S 14 KR 327/12

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Frankfurt (HES)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
14
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 14 KR 327/12
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 8 KR 74/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 112/16 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Kläger aus einer Kapitalzahlung einer bei der C. Lebensversicherungs-AG abgeschlossenen Lebensversicherung Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu zahlen hat.

Der Kläger war bis zum 31. März 2003 bei der Firma D. Import Export GmbH tätig. Der Kläger traf am 22. Januar 1985 für die Zeit ab 1. Januar 1985 mit seinem Arbeitgeber eine Vereinbarung über die Umwandlung von Barlohn in Versorgungslohn. Der Arbeitgeber schloss als Versicherungsnehmer für den Kläger beim C-Konzern eine Direktversicherung ab. Dafür wandelte der Arbeitgeber einen monatlichen Anspruch des Klägers auf Gehalt in Höhe von 200,00 DM in einen Anspruch auf Versorgungslohn in Form einer Prämie für eine Direktversicherung um. Nach Ausscheiden des Klägers aus dem Arbeitsverhältnis führte der Kläger die Versicherung ab dem 1. Mai 2003 beitragsfrei als Versicherungsnehmer weiter.

Der Kläger erhielt am 1. Januar 2005 eine Kapitalzahlung aus der Lebensversicherung in Höhe von 48.183,60 EUR ausgezahlt. Die Beklagte erhob hierauf Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 61,84 EUR monatlich.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2011 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Rückerstattung der bisher gezahlten Beiträge auf die Leistungen aus der Direktversicherung. Zur Begründung bezog sich der Kläger auf das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 28. September 2010 (1 BvR 1660/08). Bei seiner Direktversicherung handele es sich nicht um eine betriebliche Altersversorgung. Es habe sich um eine private Lebensversicherung gehandelt, da die Beiträge aus seinem Nettolohn gezahlt worden seien. Er habe lediglich den möglichen Steuervorteil nutzen wollen.

Mit Bescheid vom 18. Mai 2011 lehnte die Beklagte sinngemäß die Rückerstattung der Beiträge ab. Zur Begründung verwies die Beklagte darauf, die Kapitalleistung aus der Lebensversicherung sei als Versorgungsbezug beitragspflichtig.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 21. Mai 2011 Widerspruch ein. Zur Begründung führte er aus, die nochmalige Beitragspflicht bei Auszahlung seiner Versicherung sei gesetzeswidrig. Der Arbeitgeber habe nur aus Steuergründen Versicherungsnehmer seiner Versicherung sein müssen. Der Arbeitgeber habe die Beiträge an die Versicherung überwiesen, diese seien mit einer Pauschallohnsteuer von seinem Nettogehalt in Abzug gebracht worden.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. Mai 2012 als unbegründet zurück. Zur Begründung führte die Beklagte aus, das BSG habe in zahlreichen Urteilen die Rechtmäßigkeit der Beitragserhebung bestätigt. Lediglich in einem speziellen Fall (1 BvR 1660/08) habe das Bundesverfassungsgericht eine Beitragspflicht verneint, wenn der Arbeitnehmer nach Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis die Versicherung als Versicherungsnehmer übernommen und durch eigene Beitragszahlungen fortgeführt habe. Der Kläger habe zwar die Versicherung ab 1. Mai 2003 als Versicherungsnehmer fortgeführt, er habe aber keine eigenen Beiträge mehr geleistet. Unerheblich sei hingegen, wer die Beiträge gezahlt habe. Es gäbe auch keinen Grundsatz, dass diese selbst finanzierten Versorgungsbezüge nicht der Beitragspflicht unterliegen dürften.

Hiergegen hat der Kläger am 6. Juni 2012 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, es habe sich nicht um einen typischen Fall einer Direktversicherung gehandelt. Der Kläger habe über mehrere Sicherungssysteme im Bereich der betrieblichen Altersvorsorge verfügt. Bei der hier streitigen Lebensversicherung habe es sich lediglich um ein Steuersparmodell gehandelt. Ferner hätten die Versicherungsprämien – da sie aus dem Nettogehalt gezahlt worden seien – schon der Versicherungspflicht unterlägen.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 18. Mai 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Mai 2012 aufzuheben und dem Kläger die auf die Kapitalzahlung des C-Konzerns geleisteten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zurück zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die angefochtenen Bescheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Verwaltungsakte Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Klage ist nicht begründet. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Zu Recht hat die Beklagte die an den Kläger erfolgte Kapitalzahlung vom C-Konzern vollständig zur Beitragsbemessung herangezogen. Als Rechtsgrundlage für die Erstattung der Beklagten aus der Kapitalzahlung zugeflossenen Beiträge kommt allein § 26 Abs. 2 SGB IV in Betracht. Danach hat die Krankenkasse zu Unrecht entrichtete Beiträge (unter bestimmten Voraussetzungen) zu erstatten. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Rückzahlung der bereits erbrachten Beiträge gemäß § 26 Abs. 2 SGB IV.

