L 1 KR 24/15

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 48 KR 1219/10
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 24/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Berufung wird zurückgewiesen. 2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist die Rechtmäßigkeit der Amtsenthebung des Klägers als Vorstand der Beklagten.

Der 1969 geborene Kläger wurde mit Beschluss des Verwaltungsrates der Beklagten vom 12. April 2006 zum 1. September 2006 zum Vorstand der Beklagten bestellt und durch Vorstandsvertrag vom 27. April 2006 angestellt.

Verwaltungsratsvorsitzender der Beklagten war zum damaligen Zeitpunkt der T.M ... Aus der von diesem gegründeten S. GmbH (S. GmbH) war 1996 die Beklagte hervorgegangen. Die Beklagte hatte in der Folgezeit ein Tochterunternehmen, die L.-GmbH (L ... GmbH), gegründet, deren Stammkapital in Höhe von 50.000 EUR zur Hälfte von der S. GmbH gehalten wurde und deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer bis 2004 der T.M. war. Im Dezember 2002 mietete die Beklagte von der L ... GmbH ein noch zu erstellendes Gebäude, zu dessen Erbauung die L ... GmbH danach ein unbebautes Grundstück von der H. erwarb. Die S. GmbH veräußerte im November 2004 ihren Geschäftsanteil an der L ... GmbH für 4.225.000 EUR an ein firmenfremdes Versicherungsunternehmen. Dieser Vorgang war später u.a. Gegenstand eines aufsichtsrechtlichen Verfahrens vor dem Landessozialgericht Hamburg, in welchem die hiesige Beklagte sich gegen eine Verfügung des Bundesversicherungsamtes gewendet hatte, mit welcher sie verpflichtet worden war, den T.M. kurzfristig seines Amtes zu entheben (Urteil vom 29. November 2011, - L 1 KR 132/11 KL - juris). Das Verfahren endete vor dem LSG mit einer Aufhebung der Verfügung. Vor dem BSG schlossen die Beteiligten einen Vergleich, in welchem u.a. der T.M. erklärte, er lege sein Amt zum 30. September 2015 nieder und scheide aus dem Verwaltungsrat aus.

Die Gesamtfläche des Gebäudes am L1 betrug 13.000 qm, welche nach Einzug der Beklagten im Jahr 2007 nur zu einem kleinen Teil genutzt wurde. Ein Teil der geplanten Büroflächen befand sich im Rohzustand und stand leer. Eine Miete entrichtete die Beklagte dafür gleichwohl.

Im Rahmen des Verwaltungsneubaus wurde in der Folge der Plan gefasst, als Teilfläche ein Gesundheitszentrum zu betreiben. Zu diesem Zweck wurde ein weiteres Unternehmen, die L2 GmbH, gegründet. Zum Geschäftsführer wurde Herr G. im Mai 2007 durch das Vorstandsmitglied P. der Beklagten bestellt. Zwischen der Beklagten und der L2 GmbH wurde für die Zeit ab 1. August 2007 ein Mietvertrag geschlossen, mit dem sich die L2 GmbH verpflichtete, für die Fläche des Gesundheitszentrums von ca. 4000 qm einen Mietzins von 17,37 EUR zu zahlen. Mangels Einnahmen der L2 GmbH stundete die Beklagte dieser die Miete. Im Dezember 2007 wurde ein 1. Nachtrag zum Mietvertrag geschlossen, wonach die L ... GmbH bestimmte Rohbauflächen nicht ausbauen sollte und die Beklagte der L. GmbH zum Ausgleich 520.000 EUR zzgl. Mehrwertsteuer zu zahlen habe. In einem weiteren Nachtrag des Mietvertrages zwischen der LTD GmbH und der Beklagten vom 3. August 2009 wurde die Vertragslaufzeit verlängert und eine Zusatzmiete vereinbart. Im Gegenzug verpflichtete sich die L2 GmbH zum Ausbau des Gesundheitszentrums. Der Kläger beauftragte vor diesem Hintergrund eine Anwaltskanzlei mit der Erstellung eines Gutachtens zur Überprüfung des oben dargestellten Veräußerungsvorgangs von Geschäftsanteilen. In einer ersten Einschätzung vom 3. März 2010 kam die beauftragte Kanzlei zu der Einschätzung, es sei in diesem Zusammenhang zu erheblichen zivilrechtlichen, vergaberechtlichen und verwaltungsrechtlichen Pflichtverstößen seitens der Organe der Beklagten gekommen. Man müsse davon ausgehen, dass das Handeln verschiedener ehemaliger Vorstandsmitglieder und des Verwaltungsratsvorsitzenden T.M. strafrechtliche Relevanz besitze.

