L 1 KR 548/15

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 166 KR 961/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 1 KR 548/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Wird ein erstinstanzliches Urteil aufgrund Erledigungserklärung wirkungslos, entfällt die Beschwer der Berufung des Beigeladenen.
Die Berufung des Beigeladenen zu 2 wird als unzulässig verworfen. Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren über das angenommene Anerkenntnis hinaus nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist die Mitgliedschaft des mittlerweile verstorbenen Klägers bei der Rechtsvorgängerin der heutigen Beklagten zu 1), der AOK Berlin (nachfolgend nur noch: "die Beklagte") für die Zeit ab 1. Oktober 2007.

Der 1947 geborene Kläger stand unter gesetzlicher Betreuung. Er bezog in der Zeit vom 1. Januar 2005 bis zum 30. September 2007 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II). Zusammen mit der Bescheidübersendung an die Betreuerin wies der Beigeladene zu 1, das Jobcenter Berlin-Neukölln – auf das Merkblatt "SGB II/Sozialgeld" hin.

Mit Bescheid vom 3. September 2007 hob der Beigeladene zu 1 die bewilligten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes mit Wirkung ab 1. Oktober 2007 wegen des Wegfalls der Erwerbsfähigkeit auf und forderte den Kläger auf, bei dem Beigeladenen zu 2 (Bezirksamt Neukölln, Sozialamt) einen Antrag auf Leistungen zu stellen.

Der Kläger beantragte daraufhin durch seine Betreuerin am 3. September 2007 bei dem Beigeladenen zu 2 Leistungen zur Grundsicherung nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII). In dem Antragsformular ist zur Frage nach einer Krankenversicherung keine der Alternativen (Pflichtversicherung, freiwillige Versicherung, Familienversicherung, private Versicherung und Betreuung der Krankenkassen nach § 264 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V)) angekreuzt. Eingetragen ist aber: Krankenversichert bei "AOK Berlin", ferner ist die Nummer "150475865" angegeben.

Der Kläger bezog durch Bescheid des Beigeladenen zu 2 vom 9. Oktober 2007 ab 1. Oktober 2007 Leistungen nach dem SGB XII.

Im Juli 2008 erhielt die Betreuerin des Klägers (nach ihren Angaben) aus Anlass einer Krankenhausbehandlung darüber Kenntnis, dass der Kläger über keinen Krankenversicherungsschutz verfügte. Sie meldete dies dem Beigeladenen zu 2 mit Telefonat vom 15. Juli 2008 bzw. Faxschreiben vom 16. Juli 2008. Der Beigeladene zu 2 teilte mit Schreiben vom 21. Juli 2008 mit, ab 16. Juli 2008 Krankenhilfe im Rahmen des § 264 SGB V zu gewähren. Es sei beabsichtigt, Kostenersatz nach § 103 SGB XII geltend zu machen.

Mit Schreiben vom 16. Oktober 2009 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Aufnahme als Pflichtmitglied nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V.

Die Beklagte lehnte mit Bescheid vom 21. September 2010 eine Pflichtversicherung ab, da der Kläger als Empfänger von laufenden Grundsicherungsleistungen nach dem SGB XII durchgehend gegen Krankheit abgesichert sei. Den Widerspruch hiergegen wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 9. Februar 2011 zurück. Klage wurde nicht erhoben.

Mit Faxschreiben vom 8. August 2012 beantragte der Kläger stattdessen zu bestätigen, dass er nach § 9 Abs. 1 SGB V freiwillig versichert sei. Er habe, vertreten durch die Betreuerin, am 16. Oktober 2009 beim Beigeladenen zu 2 um Mitgliedschaft in der Krankenversicherung nachgesucht.

Die Beklagte teilte dem Kläger mit Bescheid vom 10. August 2012 mit, dass einem Antrag auf freiwillige Versicherung nicht entsprochen werden könne. Die Frist von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft am 30. September 2007 sei am 31. Dezember 2007 abgelaufen. Auch die Jahresfrist für eine Wiedereinsetzung nach § 27 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) sei bereits verstrichen. Dem Vorwurf, ein Leistungsträger habe Auskunfts- und Beratungspflichten (§§ 13 und 14 Sozialgesetzbuch Erstes Buch (SGB I)) verletzt, könne nicht gefolgt werden. Ein Beratungsanlass, welcher eine Beratungspflicht nach § 14 SGB I hätte zur Folge haben können, sei nicht ersichtlich. Auch ein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch könne deshalb nicht angenommen werden.

