L 3 U 136/15

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 1 U 52/14
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 136/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Wiederauftreten einer PTBS ohne ein erneutes traumatisches Ereignis, d. h. ohne einen entsprechenden Trigger, ist wissenschaftlich nicht belegt.
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Mai 2015 wird zurückgewiesen, soweit diese über das Teilanerkenntnis der Beklagten im Termin vom 16. Januar 2018 hinausgeht.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die 1956 geborene Klägerin begehrt die weitere Zahlung von Verletztengeld.

Die Klägerin war Mitarbeiterin in einer C.-Filiale in C-Stadt, die am 15. November 2010 überfallen wurde. Dabei wurden die Klägerin und ein Kunde mit einem Messer bedroht und zur Herausgabe der Kasseneinnahmen (ca. 800,00 EUR) gezwungen. Nach diesem Ereignis war die Klägerin arbeitsunfähig erkrankt. Die Beklagte bot ihr zeitnah die Gewährung sogenannter probatorischer Sitzungen bei einem Psychologen an. Die Umsetzung gestaltete sich mit der Klägerin schwierig. Am 13. Dezember 2010 stellte sie sich erstmals im Trauma- und Opferzentrum Frankfurt e. V. vor, dort wurden die probatorischen Sitzungen mit der Diplompsychologin D. durchgeführt. Diese stellte in einem ersten Bericht vom 13. Dezember 2010 fest, derzeit bestehe aufgrund der psychischen Symptomatik keine Arbeitsfähigkeit für die derzeitige Tätigkeit als Kassiererin. Arbeitsunfähigkeit werde voraussichtlich bis zum 31. Dezember 2010 bestehen. Nach Rücksprache mit der Bezirksleiterin der Firma C. nahm die Klägerin am 9. Januar 2011 ihre Tätigkeit in einer anderen Filiale in E-Stadt wieder auf, dort war auch Security-Personal eingesetzt. Diese Tätigkeit führte sie fort bis ca. Juni/Juli 2012, zu diesem Zeitpunkt schlossen alle C.-Filialen in Deutschland wegen des für diese Firma anhängigen Insolvenzverfahrens.

Mit Schriftsatz vom 13. August 2013 wandte sich die Klägerin an die Beklagte mit dem Begehren, das Verwaltungsverfahren fortzuführen. Nach ihren Angaben ist die posttraumatische Weiterentwicklung sehr negativ verlaufen. Dies habe nach ihrer Auffassung daran gelegen, dass sie bis heute keine richtige Therapie durchgemacht habe. Die Ärzte hätten sie deshalb derzeit arbeitsunfähig geschrieben. Dem Antrag fügte sie ein fachärztliches Attest der Neuropraxis F., C-Stadt, bei. Die Beklagte zog den Bericht über eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme im Auftrag der Deutschen Rentenversicherung zum Verfahren bei, die vom 8. Januar 2013 bis 15. Januar 2013 durchgeführt wurde. Darin werden u. a. eine depressive Anpassungsstörung und eine anhaltende somatoforme Schmerzstörung diagnostiziert. Des Weiteren leitete die Beklagte eine Behandlung in der Berufsgenossenschaftlichen Unfallklinik Frankfurt am Main (BGU), Psychotraumatologisches Zentrum für Diagnostik und Therapieplanung, ein. In dem psychologischen Bericht zur Heilverfahrenskontrolle des Dipl.-Psych. G. der BGU vom 7. Januar 2014 wird ausgeführt, dass bei der Klägerin eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) nicht vorliege, aber eine deutliche Angst vor Zunahme festgestellter kognitiver Defizite bestehe. Mit Bescheid vom 13. Januar 2014 lehnte die Beklagte die Zahlung weiteren Verletztengeldes und Gewährung von Heilbehandlungsmaßnahmen, die über den 8. Januar 2011 hinausgingen, ab und führte zur Begründung aus, diese seien nicht auf das streitige Ereignis zurückzuführen. Die Klägerin erhob Widerspruch und legte einen Bericht des Dr. F. vor. Darin ist ausgeführt, dass die Klägerin seit Oktober 2012 von ihm behandelt werde, wobei er eine PTBS diagnostiziert habe. Nach Auswertung dieses Berichtes durch den Beratungsarzt der Beklagten Dr. H. (Stellungnahme vom 27. Januar 2014) wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 14. März 2014 zurück.

Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer am 24. März 2014 beim Sozialgericht Gießen (Sozialgericht) eingegangenen Klage.

Das Sozialgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines neurologisch-psychiatrischen Gutachtens von Dr. J., Institut für medizinische Begutachtung Kassel, sowie einer ergänzenden Stellungnahme dieses Sachverständigen vom 21. Oktober 2014. Dr. J. kommt in seinem Gutachten vom 24. Juni 2014 zu dem Ergebnis, bei der Klägerin bestünden auf psychischem Fachgebiet eine spezifische Phobie (ICD-10 F40.2), kognitive Störungen (ICD-10 F06.7) und eine negative Antwortverzerrung. Diese Gesundheitsstörungen stünden in keinem Zusammenhang mit dem streitigen Ereignis vom 15. November 2010.

Die Klägerin hat sodann zur weiteren Begründung ihres Anspruchs ein Privatgutachten ihres behandelnden Arztes Dr. F. vom 28. August 2014 vorgelegt. Der Arzt stellt darin wie schon zuvor fest, nach seiner Auffassung sei der aktuelle verschlechterte seelische Gesundheitszustand der Klägerin als PTBS zu bewerten. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) hierfür sei mit 30 v. H. zu beurteilen.

Mit Urteil vom 8. Mai 2015 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen mit der Begründung, bei der Klägerin lägen seit dem 8. Januar 2011 mit Abschluss der Behandlung durch die Dipl.-Psych. D. keine Unfallfolgen mehr vor, so dass ein Anspruch auf weitere Leistungen durch die Beklagte nicht gegeben sei. Dies habe der Gerichtsgutachter Dr. J. nachvollziehbar und überzeugend dargestellt. Die Klägerin leide demnach hauptsächlich an einer kognitiven Störung, die sie sehr belaste. Diese sei indes nicht auf einen Überfall zurückzuführen. Der Privatgutachter Dr. F. überzeuge nicht, wenn er bei der Klägerin eine PTBS mit der Begründung diagnostiziere, die Tatsache, dass es erst zeitversetzt zur Verschlechterung gekommen sei, liege im Rahmen des Üblichen bei einer PTBS. Diese Auffassung des Dr. F. entspreche ausdrücklich nicht der medizinisch-wissenschaftlichen Lehrmeinung und der Festlegung in den internationalen Kodifizierungssystemen. Nach ICD-10 F43.1 müsse eine PTBS spätestens sechs Monate nach dem Ereignis in Volldiagnostik festgestellt sein und dauere regelmäßig nicht länger als zwei Jahre an.

Gegen das ihr am 1. Juni 2015 zugestellte Urteil hat die Klägerin 24. Juni 2015 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt eingelegt.

Sie trägt vor, es gehe ihr zwar jetzt gut, seit sie Rente von der gesetzlichen Rentenversicherung beziehe. Seinerzeit im Jahr 2013 sei sie indes unfallbedingt sehr krank gewesen. Die Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes in 2013 habe daran gelegen, dass sie nach dem Unfall nicht austherapiert worden sei.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 16. Januar 2018 hat die Beklagte im Rahmen eines Teilanerkenntnisses das Vorliegen eines Arbeitsunfalls am 15. November 2010 mit einer vorübergehenden leichten PTBS als Unfallfolge anerkannt. Die Klägerin hat das Teilanerkenntnis angenommen.

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 8. Mai 2015 aufzuheben und die Beklagte unter Änderung des Bescheids vom 13. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. März 2014 zu verurteilen festzustellen, dass die Beschwerden ab August 2013 Folgen des Arbeitsunfalls sind und ihr deshalb Verletztengeld für den Zeitraum vom 13. August 2013 für 78 Wochen zu zahlen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen soweit sie über das Teilanerkenntnis im Termin vom 16. Januar 2018 hinausgeht.

Sie ist der Auffassung das erstinstanzliche Urteil sei zutreffend und durch die Ermittlungen im Berufungsverfahren bestätigt worden.

