Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Augsburg (FSB)
Aktenzeichen
S 7 AL 228/14
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 134/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Keine Anwendung der Regelung des § 145 SGB III bei einem Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden täglich.
I. Die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.04.2015 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung eines höheren Arbeitslosengeldes (Alg) sowie die Zahlung über den 10.07.2014 hinaus.
Der 1975 geborene Kläger war seit dem 01.03.2014 als Servicemonteur in Vollzeit (40 Wochenstunden) beschäftigt. Ab dem 10.01.2012 war er arbeitsunfähig und bezog zunächst bis 06.06.2013 Krankengeld sowie in der Folgezeit Übergangsgeld bis zum 11.07.2013. In der Zeit vom 07.06.2013 bis 11.07.2013 absolvierte er eine ganztätige ambulante Rehamaßnahme der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV). Nach dem Entlassungsbericht der Dr. Sch. vom 17.07.2013 verfüge der Kläger über ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden wöchentlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Am 20.08.2013 stellte der Kläger einen Rentenantrag bei der DRV, worauf ein nervenärztliches Gutachten eingeholt wurde. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. kam dabei unter dem 31.10.2013 zu dem Ergebnis, der Kläger sei in seinem Beruf vollschichtig leistungsfähig. Mit Bescheid vom 18.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2014 lehnte die DRV die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente ab, da weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht München (SG München) erhoben () und ua ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. vom 18.08.2014 vorgelegt, wonach er aus psychiatrischer Sicht aktuell nicht in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden täglich auszuüben. Daneben wurde ein freies Gutachten auf dem Gebiet Neurologie/Psychiatrie der Dres. P., S., Sch., B. - Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Nervenheilkunde - vom 15.06.2012 vorgelegt, worin für die Zeit ab Januar 2012 von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden ausgegangen wird. Gleichzeitig wurde ausgeführt, eine Besserung sei nicht unwahrscheinlich und voraussichtlich in drei bis sechs Monaten zu erwarten. Das SG München hat von Amts wegen ein Gutachten eingeholt, in dem die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. S. nach Untersuchung des Klägers und Berücksichtigung eines neuropsychologischen Gutachtens des Dipl.-Psychologen H. vom 23.09.2015 unter dem 05.10.2015 feststellte, beim Kläger sei seit August 2013 eine durchgehende vollschichtige Leistungsfähigkeit gegeben. Auf Antrag des Klägers hat das SG München weitere Gutachten eingeholt. Dabei hat der Dipl.-Psychologe H. in einem testpsychologischen Gutachten festgestellt, es liege keine vollständige Erwerbsminderung vor und der Kläger könne Arbeiten im Umfang von drei bis unter sechs Stunden verrichten. Auch der Ärztliche Direktor Dr. D., Facharzt für Innere Medizin/Neurologie, Facharzt für rehabilitative und physikalische Medizin hat im entsprechenden Hauptgutachten vom 05.09.2016 ausgeführt, es bestehe ein Leistungsvermögen von drei bis sechs Stunden täglich, wobei diese Feststellung nur zum jetzigen Zeitpunkt getroffen werden könne. Hierzu hat die Gutachterin Dr. S. nochmals unter dem 28.11.2016 Stellung genommen. Aus ihrer Sicht bestehe kein Anlass, ihre im Oktober 2015 getroffene Bewertung der Leistungsfähigkeit abzuändern. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG München am 31.01.2017 hat der Kläger schließlich erneut die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der DRV beantragt und sodann die Klage zurückgenommen.
Bereits am 12.07.2013 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Zeitlich müsse er sich aus gesundheitlichen Gründen bei der Ausübung von Beschäftigungen einschränken. Er erkläre sich aber bereit, sich im Rahmen des aufgrund einer ärztlichen Begutachtung festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Unter dem 01.08.2013 stellte der Gutachter der Beklagten Dr. B. fest, es sei beim Kläger ein drei- bis unter sechsstündiges Restleistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeit ohne Wechsel- und Nachtschicht und ohne hohe Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit gegeben. Das Gutachten wurde dem Kläger von der Beklagten am 14.08.2013 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache eröffnet. Nach dem dazu erstellten Vermerk habe der Kläger erklärt, sich leidensgerechten leichten Tätigkeiten in Teilzeit 30 Wochenstunden zur Verfügung zu stellen. Gemeinsames Ziel seien Minijobs, Midijobs oder kurzfristige Beschäftigungen. Mit Bescheid vom 16.08.2013 bewilligte die Beklagte Alg vom 12.07.2013 bis 10.07.2014 (360 Tage) in Höhe von 47,85 EUR täglich. Es ergebe sich ein vermindertes tägliches Bemessungsentgelt wegen des klägerischen Leistungsvermögens laut dem Ärztlichen Dienst vom 01.08.2013 von 30 Wochenstunden im Verhältnis zu früheren 40 Wochenstunden. Widerspruch gegen den Bescheid legte der Kläger nicht ein.
