellt werden. Das Gesetz nennt das Lohnsteuerabzugsverfahren explizit als Maßstab. Eine autarke elterngeldrechtliche Begriffsbildung scheidet kategorisch aus.

Ausschlaggebend soll die Einordnung in die einkommensteuerrechtlichen Kategorien "laufender Arbeitslohn" und "sonstige Bezüge" sein. Das Einkommensteuerrecht führt diese Differenzierung ein, um die Höhe der Lohnsteuer authentisch ermitteln zu können. Daher erscheinen dort die beiden Begriffe erstmals in § 38a des Einkommensteuergesetzes (EStG), der mit "Höhe der Lohnsteuer" überschrieben ist. "Laufender Arbeitslohn" wird im Gesetz nicht definiert; § 38a Abs. 1 Satz 2 EStG setzt den Terminus voraus und verwendet ihn als Tatbestandsmerkmal. § 38a Abs. 1 Satz 3 EStG enthält zwar eine Definition für "sonstige Bezüge", diese erfolgt aber nur negativ: Sonstige Bezüge sind Arbeitslohn, der nicht als laufender Arbeitslohn gezahlt wird.

Mangels gesetzlicher Grundlage im Steuerrecht - auch insoweit ist dem Beklagten Recht zu geben - hat sich die Abgrenzung der (elterngeldrechtlich nicht berücksichtigungsfähigen) sonstigen Einnahmen zum (elterngeldrechtlich zu berücksichtigenden) laufenden Arbeitslohn an den LStR zu orientieren. Dies entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), so zuletzt im Urteil vom 29.06.2017 - B 10 EG 5/16 R. Die LStR in der Fassung der Lohnsteuer-Änderungsrichtlinien 2015 vom 22.10.2014 (BStBl I S. 1344) erläutern beide Begriffe unter Darstellung von Anwendungsbeispielen. Laufender Arbeitslohn ist nach R 39b.2 Abs. 1 LStR Arbeitslohn, der dem Arbeitnehmer regelmäßig fortlaufend zufließt, insbesondere:
1. Monatsgehälter,
2. Wochen- und Tagelöhne,
3. Mehrarbeitsvergütungen,
4. Zuschläge und Zulagen,
5. geldwerte Vorteile aus der ständigen Überlassung von Dienstwagen zur privaten Nutzung,
6. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich diese ausschließlich auf Lohnzahlungszeiträume beziehen, die im Kalenderjahr der Zahlung enden, und
7. Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres, der innerhalb der ersten drei Wochen des nachfolgenden Kalenderjahres zufließt.

Fließt Arbeitslohn nicht im Sinn des R 39b.2 Abs. 1 LStR laufend (also nicht regelmäßig fortlaufend) zu, zählt R 39b.2 Abs. 2 Satz 1 LStR ihn zu den sonstigen Bezügen. Hierzu gehören nach R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 insbesondere:
1. 13. und 14. Monatsgehälter,
2. einmalige Abfindungen und Entschädigungen,
3. Gratifikationen und Tantiemen, die nicht fortlaufend gezahlt werden,
4. Jubiläumszuwendungen,
5. nicht fortlaufend gezahlte Urlaubsgelder und Entschädigungen zur Abgeltung nicht genommenen Urlaubs,
6. Vergütungen für Erfindungen,
7. Weihnachtszuwendungen,
8. Nachzahlungen und Vorauszahlungen, wenn sich der Gesamtbetrag oder ein Teilbetrag der Nachzahlung oder Vorauszahlung auf Lohnzahlungszeiträume bezieht, die in einem anderen Jahr als dem der Zahlung enden. Nachzahlungen liegen auch vor, wenn Arbeitslohn für Lohnzahlungszeiträume des abgelaufenen Kalenderjahres später als drei Wochen nach Ablauf dieses Jahres zufließt,
9. Ausgleichszahlungen für die in der Arbeitsphase erbrachten Vorleistungen auf Grund eines Altersteilzeitverhältnisses im Blockmodell, das vor Ablauf der vereinbarten Zeit beendet wird,
10. Zahlungen innerhalb eines Kalenderjahres als viertel- oder halbjährliche Teilbeträge.

Schon gemessen daran erweist sich die Vorgehensweise des Beklagten als falsch. Die unter Lohnart 231 ausgewiesenen Bezüge stellen laufenden Arbeitslohn dar. Sie gehen auf eine mündliche Zusatzabrede zum Arbeitsvertrag der Klägerin mit ihren Arbeitgebern zurück: Wie die Arbeitgeber der Klägerin bestätigt haben, räumten sie dieser die Möglichkeit ein, zusätzlich zu dem arbeitsvertraglich Geschuldetem "Mehrarbeit" zu leisten. Diese Mehrarbeit wurde allein nach erledigter Stückzahl entlohnt, während die reguläre Bezahlung in Form eines Festgehalts erfolgte. Es handelte sich gewissermaßen um eine Kombination von Festgehalt (Festgehalt gegen Arbeitsleistung) und einer "aufgesetzten" Akkordregelung.

Die auf der Grundlage dieser arbeitsvertraglichen Regelung geleistete "Mehrarbeit" interpretiert der Senat aber nicht im Sinn von Überstunden. Das Charakteristikum von Überstunden besteht darin, dass sie jenseits dessen geleistet werden, was nach dem Arbeitsvertrag an regulärer Arbeitszeit geschuldet ist; es handelt sich um eine Arbeitsleistung, die an sich über die arbeitsvertragliche Hauptleistungspflicht, nämlich in zeitlich festgelegtem Umfang zu arbeiten, hinausgeht. Im vorliegenden Fall haben die Arbeitsvertragsparteien dagegen die Hauptleistungspflichten als solche verändert. Die "Mehrarbeit" bewegt sich nicht außerhalb des arbeitsvertraglich Vereinbarten, sondern gerade innerhalb dessen, da der zeitliche Rahmen erweitert worden war. Dass die hier vereinbarte "Mehrarbeit" im Belieben der Klägerin stand, vermag daran nichts zu ändern. Denn die Arbeitsvertragsparteien durfte die "Mehrarbeit" nicht nur quasi als "Ausdruck einer Ausnahmesituation" verstehen - wie es bei Überstunden der Fall ist -, sondern vielmehr als Standarderscheinung im Rahmen der arbeitsvertraglichen Hauptleistungspflichten. Die Vereinbarung einer derartigen "freiwilligen Mehrarbeit" begegnet arbeitsrechtlich keinen Bedenken, sofern nur die Grenzen des Arbeitszeitgesetzes eingehalten werden.