Der Senat hat zur Ermittlung des medizinischen Sachverhaltes die Akte der Staatsanwaltschaft bei dem Landgericht Frankfurt am Main, die Rentenakte der Deutschen Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See, die OEG-Akte des Hessischen Amtes für Versorgung und Soziales Frankfurt am Main, das Vorerkrankungsverzeichnis der Klägerin bei der AOK sowie ein Gutachten des MDK vom 1. August 2012 beigezogen und Befundberichte sowie Behandlungsunterlagen der behandelnden Ärzte Dr. K. vom 9. Juni 2016 und Dr. L.-K. vom 25. Januar 2016 eingeholt. Sodann hat der Senat eine ergänzende Stellungnahme von Dr. J. unter Auswertung dieser Unterlagen vom 16. Februar 2017 eingeholt. Hinsichtlich des Inhalts der Unterlagen und der Stellungnahme des Sachverständigen wird auf die Gerichtsakte verwiesen.

Die Beteiligten haben sich im Erörterungstermin am 16. Januar 2018 mit einer Entscheidung durch die Vorsitzende als Einzelrichterin einverstanden erklärt.

Zum Sach- und Streitstand im Übrigen sowie hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten (Band I und II) sowie auf die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die zum Verfahren beigezogen worden ist.

Entscheidungsgründe:

Mit Einverständnis der Beteiligten konnte die Entscheidung durch die Vorsitzende anstelle des Senats ergehen (§ 155 Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz – SGG).

Die Berufung hat keinen Erfolg. Das erstinstanzliche Urteil ist zu Recht ergangen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Verletztengeld für den von ihr beantragten Zeitraum.

Nach § 45 Abs. 1 Nr. 1 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch - Gesetzliche Unfallversicherung - (SGB VII) wird Verletztengeld u. a. dann erbracht, wenn ein Versicherter in Folge eines Versicherungsfalles arbeitsunfähig ist.

In dem hier geltend gemachten Zeitraum ab dem 13. August 2013 ist die Klägerin nicht wegen des anerkannten Arbeitsunfalls vom 15. November 2010 arbeitsunfähig gewesen. In dieser Zeit lagen bei der Klägerin auch unter Berücksichtigung der weiteren Ermittlungen im Berufungsverfahren keine Unfallfolgen vor.

Gesundheitsstörungen müssen, um als Unfallfolge anerkannt zu werden, zunächst im Vollbeweis nachgewiesen sein, d. h. mit an Gewissheit grenzender Wahrscheinlichkeit vorliegen. Diese Voraussetzung ist erfüllt, wenn die Tatsache in so hohem Maße wahrscheinlich ist, dass alle Umstände des Falles nach vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens und nach der allgemeinen Lebenserfahrung geeignet sind, die volle richterliche Überzeugung zu begründen (§ 128 SGG; BSGE 103, 99, 104).

In dem in ihrem Antrag genannten Zeitraum ab dem 13. August 2013 lag bei der Klägerin entgegen ihrem Vortrag keine PTBS ICD-10 F43.1 vor.

