L 39 SF 186/16 B E

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
39
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 164 SF 4701/15 E
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 39 SF 186/16 B E
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
Ist einem Streitgenossen ohne Einschränkung Prozesskostenhilfe bewilligt und eine Rechtsanwalt beigeordnet worden, der auch weitere Streitgenossen vertritt, dann hat der beigeordnete Rechtsanwalt gegen die Staatskasse eine Vergütungsanspruch in Höhe der vollen Gebühren, jedoch ohne den Zuschlag nach Nr. 1008 VV RVG für die Vertretung der weiteren Streitgenossen
Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 19. August 2016 geändert. Die dem Antragsteller aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung wird auf 380,80 EUR festgesetzt. Im Übri-gen wird die Beschwerde zurückgewiesen. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

I. Zwischen den Beteiligten steht die Höhe des Vergütungsanspruchs eines im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts in Streit.

Der als Rechtsanwalt zugelassene Antragsteller stellte am 11. März 2015 im Namen eines Ehepaars einen gegen das Jobcenter Berlin Spandau gerichteten Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung (). Zugleich stellte er den Antrag, ihn im Wege der Prozesskostenhilfe sowohl dem Ehemann, als auch der Ehefrau beizuordnen. Mit Beschluss vom 23. April 2015 lehnte das Sozialgericht den auf den Erlass einer einstweiligen Anordnung gerichteten Antrag und den auf die Bewilligung von Pro-zesskostenhilfe gerichteten Antrag des Ehemanns (mangels hinreichender Erfolgs-aussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung) ab. Dem Prozesskostenhilfegesuch der Ehefrau gab es statt.

Mit Schriftsatz vom 7. Mai 2015 stellte der Antragsteller den Antrag, die ihm aus der Landeskasse für das unter dem Aktenzeichen registrierte Verfahren zu zahlende Vergütung wie folgt festzusetzen:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Post-/Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 320,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 60,80 EUR Gesamtbetrag 380,80 EUR

Mit Beschluss vom 18. Juni 2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Sozialgerichts Berlin die Vergütung, die der Antragsteller aus der Landeskasse für das unter dem Aktenzeichen registrierte Verfahren beanspruchen kann, wie folgt fest:

Verfahrensgebühr Nr. 3102, 1008 VV RVG 390,00 EUR Post-/Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 77,90 EUR zusammen: 487,90 EUR "Kopfteil Antragstellerin zu 2)" (Ehefrau) 243,98 EUR

Am 24. Juni 2015 hat der Antragsteller Erinnerung eingelegt und beantragt, "unter Aufrechterhaltung des Beschlusses im Übrigen [ ] die aus der Landeskasse im We-ge der Prozesskostenhilfe zu erstattenden Kosten um weitere 243,95 EUR auf 487,90 EUR festzusetzen".

Mit Beschluss vom 19. August 2016 hat das Sozialgericht die Erinnerung zurückge-wiesen. Diese sei unzulässig, "soweit der Erinnerungsführer im Erinnerungsverfahren die Vergütung eines die Kostenrechnung vom 7. Mai 2015 übersteigenden Betrages geltend mache". Im Übrigen sei sie zulässig, jedoch nicht begründet. Dies ergebe sich aus dem Beschluss des Sozialgerichts Berlin vom 4. November 2014 (S 164 SF 4905/14 E).

Gegen den ihm am 26. August 2016 zugestellten Beschluss hat der Antragsteller am 29. August 2016 Beschwerde eingelegt und beantragt, "auf den Vergütungsfestset-zungsantrag vom 07.05.2015 weitere 243,95" festzusetzen. Werde – wie hier – nur einem von mehreren Streitgenossen Prozesskostenhilfe bewilligt, gebe es keinen stichhaltigen Grund, den Vergütungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts zu kürzen.

II. Die Beschwerde – über die aufgrund des Übertragungsbeschlusses vom 1. März 2017 der Senat (ohne Mitwirkung ehrenamtlicher Richter) entscheidet (§ 56 Abs. 2 Satz 1 Rechtsanwaltsvergütungsgesetz ‹RVG› in Verbindung mit § 33 Abs. 8 Satz 1 bis 3 RVG) – ist zulässig (vgl. § 33 Abs. 3 Satz 1, 3, Abs. 7 Satz 3 RVG in Verbin-dung mit § 56 Abs. 2 Satz 1 RVG) und teilweise begründet.