Daraus schließt der Senat, dass es sich gemessen an der Diktion von R 39b.2 LStR nicht einmal um Mehrarbeitsvergütungen im Sinn von R 39b.2 Abs. 1 Nr. 3 LStR, sondern um originäre Monatsgehälter im Sinn von R 39b.2 Abs. 1 Nr. 1 LStR handelte.

Letztendlich kommt es darauf aber nicht an. Denn man kann nicht umhin, jedenfalls Mehrarbeitsvergütungen im Sinn von R 39b.2 Abs. 1 Nr. 3 LStR anzunehmen. Mehrarbeitsvergütungen sind über R 39b.2 Abs. 1 Nr. 3 LStR eindeutig dem laufenden Arbeitslohn zugeordnet. Wenn der Beklagte argumentiert, es fehle an deren Regelmäßigkeit, weil die Arbeitgeber ja nicht mit der Erbringung der Mehrleistungen hätten rechnen können, will er damit insinuieren, es müsse lohnsteuerrechtlich zwischen regelmäßigen und unregelmäßigen Mehrarbeitsvergütungen differenziert werden. Der Senat teilt diese Ansicht nicht. In R 39b.2 Abs. 1 Nr. 3 LStR ist die vom Beklagten implizit vorgenommene Differenzierung nicht angelegt. Der Richtliniengeber hat sich vielmehr bewusst dafür entschieden, jegliche Mehrarbeitsvergütung dem laufenden Arbeitslohn zuzuschlagen. Das ist kein Versehen, sondern nur konsequent. Denn Mehrarbeitsvergütungen gehören der Typik nach zum regulären Gehalt. Wie das reguläre Gehalt auch, so handelt es sich bei ihnen um Arbeitslohn, der unmittelbar bestimmtem Tätigwerden zugeordnet werden kann; jeder Teil der Mehrarbeitsvergütung wird für eine entsprechende, genau konkretisierbare Einheit an Arbeitsleistung gewährt. Mehrarbeitsvergütungen verkörpern nicht eine andere Gattung der Entlohnung als das reguläre Gehalt, sondern erhöhen dieses, soweit sie denn anfallen.

Bei der Prüfung der Regelmäßigkeit von Mehrarbeitsvergütungen darf also nicht auf den Anfall der Mehrarbeitsvergütungen als solcher abgestellt werden, sondern auf den Anfall desjenigen Vergütungsbestandteils, den die Mehrarbeitsvergütungen der Höhe nach verändern, nämlich auf den Anfall des regulären Gehalts. Die Mehrarbeitsvergütung verkörpert keine eigene Kategorie "als solche", die regelmäßig oder unregelmäßig anfallen kann. Sie rechnet insoweit vielmehr zum normalen Gehalt, das selbstredend regelmäßig gezahlt wird; auf diese Weise partizipiert sie an der Regelmäßigkeit des regulären Festgehalts.

Zusammenfassend verkörpern die hier vorliegenden "Mehrarbeitsvergütungen" lediglich Elemente, die dem Festgehalt eine schwankende Höhe verleihen. Dessen wechselnde Höhe spielt keine Rolle für die Einstufung als laufender Arbeitslohn oder als sonstiger Bezug. Das wird schon daran deutlich, dass gemäß R 39b.2 Abs. 1 Nr. 4 LStR Zuschläge und Zulagen ohne jede Differenzierung zum laufendem Arbeitslohn rechnen. Gerade Zuschläge und Zulagen führen häufig dazu, dass der monatliche Zahlbetrag mehr oder weniger differiert. Dass das Schwanken des Arbeitslohns nicht dessen Behandlung als "laufenden Arbeitslohn" ausschließt, hat überdies das BSG im Urteil vom 29.06.2017 - B 10 EG 5/16 R bekräftigt. Eine extensive Nichtberücksichtigung von schwankendem Einkommen bei der Elterngeldbemessung wäre im Licht von Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) nur schwer zu rechtfertigen. Denn schwankender Arbeitslohn, der mit schwankender Arbeitsleistung einhergeht und mit ihr korrespondiert, prägt die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht weniger als der in konstanter Höhe ausbezahlte.