Für diese Feststellung stützt sich der Senat insbesondere auf die Feststellungen des Dr. J. sowohl in dessen Gutachten und Stellungnahme im Klageverfahren als auch in seiner ergänzenden nervenärztlichen Stellungnahme vom 16. Februar 2017 im Berufungsverfahren, die er unter Auswertung der von dem Senat herangezogenen weiteren medizinischen Unterlagen erstellt hat, sowie auf die Behandlungsberichte der Dipl.-Psych. D. und des Dipl.-Psych. G., Psychotraumatologisches Zentrum für Diagnostik und Therapieplanung. Die bei der Klägerin unfallbedingt vorliegende PTBS bestand demnach nur vorübergehend. Die Klägerin ist auf Veranlassung der Beklagten zeitnah und adäquat zu dem von ihr erlittenen Ereignis von der Dipl.-Psych. D., Trauma- und Opferzentrum Frankfurt e.V. behandelt worden. In ihrem Abschlussbericht vom 22. Februar 2011 stellt die Psychologin fest, die Voraussetzungen für die Diagnose der PTBS, wie Intrusion (Wiedererleben) sowie Albträume seien nicht mehr vorhanden, und sie beschreibt nur noch diskrete psychische Symptome. Die Klägerin hat ab dem 10. Januar 2011 auch wieder in einer C.-Filiale gearbeitet. Dr. J. konstatiert daher nachvollziehbar (Stellungnahme vom 16. Februar 2017), daraus folge, dass ein Vermeidungsverhalten wie es bei einer PTBS in dem Kontext zu erwarten gewesen wäre, nicht vorlag und dass die PTBS bis zum Abschlussbericht der Psychologin als ausgeheilt anzunehmen sei. Von Mitte Januar 2011 bis Juni 2012 liegen nach Dr. J. keine Störungen auf psychiatrischem Fachgebiet vor. Die Klägerin war in diesem Zeitraum in der Lage, in der C.-Filiale zu arbeiten. Es ist davon auszugehen, dass sie ein weitgehend unauffälliges Leistungsvermögen gezeigt hat. Für diese Annahme stützt sich Dr. J. auch auf den Auszug der Krankenkasse, denn dort klafft eine Lücke zwischen Beendigung der Arbeitsunfähigkeit am 8. Januar 2011 aufgrund von psychischen Gesundheitsstörungen und erneuter Arbeitsunfähigkeit am 11. Juni 2012. Dr. J. stimmt mit seinen Feststellungen sowohl mit dem Beratungsarzt Dr. H. überein (Stellungnahme im Widerspruchsverfahren vom 27. Januar 2014) als auch mit dem Dipl.-Psych. G. Der Psychologe hat in seinem psychologischen Bericht zur Heilverfahrenskontrolle vom 7. Januar 2014 ausgeführt, bei der Klägerin bestehe "sicherlich" keine PTBS. Die Symptome einer allgemeinen Ängstlichkeit im Sinne einer Angst vor Überlastung habe sie erst im Herbst 2012 entwickelt, also in deutlichem Abstand zum Unfallereignis. Mittlerweile sei eine gewisse Grundängstlichkeit aufgetreten, dies aber ohne, dass psychoreaktive Symptome im Sinne eines Wiedererlebens des Unfallereignisses oder Ähnliches aufgetreten seien. Am ehesten handele es sich um eine pseudo-demenzielle Entwicklung im Rahmen einer depressiven Erkrankung mit erheblichem psychosomatischem Beschwerdeleiden.

Der Senat hat keinen Zweifel an der Richtigkeit der Feststellungen des Sachverständigen Dr. J. und der beiden Psychologen. Die Auffassung des Dr. F., der sich als behandelnder Arzt und Privatgutachter im Verfahren geäußert hat, vermag demgegenüber nicht überzeugen. Die Auffassung dieses Arztes, auch in dem Zeitraum 2013/2014 habe eine PTBS vorgelegen und die Tatsache, dass es zur Verschlechterung erst zeitversetzt gekommen sei, liege im Rahmen des Üblichen im Rahmen einer PTBS, findet keinen Rückhalt in die dem Diagnose-Manual ICD-10 F43.1, worauf schon das Sozialgericht zutreffend hingewiesen hat. Die Auffassung des Dr. F. steht auch nicht mit den Leitlinien der Experten zu diesem Krankheitsbild in Einklang (vgl. Sk2-Leitlinie zur Begutachtung psychischer und psychosomatischer Erkrankungen der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften – AWMF- Registernr. xxx1, Stand: 31. März 2012, Teil II, Seiten 103 ff.). Danach kann sich zwar das Vollbild einer PTBS mit einer gewissen Latenz entwickeln, die im Allgemeinen aber nicht mehr als sechs Monate beträgt. Das Wiederauftreten einer PTBS ohne ein erneutes traumatisches Ereignis ist indes wissenschaftlich nicht belegt, worauf Dr. J. in seiner ergänzenden Stellungnahme im Berufungsverfahren hingewiesen hat. Denn progrediente Entwicklungen widersprechen nach der genannten Leitlinie (a.a.O. Seite 107) dem zu erwartenden degressiven Charakter posttraumatischer Störungen.