Die Antwort auf die Frage, welche aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung ein Rechtsanwalt beanspruchen kann, der einem von mehreren Streitgenossen beigeordnet wurde, die ihn gemeinsam mit ihrer Prozessvertretung beauftragt haben, ist umstritten.

Einer Auffassung zufolge darf in solch einem Fall Prozesskostenhilfe schon nicht un-beschränkt bewilligt werden. Beauftragten zwei Streitgenossen ein und denselben Prozessbevollmächtigten mit der Wahrnehmung ihrer Interessen in einem Rechts-streit, der dieselbe Angelegenheit betreffe, lägen aber nur bei einem von ihnen die persönlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe vor, dann beschränke sich die "Bewilligung bezüglich der Anwaltsgebühren auf die Erhöhungs-beträge" nach Ziffer 1008 Anlage 1 (Vergütungsverzeichnis ‹VV›) zu § 2 Abs. 2 Satz 1 RVG. Begründet wird diese Auffassung mit dem Sinn und Zweck des Prozesskostenhilferechts. Diesem widerspreche es, wenn die vermögende Partei aus Steuermitteln finanziell dadurch entlastet würde, dass ihr Prozessbevollmächtigter zugleich eine bedürftige Partei vertrete. Denn das sei das Ergebnis, wenn die Prozesskostenhilfe nicht in Höhe der Erhöhungsbeträge nach Ziffer 1008 VV RVG, sondern in Höhe der auf den bedürftigen Streitgenossen im Innenverhältnis entfallenden Kopfteilquote be¬willigt werde (vgl. Bundesgerichtshof ‹BGH›, Beschluss vom 1. März 1993, II ZR 179/91; Oberlandesgericht ‹OLG› Koblenz, Beschluss vom 16. April 2012, 14 W 194/12; Geimer, in: Zöller, Zivilprozessordnung (ZPO), 32. Auflage 2018, § 114 Rn. 7; Seiler, in: Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl. 2017; § 114 Rn. 11; Groß, Beratungshilfe, Prozesskostenhilfe, Verfahrenskostenhilfe, 14. Aufl. 2018, II § 114 ZPO Rn. 103).

Eine andere Meinung lehnt die zuerst genannte Ansicht im Grundsatz ab, hält sie jedoch "im Fall der klagenden Ehegatten" für gerechtfertigt, da hier "mit einer darüber hinausgehenden Kostentragung im Innenverhältnis nicht zu rechnen" sei (vgl. Kalt¬hoe¬¬ner/Büttner/Wrobel-Sachs/Dürbeck/Gottschalk, Pro¬zess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 8. Aufl. 2016, Rn. 60 und 63).

Der 13. Senat des Oberlandesgerichts Karlsruhe verteidigt die zuerst genannte Auf-fassung und spricht ihr Gültigkeit überdies in Fällen zu, in denen die Prozesskostenhilfe (dem einen der beiden Streitgenossen) unbeschränkt bewilligt wurde und in de-nen beide Streitgenossen bedürftig sind (vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 3. Juli 2007, 13 W 56/06). Eine vierte Meinung steht auf dem Standpunkt, dass die aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung eines Rechtsanwalt, der einem von mehreren Streitgenossen beigeordnet wurde, die ihn gemeinsam mit ihrer Prozessvertretung beauftragt haben, anhand einer Quote zu bemessen sei, die einerseits alle Gebühren einschließlich der Erhöhung nach Ziffer 1008 VV RVG, andererseits die Gesamt- oder Kopfzahl aller Streitgenossen (vgl. Landessozialgericht ‹LSG›, Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Juni 2016, L 7 AS 152/ 15 B; Sozialgericht ‹SG› Potsdam, Beschluss vom 9. Juli 2013, S 44 SF 316/12 E; vgl. auch: SG Berlin, Beschluss vom 4. November 2014, S 164 SF 4905/14 E) respektive die wertmäßige Beteiligung des erstattungs-berechtigten Streitgenossen am Rechtsstreit berücksichtigen müsse (vgl. Rönnebeck, NJW 1994, S. 2273, 2274; OLG Köln, Beschluss vom 29. Juni 1998, 17 W 302/96; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 17. September 2003, 7 W 80/03; Thürin-ger OLG, Beschluss vom 15. Juni 2006, 9 W 81/06; OLG Köln, Beschluss vom 9. Juni 2009, 17 W 108/09; Kammergericht ‹KG›, Beschluss vom 27. März 2012, 5 W 265/11 ‹nicht veröffentlicht›). Auch diese Meinung wird mit Billigkeitsgesichtspunkten begründet. Die "uneingeschränkte Zuerkennung der vollen Vergütung für den beigeordneten Rechtsanwalt in der verfahrensgegenständlichen Konstellation" verfehle den Zweck der Prozesskostenhilfe", da "sie den bemittelten Streitgenossen auf Staatskosten" begünstige. Die Landeskasse trete "gegenüber den bemittelten Streit-genossen durch Zahlung der vollen Vergütung in Vorlage" und nehme "zugleich dem Rechtsanwalt das Beitreibungsrisiko hinsichtlich der bemittelten Streitgenossen" ab (vgl. KG, Beschluss vom 27. März 2012, 5 W 265/11 ‹nicht veröffentlicht›; ähnlich: OLG Köln, Beschluss vom 9. Juni 2009, 17 W 108/09). Der beigeordnete Rechtsanwalt dürfe "im Rahmen eines PKH-Verfahrens" nicht besser gestellt werden als "im Rahmen der Kostenerstattung nach § 193 Abs. 2 SGG", in der einer von mehreren Streitgenossen nur die anteiligen Gebühren des Prozessbevollmächtigten beanspruchen könne. Der beigeordnete Rechtsanwalt solle "nicht risikolos Klagen für beliebig viele Personen erheben und die (Grund-)Kosten über PKH für eine Person decken können" (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 22. Juni 2016, L 7 AS 152/15 B).