Am 4. März 2010 fand die 31. Sitzung des Verwaltungsrates der Beklagten statt. Darin informierte der Kläger die Teilnehmer über den Zwischenbericht der Anwaltskanzlei. Laut Protokoll befassten sich die Teilnehmer des Weiteren mit der Mietvertragserweiterung und der Wahrnehmung der Gesellschafterrechte und der Finanzaufsicht der L2 GmbH durch den Kläger sowie dem Geschäftsführerdienstverhältnis des Herrn G ... Nach Beantragung eines Mitglieds des Verwaltungsrats, die Sitzung nicht öffentlich fortzuführen, wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen und einstimmig beschlossen, den Kläger mit sofortiger Wirkung von seinem Amt als Vorstand zu entheben. Die sofortige Vollziehung des Beschlusses wurde angeordnet. Mit Schreiben vom 5. März 2010 wurde der Kläger hiervon in Kenntnis gesetzt.

Gegen die Amtsenterhebung legte der Kläger am 23. März 2010 Widerspruch ein, der mit Widerspruchsbescheid vom 26. Oktober 2010 durch den Widerspruchsausschuss der Beklagten zurückgewiesen wurde. Zur Begründung heißt es im Wesentlichen, der Widerspruchsausschuss sei für die Entscheidung zuständig. Die Amtsenthebung halte sich im Rahmen des dem Verwaltungsrat zustehenden Beurteilungsspielraums. Der Kläger habe für die Beklagte wirtschaftliche Änderungen am Mietvertrag vorgenommen, ohne den Verwaltungsrat der Beklagten ausreichend zu informieren. Auch habe er den Geschäftsführer der L2 GmbH, Herrn G., nicht ausreichend kontrolliert und es unterlassen, ihn als sozialversicherungspflichtiges Mitglied anzumelden. Die Summe der Verfehlungen rechtfertige es, dem Kläger das Vertrauen zu entziehen. Der Kläger hatte bereits zuvor im Juli 2010 wegen der Amtsenthebung Untätigkeitsklage erhoben, welche er nach Erlass des Widerspruchsbescheides als Anfechtungsklage fortführte. Das Sozialgericht hat der Klage mit Urteil vom 25. September 2014 stattgegeben und sich dabei im Wesentlichen auf die Gründe des LSG Hamburg im Beschlussverfahren L 1 KR 39/13 B ER gestützt, welches den Nachfolger des Klägers im Amt des Vorstandes betraf und welcher ebenfalls seines Amtes enthoben worden war. In dieser Entscheidung war ausgeführt worden, dass der angegriffene Beschluss vom Verwaltungsrat unstreitig in nicht-öffentlicher Sitzung gefasst worden sei. Gemäß § 63, § 33 SGB IV seien die Sitzungen des Verwaltungsrats aber zwingend öffentlich. Es liege auch kein Ausnahmefall vor, in dem die Öffentlichkeit kraft Gesetzes ausgeschlossen sei. Insbesondere handele es sich bei der Enthebung vom Amt eines Vorstands nicht um eine "personelle Angelegenheit". Wesentliche Organisationsakte fielen auch dann nicht unter diese Ausnahmevorschrift, wenn sie auf eine konkrete Person bezogen seien. Das folge aus dem Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebots. Durch die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen der Vertreterversammlung bzw. hier des Verwaltungsrats solle das Interesse der Versicherten an den Angelegenheiten der Selbstverwaltung gestärkt werden. Das Öffentlichkeitsgebot stehe im Bereich der Selbstverwaltung zudem in enger Verbindung zum Demokratieprinzip des Grundgesetzes und diene der demokratischen Kontrolle und Willensbildung. Mit dieser herausragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots wäre es nicht vereinbar, wenn gerade wesentliche Organisationsakte als "personelle Angelegenheit" unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten und ggf. beschlossen würden. Dem hat sich das Sozialgericht angeschlossen. Darüber hinaus habe eine funktional nicht zuständige Stelle über den Widerspruch des Klägers entschieden, weil in Selbstverwaltungsangelegenheiten nicht der Widerspruchsausschuss, sondern der Selbstverwaltungsträger selbst zu entscheiden habe. Bereits deshalb sei der Widerspruchsbescheid rechtswidrig. Schließlich