Der Kläger erhob Widerspruchden die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 29. April 2013 zurückwies.

Der Kläger hat hiergegen am 29. Mai 2013 Klage beim Sozialgericht Berlin (SG) erhoben. Er hat zur Begründung ergänzend ausgeführt, die Absicherung nach § 264 SGB V sei nur eine mittelbare Krankenhilfe und der gesetzlichen Krankenversicherung nicht gleichwertig. Sie bedeute einen nicht unerheblichen Nachteil für denjenigen, der lediglich die Leistungen nach § 264 SGB V erhalte. Einem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch stehe damit nicht entgegen, dass im vorliegenden Fall der Sozialhilfeträger ein großes Interesse an der Mitgliedschaft in der gesetzlichen Krankenversicherung habe.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 13. November 2015 abgewiesen: Eine Versicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V sei nicht eingetreten, weil beim Auslaufen der Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 2 SGB V zum 30. September 2007 nahtlos ein Leistungsbezug des Klägers nach dem SGB XII bestanden habe. Dies schließe nach § 5 Abs. 8 a SGB V die Pflichtversicherung nach § 5 Abs. 1 Nr. 13 SGB V aus. Der Kläger sei auch nicht freiwilliges Mitglied nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 SGB V geworden. Nach § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V sei der Beitritt innerhalb von drei Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft anzuzeigen. Dies sei hier nicht bis zum 31. Dezember 2007 geschehen, weil seine Erklärung frühestens mit Schreiben vom 7. September 2009 erfolgt sei. Es scheide auch die Begründung der freiwilligen Versicherung unter Heranziehung der Grundsätze des sozialrechtlichen Herstellungsanspruches oder durch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand aus. Beide Institute fänden nebeneinander Anwendung (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 28. Mai 2008 – B 12 KR 16/07 R). Die Wiedereinsetzung scheitere daran, dass eine solche nach § 27 Abs. 3 SGB X spätestens ein Jahr nach Ende der versäumten Frist beantragt werden müsse, außer wenn dies vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich sei. Die Frist zur Nachholung der versäumten Beitrittserklärung sei hier bereits Ende 2008 abgelaufen. Auch sei kein sozialrechtlicher Herstellungsanspruch begründet worden. Ein solcher greife nach allgemeinen richterrechtlichen Grundsätzen bei einer dem zuständigen Sozialleistungsträger zuzurechnenden Pflichtverletzung, durch welche dem Berechtigten ein sozialrechtlicher Nachteil oder Schaden entstanden sei. Auf der Rechtsfolgenseite müsse durch die Vornahme einer Amtshandlung des Trägers ein Zustand hergestellt werden können, der bestehen würde, wenn die Pflichtverletzung nicht erfolgt sei (Bezugnahme auf BSG, Urteil vom 27. Juni 2012 – B 12 KR 11/10 R – Rdnr. 29). Es fehle hier an einer der Beklagten zuzurechnenden Beratungspflichtverletzung. Diese habe anlässlich der Abmeldung des Klägers zum Ende des Bezuges von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes zum 30. September 2010 nicht hinsichtlich der Möglichkeit der freiwilligen Krankenversicherung beraten müssen. Das Ende der Pflichtmitgliedschaft sei kraft Gesetzes eingetreten. Die Beklagte habe von ihm ausschließlich automatisiert als einem Vorgang der Massenverwaltung Kenntnis erhalten. Es hieße die Einzugsstellen zu überfordern, müssten sie jedes Ende einer Pflichtversicherung zum Anlass nehmen, den Versicherten anzuschreiben, um ihn auf weitere Gestaltungsmöglichkeiten hinsichtlich seines Versicherungsschutzes hinzuweisen. Weitere Kontakte irgendwelcher Art während der laufenden Beitragserklärungspflicht nach Ende der Pflichtversicherung zum 30. September 2007 binnen drei Monaten seitens des Klägers oder seiner Betreuerin seien nicht erfolgt. Insoweit habe kein Anlass zu Spontanberatung bestanden. Ob dem Beigeladenen zu 1 oder dem Beigeladenen zu 2 gegebenenfalls eine Verletzung einer Beratungspflicht zum Vorwurf gemacht werden könnte, sei nicht entscheidungserheblich. Das Verhalten eines anderen Leistungsträgers sei dem zuständigen Leistungsträger nur dann zuzurechnen, wenn zwischen beiden eine Funktionseinheit bestehe. Eine solche Funktionseinheit zwischen der beklagten Kranken- und Pflegekasse und den Beigeladenen Grundsicherungsträgern bestehe nicht. Darüber hinaus sei weder bei dem Beigeladenen zu 1 noch dem Beigeladenen zu 2 ein Beratungsfehler zu erkennen.