Die herrschende Meinung ist der Ansicht, dass der Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit mehrere Streitgenossen vertritt, jedoch nur einem von diesen (ein-schränkungslos) im Wege der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet wurde, gegen die Staatskasse einen Vergütungsanspruch in Höhe der vollen Gebühren habe, jedoch ohne den Zuschlag nach Ziffer 1008 VV RVG (vgl. OLG München, Be-schluss vom 22. April 1996, 11 W 2958/95; Fischer, JurBüro 1998, S. 4, 6; OLG Bamberg, Beschluss vom 18. Mai 2000, 3 W 39/00; Riedel/ Su߬bauer, RVG, 9. Aufl. 2005, § 45 Rn. 45; OLG Celle, Beschluss vom 22. November 2006, 23 W 13/06, 2 W 206/06; OLG München, Beschluss vom 30. November 2010, 11 W 835/09; OLG Karlsruhe, Beschluss vom 13. August 2012, 15 W 81/11; Sächsisches LSG, Be-schluss vom 31. März 2010, L 6 AS 99/10 B KO; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Juli 2012, 2 W 58/11; Bayrisches LSG, Beschluss vom 31. Juli 2013, L 15 SF 5/13 B; Sächsisches LSG, Beschluss vom 9. Sep¬tember 2014, L 8 AS 1192/12 B KO; Thüringer LSG, Beschluss vom 25. März 2015, L 6 SF 163/15 B; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 49 Rn. 11; Fölsch/Schafhausen/Schnei-der/Thiel, in: Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 48 Rn. 108; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 48 Rn. 11, § 49 Rn. 25; Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, § 49 Rn. 6; Hartmann, Kostengesetze, 47. Aufl. 2017, RVG § 48 Rn. 65).

Der Senat schließt sich der herrschenden Meinung an. Allein sie steht mit dem Ge-setz in Einklang. Nach § 48 Abs. 1 RVG bestimmt sich die gesetzliche Vergütung, die der im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt gemäß § 45 Abs. 1 RVG aus der Landeskasse beanspruchen kann, nach den Beschlüssen, durch die die Prozesskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Ent-halten diese Beschlüsse keine Beschränkung, gilt für den Vergütungsanspruch § 7 RVG (§ 7 RVG findet auch dann Anwendung, wenn nicht eine Partei selbst, sondern an ihrer statt der Fiskus zur Zahlung verpflichtet ist ‹vgl. Fölsch/Schafhausen/ Schneider/Thiel, in: Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 48 Rn. 108›). Dieser bestimmt, dass der Rechtsanwalt, der in derselben Angelegenheit für mehrere Auftraggeber tätig wird, die Gebühren nur einmal erhält (§ 7 Abs. 1 RVG), und dass jeder der Auftraggeber die Gebühren und Auslagen schuldet, die er schul-den würde, wenn der Rechtsanwalt nur in seinem Auftrag tätig geworden wäre (§ 7 Abs. 2 Satz 1 Halbsatz 1 RVG). Dementsprechend besteht mit Blick auf § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO der Vergütungsanspruch des – ohne Einschränkung – beigeordneten Rechtsanwalts in Höhe derjenigen Gebühren und Auslagen, die angefallen wären, wenn er nur die bedürftige Partei im Rechtsstreit vertreten hätte (vgl. Fölsch/Schaf-hausen/Schneider/Thiel, in: Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 48 Rn. 108; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 48 Rn. 11.)

