L 37 SF 69/17 EK AS

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
37
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 37 SF 69/17 EK AS
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Aktivlegitimation eines Beziehers von Leistungen nach dem SGB II im Entschädigungsverfahren.

Es kann dahinstehen, ob
- ein Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG anrechenbares Einkommen im Sinne des § 11 SGB II darstellt und
- ob Entschädigungsleistungen "rechtzeitig" im Sinne des § 33 Abs 1 S 1 SGB II zu erbringen wären.
Denn jedenfalls bis zur rechtskräftigen Zuerkennung eines Entschädigungsanspruchs wegen unangemessener Verfahrensdauer schließt § 198 Abs 5 S 3 GVG einen Übergang dieses Anspruchs eines nach dem SGB II Leistungsberechtigten auf den Grundsicherungsträger aus.

§ 33 Abs 1 S 3 SGB II muss bei europarechtskonformer Auslegung hinter § 198 Abs 5 S 3 GVG zurücktreten.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter den Aktenzeichen S 38 AS 14127/12 und S 99 AS 14127/12 geführten Verfahrens eine Entschädigung in Höhe von 2.900,00 EUR zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22. Mai 2017 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Kläger trägt 3/10 der Kosten des Verfahrens, der Beklagte 7/10. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Kläger begehrt die Zahlung einer Entschädigung wegen überlanger Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter den Aktenzeichen S 38 AS 14127/12 bzw. S 99 AS 14127/12 geführten und zwischenzeitlich abgeschlossenen Klageverfahrens. Dem Ausgangsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger, der bereits damals von seinem jetzigen Prozessbevollmächtigten vertreten wurde, wandte sich mit seiner am 31. Mai 2012 zunächst per Fax beim Sozialgericht (SG) Berlin eingegangenen Klage gegen den Sanktionsbescheid des Jobcenter M (JC) – der Beklagte des Ausgangsverfahrens – vom 02. Februar 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 03. Mai 2012, mit welchem sein Anspruch auf Arbeitslosengeld II (Alg II) für die Zeit vom 01. März bis zum 31. Mai 2012 um monatlich 112, 20 EUR gemindert worden war. Gleichzeitig beantragte er die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) sowie die Gewährung von Akteneinsicht unter Ankündigung weitergehenden Vortrags nach Akteneinsicht. Am Folgetag ging das Original der Klageschrift samt Unterlagen zur PKH beim Sozialgericht ein. Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 38 AS 14127/12 registriert. Am 12. Juni 2012 bestätigte das Sozialgericht den Klageeingang und forderte das JC auf, die Akten zu übersenden. Nach Eintreffen der Leistungsakten 16 Tage später gewährte das Gericht dem Kläger am 04. Juli 2012 Akteneinsicht, welche sechs Tage später genommen wurde. Am 11. Juli 2012 traf die weitergehende Klagebegründung ein, die wenige Tage später dem JC zur Stellungnahme zugleitet wurde. Letztere ging am 29. August 2012 vorab per Fax beim Sozialgericht ein und wurde aufgrund der richterlichen Verfügung vom 28. September 2012 am 01. Oktober 2012 ihrerseits der Klägerseite zur Stellungnahme zugleitet. Es schloss sich im Verlaufe des gesamten Monats Oktober 2012 ein reger Schriftsatzwechsel der Beteiligten an. Die letzte Stellungnahme des JC traf am 14. November 2012 ein.

Mit Beschluss vom 01. Februar 2013 bewilligte das Sozialgericht dem Kläger PKH. Gleichzeitig richtete der Kammervorsitzende eine Anfrage an das JC und verfügte den Rechtsstreit in das so genannte "EÖT-Fach". Am 05. März 2013 ging die kurze Antwort des JC ein, welche umgehend an den Kläger zur Kenntnis und freigestellten Stellungnahme übersandt wurde. Die Verfügung "EÖT-Fach" wurde erneuert. Am 14. März 2013 ging eine 1,5 Seiten lange Stellungnahme des Klägers mit rechtlichem Vortrag ein, die vier Tage später dem JC zur Stellungnahme ohne Setzung einer Frist zugeleitet wurde. Gleichzeitig wurde die Sache wieder in das "EÖT-Fach" verfügt. Nachdem am 03. Mai 2013 die Stellungnahme des JC eingegangen war, wurde diese am 10. Juni 2013 an den Kläger zur Kenntnis und freigestellten Stellungnahme weitergeleitet, während die Sache weiterhin in das "EÖT-Fach" verfügt wurde. Vier Tage später lag eine kurze Stellungnahme des Klägers vor, die am 19. Juni 2013 an das JC zur Kenntnis und freigestellten Stellungnahme weiter gereicht wurde. Die Verfügung "EÖT-Fach" wurde fortgeschrieben.