Gegen dieses Urteil haben der Kläger und der Beigeladene zu 2, dem es am 24. November 2015 zugestellt worden ist, Berufung eingelegt, letzterer am 22. Dezember 2015.

Der Kläger ist am 27. Juni 2016 verstorben. Sein Bevollmächtigter hat mit Schriftsatz vom 14. Juli 2016 das Verfahren für erledigt erklärt. Die Beklagten haben sich mit Schriftsatz vom 26. Juli 2016 der Erledigungserklärung angeschlossen. Sie haben sich bereit erklärt, ein Drittel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers zu tragen. Der Klägerbevollmächtigte hat dieses Kostenanerkenntnis angenommen.

Der Beigeladene zu 2 hat erklärt, das Verfahren fortsetzen zu wollen. Er habe neben einem grundsätzlichen Feststellungsinteresse auch ein solches an Erstattung der von ihm verauslagten Kosten von insgesamt 137.241,06 Euro. Er sei nach § 69 Nr. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Beteiligter des Verfahrens und könne nach § 75 Abs. 4 SGG selbständig Rechtsmittel einlegen. Dabei komme es nicht darauf an, ob er in der ersten Instanz einen eigenen Antrag gestellt habe. Da der Beigeladene durch die Beiladung wie ein Hauptbeteiligter gebunden werde, könne er selbständig Rechtsmittel einlegen. Lege ein Hauptbeteiligter und ein nicht notwendig Beigeladener Rechtsmittel ein, und nehme dann der Hauptbeteiligte das Rechtsmittel zurück, werde das Rechtsmittel des Beigeladenen nicht unzulässig. Die im Verhältnis zwischen ihm und der Beklagten einseitige Erledigungserklärung der Beklagten habe keine Wirkung auf das Verfahren und den Sachentscheidungsanspruch des Beigeladenen zu 2 als Berufungskläger. Es sei mit der Bindung an das vom Kläger zu bestimmende Klagebegehren nicht vereinbar, wenn es in der Hand des Beklagten läge, einen Rechtsstreit durch einseitige Erledigung in einen Streit über die Erledigung umzufunktionieren. Er selbst werde durch die erstinstanzliche Entscheidung beschwert. Er könne eine Verletzung eigener Rechte aus § 105 SGB X auf Erstattung der von ihm als unzuständigen Leistungsträger erbrachten Leistungen geltend machen. Die Entscheidung über die Mitgliedschaft in der Krankenkasse betreffe zugleich sein Recht auf Erstattung. Die Rechtskraft müsse er sich entgegenhalten lassen, wenn er von der Beklagten Erstattung fordere. Das erstinstanzliche Urteil sei in der Sache fehlerhaft, der Beigeladene zu 2 werde in seinen Rechten verletzt. Es solle erwogen werden, ob der Kläger ab 1. August 2013, dem Inkrafttreten des § 188 Abs. 4 SGB V, zu versichern sei. Der Gesetzgeber habe mit Einführung dieser Vorschrift eine offensichtliche Planwidrigkeit und eine Regelungslücke erkannt und geändert. Unabhängig hiervon müsse sich die Beklagte einen Beratungsfehler der Beigeladenen zurechnen lassen. § 15 SGB I gehe von einer Funktionseinheit der Sozialleistungsträger untereinander aus. § 14 Abs. 1 SGB I konstituiere wegen der Verzahnung der verschiedenen Sicherungsformen des Sozialrechts eine alle Sozialleistungsträger treffende inhaltlich umfassende Amtspflicht zur Beratung. Ohne Beratungsbegehren bestehe eine Spontanberatungspflicht, wenn bei Vorliegen eines konkreten Anlasses eine Gestaltungsmöglichkeit zutage trete, die von ihm jeden verständigen Hilfeempfänger mutmaßlich genutzt werden würde, wenn sie ihm bekannt sei und ihm hier offensichtlich Informationen fehlten. Die Anlässe zur Spontanberatungspflicht würden von der Rechtsprechung ständig weiter ausgedehnt. Vor allem der Beigeladene zu 1 hätte hier erkennen müssen, dass beim verstorbenen Kläger ein dringender krankenversicherungsrechtlicher Beratungsbedarf bestanden habe, da es ihn bei den Beklagten abgemeldet habe. Selbst wenn die Beklagten keinen Beratungsfehler begangen hätten, hätte jedenfalls der Beigeladene zu 1 den Kläger dringend darauf hinweisen müssen, dass sein Krankenversicherungsschutz ende. Der Beigeladene zu 2 beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 13. November 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. August 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. April 2013 aufzuheben und festzustellen, dass der Kläger seit 1. Oktober 2007 bei den Beklagten kranken- bzw. pflegeversichert gewesen ist. Die Beklagten beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagten haben unter anderem vorgetragen, ein etwaiger Erstattungsanspruch sei nicht Gegenstand des hiesigen Rechtsstreits.