Nach § 237 S. 1 SGB V (in der unverändert gebliebenen Fassung des GRG vom 20.12.1988, BGBl I 2477) wird der Bemessung der Beiträge bei in der GKV versicherungspflichtigen Rentnern - also auch dem Kläger - neben dem Zahlbetrag der Rente der gesetzlichen Rentenversicherung (Nr. 1) u.a. auch der Zahlbetrag der der Rente vergleichbaren Einnahmen (Nr. 2) zugrunde gelegt. Als der Rente vergleichbare Einnahmen (Versorgungsbezüge) gelten nach § 229 Abs. 1 S. 1 Nr. 5 SGB V auch die - vorliegend allein in Betracht kommenden - "Renten der betrieblichen Altersversorgung" soweit sie - entsprechend der Formulierung in der Einleitung des § 229 Abs. 1 S 1 SGB V - "wegen einer Einschränkung der Erwerbsfähigkeit oder zur Alters- oder Hinterbliebenenversorgung erzielt werden". Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt 1/120 der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für 120 Monate (§ 229 Abs. 1 Satz 3 SGB V).

Diese Heranziehung von Versorgungsbezügen einschließlich der Bezüge aus betrieblicher Altersversorgung bei der Bemessung der Krankenversicherungsbeiträge versicherungspflichtiger Rentner begegnet im Grundsatz keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (vgl. BVerfGE 79, 223 = SozR 2200 § 180 Nr. 46 S 194; zuletzt BVerfG SozR 4-2500 § 229 Nr. 10 Leitsatz und Rn. 9 ff und Nr. 11 Rn. 8; BSG SozR 2200 § 180 Nr. 21 S 71 ff; BSGE 58, 1 = SozR 2200 § 180 Nr. 23 S 77 ff; BSGE 58, 10 = SozR 2200 § 180 Nr. 25 S 92 f; BSG Urteil vom 12.11.2008 - B 12 KR 9/08 R).

Bei der vom C-Konzern an den Kläger erfolgten Kapitalzahlung handelt es sich um eine betriebliche Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 SGB V. Die Abgrenzung der beitragspflichtigen Leistungen der betrieblichen Altersversorgung im Sinne des § 229 Abs. 1 S 1 Nr. 5 SGB V gegenüber den beitragsfreien sonstigen Leistungen aus privaten Lebensversicherungen hat nach Meinung der Kammer grundsätzlich nach der Institution, die sie zahlt (vgl. Pensionskasse, § 1b Abs. 3 BetrAVG), bzw. dem Versicherungstyp (Direktversicherung, § 1b Abs. 2 BetrAVG) zu erfolgen. Diese institutionelle Abgrenzung stellt aus verfassungsrechtlicher Sicht ein geeignetes Kriterium dar, um beitragspflichtige Versorgungsbezüge und beitragsfreie private Lebensversicherungen voneinander abzugrenzen (BVerfG 06.09.2010 - 1 BvR 739/08).

Nach der Rechtsprechung des BVerfG vom 28.9.2010 (BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 6.9.2010 - 1 BvR 739/08 -, Kammerbeschluss vom 28.9.2010 -1 BvR 1660/08- und Kammerbeschluss vom 14.4.2011 - 1 BvR 2123/08 -) unterliegen Leistungen aus einer als Direktversicherung abgeschlossenen Kapitallebensversicherung bei Pflichtversicherten in der GKV nur insoweit der Beitragspflicht, als die Leistungen auf Prämien beruhen, die auf den Versicherungsvertrag für Zeiträume eingezahlt wurden, in denen der Arbeitgeber Versicherungsnehmer war. Ein Lebensversicherungsvertrag, zu dem ein Arbeitnehmer nach Beendigung eines Arbeitsverhältnisses oder seiner Erwerbstätigkeit unter Einrücken in die Stellung des Versicherungsnehmers Prämien entrichte, werde nicht innerhalb der institutionellen Vorgaben des Betriebsrentenrechts fortgeführt, weil die Bestimmungen des Betriebsrentenrechts auf den Kapitallebensversicherungsvertrag hinsichtlich der nach Vertragsübernahme eingezahlten Prämien keine Anwendung fänden. Unterwerfe man auch Auszahlungen aus solchen Versicherungsverträgen der Beitragspflicht in der GKV, läge darin eine gleichheitswidrige Benachteiligung der aus diesen Verträgen Begünstigten gegenüber solchen Pflichtversicherten, die beitragsfreie Leistungen aus privaten Lebensversicherungsverträgen oder anderen privaten Anlageformen erhielten. Eine Ungleichbehandlung, die hinsichtlich der Beitragspflicht allein daran anknüpfe, dass die Lebensversicherungsverträge ursprünglich vom früheren Arbeitgeber abgeschlossen wurden und damit (nur) seinerzeit dem Regelwerk des Betriebsrentenrechts unterlagen, überschreite die Grenzen zulässiger Typisierung. Wenn ein solcher Lebensversicherungsvertrag vollständig aus dem betrieblichen bzw. beruflichen Bezug gelöst worden sei, unterscheide er sich in keiner Weise mehr von einem privaten Kapitallebensversicherungsvertrag (vgl. beispielhaft auch BSG, Urteil vom 30.3.2011 -B 12 KR 16/10 R und Urteil vom 23.7.2014 -B 12 KR 28/12 R-).