Am 17. Juni 2014 ging die erste Verzögerungsrüge des Klägers beim Gericht ein, woraufhin das SG den Beteiligten unter dem 04. August 2014 Gelegenheit gab, binnen eines Monats zu seiner Absicht, durch Gerichtsbescheid zu entscheiden, Stellung zu nehmen. Während die Stellungnahme des JC am 18. August 2014 beim Sozialgericht einging, äußerte sich der Kläger nicht.

Am 19. August 2015 ging eine weitere Verzögerungsrüge des Klägers ein.

Nachdem der Rechtsstreit zum 01. Dezember 2016 schließlich in die Zuständigkeit der 99. Kammer gewechselt hatte, gab diese der Klage durch Gerichtsbescheid vom 15. Dezember 2016 (den Beteiligten zugestellt am 22. bzw. 27. Dezember 2016) statt. Der Gerichtsbescheid ist rechtskräftig geworden.

Am 16. März 2017 hat der Kläger per elektronischem Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) Entschädigungsklage erhoben und die Feststellung der Überlänge sowie die Zahlung einer Entschädigung i.H.v. 4.200,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit wegen überlanger Dauer des vor dem SG geführten Verfahrens begehrt. Gleichzeitig hat er die Bewilligung von PKH beantragt. Mit einer Dauer von vier Jahren und rund sechs Monaten sei das Verfahren unangemessen lang gewesen. Unter Anwendung der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), welches den Gerichten pro Instanz Vorbereitungs- und Bedenkzeiten im Umfang von 12 Monaten zugestehe, verblieben hier 42 Monate als entschädigungsrelevant.

Mit Beschluss vom 18. Mai 2017 hat der Senat dem Kläger für das Klageverfahren vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg PKH ab dem 16. März 2017 hinsichtlich einer Entschädigung i. H. v. 3.200,00 EUR bewilligt. Daraufhin hat der Kläger mit Schriftsatz vom 26. September 2017 die Klage teilweise zurückgenommen.

Der Kläger teilt mit, er beziehe seit Anfang 2014 durchgehend Leistungen nach dem SGB II.

Der Kläger beantragt,

den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger wegen unangemessener Dauer des vor dem Sozialgericht Berlin unter den Aktenzeichen S 38 AS 14127/12 und S 99 AS 14127/12 geführten Verfahrens eine Entschädigung i.H.v. 3.200,00 EUR nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen

Ein Entschädigungsanspruch komme nur i.H.v. 2.800,00 EUR in Betracht, denn entgegen dem Beschluss des Senats vom 18. Mai 2017 seien die Monate September und Dezember 2012 sowie Mai und Juni 2013 nicht entschädigungsrelevant. Im Monat September 2012 habe dem Gericht eine einmonatige Überlegungs- und Bearbeitungszeit im Hinblick auf den gehaltvollen Schriftsatz des Beklagten im Ausgangsverfahren vom 29. August 2012 zugestanden. Gleiches gelte für den Monat Dezember 2012 sowie die Monate Mai und Juni 2013 in Bezug auf die Schriftsätze des dortigen Beklagten vom 09. November 2012 und 03. Mai 2013 sowie den Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 13. Juni 2013. Hinsichtlich der danach möglicherweise in Betracht kommenden Entschädigung i.H.v. 2.800,00 EUR bestünden jedoch Zweifel bezüglich der Aktivlegitimation des Klägers. Das Landessozialgericht (LSG) Niedersachsen-Bremen habe mit Urteil vom 22. September 2016 – L 15 SF 21/15 EK AS – entschieden, dass eine Geldentschädigung gemäß § 198 Abs. 1 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) wegen der überlangen Dauer eines gerichtlichen Verfahrens Einkommen im Sinne von § 11 Abs. 1 Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) darstelle und der Entschädigungsanspruch eines Beziehers von Arbeitslosengeld II bei Gleichzeitigkeit der Zeiträume der entschädigungspflichtigen Überlänge und der Leistungserbringung nach dem SGB II gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Höhe der gewährten Leistungen auf den Leistungsträger übergehe. Allerdings habe der 10. Senat des LSG Niedersachsen-Bremen diese Rechtsfrage in seinem Urteil vom 10. August 2017 – L 10 SF 10/17 EK U – anders entschieden. Eine höchstrichterliche Klärung dieser Rechtsfrage liege nicht vor. Vor diesem Hintergrund werde die Beiladung des Jobcenters beantragt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen, den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte und auf die Akte des Ausgangsverfahrens verwiesen, die dem Senat vorgelegen haben und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat teilweise Erfolg. Sie ist zulässig und erweist sich darüber hinaus in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang als begründet.