Aber auch das kann letzten Endes dahinstehen. Selbst wenn man wie der Beklagte die Regelmäßigkeit einer Mehrarbeitsvergütung als zusätzliche Tatbestandsvoraussetzung in R 39b.2 Abs. 1 Nr. 3 LStR hineinlesen und zugleich bezüglich der Regelmäßigkeit auf die Frequenz der Mehrarbeitsvergütung als solche abstellen wollte, müsste man hier die Regelmäßigkeit bejahen. Denn von März bis November 2014 wurde die unter Lohnart 231 geführte Vergütung Monat für Monat ausbezahlt. Wenn der Beklagte dagegen vorbringt, die "Mehrarbeit" sei der Klägerin ja freigestellt gewesen, die Arbeitgeber hätten daher nicht mit einer regelmäßigen Erbringung von Mehrarbeit rechnen können, so erscheint schon zweifelhaft, ob es auf eine derartige "Planungssicherheit" des Arbeitgebers für die Beurteilung der "Regelmäßigkeit" überhaupt ankommt; im Hinblick auf das elterngeldrechtliche Prägen ist das schon deswegen nicht der Fall, weil insoweit nicht nach der Regelmäßigkeit aus der Sicht des Arbeitgebers, sondern aus der Sicht des Leistungsberechtigten gefragt wird. Dies weiter zu vertiefen, erübrigt sich. Im vorliegenden Fall konnten die Arbeitgeber nämlich durchaus davon ausgehen, die Klägerin werde in einer Frequenz Mehrleistungen erbringen, die das Kriterium der Regelmäßigkeit erfüllen werde. Denn der Klägerin war - und das wussten die Arbeitgeber - die ihr eingeräumte Möglichkeit hochwillkommen; sie hat ausgiebig davon Gebrauch gemacht. Vor dem Hintergrund dessen erscheint das Vorbringen des Beklagten konstruiert und lebensfremd.

Der Vollständigkeit halber sei ergänzt, dass die Behandlung der unter Lohnart 231 ausgewiesenen Vergütungen als sonstige Bezüge - anders als in den vom Senat am 23.11.2017 (L 9 EG 10/16 und L 9 EG 27/16) entschiedenen Fällen - auch nicht von R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 LStR gedeckt ist. Denn die Arbeitgeber der Klägerin hatten die zustehende "Mehrarbeitsvergütung" absolut zeitnah ausgezahlt. Die zwischen März und November 2014 geleisteten Vergütungsbestandteile "Lohnart 231" betrafen stets Arbeitsleistung aus dem jeweiligen Vormonat.

Die falsche lohnsteuerrechtliche Einordnung durch die Arbeitgeber der Klägerin bewirkt, dass der Beklagte die unter Lohnart 231 ausgewiesene Vergütung nicht auf der Grundlage von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG von der Berücksichtigung beim Bemessungseinkommen ausschließen durfte.

Die Richtigkeitsvermutung der Lohn- und Gehaltsbescheinigungen rechtfertigt die Vorgehensweise des Beklagten nicht. Anders als § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG gilt § 2c Abs. 2 BEEG, der die rechtliche Grundlage bildet, in der bis zum 31.12.2014 in Kraft befindlichen Fassung des Gesetzes. Obwohl seinerzeit der jetzige Satz 2, wonach die Richtigkeit und Vollständigkeit der Angaben in den maßgeblichen Lohn- und Gehaltsbescheinigungen vermutet wird, noch fehlte, besteht kein Zweifel, dass auch § 2c Abs. 2 BEEG in der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung als widerlegbare Vermutung ausgestaltet war. Von Anfang an hat das BSG unterstrichen, dass gerade eine rechtliche Kategorisierung wie hier keinesfalls dem Gutdünken des Arbeitgebers überlassen bleiben darf, sondern es auf die objektive Richtigkeit ankommen muss; das bedingt, dass die Entgeltbescheinigungen nicht absolut wirken dürfen. Da der Beklagte die einschlägige ständige BSG-Rechtsprechung kennt, kann es sich der Senat ersparen, diese hier im Detail aufzurollen.

Eine absolute Bindung an Entgeltbescheinigungen von Arbeitgebern würde im Extremfall an verfassungsrechtlichen Grundprinzipien rühren: Der Betroffene wäre "auf Gedeih und Verderb" der möglicherweise komplett falschen Praxis einer Privatperson ausgeliefert. Bewirkt der Arbeitgeber eines Leistungsberechtigten durch fehlerhafte Handlungen, dass dem Leistungsberechtigten ein Nachteil bei der Elterngeldbemessung entsteht, muss der Staat eine Korrekturmöglichkeit vorhalten. Der Senat hält es für nicht angängig, wenn der Staat einen Leistungsberechtigten an eventuelle Irrwege des Arbeitgebers bindet und so den Arbeitgeber zur eigentlich determinierenden Instanz erhebt. Das würde zwar auf staatliche (gesetzliche) Anordnung, also keineswegs ohne staatliches Zutun geschehen, trotzdem dürfte hier die Grenze zur unzulässigen Fremdbestimmung überschritten sein. Der Antragsteller würde zum "Spielball" des Arbeitgebers. Dies erschiene nicht nur im Licht des Gebots demokratischer Legitimation bedenklich, sondern auch im Hinblick auf das aus Art. 3 Abs. 1 GG abzuleitende Willkürverbot (vgl. Senatsurteil vom 23.11.2017 - L 9 EG 27/16). Sollte das BSG in seinem Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R zum Ergebnis gekommen sein, dem Betroffenen habe in dem entschiedenen Fall mit der Anfechtung der Lohnsteueranmeldung eine hinreichende Korrekturmöglichkeit zur Verfügung gestanden, so wäre das im Fall der Klägerin anders (vgl. dazu unten).

Wie der Senat in den Urteilen vom 23.11.2017 - L 9 EG 10/16 und L 9 EG 27/16 ausführlich begründet hat, verstärken sich seine verfassungsrechtlichen Bedenken dadurch, dass der Beklagte zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden und reibungslosen Verwaltungstätigkeit entgegen seinem Vorbringen gerade nicht darauf angewiesen ist, den Inhalt der Entgeltbescheinigungen eins zu eins zu übernehmen. An dieser Stelle wird in vollem Umfang auf die dortigen Ausführungen verwiesen.