Der Kläger beantragte am 31.01.2014 die Überprüfung der Bewilligungsentscheidung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.02.2014 ab. Aus der Vollzeitbeschäftigung ergebe sich ein Bemessungsentgelt von 134,60 EUR, das wegen der nur noch leistbaren Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich auf 100,95 EUR zu reduzieren gewesen sei. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Leistungen seien nach der Nahtlosigkeitsregelung bis zum Abschluss des Rentenverfahrens zu gewähren. Es handle sich um eine Art "Pflichtversicherungsleistung". Zudem sei das Alg im Verhältnis zu den eingezahlten Arbeitslosengeldbeiträgen zu zahlen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2014 zurück. Der Kläger habe seine Arbeitsbereitschaft aus gesundheitlichen Gründen auf wöchentlich 30 Stunden eingeschränkt, weshalb das Bemessungsentgelt zu verringern sei. Auch der Ärztliche Dienst habe ein Restleistungsvermögen von täglich drei bis sechs Stunden festgestellt. Die Nahtlosigkeitsregelung sei damit nicht anwendbar.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Über seinen Rentenantrag sei noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Es müsse möglich sein, eine ablehnende Entscheidung der DRV ohne weitere wirtschaftlich negative Konsequenzen überprüfen zu lassen. Bis dahin sei die Nahtlosigkeitsregelung anzuwenden. Eine Herabbemessung würde nicht dem Äquivalenzprinzip aus Leistung und Beiträgen Rechnung tragen. Ferner sei die Leistungseinschätzung des Ärztlichen Dienstes der Beklagten unzutreffend. Die behandelnde Ärztin sehe das/sein Leistungsvermögen bei unter drei Stunden täglich und es sei ein Grad der Behinderung von 70 anerkannt worden. Das Alg sei bis zum Abschluss des Rentenverfahrens zu zahlen. Das SG hat mit Urteil vom 30.04.2015 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Alg nach den Nahtlosigkeitsregeln bestehe nicht, da der Ärztliche Dienst ein Leistungsvermögen von bis zu sechs Stunden täglich festgestellt habe. Auch aus dem Rentenverfahren, insbesondere dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 17.07.2013, dem psychiatrischen Fachgutachten vom 25.10.2013 und dem Schreiben der Dr. W. vom 18.08.2014 würden sich keine anderen Erkenntnisse ergeben. Letzteres beziehe sich insbesondere nicht mehr auf den Zeitpunkt des Bezuges von Alg. Ein Anspruch auf Zahlung von Alg über 360 Tage hinaus bestehe nicht. Selbst bei einer Bewilligung von Alg nach § 145 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) würde dies nicht nahtlos bis zur Rente gewährt werden. Hinsichtlich der Höhe des Alg bestünden keine Bedenken. Wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit sei das Bemessungsentgelt entsprechend zu mindern. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Verfügbarkeit von 30 Wochenstunden ergebe sich das ein Bemessungsentgelt von 100,95 EUR täglich. Nach dem Entgeltersatzprinzip sei nicht mehr Alg zu zahlen als mit einem bestimmten Leistungsvermögen oder einer bestimmten Leistungsbereitschaft an Arbeitseinkommen erzielt werden würde. So habe jede gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Einschränkung des Einsatzvermögens indiziere, eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage zur Folge. Anderes gelte nach § 151 Abs 5 Satz 2 SGB III nur dann, wenn sich die Leistungsgewährung nach § 145 SGB III richte. Auch der Einwand hinsichtlich einer Eigentums- bzw. Bestandsschutzgarantie für geleistete Beiträge unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz führe zu keiner anderen Bewertung.
Dagegen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe nicht geklärt, dass er nicht mehr leistungsfähig sei, und daher bestehe ein Alg-Anspruch in voller Höhe bis zur abschließenden Klärung einer Erwerbsminderungsrente. Es hätte gutachterlich seine Leistungsunfähigkeit festgestellt werden müssen. Zur Rentenantragstellung sei er durch die Krankenkasse aufgefordert worden. Im Rahmen der Prüfung einer Reha-Möglichkeit sei vereinbart worden, dass er erneut hinsichtlich seiner Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit überprüft werde. Sei eine Reha-Maßnahme nicht möglich, sei erneut die Frage der Erwerbsminderung zu klären. Zuletzt hat der Kläger noch ein Gutachten nach Aktenlage des Herrn R. vom 05.12.2017 vorgelegt, wonach eine Leistungsfähigkeit nur von unter drei Stunden täglich bezogen auf Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.04.2015 sowie den Bescheid vom 11.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 16.08.2013 für die Zeit ab 12.07.2013 höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Alg sei unter Berücksichtigung eines Leistungsvermögens von drei bis sechs Stunden täglich zu bemessen gewesen. Das festgestellte Leistungsvermögen werde auch durch die Gutachten vom 05.09.2016 und 25.08.2016 bestätigt. Da eine mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich gewesen sei, könne kein sogenannter Nahtlosigkeitsfall angenommen werden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, der DRV sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich der Akte des SG München (Az: S 4 KN 118/14) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 11.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2014, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 16.08.2013 höheres Alg ab 12.07.2013 zu zahlen.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid vom 16.08.2013 abändert. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht nicht erhoben worden sind. Bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 16.08.2013 hat die Beklagte das Recht zutreffend angewandt und ist vom richtigen Sachverhalt ausgegangen. Dem Kläger steht lediglich für die Zeit vom 12.07.2013 bis 10.07.2014 ein Anspruch auf Alg iHv 47,85 EUR täglich zu.