A. Die auf Gewährung einer Entschädigung gerichtete Klage ist zulässig.

I. Maßgebend für das vorliegende Klageverfahren sind die §§ 198 ff. GVG sowie die §§ 183, 197a und 202 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jeweils in der Fassung des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (GRüGV) vom 24. November 2011 (BGBl. I, S. 2302) und des Gesetzes über die Besetzung der großen Straf- und Jugendkammern in der Hauptverhandlung und zur Änderung weiterer gerichtsverfassungsrechtlicher Vorschriften sowie des Bundesdisziplinargesetzes vom 06. Dezember 2011 (BGBl. I, S. 2554). Bei dem geltend gemachten Anspruch auf Gewährung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer handelt es sich nicht um einen Amtshaftungsanspruch im Sinne des Art. 34 Grundgesetz (GG). Es ist daher nicht der ordentliche Rechtsweg, sondern vorliegend der zu den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit eröffnet. Denn die grundsätzlich in § 201 Abs. 1 Satz 1 GVG vorgesehene Zuweisung der Entschädigungsklagen an das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk das streitgegenständliche Verfahren durchgeführt wurde, wird für sozialgerichtliche Verfahren in § 202 Satz 2 SGG modifiziert. Nach dieser Regelung sind die Vorschriften des 17. Titels des GVG (§§ 198-201) mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das LSG, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das BSG und an die Stelle der Zivilprozessordnung (ZPO) das SGG tritt. Für die Entscheidung über die Klage ist daher das LSG Berlin-Brandenburg zuständig.

II. Die Klage ist als allgemeine Leistungsklage statthaft. Nach § 201 Abs. 2 Satz 1 GVG i.V.m. § 202 Satz 2 SGG sind die Vorschriften des SGG über das Verfahren vor den Sozialgerichten im ersten Rechtszug heranzuziehen. Gemäß § 54 Abs. 5 SGG kann mit der Klage die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte. Der Kläger macht angesichts der Regelung des § 198 GVG nachvollziehbar geltend, auf die begehrte Entschädigungszahlung, die eine Leistung i.S.d. § 54 Abs. 5 SGG darstellt, einen Rechtsanspruch zu haben. Eine vorherige Verwaltungsentscheidung ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen (vgl. § 198 Abs. 5 GVG). Vielmehr lässt die amtliche Begründung des Gesetzesentwurfs der Bundesregierung (BT-Drs. 17/3802, S. 22 zu Abs. 5 Satz 1), nach der der Anspruch nach allgemeinen Grund¬sätzen auch vor einer Klageerhebung gegenüber dem jeweils haftenden Rechtsträger geltend gemacht und außergerichtlich befriedigt werden kann, erkennen, dass es sich hierbei um eine Möglichkeit, nicht jedoch eine Verpflichtung handelt.

III. Zweifel an der Wahrung der gemäß § 90 SGG für die Klage vorgeschriebenen Schriftform bestehen nicht. Die Schriftform ist mit der am 16. März 2017 beim LSG per EGVP unter Verwendung einer qualifizierten Signatur eingegangenen Klageschrift gewahrt (vgl. § 65a SGG i.V.m. der Verordnung des Landes Brandenburg vom 01. Oktober 2007, GVBl. 07, 425). Ebenso hat der Kläger die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 1 GVG, wonach eine Entschädigungsklage frühestens sechs Monate nach Erhebung der Verzögerungsrüge erhoben werden kann, eingehalten. Die entsprechenden Verzögerungsrügen sind am 17. Juni 2014 und 19. August 2015 beim SG eingegangen, während die Entschädigungsklage am 16. März 2017 erhoben worden ist. Schließlich ist auch die Frist des § 198 Abs. 5 Satz 2 GVG gewahrt, denn die Klage ist vor Ablauf des Zeitraums von sechs Monaten nach Einritt der Rechtskraft des Gerichtsbescheids im Ausgangsverfahren vom 15. Dezember 2016 beim LSG eingegangen.

B. Die Klage ist darüber hinaus in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

Der Kläger begehrt noch eine Entschädigung in Höhe von 3.200,00 EUR für das beim SG Berlin am 31. Mai 2012 eingeleitete und mit Eintritt der Rechtskraft des Gerichtsbescheides vom 15. Dezember 2016 abgeschlossene Verfahren. Er rügt noch eine Verzögerung im Umfang von 32 Monaten und macht ausschließlich einen Nachteil geltend, der kein Vermögensnachteil ist. Zur Überzeugung des Senats steht ihm eine Entschädigung in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zu.

I. Zu Recht richtet sich die Klage gegen das hier passivlegitimierte Land Berlin. Denn nach § 200 Satz 1 GVG haftet für Nachteile, die aufgrund von Verzögerungen bei Gerichten eines Landes eingetreten sind, das Land. Die Vertretung erfolgt entsprechend § 29 Abs. 5 der Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz und Verbraucherschutz vom 01. November 2017 durch die Präsidentin des Sozialgerichts Berlin (Amtsblatt Berlin 2017, 5556). Die Übertragung der Vertretung durch eine Verwaltungsanweisung ist nicht zu beanstanden (so Bundesfinanzhof (BFH), Urteil vom 17. April 2013, X K 3/12, juris, Rn. 30 ff. für die vorher geltende Anordnung über die Vertretung des Landes Berlin im Geschäftsbereich der Senatsverwaltung für Justiz vom 20.09.2007, Amtsblatt Berlin 2007, 2641).