Wie im Senatsurteil vom 23.11.2017 - L 9 EG 62/15 festgestellt, erkennt der Beklagte zwar formal an, dass es sich bei § 2c Abs. 2 BEEG aF um eine widerlegbare Vermutung handelt. Allerdings überspannt er die Anforderungen an deren Widerlegung und nähert sich auf diese Weise zu sehr einer absoluten Bindung an die Bescheinigungen mitsamt den damit verbundenen verfassungsrechtlichen Problemen an. Dabei lässt sich bereits trefflich darüber streiten, auf welche Tatsachen und Umstände - insbesondere auf Ergebnisse rechtlicher Würdigungen - sich die Vermutungswirkung überhaupt bezieht. So spricht Einiges dafür, dass die hier streitige normative Tatsache - die lohnsteuerrechtliche Einstufung - von vornherein nicht von der Vermutungswirkung erfasst wird.

Unabhängig davon entfernt sich der Beklagte mit seiner Praxis, wann er eine Entgeltbescheinigung als falsch und damit unbeachtlich einstuft, bedenklich vom Gesetz. Dafür, dass eine Entgeltbescheinigung im Sinn der Vermutungsregelung des § 2c Abs. 2 BEEG aF falsch ist, bedarf es keiner Pflichtverletzung des Arbeitgebers. Daher ist für den Einwand "der Arbeitgeber hat es konkret, individuell und subjektiv ja nicht besser wissen können" kein Raum. Abwegig mutet die vom Beklagten "erfundene" Evidenztheorie an: Nur dann, so der Beklagte sinngemäß, wenn der Arbeitgeber einen evidenten Fehler begangen habe, wenn seine Handlungsweise also unter keinem Blickwinkel als noch irgendwie vertretbar angesehen werden könne, müsse der Sachbearbeiter in der Elterngeldbehörde die Entgeltbescheinigung außer Betracht lassen. Für beide Ansätze findet sich im Gesetz nicht die geringste Stütze - übrigens auch nicht in Gesetzgebungsmaterialien. Und beide Ansätze setzen die durch Art. 3 Abs. 1 GG gebotene Gleichbehandlung aller Antragsteller, im ungünstigen Fall bis hin zur Willkür, aufs Spiel. Denn folgte man dem Konstrukt des Beklagten, würde die Höhe des Elterngelds letzten Endes davon abhängen, wie fähig, sorgfältig, fachkundig etc. sowohl die Mitarbeiter des jeweiligen Arbeitgebers als auch die des Beklagten wären. Der versierte, gut ausgebildete Beamte am Zentrum Bayern Familie und Soziales erkennt möglicherweise umgehend, dass die Entgeltbescheinigung falsch ist; für ihn ist "Evidenz" schneller erreicht. Ein anderer, qualitativ schlechterer Mitarbeiter mag dagegen nicht einmal ansatzweise ahnen, dass ein Fehler vorliegt; er würde Evidenz natürlich verneinen. Dass dies nicht rechtens sein kann, liegt auf der Hand. Man müsste also das vom Beklagten proklamierte Tatbestandsmerkmal "Evidenz" objektivieren. Der Senat ist davon überzeugt, dass dies nicht möglich ist. Selbst wenn man es versuchen würde, würde man das Problem nur verlagern: von der Abgrenzung "richtig-falsch" zur Abgrenzung "evident falsch-nicht evident falsch". Der Senat wagt die Einschätzung, dass letztere weitaus schwieriger zu handhaben wäre als erstere. Von daher erweist sich der Beklagte mit seinem Vorbringen einen schlechten Dienst für sein Bemühen, Entlastung zu erreichen.

Entschieden abzulehnen ist auch das Ansinnen des Beklagten, es müsse eine "Ex-ante-Betrachtung" greifen. Das ist schon von der Terminologie her falsch. Da nämlich die Bewilligungsentscheidung für Elterngeld stets nach Ablauf des Bemessungszeitraums erfolgt, hat man es durchweg mit einer Ex-post-Betrachtung zu tun; Gegenstand der Betrachtung ist das Einkommen in einem in der Vergangenheit liegenden Zeitraum. Der Beklagte meint dies allerdings anders. Dabei geht es ihm jedoch nicht um diejenige Fallgestaltung, dass sich das Steuerrecht nachträglich ändert (dass hier das Steuerrecht zum Zeitpunkt der Fälligkeit der Lohnsteuer maßgebend sein muss, dürfte nicht wirklich streitig sein). Ihm schwebt vielmehr vor, die lohnsteuerrechtliche Beurteilung dürfe nicht von den Gerichten nachträglich modifiziert werden. Damit würde der Beklagte aber in falschem Gewand eine absolute Geltung der Entgeltbescheinigungen beziehungsweise einen "gerichtsfreien Raum" verlangen. Beides wäre inakzeptabel.

Festzuhalten bleibt, dass es sich bei allen von März bis November 2014 ausgezahlten "Mehrarbeitsvergütungen" um laufenden Arbeitslohn handelte, der nicht gemäß § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG von der Berücksichtigung als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ausgeschlossen ist. Zum für die Elterngeldbemessung relevanten Einkommen zählt auch die im März 2014 erbrachte Zahlung von 2.208,54 EUR. Zweifel daran könnten aufkommen, weil das BSG im Urteil vom 26.03.2014 - B 10 EG 14/13 R (Rn. 37 des juris-Dokuments) ausgeführt hatte, in der Gesetzesbegründung zu § 2 Abs. 7 S 2 BEEG aF werde die lohnsteuerrechtliche Behandlung bestimmter Voraus- und Nachzahlungen als sonstige Bezüge nach LStR R 39b.2 Abs. 2 Satz 2 Nr. 8 ausdrücklich angesprochen (vgl. BT-Drucks 17/3030 S. 48 zu Art. 13 Nr. 1 - § 2 Abs. 7 Satz 2). Der Gesetzgeber mache damit deutlich, dass er derartige Zahlungen nicht in die Elterngeldberechnung aufnehmen wolle. Das BSG halte dies für sachlich gerechtfertigt, weil es bei der Ermittlung der wirtschaftlichen Verhältnisse im Bemessungszeitraum durch die Berücksichtigung derartiger Zahlungen zu Verzerrungen und letztlich ungerechtfertigten Vorteilen des Elterngeldberechtigten kommen könne. Damit hat das BSG Vorauszahlungen und Nachzahlungen nicht generell von der Berücksichtigung als Bemessungseinkommen ausgeschlossen (vgl. dazu Senatsurteil vom 23.11.2017 - L 9 EG 27/16). Vielmehr hat es im gleichen Urteil unmittelbar vor dieser Passage (Rn. 36 des juris-Dokuments) klargestellt, dass Provisionen dann als Voraus- oder Nachzahlungen nicht zu berücksichtigen sind, wenn der reguläre Fälligkeitszeitpunkt außerhalb des Bemessungszeitraums liegt. Von daher scheitert die Berücksichtigung der 2.208,54 EUR nicht daran, dass diese Vergütung Arbeitsleistung betraf, die im Februar 2014, also vor Beginn des Bemessungszeitraums, erbracht worden war. Entscheidend ist nicht der Zeitpunkt des "Erarbeitens", sondern wann die Vergütung geschuldet war, also März 2014.