Der Beigeladene zu 1 beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Auf die von den Beteiligten eingereichten Schriftsätze wird ergänzend Bezug genommen. Die Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie des Beigeladenen zu 2 lagen zur Beratung vor.

Entscheidungsgründe:

Es konnte im schriftlichen Verfahren entschieden werden, §§ 153 Abs. 1, 124 Abs. 2 SGG. Alle noch am Verfahren Beteiligten haben sich mit einer solchen Vorgehensweise einverstanden erklärt.

Der Berufung des Beigeladenen zu 2 bleibt Erfolg versagt. Sie ist bereits unzulässig. Zwar können alle Beigeladenen, auch nach § 75 Abs. 1 Satz 1 SGG einfach Beigeladene wie der Beigeladene zu 2, Rechtsmittel einlegen, denn jeder Beigeladene, der möglicherweise gegen seinen Willen am Verfahren beteiligt wird (§ 75 Abs. 3 Satz 2 SGG) muss die Möglichkeit haben, aus eigenem Recht ein Urteil anzufechten, das ihn nach § 141 Abs. 1 SGG wie die Hauptbeteiligten bindet (BSG, Urteil vom 27. November 1962 – 3 RK 37/60, juris-Rdnr. 35). Die Rechtsmitteleinlegung selbst stellt keine Disposition über den Streitgegenstand dar (so bereits Beschluss des Senats vom 28. Februar 2014 – L 1 KR 47/14 B ER – mit Bezugnahme auf LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 9. Dezember 2009, juris-Rdnr. 70). Durch die Einlegung von Rechtsmittel kann der einfach Beigeladene dem Prozess eine vom Willen des Hauptbeteiligten abweichende Richtung geben. Nach der genannten Entscheidung des BSG vom 27. November 1962 stellt darüber hinaus die Rücknahme des Rechtsmittels durch einen der Hauptbeteiligten keine den Beigeladenen bindende Verfügung über den Streitgegenstand dar. Dessen Rechtsmittel erledige sich nicht. Die Beschwer liege in der Bindung an die Rechtskraft des Urteils. Das BSG hat allerdings bereits mit Urteil vom 23. September 1969 (6 RKa 35/68) diesen Rechtssatz bereits dahingehend eingeschränkt, dass ein nicht notwendig Beigeladener unabhängig vom Kläger jedenfalls dann Rechtsmittel einlegen könne, wenn er zuvor Anträge im Sinne des Klagebegehrens gestellt haben. Insoweit sei der Beigeladene beschwert (BSG, a.a.O., juris-Rdnr. 33). Nach letztgenannter Entscheidung fehlt es bereits an einer Beschwer, weil der Beigeladene zu 2 in erster Instanz keinen Antrag im Sinne des Klagebegehrens gestellt hat.