II. Der Kläger ist aktivlegitimiert. Dem steht trotz seines laufenden Bezugs von Arbeitslosengeld II die Bestimmung des § 33 SGB II nicht entgegen. Denn Ansprüche nach § 198 GVG gehen jedenfalls während eines Entschädigungsklageverfahrens nicht gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II auf den Träger der Grundsicherung für Arbeitsuchende über (so auch: LSG Sachsen, Urteil vom 29. März 2017 – L 11 SF 17/16 EK AS – juris Rn. 22ff; andere Ansicht: LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. September 2016 - L 15 SF 21/15 EK AS - juris Rn. 18 ff.).

Nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II in der seit dem 01. August 2006 geltenden Fassung gehen Ansprüche von Beziehern von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes kraft Gesetzes auf den Leistungsträger über, wenn bei rechtzeitiger Leistung des Anderen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nicht erbracht worden wären. Von dem gesetzlichen Forderungsübergang nach § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden grundsätzlich alle Ansprüche gegen Dritte, die nicht Leistungsträger sind, erfasst (Münder in: LPK-SGB II, 6. A., § 33 Rn. 15; Grote-Seifert in: jurisPK-SGB II, 4. A., § 33 Rn. 37; Fügemann in: Hauck/Noftz, SGB II, § 33 Rn. 90; Silbermann in: Eicher/Luik, SGB II, 4. A., § 33 Rn. 30). Soweit hiervon für höchstpersönliche Ansprüche eine Ausnahme gemacht wird (Grote-Seifert in: jurisPK-SGB II, 4. A., § 33 Rn. 40), ist dies für den Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG ohne Belang, da dieser nicht höchstpersönlicher Natur, sondern vererblich und nach seiner gerichtlichen Zuerkennung auch sonst übertragbar ist (LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. September 2016 - L 15 SF 21/15 EK AS - juris Rn. 1; Ott in: Steinbeiß-Winkelmann/Ott, Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren, § 198 GVG Rn. 267).

Es kann hier dahin gestellt bleiben, wann die im vorliegenden Verfahren streitigen Entschädigungsleistungen "rechtzeitig" im Sinne des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II zu erbringen gewesen wären. Dies könnte, wie schon das LSG Niedersachsen-Bremen in seinem Urteil vom 10. August 2017 – L 10 SF 10/17 EK U – (in juris) aufgezeigt hat, deshalb zweifelhaft erscheinen, weil nicht feststeht, welche Monate ohne ausreichende Verfahrensförderung des Ausgangsrechtsstreites einen Entschädigungsanspruch auslösen und welche zu der dem Gericht zuzugestehenden Vorbereitungs- und Bedenkzeit zählen. In diesem Zusammenhang ist weiter auf das Problem hinzuweisen, während des Laufes des Ausgangsverfahrens verlässlich zu bestimmen, welche Bearbeitungszeit noch angemessen ist und welche nicht mehr (vgl. ausführlich Rn. 34 des genannten Urteils, in juris). Fraglich ist darüber hinaus, wann der Entschädigungsanspruch fällig wird (hierzu ebenfalls ausführlich und überzeugend: LSG Niedersachen-Bremen a.a.O. Rn. 35).

Darüber hinaus soll hier ebenfalls dahin gestellt bleiben, ob Entschädigungsansprüche nach § 198 GVG auf die Leistungen nach dem SGB II anzurechnendes Einkommen i.S.d. § 11 Abs. 1 Satz 1 SGB II mit der Folge, dass § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II grundsätzlich anwendbar wäre (BSG, Urteil vom 14. März 2012 - B 14 AS 98/11 R - juris Rn. 20; Grote-Seifert in: jurisPK-SGB II, 4. A., § 33 Rn. 49; Fügemann in: Hauck/Noftz, SGB II, § 33 Rn. 106), darstellen (so etwa LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 22. September 2016 – L 15 SF 21/15 EK AS – juris Rn. 21ff, LSG Sachsen, Urteil vom 29. März 2017 – L 11 SF 17/16 EK AS – juris Rn. 26ff) oder nicht (so LSG Niedersachsen-Bremen, Urteil vom 10. August 2017 – L 10 SF 10/17 EK U – juris Rn. 38ff.: Privilegierung nach § 11a Abs. 3 SGB II; anders Stotz in NZS 2015, 410, 414, der eine Privilegierung entsprechend § 11a Abs. 2 SGB II annimmt).