Sein Vortrag im erstinstanzlichen Verfahren zeigt, dass der Beklagte offenbar der Meinung ist, allein schon der Umstand, dass die Arbeitgeber im vorliegenden Fall die Entgeltbescheinigungen nicht mehr geändert hätten, belege deren Richtigkeit. Das dürfte ein Trugschluss sein. Der Senat sieht den Grund dafür vielmehr darin, dass § 41b EStG den Arbeitgebern einen jährlichen Abschluss des Lohnkontos sowie die Abgabe einer Lohnsteuerbescheinigung bis Ende Februar des Folgejahres vorschreibt. Möglicherweise war es deshalb den Arbeitgebern der Klägerin verwehrt, noch Korrekturen vorzunehmen.

Das Vorbringen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, die Betroffenen dürften sich nicht "die Rosinen herauspicken", indem sie lohnsteuerrechtlich die Vorzüge einer Behandlung als sonstige Bezüge mitnehmen wollten, andererseits aber im Elterngeldrecht auf die Vorteile des laufenden Arbeitslohns nicht verzichten wollten, verkennt, dass im Lohnsteuerrecht auf der einen und im Elterngeldrecht auf der anderen Seite in hohem Maß unterschiedliche Wertungen und Interessenlagen bestehen. Generell kann die "Rosinentheorie" aber nur dann ins Feld geführt werden, wenn zwischen den Vergleichsobjekten ein Konnex dergestalt besteht, dass die beiden erwünschten Vorteile sich bei wertender Betrachtung gegenseitig ausschließen. Das wiederum erfordert eine gewisse Verwandtschaft der geltend gemachten Ansprüche. Daran fehlt es hier. Das BSG hat wiederholt und überzeugend dargelegt, dass das Lohnsteuerrecht und das Elterngeldrecht grundlegend unterschiedliche Zwecke verfolgen und heterogene Mechanismen aufweisen.

2. An dem Ergebnis, dass der Beklagte zu Unrecht die unter Lohnart 231 ausgewiesenen Vergütungsbestandteile als sonstige Bezüge gewertet und deshalb nicht bei der Bemessung des Elterngelds berücksichtigt hat, vermag das BSG-Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R nichts zu ändern. Der Beklagte will diese neue Entscheidung als Richtigkeitsnachweis seiner Ansicht verstehen, die Elterngeldbehörden müssten generell lediglich Angaben aus den Entgeltbescheinigungen übernehmen und keinerlei eigene Prüfung durchführen.

Allerdings sieht der Senat keine Veranlassung, allein aufgrund des bislang vorliegenden Terminberichts Nr. 61/17 - die Urteilsgründe sind noch nicht abgesetzt -, der zudem nicht wirklich einen stringenten "roten Faden" der Begründung erkennen lässt, die wenigen bisher bekannten Erwägungen des BSG unbesehen zu verallgemeinern; das würde ins Reich der Spekulation führen. Nach der Überzeugung des Senats kann die vom BSG vollzogene Rechtsprechungsänderung die bisher vom BSG praktizierte Abgrenzung der (relevanten) laufenden Bezüge von den (auszuschließenden) sonstigen nicht vollständig aus den Angeln heben. Eine "180-Grad-Wende" würde verkennen, dass die bisherige BSG-Rechtsprechung zu einem beträchtlichen Teil grundrechtlichen und rechtsstaatlichen Notwendigkeiten geschuldet war.

Unabhängig davon spricht gegen eine allzu forsche Verallgemeinerung der Fragmente aus dem Terminsbericht, dass die Problematik in Bezug auf die Feststellung des für die Elterngeldbemessung zu berücksichtigenden Einkommens seit jeher besonders gelagert war und immer noch ist. Die Abgrenzung zwischen laufendem Arbeitslohn und sonstigen Einnahmen erfolgt im Steuerrecht im Wesentlichen nach der Art des Bezugs. In R 39b2 Abs. 1, 2 LStR werden Bezüge entweder dem laufenden Arbeitslohn oder den sonstigen Bezügen anhand des Kriteriums der Zuordenbarkeit zu konkreter Arbeit in konkreten unterjährigen Zeiträumen zugeordnet. So handelt es sich bei Provisionen um eine bestimmte Gattung von Bezügen; sie werfen das nach wie vor virulente Problem auf, wie sie der Art nach zuzuordnen sind. Derartige grundsätzliche Überlegungen waren im Fall der Klägerin nicht anzustellen. Denn die unter Lohnart 231 ausgewiesenen Zahlungen waren eindeutig entweder Bezüge nach R 39b.2 Abs. 1 Nr. 1 oder nach Nr. 3 LStR. Man hat es ohne Zweifel mit "geborenem" laufendem Arbeitsentgelt zu tun. Während also bei Provisionen eine schwierige materiell-rechtliche Wertung inmitten steht, geht es hier lediglich um die rein formale Frage, ob die Entgeltbescheinigungen der Arbeitgeber ungeprüft übernommen werden dürfen.