Die drei ersten Ansichten berücksichtigen nicht, dass mit der "gesetzlichen Ver-gütung" im Sinne des § 45 Abs. 1 RVG "Gebühren und Auslagen" gemeint sind (vgl. § 1 Abs. 1 Satz 1 RVG) und Ziffer 1008 VV RVG keine Gebühr ist (die Ziffer regelt vielmehr, wann und wie Verfahrens- oder Geschäftsgebühr zu erhöhen sind) (vgl. Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, 1008 VV Rn. 3). Sie lassen auch außer Betracht, dass der "vermögende" Streitgenosse nach Zahlung der restli-chen Vergütung gemäß § 7 Abs. 2 RVG in Verbindung mit § 426 Bürgerliches Ge-setzbuch (BGB) einen Ausgleichsanspruch erwirbt, dem der "mittellose" Streitgenos-sen § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO nicht entgegenhalten kann, mit der Folge, dass er letzt-lich doch die Rechtsanwaltskosten, von denen ihn die Bewilligung von Prozesskos-tenhilfe freistellen sollte, (zumindest anteilig) tragen muss (vgl. OLG Celle, Beschluss vom 22. November 2006, 23 W 13/06, 2 W 206/06; OLG Köln, Beschluss vom 9. Juni 2009, 17 W 108/09). Die drei ersten Ansichten führen überdies mit Blick auf die Regelung des § 115 Abs. 4 ZPO ("Prozesskostenhilfe wird nicht bewilligt, wenn die Kosten der Prozessführung der Partei vier Monatsraten und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge voraussichtlich nicht übersteigen.") vielfach zu Ergebnissen, die dem Sinn und Zweck der Prozesskostenhilfe – der Angleichung der Situation von Bemittelten und Unbemittelten bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes (vgl. Bundesverfassungsgericht ‹BVerfG›, Beschluss vom 14. April 2003, 1 BvR 1998/02) – zuwiderlaufen. Denn der Mehrvertretungszuschlag (Ziffer 1008 VV RVG) wird "vier Monatsraten" und die aus dem Vermögen aufzubringenden Teilbeträge im Regelfall nicht übersteigen (vgl. Fischer, NJW 1998, S. 4, 6; OLG Köln, Beschluss vom 9. Juni 2009, 17 W 108/09; KG, Beschluss vom 27. März 2012, 5 W 265/11 ‹nicht veröffentlicht›).

Der vierten Ansicht ist entgegenzuhalten, dass sie die Staatskasse mit Kosten belas-tete (dem Kopfanteil am Mehrvertretungszuschlag nach Ziffer 1008 VV RVG), die der Streitgenosse, dem Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, dem Rechtsanwalt, der ihm beigeordnet wurde, nach § 7 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit dem Beschluss über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht schuldet.

Entscheidend jedoch ist, dass sowohl die drei ersten, als auch die vierte Ansicht im Gesetz keine Stütze finden (so bezüglich der drei ersten Ansichten: Rön¬nebeck, NJW 1994, S. 2273, 2274; Fischer, NJW 1998, S. 4, 5; bezüglicher aller Mindermei-nungen: OLG Celle, Beschluss vom 22. November 2006, 23 W 13/06, 2 W 206/06; OLG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 31. Juli 2012, 2 W 58/11; Fölsch/Schafhausen/ Schneider/Thiel, in: Schneider/Wolf, AnwaltKommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 48 Rn. 108; ähnlich: Sächsisches LSG, Beschluss vom 9. September 2014, L 8 AS 1192/12 B KO), dass jede Art der Rechtsfortbildung eine Gesetzeslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes voraussetzt (vgl. Bundesverwaltungsgericht ‹BVerwG›, Urteil vom 18. April 2013, 5 C 18.12), und dass diese Voraussetzung hier nicht vorliegt (vgl. Fölsch/Schafhausen/Schneider/Thiel, in: Schneider/Wolf, Anwalt-Kommentar RVG, 8. Aufl. 2017, § 48 Rn. 108). Die Frage nämlich, welche aus der Staatskasse zu gewährende Vergütung ein Rechtsanwalt beanspruchen kann, der einem von mehreren Streitgenossen beigeordnet wurde, die ihn gemeinsam mit ihrer Prozessvertretung beauftragt haben, ist dem Gesetzgeber bekannt. Sie wurde be-reits vor Jahrzehnten aufgeworfen und ist seitdem häufig beantwortet worden (siehe oben). Der Gesetzgeber hatte mehrfach Gelegenheit, die Frage im Sinne einer der Mindermeinungen (abweichend von den bestehenden gesetzlichen Regelungen) zu beantworten, zuletzt im Rahmen des Zweiten Gesetzes zur Modernisierung des Kos-tenrechts vom 23. Juli 2013 (Bundesgesetzblatt 2013 Teil I S. 2586). Keine dieser Gelegenheiten hat er ergriffen.