Selbst wenn man davon ausginge, dass bei Entschädigungsansprüchen nach § 198 GVG ein Übergang auf den Grundsicherungsträger gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II in Betracht käme, schließt jedoch § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG den Anspruchsübergang jedenfalls bis zur rechtskräftigen Zuerkennung einer Entschädigung wegen überlanger Verfahrensdauer aus und kann folglich einem Bezieher laufender Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende nicht die Aktivlegitimation für eine Entschädigungsklage fehlen. Gemäß § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG ist der Entschädigungsanspruch bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Klage nicht übertragbar. Der Ausschluss der Übertragbarkeit des Entschädigungsanspruchs durch § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG soll einen der Rechtspflege abträglichen Handel mit dem Anspruch und zugleich einen Zugriff Dritter auf den Anspruch verhindern (vgl. BT-Drucks. 17/3802, S. 36). Seinem Normzweck nach schließt § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG nicht allein den Zugriff Dritter im Wege der Pfändung aus (vgl. § 851 Abs. 1 ZPO), sondern auch den Zugriff über eine Legalzession, wie sie § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB II anordnet. Dem steht § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II nicht entgegen. Durch diese Bestimmung werden zwar eigentlich sämtliche privat- oder öffentlich-rechtliche Übertragungs-, Verpfändungs- und Pfändungsverbote verdrängt (Silbermann in: Eicher, SGB II, 4. A., § 33 Rn. 44). Bei europarechtskonformer Auslegung muss aber § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II hinter § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG zurücktreten (so auch LSG Sachsen a.a.O. Rn. 29). Die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) garantiert nicht allein in Art. 6 Abs. 1 das Recht auf ein faires und zügiges Verfahren, sondern verstärkt dieses durch das in Art. 13 EMRK verbürgte Recht auf einen wirksamen Rechtsbehelf (Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte [EGMR], Urteil vom 26. Oktober 2000 - 30210/96 - Rn. 146 ff.). Innerstaatliche Rechtsbehelfe gegen überlange Verfahrensdauer sind dann im Sinne von Art. 13 EMRK als wirksam anzusehen, wenn sie geeignet sind, entweder (präventiv) eine schnellere Entscheidung durch die mit dem Fall befassten Gerichte zu erwirken oder (kompensatorisch) der Prozesspartei eine angemessene Wiedergutmachung für bereits eingetretene Verzögerungen zukommen zu lassen (EGMR, Urteil vom 15. Januar 2015 - 62198/11 - juris Rn. 137; Urteil vom 08. Juni 2000 - 75529/01 - Rn. 99). Der EGMR hat betont, dass zwar einem präventiv wirkenden Rechtsbehelf vor rein kompensatorischen Vorschriften der Vorzug zu geben sei, dass aber auch eine Kombination beider Ansätze wirkungsvoll sein könne (Urteil vom 08. Juni 2000 - 75529/01 - Rn. 100). In den §§ 198ff. GVG hat sich der deutsche Gesetzgeber für eine Kombination aus präventiven und kompensatorischen Regelungselementen entschieden (kompensatorischer Entschädigungsanspruch und präventive Verzögerungsrüge), bei der allerdings mangels eines echten präventiven Rechtsbehelfs der Schwerpunkt auf der Kompensation liegt. Im Grundsatz ist dies mit Art. 13 i.V.m. Art. 6 Abs. 1 EMRK vereinbar (vgl. EGMR, Urteil vom 29.05.2012 - 53126/07 - juris Rn. 40). Führte aber § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II dazu, dass Beziehern von Leistungen der Grundsicherung für Arbeitsuchende regelhaft die Aktivlegitimation für Entschädigungsklagen fehlte, wäre ein gesamter Personenkreis von effektivem Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren ausgeschlossen (so sinngemäß auch: Schweigler, SGB 2017, 314, 317); denn ihnen bliebe nur die für sich allein – wie auch die Praxis zeigt - nicht ausreichende Verzögerungsrüge. Darüber hinaus kann der SGB II-Leistungsträger – so er denn überhaupt Kenntnis von einem durch einen Leistungsempfänger geführten laufenden, potentiell überlangen Gerichtsverfahren erlangt - gar kein (fiskalisches) Interesse an einer zügigen Erledigung eines möglicherweise bereits überlangen Gerichtsverfahrens haben, da eine größere Überlänge und daraus resultierende höhere Entschädigung seine Leistungsverpflichtung weiter mindern würde. Der Gesetzeszweck des § 198 GVG – Vermeidung überlanger Verfahren und Gewährung effektiven Rechtsschutzes - würde dadurch konterkariert. Daher tritt § 33 Abs. 1 Satz 3 SGB II bei konventionsrechtskonformer Auslegung hinter § 198 Abs. 5 Satz 3 GVG zurück. Ob Art. 6 Abs. 1 und Art. 13 EMRK eine darüber hinausgehende Privilegierung von Entschädigungen nach § 198 GVG in der Grundsicherung für Arbeitsuchende gebieten, ist hier nicht entscheidungserheblich und kann daher offenbleiben.