Ein Anspruch auf Alg setzt nach § 137 Abs 1 SGB III Arbeitslosigkeit (Nr 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr 3) voraus. Diese Voraussetzungen hat der Kläger für die Zeit ab dem 12.07.2013 dem Grunde erfüllt. Die Beklagte hat insofern ab dem 12.07.2013 Alg dem Grunde nach gewährt. Insbesondere lagen zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen der objektiven Verfügbarkeit iSv § 138 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 5 Nr 1 SGB III vor. Danach ist ua Voraussetzung für die Annahme, der Arbeitnehmer stehe den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, dass er eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Weder die Beklagte nach ihrem Gutachten des Dr. B. vom 01.08.2013 noch die DRV nach ihrem Gutachten des Dr. S. vom 31.10.2013 haben bim Kläger ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 15 Stunden wöchentlich festgestellt. Letztlich wird dies auch von den Gutachten im Rentenverfahren vor dem SG München () bestätigt. So geht die Gutachterin Dr. S. unter dem 05.10.2015 von einem durchgehend vollschichtigen Leistungsvermögen und die Gutachter Dr. H. (Gutachten vom 25.08.2016) - dieser wurde vom Kläger als Gutachten nach § 109 SGG benannt - und Dr. D. (Gutachten vom 09.05.2016) von einem drei bis unter sechs stündigem täglichen Leistungsvermögen aus. Es sind keinerlei hinreichend konkrete Anhaltspunkte erkennbar, dass der Kläger in der Zeit des Alg-Bezuges nur noch über ein unter dreistündiges tägliches Leistungsvermögen verfügt hat. So geht zwar die behandelnde Ärztin Dr. W. in ihrem Schreiben vom 18.08.2014 von einem aktuellen Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich aus. Diese Feststellung bezog sich damit aber auf einen Zeitpunkt nach dem Ende des Bezuges von Alg. Dort ist von einer deutlichen Zunahme der depressiven Symptomatik die Rede, so dass dies eine höhere Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht ausschließt. Gleiches gilt für ihre Feststellung im Attest vom 30.03.2015. Dort ist ebenfalls von einer Verschlechterung die Rede. Die weiteren Ausführungen der Dr. W. vom 28.01.2013, 23.04.2013, 16.10.2013 und 09.11.2015, die im Rentenverfahren vorgelegt worden sind, treffen zur Leistungsfähigkeit des Klägers keine konkrete Aussage. Auch das Gutachten des Herrn R. für die Beklagte vom 05.12.2017 trifft keine Feststellungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit für den streitgegenständlichen Zeitraum. Schließlich wurde zwar in einem Gutachten der Dres. P., S., Sch., B. vom 15.06.2012 seinerzeit ein tägliches Leistungsvermögen von unter drei Stunden angenommen. Gleichzeitig wurde dort aber ausgeführt, eine Besserung sei nicht unwahrscheinlich und voraussichtlich in drei bis sechs Monaten zu erwarten. Damit steht dies der Annahme eines Leistungsvermögens von drei bis sechs Stunden täglich während des Bezuges von Alg vom 12.07.2013 bis 10.07.2014 nicht entgegen, sondern lässt dies vielmehr plausibel erscheinen. Zeitlich am nächsten zum Leistungsbezug hatte Dr. Sch. in ihrem Entlassungsbericht vom 17.07.2013 dann auch ein solches Leistungsvermögen angenommen.
Damit bedurfte es vorliegend keiner Fiktion der objektiven Verfügbarkeit über § 145 Abs 1 Satz 1 SGB III. Danach hat Anspruch auf Alg auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Der Kläger war aber - aufgrund obiger Ausführungen - zur vollen Überzeugung des Senats ab dem 12.07.2013 in der Lage, eine Beschäftigung mit mindestens 15 Stunden wöchentlich auszuüben, so dass § 145 Abs 1 Satz 1 SGB III vorliegend nicht einschlägig ist. Bereits nach seinem Wortlaut bezieht er sich alleine auf den Fall einer Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten und nicht auf den Fall einer Leistungsfähigkeit von drei bis sechs Stunden täglich. Andere Leistungseinschränkungen führen nicht zur Fiktionswirkung (Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 145 SGB III Rn 20 mwN). Dafür besteht systematisch auch kein Bedürfnis, da es wegen der Erfüllung der Voraussetzungen des § 138 Abs 5 Nr 1 SGB III keiner Fiktion der objektiven Verfügbarkeit bedarf. Somit scheidet eine entsprechende Anwendung ebenfalls aus. Wenn ein Arbeitnehmer objektiv verfügbar ist, selbst aber von seiner Leistungsunfähigkeit überzeugt ist, kann er sich nicht auf § 145 SGB III und die Nahtlosigkeitsregelung stützen (vgl Winkler aaO Rn 23). Für die Anwendung des § 145 SGB III ist kein Raum, wenn sowohl die Beklagte als auch der Rentenversicherungsträger von einem positiven Leistungsvermögen ausgehen (vgl LSG Berlin, Urteil vom 12.06.2003 - L 14 AL 2/01 - juris).
Der Kläger war im Umfang von 30 Wochenstunden subjektiv verfügbar. Er hat sich nach dem schriftlichen Antrag als auch nach dem Vermerk über die persönliche Vorsprache am 14.08.2013 für leidensgerechte leichte Tätigkeiten im Umfang von (lediglich) 30 Wochenstunden gemäß dem Gutachten der Beklagten zur Verfügung gestellt.