Zudem ist der Senat davon überzeugt, dass die im Terminsbericht Nr. 61/17 dargestellten Gründe im Fall der Klägerin nicht zu deren Ungunsten durchgreifen können. Die Ausgangslage dort dürfte eine grundlegend andere als hier gewesen sein. Das BSG hat nämlich angemerkt, bei den streitigen Quartalsprovisionen sei die Zahlung als laufender Arbeitslohn "möglich gewesen". So muss in Betracht gezogen werden - auch wenn dies nahe an der Spekulation liegen mag -, dass das BSG in dem von ihm entschiedenen Fall B 10 EG 7/17 R sowohl die Behandlung als laufender Arbeitslohn als auch die als sonstige Bezüge als lohnsteuerrechtlich zulässig angesehen hat. Darauf deutet auch der letzte Satz des Terminsberichts hin, wonach der damalige Kläger es in der Hand gehabt habe, durch entsprechende Vertragsgestaltung mit seinem Arbeitgeber zu verhindern, dass die Quartalsprovisionen als sonstige Bezüge behandelt würden. Derartige Dispositionsmöglichkeiten sind im Fall der Klägerin nicht erkennbar; die unter Lohnart 231 ausgewiesene Vergütung war klar als laufendes Arbeitslohn zu behandeln; die Arbeitgeber haben fehlerhaft gehandelt.

Angesichts dessen neigt der Senat zu der Einschätzung, dass es sich bei dem BSG-Urteil vom 14.12.2017 - B 10 EG 7/17 R nicht um den vom Beklagten angenommenen kompletten Richtungswechsel handelt. Die dazu ergangene Pressemitteilung 62/2017 bestärkt dies. Nimmt man deren dritten Absatz "für bare Münze", so betrifft das Urteil, Provisionen, "die nach dem Arbeitsvertrag nicht regelmäßig gezahlt" werden. Hierzu genügt der Hinweis, dass Provisionen, die nach dem Arbeitsvertrag nicht regelmäßig gezahlt werden, auch nach der BSG-Rechtsprechung vom 26.03.2014 nicht bei der Elterngeldbemessung berücksichtigt werden konnten; das BSG hatte "regelmäßig" lediglich relativ großzügig ausgelegt ("mehrmals im Jahr nach festgelegten Berechnungsstichtagen regelmäßig") und einen generellen Vorbehalt der elterngeldrechtlichen Rechtfertigung gesetzt. Falsch - oder zumindest irreführend - ist die Pressemitteilung auch insoweit, als sie sagt, der Gesetzgeber habe mit dem Elterngeld-Plus-Gesetz Provisionen von der Bemessung des Elterngelds ausgenommen; eine ausdrückliche - und auch eine mittelbare - Regelung zu Provisionen findet sich im Gesetz nicht, sondern vielmehr in den ab 01.01.2015 geltenden LStR.

In ihrer Tragweite nicht absehbar sind die Aussagen im Terminsbericht, die unangefochtene Lohnsteueranmeldung entfalte Bindungswirkung und eine fehlerhafte lohnsteuerrechtliche Zuordnung könne erforderlichenfalls angefochten werden. Sie werfen zahlreiche Fragen auf:

* Mit dem Elterngeld-Plus-Gesetz sind zum 01.01.2015 im für den vorliegenden Fall einschlägigen Recht Änderungen eingetreten, die jeglichem Ansinnen den Boden entziehen, maßgeblich für die Abgrenzung des laufenden Arbeitslohns von den sonstigen Bezügen sei die tatsächliche Handhabung durch den Arbeitgeber unabhängig von ihrer steuerrechtlichen Richtigkeit. Zum einen hat der Gesetzgeber die bis 31.12.2014 geltende Fassung von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren als sonstige Bezüge behandelt werden" ersetzt durch die Formulierung "Nicht berücksichtigt werden Einnahmen, die im Lohnsteuerabzugsverfahren nach lohnsteuerrechtlichen Vorgaben als sonstige Bezüge zu behandeln sind". Zum anderen wurde in § 2c Abs. 2 BEEG ein neuer Satz 2 angefügt, der explizit klarstellt, dass die für die Richtigkeit und Vollständigkeit der Arbeitgeberbescheinigungen (nur) eine Vermutung spricht. Auch die Gesetzesbegründung gibt dem Beklagten, der eine Handhabung proklamiert, die nahe an der absoluten Verbindlichkeit der Bescheinigungen liegt, nicht Recht (BT-Drs. 18/2583, S. 24/25); anders als der Beklagte meint, wird dort in keiner Weise angedeutet, die tatsächliche Handhabung des Arbeitgebers sei maßgebend. Mit dieser Rechtslage verträgt sich die augenscheinliche Ansicht des BSG, maßgebend sei, ob eine Lohnsteueranmeldung angefochten worden sei, nicht ohne weiteres:

o Sollte das BSG damit zum Ausdruck bringen wollen, im konkreten Fall werde eine möglicherweise falsche Behandlung durch den Arbeitgeber dadurch "geheilt", dass der Betroffene die Lohnsteueranmeldung nicht angefochten habe, wäre zwar ein gewisser interpretatorischer Aufwand notwendig, um eine Vereinbarkeit mit dem seit 01.01.2015 geltenden Recht zu erreichen. Diese Vereinbarkeit ließe sich aber bejahen, wenn man davon ausginge, die Bestandskraft der Lohnsteueranmeldung erzeuge oder fingiere die materiell-steuerrechtliche Richtigkeit, die wiederum nach § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG maßgebend sein soll. Allerdings würde diese Lösung die für den Vollzug des Elterngeldrechts zuständigen Behörden in ihrem Bemühen, Verfahren zu vereinfachen, nicht voranbringen, sondern zurückwerfen. Denn immer dann, wenn in den Entgeltbescheinigungen sonstige Bezüge ausgewiesen würden, müsste die Behörde prüfen, ob eine Anfechtung der Lohnsteueranmeldung vorliegt. Verbunden wäre damit die Prüfung, ob dann, wenn keine Anfechtung vorliegt, wenigstens noch eine Anfechtung möglich ist, ob also mit anderen Worten Bestandskraft eingetreten ist oder nicht. Denn wenn das BSG eine Tatbestandswirkung der Lohnsteueranmeldung annimmt, muss die Lohnsteueranmeldung ihrerseits bestandskräftig sein; eine Bindungswirkung an eine noch nicht bestandskräftige Lohnsteueranmeldung anzunehmen, erschiene juristisch allzu gewagt. Der Beklagte müsste demnach genau das tun, was er nicht will: sich mit dem Steuerrecht auseinandersetzen.

o Sollte das BSG dagegen die Anfechtbarkeit der Lohnsteueranmeldung abstrakt als Argument für eine Bindung an die Arbeitgeberbescheinigungen sehen, dann brächte das zwar keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Behörden mit sich, jedoch würde damit einer absoluten Verbindlichkeit der Lohn- und Gehaltsbescheinigungen das Wort geredet - eben mit der Begründung, niemand sei schutzlos einer falschen Bescheinigung ausgesetzt. Eine absolute Bindung ist aber gerade das, was der Gesetzgeber mit dem Elterngeld-Plus-Gesetz nicht bewirken wollte.

* Aus mehreren Gründen sieht der Senat die Anfechtung der Lohnsteueranmeldung nicht als geeignetes Medium, um die sonstigen Bezüge im Sinn von § 2c Abs. 1 Satz 2 BEEG stringent bestimmen zu können.

o Das BSG versteht offenbar die Anfechtung der Lohnsteueranmeldung als Weg für die Leistungsberechtigten, um im Elterngeldrecht das richtige Ergebnis zu generieren. Die Frage ist aber, ob Einspruchsbehörden und Finanzgerichte bei dem Begehren, bestimmte Bezüge mögen statt als sonstige Einnahmen als laufender Arbeitslohn behandelt werden, überhaupt eine hinreichende Beschwer der jeweils Betroffenen sehen würden. Denn im Lohnsteuerrecht stellt sich die Behandlung als sonstiger Bezug günstiger dar als die als laufender Arbeitslohn. Zwar nimmt der Senat nicht für sich in Anspruch, die einschlägige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) vollständig gesichtet zu haben; trotzdem ist auffällig, dass alle ihm bekannten einschlägigen Entscheidungen Entgeltbestandteile betrafen, bei denen streitig war, ob sie überhaupt einkommensteuerrechtlichen Zufluss darstellen, und damit, ob überhaupt Lohnsteuer abzuführen war. Eine Entscheidung, bei der ein Bürger die Behandlung als laufenden Arbeitslohn statt als sonstigen Bezug erreichen wollte, konnte bisher nicht entdeckt werden. Der Senat hegt die Befürchtung, dass die Finanzgerichte die Relevanz für das Elterngeldrecht als bloßen Reflex qualifizieren würden.

o Der Verweis auf die Anfechtungsmöglichkeit der Lohnsteueranmeldung überzeugt nur dann, wenn dieser Weg im Regelfall auch wirklich offen steht. Insoweit scheinen Zweifel angebracht zu sein. Sofern man für die Anfechtung die Jahresfrist des § 55 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung analog heranziehen wollte, käme man nicht selten zum Ergebnis, dass zum Zeitpunkt der Entschlussfassung des Betroffenen, Elterngeld in Anspruch zu nehmen, der Rechtsbehelf bereits verfristet wäre (bei kürzeren Anfechtungsfristen ohnehin); denn es erfolgt nicht erst am Ende eines Kalenderjahrs eine Anmeldung für das ganze Jahr, vielmehr finden die Lohnsteueranmeldungen monatlich statt. Eltern, die sich erst spät für die Inanspruchnahme von Elterngeld entscheiden, wären benachteiligt. Zum Zeitpunkt der Entschlussfassung müssen die Leistungsberechtigten aber noch über ausreichende Dispositionsmöglichkeiten verfügen, dh die falsche Einstufung als sonstiger Bezug noch korrigieren können. Erschwerend kommt hinzu, dass nach der BFH-Rechtsprechung mit dem Erlass des Einkommensteuerbescheids eine Anfechtung der Lohnsteueranmeldung mangels Beschwer nicht mehr zulässig ist. Wenn man sich vor Augen führt, welche vergleichsweise kurzen Fristen für die Einreichung einer Einkommensteuererklärung bestehen, kommt man zum Ergebnis, dass häufig schon sehr früh nach Ablauf des Lohnsteuer-Anmeldungszeitraums die Anfechtung der Lohnsteueranmeldung nicht mehr möglich sein dürfte, weil bereits ein Einkommensteuerbescheid vorliegt.

* Schließlich gilt es zu bedenken, dass mit einer absoluten Bindung an die Entgeltbescheinigungen ein völlig neues Konfliktpotenzial im Verhältnis der Arbeitgeber zu ihren Beschäftigten erzeugt würde. Hätte nämlich ein Arbeitgeber, wie hier die Arbeitgeber der Klägerin, zu Unrecht sonstige Bezüge angenommen und wäre eine Anfechtung der Lohnsteueranmeldung ausgeschlossen mit der weiteren Folge, dass die Elterngeldbehörde die Vergütung nicht zum Bemessungsentgelt zählen würde, läge aus Sicht der benachteiligten Arbeitnehmer die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen ihre Arbeitgeber nicht fern. Ob solche Klagen Erfolg haben könnten, ist eine andere Frage. Jedenfalls würde erheblicher Unfrieden in das Arbeitsleben hineingetragen, nur weil die Elterngeldbehörden sich außer Stande sehen, eine Prüfung anhand von R 39b.2 LStR vorzunehmen.