III. Der Kläger hat Anspruch auf Entschädigung in dem sich aus dem Tenor ergebenden Umfang.

Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG wird angemessen entschädigt, wer infolge unangemessener Dauer eines Gerichtsverfahrens als Verfahrensbeteiligter einen Nachteil erleidet. Für einen Nachteil, der nicht Vermögensnachteil ist, kann Entschädigung nur beansprucht werden, soweit nicht nach den Umständen des Einzelfalls Wiedergutmachung auf andere Weise gemäß § 198 Abs. 4 GVG ausreichend ist (§ 198 Abs. 2 S. 2 GVG). Eine Entschädigung erhält ein Verfahrensbeteiligter nur dann, wenn er bei dem mit der Sache befassten Gericht die Dauer des Verfahrens gerügt hat (§ 198 Abs. 3 Satz 1 GVG). Derartige Rügen des Klägers sind am 17. Juni 2014 und 19. August 2015 beim Sozialgericht eingegangen.

Ob ein Verfahren als überlang anzusehen ist, richtet sich nicht nach starren Fristen. Vielmehr regelt § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG ausdrücklich, dass es auf die Umstände des Einzelfalls, insbesondere die Schwierigkeit und Bedeutung des Verfahrens sowie das Verhalten der Verfahrensbeteiligten und Dritten ankommt. Maßgebend bei der Beurteilung der Verfahrensdauer ist danach - so ausdrücklich die Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BT-Drucks. 17/3802, S. 18 f. zu § 198 Abs. 1) - unter dem Aspekt einer möglichen Mitverursachung zunächst die Frage, wie sich der Entschädigungskläger selbst im Ausgangsverfahren verhalten hat. Außerdem sind insbesondere zu berücksichtigen die Schwierigkeit, der Umfang und die Komplexität des Falles sowie die Bedeutung des Rechtsstreits, wobei nicht nur die Bedeutung für den auf Entschädigung klagenden Verfahrensbeteiligten aus der Sicht eines verständigen Betroffenen von Belang ist, sondern auch die Bedeutung für die Allgemeinheit. Diese Umstände sind darüber hinaus in einen allgemeinen Wertungsrahmen einzuordnen (vgl. dazu BSG, Urteile vom 21. Februar 2013 - B 10 ÜG 1/12 und 2/12 KL -, zitiert nach juris, jeweils Rn. 25 ff. und m.w.N.). Denn schon aus der Anknüpfung des gesetzlichen Entschädigungsanspruchs an den als Grundrecht nach Art. 19 Abs. 4 GG i. V. m. Art. 20 Abs. 3 GG sowie als Menschenrecht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK qualifizierten Anspruch auf Entscheidung eines gerichtlichen Verfahrens in angemessener Zeit wird deutlich, dass es auf eine gewisse Schwere der Belastung ankommt. Ferner sind das Spannungsverhältnis zur Unabhängigkeit der Richter (Art. 97 Abs. 1 GG) sowie das Ziel, inhaltlich richtige Entscheidungen zu erhalten, zu berücksichtigen. Schließlich muss ein Rechtsuchender damit rechnen, dass der zuständige Richter neben seinem Rechtsbehelf auch noch andere (ältere) Sachen zu behandeln hat, sodass ihm eine gewisse Wartezeit zuzumuten ist. Insgesamt reicht daher zur Annahme der Unangemessenheit der Verfahrensdauer nicht jede Abweichung vom Optimum aus, vielmehr muss eine deutliche Überschreitung der äußersten Grenze des Angemessenen vorliegen (BSG, Urteil vom 03. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris Rn. 33).

1. Ausgangspunkt der Angemessenheitsprüfung bildet die - in § 198 Abs. 6 Nr. 1 GVG definierte - Gesamtdauer des Gerichtsverfahrens von seiner Einleitung bis zu seinem rechtskräftigen Abschluss. Nicht von Bedeutung für das Entschädigungsverfahren ist hingegen die Dauer eines Widerspruchsverfahrens (BSG a.a.O. Rn. 25, 27). Kleinste relevante Zeiteinheit ist im Geltungsbereich des GRüGV stets der Monat (BSG a.a.O. Rn. 33) i. S. des Kalendermonats (BSG, Urteil vom 07. September 2017 – B 10 ÜG 3/16 R – juris Rn. 24). Das Ausgangsverfahren erstreckte sich vom 31. Mai 2012 bis zur Zustellung des – rechtskräftigen - Gerichtsbescheides vom 15. Dezember 2016 an die Bevollmächtigten des Klägers am 22. Dezember 2016, mithin über vier Jahre und annähernd sieben Monate.