sei die Amtsenthebung auch wegen der Notwendigkeit einer vorherigen Abmahnung rechtswidrig. Die Beklagte hat gegen das am 21. Januar 2015 zugestellte Urteil des Sozialgerichts am 20. Februar 2015 Berufung eingelegt, mit welcher sie vorträgt, die vom Sozialgericht angenommene Unzuständigkeit des Widerspruchsausschusses zum Erlass des Widerspruchsbescheides setze eine Auslegungskonstruktion voraus, die mit Recht und Gesetz nicht vereinbar sei. Selbstverwaltungsangelegenheiten der Sozialversicherungsträger gehörten gerade zum Kern der Sozialversicherung. Es sei auch absurd, dass nach der Vorstellung des SG ein Gremium seine eigene Entscheidung abschließend überprüfen solle. Auch die Übergehung der Vorschrift des § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB IV, bei der Behandlung personeller Angelegenheiten in Verwaltungsratssitzungen die Öffentlichkeit auszuschließen, könne keinen Bestand haben. Amtsenthebungen seien personelle Maßnahmen im Sinne dieser Vorschrift. Sinn sei der Schutz der Privatsphäre des Betroffenen. Die gegenteilige Auffassung betreffe ausschließlich den Wahlvorgang von Geschäftsführern und Vorständen, nicht aber deren Abberufung. Im Falle einer Amtsenthebung würden auch persönliche Daten, nämlich berufliche Unzulänglichkeiten, Leistungsdefizite und Misstrauensumstände erörtert. Persönlichere und schutzwürdigere Daten als derartige Defizite seien kaum denkbar. Für eine Abmahnung, die das Sozialgericht für geboten gehalten habe, gebe es keine Rechtsgrundlage. Eine solche könne auch bei dem hier vor allem ausschlaggebenden Vertrauensverlust nicht in Betracht kommen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 25. September 2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend und ist ergänzend der Auffassung, die Amtsenthebung gehöre keineswegs zu den Angelegenheiten der Sozialversicherung. Auch fehle dem Widerspruchsausschuss insoweit die nötige Kompetenz, da dieser auf leistungs- und versicherungsrechtliche Fragen spezialisiert sei und nicht auf Fragen der Selbstverwaltung. Er sei auch niemals mündlich oder schriftlich abgemahnt worden, was rechtsstaatlichen Prinzipien und der Treuepflicht des Verwaltungsrates widerspreche. Allerdings seien ihm, nachdem er einen Untreueverdacht gegen T.M. geäußert habe, bereits Konsequenzen angedroht worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Prozessakte, der beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Landgerichts Hamburg 303 O 398/12 (1 U 299/15) sowie die Gerichtsakten zu den Verfahren L 1 KR 132/11 KL und L 1 KR 39/13 B ER Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte und auch sonst zulässige (§§ 143, 144 und 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG) Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der vom Kläger angefochtene Amtsenthebungsbeschluss vom 4. März 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. Oktober 2010 ist – wie das Sozialgericht zu Recht und mit im Wesentlichen auch zutreffender Begründung ausgeführt hat – rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten. Zweifelhaft ist bereits, ob das Vorverfahren von der funktional zuständigen Stelle durchgeführt wurde. Während ein Großteil der Literatur die Auffassung vertritt, es handele sich bei der Amtsenthebung eines Vorstandes um eine Angelegenheit der Sozialversicherung, mit der Folge, dass der Widerspruchsausschuss zuständig für die Durchführung des Vorverfahrens ist (so zB Palsherm in JurisPK-SGB IV, § 59 Rn. 18 m.w.N.), hat das LSG Schleswig-Holstein mit beachtlichen Argumenten die Auffassung vertreten, es handele sich um eine Selbstverwaltungsangelegenheit, die auch im Widerspruchsverfahren durch den Vorstand selbst zu entscheiden sei. Das LSG Schleswig-Holstein führt im Urteil vom 12. September 1989 (L 