Hinzu kommt, dass alle Argumente, mit denen die vier zuerst genannten Ansichten begründet werden, Billigkeitserwägungen sind, die nicht allgemeingültig sind, die nicht am Gesetz anknüpfen und nur zum Tragen kommen, wenn der Beschluss, mit dem die beantragte Bewilligung von Prozesskostenhilfe zugesprochen oder versagt worden ist, frei von Fehlern ist. Die Bewilligung oder Versagung der beantragten Be-willigung von Prozesskostenhilfe und die sich aus der Beiordnung des Rechtsanwalts ergebenden Rechtsfolgen sind indes im Festsetzungsverfahren sowohl für den Ur-kundsbeamten als auch das entscheidende Gericht verbindlich. Der Urkundsbeamte und die am Festsetzungsverfahren entscheidenden Gerichte sind nicht befugt zu prüfen, ob die Bewilligung oder Versagung der beantragten Bewilligung von Prozesskostenhilfe den gesetzlichen Vorschriften entsprechen oder ob sie fehlerhaft sind (vgl. OLG Zweibrücken, Beschluss vom 14. Dezember 1994, 6 WF 91/94; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Juli 2004, II-10 WF 18/04; OLG Köln, Beschluss vom 31. Januar 2007, 17 W 269/06; Müller-Rabe, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl. 2017, § 55 Rn. 24 – 25; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Aufl. 2017, § 55 Rn. 37). Die vier zuerst genannten Ansichten führen mithin immer dann, wenn mehrere Streitgenossen in derselben Angelegenheit einen Rechtsanwalt beauftragen, alle ein Prozesskostenhilfegesuch stellen und in gesetzeswidriger Weise nicht all diesen Gesuchen stattgegeben wird – etwa aufgrund einer Verkennung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO), aufgrund einer Verkennung der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung (§ 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO) oder aufgrund einer Verkennung der Erforderlichkeit der Beiordnung eines Rechtsanwalts (§ 121 Abs. 2 ZPO) (in den nach § 183 SGG gerichtskostenfreien Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist die Beiordnung eines Rechtsanwalts das einzige Ziel eines Antrags auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe ‹vgl. Schmidt, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl. 2017, § 73a Rn. 9›) –, aufgrund von Billigkeitserwägungen zu Ergebnissen, die – schon mit Blick auf die Tatsache, dass die Beschwerde gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe vielfach ausgeschlossen ist (vgl. § 172 Abs. 3 Nr. 2 SGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO; § 146 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung ‹VwGO›) – alles andere als billig sind. Gleiches gilt, wenn mehrere Streitgenossen in derselben Angelegenheit einen Rechtsanwalt beauftragen, alle ein Prozesskostenhilfegesuch stellen und allein gestützt auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO nicht all diesen Gesuchen stattgegeben wird.

Die Gebühren, die der Antragsteller aus der Staatkasse für das unter dem Aktenzei-chen registrierte Verfahren beanspruchen kann, errechnen sich mithin wie folgt:

Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV RVG 300,00 EUR Post-/Telekommunikationspauschale Nr. 7002 VV RVG 20,00 EUR Zwischensumme 320,00 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV RVG 60,80 EUR Gesamtbetrag 380,80 EUR

Das Verfahren über die Beschwerde ist gebührenfrei (§ 56 Abs. 2 Satz 2 RVG). Kosten werden nicht erstattet (§ 56 Abs. 2 Satz 3 RVG).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 56 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG).
Rechtskraft
Aus
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