Im vorliegenden Falle fehlt es aber unabhängig hiervon an einer Beschwer, da dem erstinstanzlichen Urteil keine Bindungswirkung mehr zukommt:

Der Bescheid der Beklagten vom 10. August 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides ist nach erfolgter Erledigungserklärung gegenüber dem früheren Kläger bestandskräftig geworden. Es steht zwischen (ehemaligen) Kläger und dem Beklagten fest, dass dieser ab 1. Oktober 2007 weder freiwilliges Mitglied geworden war noch Pflichtmitgliedschaft nach der Auffangpflichtversicherung des § 5 Nr. 13 SGB V. Soweit das SG im erstinstanzlichen Urteil den Feststellungsantrag zurückgewiesen hat, ist das Urteil aufgrund der Erledigungserklärung, bei der es sich letztlich um eine Rücknahme handelt, wirkungslos. Denn der Klägerbevollmächtigte hat nicht nur die Berufung zurückgenommen, sondern das Klageverfahren (insgesamt) für erledigt erklärt. Wird das Urteil gegenstandlos, entfällt das Rechtsschutzbedürfnis des Beigeladenen für die Einlegung eines Rechtsmittels gegen dieses Urteil (Bundesfinanzhof, Beschluss vom 31. August 2000 – VIII R 33/00, juris-Rdnr. 5 mit Bezugnahme auf Bundesverwaltungsgericht, Urteil vom 28. Dezember 1959 – III C 131/57). Der Beigeladene – auch der notwendig Beigeladene – kann einen Hauptbeteiligten ganz allgemein nicht daran hindern, den Rechtsstreit durch Vergleich oder Hauptsachenerledigung, Klagerücknahme bzw. angenommenes Anerkenntnis zu beenden (Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt-B. Schmidt SGG § 75 Rdnr. 17d mit Bezugnahme auf BSG, SozR 1500 § 101 Nr. 5; BVerfGE 30, 27 und andere). Ist etwa ein nicht notwendig Beigeladener nicht in einen Vergleich aufgenommen, wird er durch ihn nicht verpflichtet.

Im Übrigen wäre die Berufung unbegründet. Zu Recht und mit zutreffender Begründung hat das SG eine Pflichtversicherung sowie eine freiwillige Versicherung abgelehnt. Auf die zutreffenden Ausführungen wird gemäß § 153 Abs. 2 SGG verwiesen.

Zu ergänzen ist nur noch, dass § 188 Abs. 4 SGB V mangels entsprechender Übergangsvorschrift erst mit Wirkung zum 1. August 2013 in Kraft getreten. (vgl. in diesem Sinne auch Antwort der Bundesregierung BT-Drucksache 18/2969 S. 4).

Der Beigeladene zu 2) kann sich nicht auf den sozialrechtlichen Herstellungsanspruch berufen. Ein solcher erfordert eine Pflichtverletzung eines Sozialleistungsträgers und einen hierdurch beim Betroffenen hervorgerufenen rechtlichen Nachteil auf dem Gebiet des Sozialrechts. Als Rechtsfolge ist der Zustand wiederherzustellen, der ohne die Pflichtverletzung bestehen würde, wobei dies jedoch nur durch eine zulässige Amtshandlung geschehen darf. Die Zurechnung der Pflichtverletzung eines anderen Leistungsträgers wird als sachgerecht bejaht, wenn zwischen zwei Leistungsträgern eine so genannte "Funktionseinheit" in der Weise besteht, dass der andere Leistungsträger in den Verwaltungsablauf desjenigen Leistungsträgers arbeitsteilig eingeschaltet ist, gegen den der Herstellungsanspruch gerichtet wird, dieser sich also für die Erfüllung der ihm obliegenden sozialrechtlichen Aufgabe kraft Gesetzes oder Vertrages des anderen Leistungsträgers bedient (BSG, Urteil vom 6. Mai 2010 – B 13 R 44/09 R – m. w. N. auch anderer Senate des BSG, juris-Rdnr. 31). Eine solche Einbindung hat hier hinsichtlich des Verwaltungsablaufs der Beklagten weder durch den Beigeladenen zu 1 noch durch den Beigeladenen zu 2 stattgefunden.