Demzufolge hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 16.08.2013 das Alg anhand eines Bemessungsentgelts von 100,95 EUR bemessen und daraus folgend täglich 47,85 EUR an den Kläger gezahlt. Das ursprüngliche Bemessungsentgelt nach § 151 Abs 1 Satz 1 SGB III von 134,60 EUR täglich war um 1/4 nach § 151 Abs 5 Satz 1 SGB III zu kürzen. Danach ist dann, wenn der Arbeitslose nicht mehr bereit oder in der Lage, die im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Zahl von Arbeitsstunden zu leisten, das Bemessungsentgelt für die Zeit der Einschränkung entsprechend dem Verhältnis der Zahl der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, die die oder der Arbeitslose künftig leisten will oder kann, zu der Zahl der durchschnittlich auf die Woche entfallenden Arbeitsstunden im Bemessungszeitraum, zu vermindern. Einschränkungen des Leistungsvermögens bleiben unberücksichtigt, wenn Alg nach § 145 SGB III geleistet wird (§ 151 Abs 5 Satz 2 SGB III). Wie oben ausgeführt, war der Kläger zur Überzeugung des Senates im Zeitraum des Alg-Bezuges nur in der Lage, bis unter sechs Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Damit ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von - zugunsten des Klägers von der Beklagten aufgerundet - allenfalls 30 Stunden, die in Verhältnis zu den 40 Wochenstunden des letzten Arbeitsverhältnisses zu setzen sind, und dementsprechend das Alg um 1/4 zu kürzen ist. Unabhängig von der objektiven Verfügbarkeit hat sich der Kläger auch subjektiv nur bis zur von der Beklagten im ärztlichen Gutachten festgestellten Anzahl möglicher drei bis unter sechs Stunden wöchentlich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung gestellt. Ein Fall des § 145 SGB III liegt - wie oben ausgeführt - nicht vor, so dass ein Absehen von einer Kürzung im Hinblick auf § 151 Abs 5 Satz 1 SGB III nicht in Betracht kommt.
Soweit der Kläger vorgebracht hat, die Höhe des Alg habe sich an den zur Arbeitslosenversicherung entrichteten Beiträgen zu orientieren, ist dem durch die Ermittlung des Bemessungsentgelts nach § 151 Abs 1 Satz 1 SGB III Rechnung getragen worden. Die Kürzung nach § 151 Abs 5 Satz 1 SGB III beruht darauf, dass wegen der mangelnden Verfügbarkeit für versicherungspflichtige Tätigkeiten von mehr als 30 Wochenstunden sich dementsprechend auch die Vermittlungsbemühungen der Beklagten nur auf Stellen mit einem entsprechenden Stundenanteil beziehen konnten. Als gemeinsames Ziel wurde insofern auch die Aufnahme von Mini-Jobs, Midi-Jobs und kurzfristigen Beschäftigungen vereinbart. Hätte der Kläger eine entsprechende Arbeitsstelle aufnehmen können, weil eine Vermittlung erfolgreich gewesen wäre, wäre seine Arbeitszeit im Vergleich zur früheren Tätigkeit reduziert gewesen. Dies ist folglich auch bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen, das Ersatz für den ausfallenden Lohn während der Arbeitslosigkeit darstellen soll (vgl dazu im Einzelnen zur fiktiven Bemessung von Alg: Urteil des Senats vom 22.06.2017 - L 10 AL 74/16 - juris).
Da der Kläger das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, beträgt die Anspruchsdauer nach § 147 Abs 1 iVm Abs 2 SGB III insgesamt 12 Monate. Nach § 339 Satz 1 SGB III entspricht dabei jeder Monat 30 Tage, so dass die Beklagte zutreffend für 360 Tage Alg bewilligt hat. Diesen Anspruch hat sie durch die Zahlungen bis 10.07.2014 erfüllt, weshalb sich die Anspruchsdauer auf Null gemindert hat, § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III. Der Kläger hat für die Zeit ab 11.07.2014 keinen weiteren Anspruch mehr.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Berufung nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Zahlung eines höheren Arbeitslosengeldes (Alg) sowie die Zahlung über den 10.07.2014 hinaus.
Der 1975 geborene Kläger war seit dem 01.03.2014 als Servicemonteur in Vollzeit (40 Wochenstunden) beschäftigt. Ab dem 10.01.2012 war er arbeitsunfähig und bezog zunächst bis 06.06.2013 Krankengeld sowie in der Folgezeit Übergangsgeld bis zum 11.07.2013. In der Zeit vom 07.06.2013 bis 11.07.2013 absolvierte er eine ganztätige ambulante Rehamaßnahme der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See (DRV). Nach dem Entlassungsbericht der Dr. Sch. vom 17.07.2013 verfüge der Kläger über ein Leistungsvermögen von drei bis unter sechs Stunden wöchentlich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Am 20.08.2013 stellte der Kläger einen Rentenantrag bei der DRV, worauf ein nervenärztliches Gutachten eingeholt wurde. Der Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. S. kam dabei unter dem 31.10.2013 zu dem Ergebnis, der Kläger sei in seinem Beruf vollschichtig leistungsfähig. Mit Bescheid vom 18.11.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.03.2014 lehnte die DRV die Bewilligung einer Erwerbsminderungsrente ab, da weder eine volle noch eine teilweise Erwerbsminderung vorliege. Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht München (SG München) erhoben () und ua ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. vom 18.08.2014 vorgelegt, wonach er aus psychiatrischer Sicht aktuell nicht in der Lage sei, leichte Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von mehr als drei Stunden täglich auszuüben. Daneben wurde ein freies Gutachten auf dem Gebiet Neurologie/Psychiatrie der Dres. P., S., Sch., B. - Neurologie, Psychiatrie, Psychotherapie, Nervenheilkunde - vom 15.06.2012 vorgelegt, worin für die Zeit ab Januar 2012 von einem Leistungsvermögen von unter drei Stunden ausgegangen wird. Gleichzeitig wurde ausgeführt, eine Besserung sei nicht unwahrscheinlich und voraussichtlich in drei bis sechs Monaten zu erwarten. Das SG München hat von Amts wegen ein Gutachten eingeholt, in dem die Ärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapeutische Medizin Dr. S. nach Untersuchung des Klägers und Berücksichtigung eines neuropsychologischen Gutachtens des Dipl.-Psychologen H. vom 23.09.2015 unter dem 05.10.2015 feststellte, beim Kläger sei seit August 2013 eine durchgehende vollschichtige Leistungsfähigkeit gegeben. Auf Antrag des Klägers hat das SG München weitere Gutachten eingeholt. Dabei hat der Dipl.-Psychologe H. in einem testpsychologischen Gutachten festgestellt, es liege keine vollständige Erwerbsminderung vor und der Kläger könne Arbeiten im Umfang von drei bis unter sechs Stunden verrichten. Auch der Ärztliche Direktor Dr. D., Facharzt für Innere Medizin/Neurologie, Facharzt für rehabilitative und physikalische Medizin hat im entsprechenden Hauptgutachten vom 05.09.2016 ausgeführt, es bestehe ein Leistungsvermögen von drei bis sechs Stunden täglich, wobei diese Feststellung nur zum jetzigen Zeitpunkt getroffen werden könne. Hierzu hat die Gutachterin Dr. S. nochmals unter dem 28.11.2016 Stellung genommen. Aus ihrer Sicht bestehe kein Anlass, ihre im Oktober 2015 getroffene Bewertung der Leistungsfähigkeit abzuändern. Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vor dem SG München am 31.01.2017 hat der Kläger schließlich erneut die Bewilligung von Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben bei der DRV beantragt und sodann die Klage zurückgenommen.
Bereits am 12.07.2013 meldete sich der Kläger bei der Beklagten arbeitslos und beantragte die Zahlung von Alg. Zeitlich müsse er sich aus gesundheitlichen Gründen bei der Ausübung von Beschäftigungen einschränken. Er erkläre sich aber bereit, sich im Rahmen des aufgrund einer ärztlichen Begutachtung festgestellten Leistungsvermögens für die Vermittlung zur Verfügung zu stellen. Unter dem 01.08.2013 stellte der Gutachter der Beklagten Dr. B. fest, es sei beim Kläger ein drei- bis unter sechsstündiges Restleistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Arbeit ohne Wechsel- und Nachtschicht und ohne hohe Anforderungen an die nervliche Belastbarkeit gegeben. Das Gutachten wurde dem Kläger von der Beklagten am 14.08.2013 im Rahmen einer persönlichen Vorsprache eröffnet. Nach dem dazu erstellten Vermerk habe der Kläger erklärt, sich leidensgerechten leichten Tätigkeiten in Teilzeit 30 Wochenstunden zur Verfügung zu stellen. Gemeinsames Ziel seien Minijobs, Midijobs oder kurzfristige Beschäftigungen. Mit Bescheid vom 16.08.2013 bewilligte die Beklagte Alg vom 12.07.2013 bis 10.07.2014 (360 Tage) in Höhe von 47,85 EUR täglich. Es ergebe sich ein vermindertes tägliches Bemessungsentgelt wegen des klägerischen Leistungsvermögens laut dem Ärztlichen Dienst vom 01.08.2013 von 30 Wochenstunden im Verhältnis zu früheren 40 Wochenstunden. Widerspruch gegen den Bescheid legte der Kläger nicht ein.
Der Kläger beantragte am 31.01.2014 die Überprüfung der Bewilligungsentscheidung. Dies lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 11.02.2014 ab. Aus der Vollzeitbeschäftigung ergebe sich ein Bemessungsentgelt von 134,60 EUR, das wegen der nur noch leistbaren Arbeitszeit von 30 Stunden wöchentlich auf 100,95 EUR zu reduzieren gewesen sei. Dagegen legte der Kläger Widerspruch ein. Die Leistungen seien nach der Nahtlosigkeitsregelung bis zum Abschluss des Rentenverfahrens zu gewähren. Es handle sich um eine Art "Pflichtversicherungsleistung". Zudem sei das Alg im Verhältnis zu den eingezahlten Arbeitslosengeldbeiträgen zu zahlen. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 13.05.2014 zurück. Der Kläger habe seine Arbeitsbereitschaft aus gesundheitlichen Gründen auf wöchentlich 30 Stunden eingeschränkt, weshalb das Bemessungsentgelt zu verringern sei. Auch der Ärztliche Dienst habe ein Restleistungsvermögen von täglich drei bis sechs Stunden festgestellt. Die Nahtlosigkeitsregelung sei damit nicht anwendbar.