Die bei der Klägerin für die Zeit ab Herbst 2013 von Dr. J. festgestellten seelischen Erkrankungen spezifische Phobie ICD-10 F40.2 und kognitive Störungen ICD-10 F06.7 sind keine Unfallfolgen, da sie nicht auf das Unfallereignis vom 15. November 2010 zurückzuführen sind.

Für die Kausalitätsfeststellung zwischen den durch ein Ereignis unmittelbar hervorgerufenen Gesundheitserstschäden (haftungsbegründende Kausalität) und den als Unfallfolgen geltend gemachten länger andauernden Gesundheitsstörungen (haftungsausfüllende Kausalität) gilt wie für alle Kausalitätsfeststellungen im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der gegenüber dem Vollbeweis geringere Beweismaßstab der Wahrscheinlichkeit bzw. hinreichenden Wahrscheinlichkeit. Diese liegt vor, wenn mehr für als gegen den Ursachenzusammenhang spricht und ernste Zweifel ausscheiden; die reine Möglichkeit genügt nicht (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006 B 2 U 1/05 R - juris). Die Kausalitätsfeststellungen zwischen den einzelnen Gliedern des Versicherungsfalles basieren auf der im gesetzlichen Unfallversicherungsrecht geltenden Theorie der wesentlichen Bedingung. Danach geht es auf einer ersten Stufe der Kausalitätsprüfung um die Frage, ob ein Zusammenhang im naturwissenschaftlichen Sinne vorliegt, d. h. – so die neueste Rechtsprechung des Bundessozialgerichts - ob eine objektive Verursachung zu bejahen ist (BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris). Beweisrechtlich ist zudem zu beachten, dass der möglicherweise aus mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang positiv festgestellt werden muss (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.) und dass die Anknüpfungstatsachen der Kausalkette im Vollbeweis vorliegen müssen (BSG, Beschluss vom 23. September 1997 - 2 BU 194/97 - Deppermann-Wöbbeking in: Thomann (Hrsg.), Personenschäden und Unfallverletzungen, Referenz Verlag Frankfurt 2015, S. 630). In einer zweiten Prüfungsstufe ist sodann durch Wertung die Unterscheidung zwischen solchen Ursachen notwendig, die wesentlich sind, weil sie rechtlich für den Erfolg verantwortlich gemacht werden, und den anderen, für den Erfolg rechtlich unerheblichen Ursachen (BSG, Urteil vom 9. Mai 2006, a.a.O.; BSG, Urteil vom 24. Juli 2012 - B 2 U 9/11 R - juris).

Vorliegend ist ein Ursachenzusammenhang schon im naturwissenschaftlichen Sinne (erste Prüfungsstufe) nicht hinreichend wahrscheinlich. Dies haben der Dipl.-Psych. G. sowie der Gerichtssachverständige übereinstimmend und für den Senat überzeugend dargelegt. Die betreffende seelische Erkrankung hat sich im Herbst 2012 entwickelt, also im deutlichen Abstand zum Unfallereignis. Die behandelnde Ärztin Dr. L.-K. beschreibt in ihrem Bericht vom 25. Januar 2016 eine psychische Dekompensation ab Januar 2013. Mit den schon im Januar 2011 ausgeheilten seelischen Gesundheitsstörungen können diese Beschwerden nicht in Zusammenhang gebracht werden, zumal die Klägerin in der Zeit von Januar 2011 bis Herbst 2012 ein unauffälliges Leistungsvermögen gezeigt hat. Vielmehr fällt die Dekompensation im Herbst 2012/Januar 2013 zeitlich mit den unfallfremden Faktoren der betriebsbedingten Kündigung durch den Arbeitgeber C. der Klägerin und der dadurch bedingten Arbeitslosigkeit zusammen.

Da für den im Antrag genannten Zeitraum ab August 2013 Unfallfolgen nicht festzustellen sind, bestand – so folgerichtig Dr. J. in seiner ergänzenden Stellungnahme – auch keine unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Verletztengeld für den betreffenden Zeitraum liegen nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG, die Entscheidung über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
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