* An dieser Stelle wiederholt der Senat, dass nach seiner Einschätzung der Beklagte zur Aufrechterhaltung einer funktionierenden und reibungslosen Verwaltungstätigkeit keineswegs darauf angewiesen ist, den Inhalt der Entgeltbescheinigungen eins zu eins zu übernehmen. Wiederum wird auf die Senatsurteile vom 23.11.2017 - L 9 EG 10/16 und L 9 EG 27/16 verwiesen. In der mündlichen Verhandlung hat der Senat die Sitzungsvertreterin des Beklagten unmittelbar mit diesem Aspekt konfrontiert. Diese hat erwidert, es seien Rückstände vorhanden, was ohne Zweifel richtig ist. Eine substantiierte Erklärung aber, warum die strikte Bindung an die Entgeltbescheinigungen alternativlos sein soll, hat sie nicht gegeben; nach wie vor liegt seitens des Beklagten lediglich eine nicht argumentativ unterfütterte Behauptung vor. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, mit einer entsprechenden Arbeitgeberbescheinigung im Sinn von § 9 BEEG würden den Elterngeldbehörden die notwendigen Informationen vollständig verschafft, und dazu wäre das Verfahren viel einfacher als die Sichtung sämtlicher Entgeltbescheinigungen, hat sie sinngemäß geantwortet, die Arbeitgeber wolle man nicht belästigen. Einen besseren Beleg dafür, dass durchaus Alternativen vorhanden sind, kann es kaum geben.

Der Senat kann sich darauf beschränken, diese Probleme lediglich aufzuzeigen und im Übrigen die Entscheidungsgründe des BSG in der Sache B 10 EG 7/17 R abzuwarten. Denn der Klägerin im vorliegenden Fall vorhalten zu wollen, sie hätte die Lohnsteueranmeldungen März bis November 2014 ja anfechten können, wäre im Licht des Rechtsstaatsprinzips in höchstem Maß fragwürdig. Die Klägerin hatte nämlich nicht den geringsten Grund, gegen die Lohnsteueranmeldungen vorzugehen. Hier gilt es erneut zu realisieren, dass die Behandlung von Vergütungen als sonstige Bezüge sich im Hinblick auf die Lohnsteuerbelastung für die Arbeitnehmer günstig auswirkt. Aus Sicht der Klägerin wäre es töricht gewesen, um die Behandlung als laufenden Arbeitslohn "zu betteln". Auch aus einem anderen Grund ist der Impetus bei den Betroffenen, gegen die lohnsteuerrechtliche Einordnung als sonstige Bezüge vorzugehen, äußerst gering. Bereits ihrer Definition nach verkörpert die Lohnsteuer nur eine Vorauszahlung auf die Einkommensteuer; der BFH hat dies immer wieder bestätigt. Nach § 38 Abs. 1 EStG handelt es sich um eine besondere Form der "Erhebung der Einkommensteuer". Die betroffenen Arbeitnehmer sind sich daher dessen bewusst, dass eine Korrektur, sofern notwendig, ohnehin bald - sehr häufig früher als bei einer Einschaltung der Gerichte - mit der Festsetzung der Einkommensteuer erfolgt. Warum sollten sie also einen Rechtsbehelf einlegen und auf diese Weise das gute Verhältnis zum Arbeitgeber aufs Spiel setzen, statt noch kurze Zeit abwarten, um die steuerrechtlichen Verhältnisse im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung gerade zu rücken? Der wirklich einzige Grund, warum die Klägerin - bei Ex-post-Betrachtung nach dem 14.12.2017 - hätte intervenieren sollen, ist die für sie ungünstige Behandlung der sonstigen Bezüge im Elterngeldrecht. Diese Komponente hat sich aber, wenn überhaupt, erst am 14.12.2017 aufgetan. Vorher musste die Klägerin davon ausgehen, auf die (falsche) Praxis durch ihre Arbeitgeber komme es im Verfahren der Elterngeldgewährung in keiner Weise an. Am 26.03.2014 hat das BSG mehrere Urteile erlassen, die ein solches Ansinnen als vollkommen unrealistisch erscheinen ließen. Und noch mit Urteil vom 29.06.2017 - B 10 EG 5/16 R hat es diese Linie im Wesentlichen bestätigt. Wenn jemandem vorgehalten werden soll, er habe eine Abhilfemöglichkeit nicht ergriffen und deswegen sei er von Rechten präkludiert, dann muss der Betroffene wenigstens die Möglichkeit gehabt haben zu erkennen, welches Risiko er eingeht, wenn er untätig bleibt. Die Klägerin konnte schlechterdings nicht wissen, nicht einmal ansatzweise erahnen, dass ein finanzgerichtliches Vorgehen notwendig sein würde, um ihren (in weiter Ferne liegenden) Elterngeldanspruch zu sichern.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 des Sozialgerichtsgesetzes.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Nach der bisherigen ständigen BSG-Rechtsprechung liegt das Ergebnis dieses Rechtsstreits klar auf der Hand. Gemessen daran vermag der Senat eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, geschweige denn eine Divergenz, nicht ansatzweise zu erkennen. Zwar mag es sein, dass das BSG seit dem 14.12.2017 eine andere Linie verfolgt. Das aber, was bisher an Material vorliegt - eben nur der Terminsbericht und die Pressemitteilung -, bietet kein Fundament, auf dem sich beurteilen ließe, ob die Entscheidung des Senats von der BSG-Rechtsprechung abweicht oder nicht.
Rechtskraft
Aus
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