Dagegen hat der Kläger Klage beim Sozialgericht Augsburg (SG) erhoben. Über seinen Rentenantrag sei noch nicht rechtskräftig entschieden worden. Es müsse möglich sein, eine ablehnende Entscheidung der DRV ohne weitere wirtschaftlich negative Konsequenzen überprüfen zu lassen. Bis dahin sei die Nahtlosigkeitsregelung anzuwenden. Eine Herabbemessung würde nicht dem Äquivalenzprinzip aus Leistung und Beiträgen Rechnung tragen. Ferner sei die Leistungseinschätzung des Ärztlichen Dienstes der Beklagten unzutreffend. Die behandelnde Ärztin sehe das/sein Leistungsvermögen bei unter drei Stunden täglich und es sei ein Grad der Behinderung von 70 anerkannt worden. Das Alg sei bis zum Abschluss des Rentenverfahrens zu zahlen. Das SG hat mit Urteil vom 30.04.2015 die Klage abgewiesen. Ein Anspruch auf Alg nach den Nahtlosigkeitsregeln bestehe nicht, da der Ärztliche Dienst ein Leistungsvermögen von bis zu sechs Stunden täglich festgestellt habe. Auch aus dem Rentenverfahren, insbesondere dem ärztlichen Entlassungsbericht vom 17.07.2013, dem psychiatrischen Fachgutachten vom 25.10.2013 und dem Schreiben der Dr. W. vom 18.08.2014 würden sich keine anderen Erkenntnisse ergeben. Letzteres beziehe sich insbesondere nicht mehr auf den Zeitpunkt des Bezuges von Alg. Ein Anspruch auf Zahlung von Alg über 360 Tage hinaus bestehe nicht. Selbst bei einer Bewilligung von Alg nach § 145 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) würde dies nicht nahtlos bis zur Rente gewährt werden. Hinsichtlich der Höhe des Alg bestünden keine Bedenken. Wegen der eingeschränkten Leistungsfähigkeit sei das Bemessungsentgelt entsprechend zu mindern. Unter Berücksichtigung der eingeschränkten Verfügbarkeit von 30 Wochenstunden ergebe sich das ein Bemessungsentgelt von 100,95 EUR täglich. Nach dem Entgeltersatzprinzip sei nicht mehr Alg zu zahlen als mit einem bestimmten Leistungsvermögen oder einer bestimmten Leistungsbereitschaft an Arbeitseinkommen erzielt werden würde. So habe jede gesundheitliche Beeinträchtigung, die eine Einschränkung des Einsatzvermögens indiziere, eine Reduzierung der Bemessungsgrundlage zur Folge. Anderes gelte nach § 151 Abs 5 Satz 2 SGB III nur dann, wenn sich die Leistungsgewährung nach § 145 SGB III richte. Auch der Einwand hinsichtlich einer Eigentums- bzw. Bestandsschutzgarantie für geleistete Beiträge unter dem Gesichtspunkt der Beitragsäquivalenz führe zu keiner anderen Bewertung.
Dagegen hat der Kläger Berufung beim Bayer. Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Das SG habe nicht geklärt, dass er nicht mehr leistungsfähig sei, und daher bestehe ein Alg-Anspruch in voller Höhe bis zur abschließenden Klärung einer Erwerbsminderungsrente. Es hätte gutachterlich seine Leistungsunfähigkeit festgestellt werden müssen. Zur Rentenantragstellung sei er durch die Krankenkasse aufgefordert worden. Im Rahmen der Prüfung einer Reha-Möglichkeit sei vereinbart worden, dass er erneut hinsichtlich seiner Leistungs- und Konzentrationsfähigkeit überprüft werde. Sei eine Reha-Maßnahme nicht möglich, sei erneut die Frage der Erwerbsminderung zu klären. Zuletzt hat der Kläger noch ein Gutachten nach Aktenlage des Herrn R. vom 05.12.2017 vorgelegt, wonach eine Leistungsfähigkeit nur von unter drei Stunden täglich bezogen auf Tätigkeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gegeben sei.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Augsburg vom 30.04.2015 sowie den Bescheid vom 11.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2014 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Abänderung des Bescheides vom 16.08.2013 für die Zeit ab 12.07.2013 höheres Arbeitslosengeld zu zahlen.
Die Beklagte beantragt, die Berufung zurückzuweisen.
Alg sei unter Berücksichtigung eines Leistungsvermögens von drei bis sechs Stunden täglich zu bemessen gewesen. Das festgestellte Leistungsvermögen werde auch durch die Gutachten vom 05.09.2016 und 25.08.2016 bestätigt. Da eine mindestens 15 Stunden umfassende Beschäftigung auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt möglich gewesen sei, könne kein sogenannter Nahtlosigkeitsfall angenommen werden.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Akten der Beklagten, der DRV sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanz einschließlich der Akte des SG München (Az: S 4 KN 118/14) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz -SGG-), aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Der Bescheid vom 11.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Streitgegenstand ist der Bescheid vom 11.02.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 13.05.2014, mit dem es die Beklagte abgelehnt hat, dem Kläger unter Abänderung des Bewilligungsbescheides vom 16.08.2013 höheres Alg ab 12.07.2013 zu zahlen.
Der Kläger hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihren Bewilligungsbescheid vom 16.08.2013 abändert. Nach § 44 Abs 1 Satz 1 SGB X ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei seinem Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht oder Beiträge zu Unrecht nicht erhoben worden sind. Bei Erlass des Bewilligungsbescheides vom 16.08.2013 hat die Beklagte das Recht zutreffend angewandt und ist vom richtigen Sachverhalt ausgegangen. Dem Kläger steht lediglich für die Zeit vom 12.07.2013 bis 10.07.2014 ein Anspruch auf Alg iHv 47,85 EUR täglich zu.