1 KR 46/88 – Juris) insoweit aus: "Funktional dafür zuständig war hier allein der Vorstand der Beklagten, und nicht etwa deren Widerspruchsstelle, die den "Widerspruchsbescheid" vom 30. Oktober 1985 erteilte, § 85 Abs 2 SGG weist insofern eine Lücke auf. Nach Nr 2 der Vorschrift erläßt den Widerspruchsbescheid in Angelegenheiten der Sozialversicherung zwar die von der Vertreterversammlung bestimmte Stelle, wie hier die Widerspruchsstelle der Beklagten. Doch handelt es sich bei der vorliegenden Selbstverwaltungssache um keine Angelegenheit der Sozialversicherung in diesem Sinne. Dies läßt zwar der - mit § 51 Abs 1 SGG gleiche - Gesetzeswortlaut noch nicht erkennen. Es erschließt sich jedoch aus dem Sinnzusammenhang von § 85 Abs 2 Nr 2 SGG mit den für die Abberufung des stellvertretenden Geschäftsführers eines Sozialversicherungsträgers maßgebenden Kompetenznormen. Denn nach §§ 36 Abs 2 S 1 Hs 2, 59 Abs 2 und 4 SGB IV kann nur der Vorstand den stellvertretenden Geschäftsführer seines Amtes entbinden, wenngleich mit Zustimmung des Vorsitzenden der Vertreterversammlung oder der Vertreterversammlung selbst. Die überragende Bedeutung des Vorstandes bei der Abberufung des stellvertretenden Geschäftsführers würde verlagert, wenn zur Entscheidung über den Widerspruch die hier paritätisch mit je einem Arbeitgeber- und einem versicherten Mitglied der Vertreterversammlung besetzte Widerspruchsstelle der Beklagten zur Entscheidung berufen wäre. Eine solche Verlagerung von Entscheidungskompetenz geht über das auch den veröffentlichten Gesetzesmaterialien zu § 85 Abs 2 Nr 2 SGG zu entnehmende Ziel hinaus, die Selbstverwaltung zu stärken (BT-Drucks I/4357 S 27 zu §§ 31 bis 34 des Regierungsentwurfs), nicht aber umzustrukturieren. Damit enthält § 85 Abs 2 SGG eine Lücke in bezug auf die Zuständigkeit für Widerspruchsentscheidungen in Selbstverwaltungsangelegenheiten. Daß nämlich insofern die Aufsichtsbehörde (§ 85 Abs 2 Nr 1 SGG) zur Entscheidung berufen sein sollte, kommt sinngemäß wie systematisch erst recht nicht in Betracht (teleologische Reduktion des § 85 Abs 2 SGG). Die damit aufgedeckte Regelungslücke läßt sich nur entsprechend § 73 Abs 1 Nr 3 VwGO auffüllen. Denn eine Lösungsalternative gibt es nicht (im Ergebnis ebenso: Meyer-Ladewig a a O § 85 Rn 3; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S 234 b IV; Peters/Sautter/Wolff, Kommentar zur Sozialgerichtsbarkeit, § 85 SGG Anm 3 c). Entsprechend § 73 Abs 1 Nr 3 VwGO erläßt den Widerspruchsbescheid in Selbstverwaltungsangelegenheiten die Selbstverwaltungsbehörde, soweit nicht durch Gesetz anderes bestimmt wird. § 73 Abs 2 VwGO läßt Vorschriften unberührt, nach denen im Vorverfahren Ausschüsse oder Beiräte an die Stelle einer Behörde treten. Eine solche Möglichkeit eröffnet hier zwar § 36 a Abs 1 Nr 1 SGB IV. Doch müßte ein Widerspruchsausschuß in Abberufungssachen dann der Bedeutung der Angelegenheit für den Leistungsträger insgesamt entsprechend zusammengesetzt sein und dem besonderen Gewicht des Vorstandes gemäß § 59 Abs 2 SGB IV Rechnung tragen. Dies war hier nicht der Fall. So bewendet es mit der Zuständigkeit der Selbstverwaltungsbehörde "Vorstand", selbst über den Widerspruch zu entscheiden." Letztendlich kann aber dahinstehen, welcher Auffassung zu folgen ist. Denn vorliegend wurde für den Verwaltungsrat dem Bevollmächtigten des Klägers bereits mit Schreiben vom 24. März 2010 mitgeteilt, dass man dem Widerspruch des Klägers nicht abzuhelfen gedenke. Dieses Schreiben lässt keine Zweifel daran aufkommen, dass der Verwaltungsrat seine Entscheidung für endgültig hielt und daran festhalten wollte. Insoweit hat, auch wenn man der Auffassung des LSG Schleswig-Holstein folgt, der Vorstand der Beklagten selbst über den Widerspruch entschieden. Der angefochtene Beschluss der