Ob die Lebensversicherung eine betriebliche Altersversorgung ist, ist typisierend nach ihrem Gesamtcharakter zu beurteilen (BSG Urteil vom 12.11.2008 B 12 KR 9/08 R – Rn. 19). Es genügt dazu, dass ein hinreichender Zusammenhang zwischen der Lebensversicherung und der (früheren) beruflichen Tätigkeit des Klägers besteht (siehe ausführlich LSG Stuttgart, Urteil vom 4.11.2006 - L 11 KR 804/06).

Dieser Zusammenhang ist nach Auffassung der Kammer bereits dann gegeben, wenn der Arbeitgeber Versicherungsnehmer und damit Vertragspartei des Lebensversicherungsvertrags ist (so wohl auch BSG Urteil vom 25.4.2007 B 12 KR 25/05 R – juris Rn. 17). Es kommt also bestimmend auf die formale Stellung des Arbeitnehmers im Lebensversicherungsvertragsverhältnis an. Ist der Arbeitnehmer - zumindest zeitweise - nur Bezugsberechtigter, ist er zwar durch die Lebensversicherung begünstigt, hat aber keinerlei Verfügungsmöglichkeit über den Vertrag. Demgegenüber fällt nicht ins Gewicht, wer die Beiträge finanziert hat.

Letzteres entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. nur BSG Urteil vom 12.11.2008 – B 12 KR 9/08 R – Rn. 18 mit zahlreichen weiteren Nachweisen).

Aus verfassungsrechtlichen Erwägungen sind daher lediglich Beiträge zur Altersvorsorge, die der Versicherte nach dem Ende seines Arbeitsverhältnisses auf einen dann auf ihn als Versicherungsnehmer laufenden Kapitallebensversicherungsvertrag eingezahlt hat, von der Beitragspflicht zur gesetzlichen Krankenversicherung auszunehmen. Andernfalls würde eine ungerechtfertigte Ungleichbehandlung und damit ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) vorliegen, denn in diesem Fall unterscheidet sich die Lebensversicherung nicht mehr von solchen Versicherungsverträgen, die unabhängig von der beruflichen Tätigkeit eingegangen worden sind (BVerfG Beschluss vom 28.9.2010 – 1 BvR 1660/08). Über diese Einschränkung hinaus, sind aber schon aus Gründen der Rechtssicherheit keine weiteren Einschränkungen der Beitragspflicht zuzulassen.

Vorliegend war der Kläger zwar ab dem 1. Mai 2003 Versicherungsnehmer geworden. Er hat die Versicherung aber beitragfrei fortgeführt. Eine Unterscheidung in einen beitragspflichtigen und nicht beitragspflichtigen Teil ist damit vorliegend nicht gerechtfertigt.

Der Einwand des Klägers, dass er bereits für die erbrachte Kapitalleistung Beiträge an die Beklagte geleistet habe und nun nicht ein zweites Mal hierzu herangezogen werden kann, führt auch zu keinem anderen Ergebnis. Es ist höchstrichterlich entschieden, dass eine Einnahme mehrfach mit Beiträgen belegt werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 28.01.1999, B 12 KR 19/98 R; Urteil vom 24.08.2005, B 12 KR 29/04 R). Die Rentner bzw. Versorgungsempfänger sollen in angemessenem Umfang an der Finanzierung der Leistungsaufwendungen, die für sie anfallen, beteiligt werden. Dies gilt ebenso für Versorgungsleistungen. Das vom Kläger vorgebrachte Argument der "doppelten Beitragspflicht" verkennt hingegen die Grundlagen des Beitragsrechts. Der solidarische Ausgleich findet während der gesamten Zugehörigkeit zur Versichertengemeinschaft statt. Dies gilt ebenfalls für die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Denn auch hier werden Beiträge erhoben, obwohl bereits in der Ansparphase Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge gezahlt wurden. Gemäß § 248 S. 1 SGB V gilt für die Bemessung der Beiträge aus Versorgungsbezügen der allgemeine Beitragssatz.

Fehler bei der Berechnung der monatlichen von dem Kläger zu zahlenden Beiträge sind nicht ersichtlich und wurden auch nicht geltend gemacht.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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