Ein Anspruch auf Alg setzt nach § 137 Abs 1 SGB III Arbeitslosigkeit (Nr 1), eine Arbeitslosmeldung (Nr 2) und die Erfüllung der Anwartschaftszeit (Nr 3) voraus. Diese Voraussetzungen hat der Kläger für die Zeit ab dem 12.07.2013 dem Grunde erfüllt. Die Beklagte hat insofern ab dem 12.07.2013 Alg dem Grunde nach gewährt. Insbesondere lagen zur Überzeugung des Senats die Voraussetzungen der objektiven Verfügbarkeit iSv § 138 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 5 Nr 1 SGB III vor. Danach ist ua Voraussetzung für die Annahme, der Arbeitnehmer stehe den Vermittlungsbemühungen der Agentur für Arbeit zur Verfügung, dass er eine versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes ausüben kann und darf. Weder die Beklagte nach ihrem Gutachten des Dr. B. vom 01.08.2013 noch die DRV nach ihrem Gutachten des Dr. S. vom 31.10.2013 haben bim Kläger ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 15 Stunden wöchentlich festgestellt. Letztlich wird dies auch von den Gutachten im Rentenverfahren vor dem SG München () bestätigt. So geht die Gutachterin Dr. S. unter dem 05.10.2015 von einem durchgehend vollschichtigen Leistungsvermögen und die Gutachter Dr. H. (Gutachten vom 25.08.2016) - dieser wurde vom Kläger als Gutachten nach § 109 SGG benannt - und Dr. D. (Gutachten vom 09.05.2016) von einem drei bis unter sechs stündigem täglichen Leistungsvermögen aus. Es sind keinerlei hinreichend konkrete Anhaltspunkte erkennbar, dass der Kläger in der Zeit des Alg-Bezuges nur noch über ein unter dreistündiges tägliches Leistungsvermögen verfügt hat. So geht zwar die behandelnde Ärztin Dr. W. in ihrem Schreiben vom 18.08.2014 von einem aktuellen Leistungsvermögen von unter drei Stunden täglich aus. Diese Feststellung bezog sich damit aber auf einen Zeitpunkt nach dem Ende des Bezuges von Alg. Dort ist von einer deutlichen Zunahme der depressiven Symptomatik die Rede, so dass dies eine höhere Leistungsfähigkeit im streitgegenständlichen Zeitraum nicht ausschließt. Gleiches gilt für ihre Feststellung im Attest vom 30.03.2015. Dort ist ebenfalls von einer Verschlechterung die Rede. Die weiteren Ausführungen der Dr. W. vom 28.01.2013, 23.04.2013, 16.10.2013 und 09.11.2015, die im Rentenverfahren vorgelegt worden sind, treffen zur Leistungsfähigkeit des Klägers keine konkrete Aussage. Auch das Gutachten des Herrn R. für die Beklagte vom 05.12.2017 trifft keine Feststellungen in Bezug auf die Leistungsfähigkeit für den streitgegenständlichen Zeitraum. Schließlich wurde zwar in einem Gutachten der Dres. P., S., Sch., B. vom 15.06.2012 seinerzeit ein tägliches Leistungsvermögen von unter drei Stunden angenommen. Gleichzeitig wurde dort aber ausgeführt, eine Besserung sei nicht unwahrscheinlich und voraussichtlich in drei bis sechs Monaten zu erwarten. Damit steht dies der Annahme eines Leistungsvermögens von drei bis sechs Stunden täglich während des Bezuges von Alg vom 12.07.2013 bis 10.07.2014 nicht entgegen, sondern lässt dies vielmehr plausibel erscheinen. Zeitlich am nächsten zum Leistungsbezug hatte Dr. Sch. in ihrem Entlassungsbericht vom 17.07.2013 dann auch ein solches Leistungsvermögen angenommen.
Damit bedurfte es vorliegend keiner Fiktion der objektiven Verfügbarkeit über § 145 Abs 1 Satz 1 SGB III. Danach hat Anspruch auf Alg auch eine Person, die allein deshalb nicht arbeitslos ist, weil sie wegen einer mehr als sechsmonatigen Minderung ihrer Leistungsfähigkeit versicherungspflichtige, mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende Beschäftigungen nicht unter den Bedingungen ausüben kann, die auf dem für sie in Betracht kommenden Arbeitsmarkt ohne Berücksichtigung der Minderung der Leistungsfähigkeit üblich sind, wenn eine verminderte Erwerbsfähigkeit im Sinne der gesetzlichen Rentenversicherung nicht festgestellt worden ist. Der Kläger war aber - aufgrund obiger Ausführungen - zur vollen Überzeugung des Senats ab dem 12.07.2013 in der Lage, eine Beschäftigung mit mindestens 15 Stunden wöchentlich auszuüben, so dass § 145 Abs 1 Satz 1 SGB III vorliegend nicht einschlägig ist. Bereits nach seinem Wortlaut bezieht er sich alleine auf den Fall einer Leistungsfähigkeit von unter drei Stunden täglich über eine Dauer von mehr als sechs Monaten und nicht auf den Fall einer Leistungsfähigkeit von drei bis sechs Stunden täglich. Andere Leistungseinschränkungen führen nicht zur Fiktionswirkung (Winkler in Gagel, SGB II/SGB III, Stand 12/2015, § 145 SGB III Rn 20 mwN). Dafür besteht systematisch auch kein Bedürfnis, da es wegen der Erfüllung der Voraussetzungen des § 138 Abs 5 Nr 1 SGB III keiner Fiktion der objektiven Verfügbarkeit bedarf. Somit scheidet eine entsprechende Anwendung ebenfalls aus. Wenn ein Arbeitnehmer objektiv verfügbar ist, selbst aber von seiner Leistungsunfähigkeit überzeugt ist, kann er sich nicht auf § 145 SGB III und die Nahtlosigkeitsregelung stützen (vgl Winkler aaO Rn 23). Für die Anwendung des § 145 SGB III ist kein Raum, wenn sowohl die Beklagte als auch der Rentenversicherungsträger von einem positiven Leistungsvermögen ausgehen (vgl LSG Berlin, Urteil vom 12.06.2003 - L 14 AL 2/01 - juris).