Bei dem streitgegenständlichen Ausgangsverfahren handelte es sich mangels Not-wendigkeit umfangreicher tatsächlicher Ermittlungen um ein Verfahren von allenfalls durchschnittlicher Schwierigkeit und Komplexität. Die wirtschaftliche Bedeutung der Sache, in der es um die Minderung von Alg II für die Zeit vom 01. März bis zum 31. Mai 2012 i.H.v. insgesamt 336, 60 EUR ging, wird als leicht überdurchschnittlich einzustufen sein. Zwar lief der Zeitraum, für welchen die Leistungsminderung stattgefunden hatte, zum Zeitpunkt der Klageerhebung gerade ab, sodass nicht mehr laufende Leistungen im Streit standen, allerdings handelte es sich um einen insgesamt nicht unerheblichen Betrag. Für die Allgemeinheit hatte der Rechtsstreit keine Bedeutung.

Für die Entscheidung, ob eine überlange Verfahrensdauer vorliegt, sind aktive und inaktive Zeiten der Bearbeitung gegenüberzustellen, wobei dem Ausgangsgericht Vorbereitungs- und Bedenkzeiten einzuräumen sind. Diese sollen - vorbehaltlich besonderer Gesichtspunkte des Einzelfalls - im Umfang von bis zu zwölf Monaten je Instanz regelmäßig als angemessen anzusehen sein, selbst wenn sie nicht durch konkrete Verfahrensförderungsschritte als begründet und gerechtfertigt angesehen werden können. Angemessen bleibt die Gesamtverfahrensdauer regelmäßig zudem dann, wenn sie zwölf Monate überschreitet, aber insoweit auf vertretbarer aktiver Verfahrensgestaltung des Gerichts beruht oder durch Verhalten des Klägers oder Dritter verursacht wird, die das Gericht nicht zu vertreten hat (BSG, Urteil vom 03. September 2014 – B 10 ÜG 12/13 R – juris, Rn. 33, 54 f.). Denn dem Verhalten des Entschädigungsklägers im Ausgangsverfahren kommt unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung einer Verzögerung ganz wesentliches Gewicht zu; auch im Rahmen zulässigen Prozessverhaltens vom Kläger selbst herbeigeführte Verfahrensverzögerungen fallen in seinen Verantwortungsbereich (BSG a.a.O. Rn. 39). Weiter ist zu beachten, dass auch dann keine inaktive Zeit der Verfahrensführung vorliegt, wenn ein Kläger während Phasen (vermeintlicher) Inaktivität des Gerichts selbst durch das Einreichen von Schriftsätzen eine Bearbeitung des Vorganges durch das Gericht bewirkt. Denn eingereichte Schriftsätze der Beteiligten, die einen gewissen Umfang haben und sich inhaltlich mit Fragen des Verfahrens befassen, bewirken generell eine Überlegungs- und Bearbeitungszeit beim Gericht, die mit einem Monat zu Buche schlägt (BSG a.a.O. Rn. 57).

2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze ist es nach anfänglich zügiger Betreibung des Ausgangsverfahrens durch das Gericht erstmals in den Monaten Dezember 2012 und Januar 2013 zu einer Phase gerichtlicher Inaktivität gekommen. Soweit das SG die am 29. August 2012 zunächst per Fax und am 31. August 2012 im Original eingegangene mehr als einseitige Klageerwiderung des Beklagten im Ausgangsverfahren dem Klägerbevollmächtigten erst am 01. Oktober 2012 zur Stellungnahme weitergeleitet hat, ist der Monat September nicht als Zeit gerichtlicher Untätigkeit anzusehen. Zum einen hat der Kammervorsitzende noch im September 2012 die Weiterleitung zur Stellungnahme verfügt und war somit im September 2012 aktiv. Zum anderen ist dem Beklagten darin zuzustimmen, dass die mehr als einseitige, sich über fünf Absätze mit einzeiligem Abstand erstreckende und ausführlich mit dem tatsächlichen und rechtlichen Klägervortrag auseinandersetzende Klageerwiderung des dortigen Beklagten eine einmonatige Überlegungs- und Bearbeitungszeit des Gerichts ausgelöst hat. Der Beklagte hat in diesem Schriftsatz erstmalig umfänglich zum klägerischen Vortrag Stellung bezogen, was vom Gericht zu würdigen war. Offensichtlich hat der Vorsitzende den Schriftsatz auch zur Kenntnis genommen und eine Stellungnahme der Klägerseite dazu für notwendig erachtet. Im Oktober 2012 teilten die Beteiligten Schriftsätze aus. Der Mitte November 2012 eingegangene Schriftsatz des dortigen Beklagten erstreckte sich inhaltlich über weniger als eine halbe DIN A 4 Seite und hatte somit keinen Umfang, der geeignet war, eine einmonatige Überlegungs- und Bearbeitungszeit auszulösen, zumal er dem Kammervorsitzenden auch schon Mitte des Monats November 2012 vorlag. Daher sind die Monate Dezember 2012 und Januar 2013 als Phase gerichtlicher Inaktivität zu werten (zwei Kalendermonate zwischen Eingang der Stellungnahme des beklagten JC vom 09. November 2012 am 14. November 2012 und dem Erlass des PKH-Beschlusses mit gerichtlicher Anfrage an das JC am 01. Februar 2013).