Wie im Berufungsverfahren ermittelt worden ist, hatte der Beigeladene zu 1 die Betreuerin des Klägers zudem auf die einschlägige Publikation hingewiesen. So heißt es noch im letzten Aufforderungsschreiben des Beigeladenen zu 1 vom 10. August 2007 in Fettschrift:

"Sofern Sie keinen Antrag auf Arbeitslosengeld II stellen wollen, beachten Sie bitte die in Merkblatt "SGB II-Grundsicherung für Arbeitsuchende (Arbeitslosengeld II/Sozialgeld)" enthaltenen Hinweise zur Kranken- und Pflegeversicherung, zur Berücksichtigung von Zeiten der Arbeitslosigkeit in der Rentenversicherung und zur Möglichkeit der Weiterführung ihres Arbeitsangebots."

In diesem Merkblatt heißt es unter Punkt 12.2 unter der Überschrift in Fettdruck "Zuschuss zur Kranken-/Pflegeversicherung, um Bedürftigkeit zu vermeiden":

"Falls für Sie kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II besteht, sind Sie nicht kranken- und pflegeversichert. Wenn Sie dann auch nicht über Familienversicherung versichert sind ( ...), müssen Sie sich selbst versichern. ( )"

Die Berufsbetreuerin des Klägers war jedenfalls aufgrund dieses Hinweises genügend gewarnt. Bei Beendigung der Gewährung von Arbeitslosengeld II aufgrund von der Erwerbsunfähigkeit wenige Wochen später bestand keine Veranlassung zu einer Spontanberatung der Betreuerin.

Soweit sich der Beigeladene zu 2 auf etwaiges eigenes Verschulden zur Begründung eines sozialrechtlichen Herstellungsanspruches berufen wollte, um als Folge dessen seine Erstattungsansprüche gegen die Beklagten durchzusetzen, erschiene dies treuwidrig (vgl. zum Gesichtspunkt der Treuwidrigkeit im Verhältnis Krankenkasse zu Versicherten: BSG, Urteil vom 11. Mai 2017 – B 3 KR 22/15 R – Rdnr. 33).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 183 SGG i. V. m. § 193 SGG. Solange auch der Kläger als Berufungskläger am Verfahren teilgenommen hat, galt aufgrund des Grundsatzes des einheitlichen Streitgegenstandes bei der hier vorliegenden Klagehäufung, dass es unbeachtlich ist, dass neben dem privilegierten Kläger auch das nichtprivilegierte Land Berlin Berufung eingelegt hat (vgl. BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006 – B 2 U 391/05 B –, juris-Rdnr. 17, anders bei der objektiven Klagehäufung vgl. BSG Urteil vom 26. September 2006 – B 1 KR 1/06 RBSGE 97, 112-125 juris-Rdnr. 32). An diesem Prinzip hat sich aufgrund des einheitlichen Streitgegenstandes auch nach dem Wegfall des Klägers als Prozessbeteiligten nichts geändert. Denn maßgeblich ist, dass der Streitgegenstand identisch geblieben ist. Die beiden unterschiedlichen Konzepte des SGG - Kombination von Kostenfreiheit und Pauschgebührenpflicht auf der einen, Gerichtskosten und Kostentragung durch die unterlegene Partei auf der anderen Seite - lassen sich nicht innerhalb einer Instanz widerspruchsfrei miteinander verbinden. Die gesetzliche Regelung muss deshalb so verstanden werden, dass für die jeweilige Instanz eine einheitliche Kostenregelung gelten soll. Bei Beteiligung einer nach § 183 SGG kostenmäßig privilegierten Person kann das nur die Regelung der §§ 184 bis 195 SGG sein. (BSG, Beschluss vom 29. Mai 2006, a. a. O. Rdnr. 18).

Die Kostentscheidung entspricht im Ausspruch selbst dem Ergebnis in der Sache.

Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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