Der Kläger war im Umfang von 30 Wochenstunden subjektiv verfügbar. Er hat sich nach dem schriftlichen Antrag als auch nach dem Vermerk über die persönliche Vorsprache am 14.08.2013 für leidensgerechte leichte Tätigkeiten im Umfang von (lediglich) 30 Wochenstunden gemäß dem Gutachten der Beklagten zur Verfügung gestellt.
Demzufolge hat die Beklagte zu Recht mit Bescheid vom 16.08.2013 das Alg anhand eines Bemessungsentgelts von 100,95 EUR bemessen und daraus folgend täglich 47,85 EUR an den Kläger gezahlt. Das ursprüngliche Bemessungsentgelt nach § 151 Abs 1 Satz 1 SGB III von 134,60 EUR täglich war um 1/4 nach § 151 Abs 5 Satz 1 SGB III zu kürzen. Danach ist dann, wenn der Arbeitslose nicht mehr bereit oder in der Lage, die im Bemessungszeitraum durchschnittlich auf die Woche entfallende Zahl von Arbeitsstunden zu leisten, das Bemessungsentgelt für die Zeit der Einschränkung entsprechend dem Verhältnis der Zahl der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitsstunden, die die oder der Arbeitslose künftig leisten will oder kann, zu der Zahl der durchschnittlich auf die Woche entfallenden Arbeitsstunden im Bemessungszeitraum, zu vermindern. Einschränkungen des Leistungsvermögens bleiben unberücksichtigt, wenn Alg nach § 145 SGB III geleistet wird (§ 151 Abs 5 Satz 2 SGB III). Wie oben ausgeführt, war der Kläger zur Überzeugung des Senates im Zeitraum des Alg-Bezuges nur in der Lage, bis unter sechs Stunden täglich Arbeiten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt auszuüben. Damit ergibt sich eine Wochenarbeitszeit von - zugunsten des Klägers von der Beklagten aufgerundet - allenfalls 30 Stunden, die in Verhältnis zu den 40 Wochenstunden des letzten Arbeitsverhältnisses zu setzen sind, und dementsprechend das Alg um 1/4 zu kürzen ist. Unabhängig von der objektiven Verfügbarkeit hat sich der Kläger auch subjektiv nur bis zur von der Beklagten im ärztlichen Gutachten festgestellten Anzahl möglicher drei bis unter sechs Stunden wöchentlich den Vermittlungsbemühungen zur Verfügung gestellt. Ein Fall des § 145 SGB III liegt - wie oben ausgeführt - nicht vor, so dass ein Absehen von einer Kürzung im Hinblick auf § 151 Abs 5 Satz 1 SGB III nicht in Betracht kommt.
Soweit der Kläger vorgebracht hat, die Höhe des Alg habe sich an den zur Arbeitslosenversicherung entrichteten Beiträgen zu orientieren, ist dem durch die Ermittlung des Bemessungsentgelts nach § 151 Abs 1 Satz 1 SGB III Rechnung getragen worden. Die Kürzung nach § 151 Abs 5 Satz 1 SGB III beruht darauf, dass wegen der mangelnden Verfügbarkeit für versicherungspflichtige Tätigkeiten von mehr als 30 Wochenstunden sich dementsprechend auch die Vermittlungsbemühungen der Beklagten nur auf Stellen mit einem entsprechenden Stundenanteil beziehen konnten. Als gemeinsames Ziel wurde insofern auch die Aufnahme von Mini-Jobs, Midi-Jobs und kurzfristigen Beschäftigungen vereinbart. Hätte der Kläger eine entsprechende Arbeitsstelle aufnehmen können, weil eine Vermittlung erfolgreich gewesen wäre, wäre seine Arbeitszeit im Vergleich zur früheren Tätigkeit reduziert gewesen. Dies ist folglich auch bei der Bemessung des Alg zu berücksichtigen, das Ersatz für den ausfallenden Lohn während der Arbeitslosigkeit darstellen soll (vgl dazu im Einzelnen zur fiktiven Bemessung von Alg: Urteil des Senats vom 22.06.2017 - L 10 AL 74/16 - juris).
Da der Kläger das 50. Lebensjahr noch nicht vollendet hatte, beträgt die Anspruchsdauer nach § 147 Abs 1 iVm Abs 2 SGB III insgesamt 12 Monate. Nach § 339 Satz 1 SGB III entspricht dabei jeder Monat 30 Tage, so dass die Beklagte zutreffend für 360 Tage Alg bewilligt hat. Diesen Anspruch hat sie durch die Zahlungen bis 10.07.2014 erfüllt, weshalb sich die Anspruchsdauer auf Null gemindert hat, § 148 Abs 1 Nr 1 SGB III. Der Kläger hat für die Zeit ab 11.07.2014 keinen weiteren Anspruch mehr.
Die Berufung war nach alledem zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Gründe, die Berufung nach § 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG zuzulassen, sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
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