Im Monat März 2013 ist weiterhin von einer Aktivität des Gerichts auszugehen, denn neben der unter dem 01. Februar 2013 vom Gericht angeforderten Auskunft des beklagten JC ging Mitte des Monats eine 1,5-seitige Stellungnahme des Klägers mit rechtlichem Vortrag in der Sache ein, die beide der jeweiligen Gegenseite zugeleitet wurden. Letzterer Schriftsatz war auch geeignet, eine einmonatige Überlegungs- und Bearbeitungszeit auszulösen, weshalb auch der Monat April 2013 als Aktivitätsmonat zu werten ist. Dies gilt ebenfalls für die am 03. Mai 2013 eingegangene Stellungnahme des beklagten JC, die sich mit der Frage der vor Erlass des streitgegenständlichen Sanktionsbescheides notwendigen Anhörung auseinandersetzte und der Klägerseite zur freigestellten Stellungnahme übersandt wurde. Die in der Folge Mitte Juni 2013 bei Gericht eingegangene kurze Stellungnahme des Klägers erreichte hingegen keinen Umfang, der geeignet war, eine solche Überlegungs- und Bearbeitungszeit auszulösen. Vielmehr hat das Gericht dem Verfahrens in der Zeit von Juli 2013 bis einschließlich Juli 2014 (Monat nach Eingang und Weiterleitung des kurzen klägerischen Schriftsatzes vom 13. Juni 2013 an das beklagte JC zur Kenntnis- sowie freigestellten Stellungnahme bis einschließlich des Monats vor der Anhörung zum Gerichtsbescheid vom 04. August 2014: 13 Kalendermonate) keinen Fortgang gegeben. Nachfolgend ist es im Zeitraum von Oktober 2014 bis einschließlich November 2016 (Monat nach Ablauf der Frist zur Stellungnahme zur Entscheidung durch Gerichtsbescheid bis einschließlich des Monats vor Erlass des verfahrensabschließenden Gerichtsbescheides vom 15. Dezember 2016: 26 Kalendermonate) erneut zu einer Zeit der gerichtlichen Inaktivität gekommen. Insgesamt summieren sich somit die Zeiten gerichtlicher Inaktivität auf 41 Kalendermonate.

Nach Abzug der dem SG nach der Rechtsprechung des BSG im Regelfall – von welchem abzuweichen hier kein Anlass besteht - zuzugestehenden zwölfmonatigen Vorbereitungs- und Bedenkzeit verbleibt es bei einer zu entschädigenden Zeit der überlangen Verfahrensdauer im Umfang von 29 Kalendermonaten.

3. Ausgehend von der im Umfang von 29 Monaten überlangen Dauer des Ausgangsverfahrens und dem in § 198 Abs. 2 S. 3 GVG vorgegebenen Richtwert von 1.200,00 EUR für jedes Jahr der Verzögerung beläuft sich die dem Kläger zustehende angemessene Entschädigung auf 2.900,00 EUR. Gründe, die den Ansatz des gesetzlich vorgesehenen Pauschalbetrages unbillig und daher eine abweichende Festsetzung notwendig erscheinen lassen könnten, sind nicht ersichtlich und von den Beteiligten auch nicht geltend gemacht worden.

IV. Da der Entschädigungsanspruch nach § 198 GVG außerhalb des Systems der sozialrechtlichen Ansprüche, für die Prozesszinsen nach Maßgabe des § 44 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) grundsätzlich nicht beansprucht werden kann (vgl. BSG, Urteile vom 03. September 2014, B 10 ÜG 9/13 R, Rn. 52, B 10 ÜG 12/13 R, Rn. 61 und B 10 ÜG 2/14 R, Rn. 54, alle zitiert nach juris), steht, war der Beklagte weiter gemäß §§ 288 Abs. 1, 291 Satz 1 BGB analog zur Zahlung von Prozesszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verurteilen. Diese sind ab Rechtshängigkeit, d.h. nach § 94 Satz 2 SGG ab Zustellung der Klage an den Beklagten am 22. Mai 2017 zu zahlen.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

VI. Die Revision ist wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache nach §§ 160 Abs. 2 Nr. 1, 202 Satz 2 SGG, 201 Abs. 2 Satz 3 GVG zuzulassen.
Rechtskraft
Aus
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