Beklagten ist indes bereits aus anderen Gründen nichtig, wenigstens jedoch formell rechtswidrig. Er wurde nämlich vom Verwaltungsrat der Beklagten unstreitig in nicht-öffentlicher Sitzung beschlossen. Der Senat hat in anderer Besetzung im vergleichbaren Fall des gleichfalls seines Amtes enthobenen Nachfolgers des Klägers im Amt des Vorstandes der Beklagten im dortigen Verfahren um einstweiligen Rechtsschutz bereits ausgeführt (Beschluss vom 4. Juli 2014 - L 1 KR 39/13 B ER, juris): "Gemäß § 63 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB IV sind die Sitzungen des Verwaltungsrats aber zwingend öffentlich. Es liegt auch keiner der Ausnahmefälle des § 63 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB IV vor, in dem die Öffentlichkeit kraft Gesetz ausgeschlossen ist. Insbesondere handelte es sich bei der Enthebung des Antragstellers vom Amt des Vorstands nicht um eine "personelle Angelegenheit". Obgleich davon grundsätzlich solche Angelegenheiten umfasst sind, die individuell bestimmte Personen betreffen, vor allem Mitglieder der Selbstverwaltungsorgane (vgl. etwa Krause in GK-SGB IV, § 63 Rn. 21; Rische/Brandenburg in Wannagat, Sozialgesetzbuch – SGB IV, § 63 Rn. 16), fallen darunter nicht die wesentlichen Organisationsakte, seien sie auch auf eine konkrete Person bezogen. Das folgt aus dem Sinn und Zweck des Öffentlichkeitsgebots. Durch die grundsätzliche Öffentlichkeit der Sitzungen der Vertreterversammlung bzw. hier des Verwaltungsrats soll das Interesse der Versicherten an den Angelegenheiten der Selbstverwaltung gestärkt werden (vgl. die Gesetzesbegründung zum 7. Gesetz zur Änderung der Selbstverwaltungs-gesetzes in BT-Drucks. V/1674, S. 17f.). Das Öffentlichkeitsgebot steht im hier betroffenen Bereich der Selbstverwaltung zudem in enger Verbindung zum Demokratieprinzip des Grundgesetzes und dient der demokratischen Kontrolle und Willensbildung (vgl. BSG 14.10.1992 – 14a/6 RKa 31/91 – Juris, m.w.N.; Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.2, S. 7, m.w.N. aus dem Kommunalrecht). Öffentlichkeit i.S.d. § 63 Abs. 3 Satz 2 SGB IV meint deswegen nicht bloß eine Beteiligtenöffentlichkeit, sondern die allgemeine Öffentlichkeit, so dass die Sitzungen hinreichend bekannt gemacht werden müssen und jedermann im Rahmen des zur Verfügung stehenden Platzangebots Zutritt haben muss (vgl. BSG 14.10.1992 – 14a/6 RKa 31/91 – Juris; Rechtsauskünfte: Öffentlichkeit der Sitzungen der Vertreterversammlung und ihrer Ausschüsse, WzS 1980, 119). Mit dieser herausragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots wäre es nicht vereinbar, wenn gerade wesentliche Organisationsakte als "personelle Angelegenheit" unter Ausschluss der Öffentlichkeit beraten und ggf. beschlossen würden. Zu diesen wesentlichen Organisationsakten zählt nicht nur die Wahl des Geschäftsführers und des hauptamtlichen Vorstands (vgl. Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.2, S. 7; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, Juris-PK SGB IV, § 63 Rn. 29), sondern auch die Amtsenthebung, die letztlich der actus contrarius zur Wahl des Vorstands ist. Das entspricht im Übrigen der gerade zur streitbefangenen Amtsenthebung geäußerten Rechtsauffassung des Bundesversicherungsamts (vgl. Schriftsatz vom 17. August 2012 im Verfahren L 1 KR 128/11 KL). Die Befugnis, den Vorstand seines Amts zu entheben, steht allein dem Verwaltungsrat zu, abgesehen von den hier nicht interessierenden aufsichtsrechtlichen Möglichkeiten nach § 35a Abs. 7 Satz 3 SGB IV. Mit Übertragung dieser Befugnis ist seine Aufsichts- und Kontrollfunktion gegenüber dem Vorstand gestärkt worden, der in sich die Funktionen und damit die Macht vereinigt, die bei anderen Sozialversicherungsträgern auf zwei Gremien, nämlich Vorstand und Geschäftsführer, aufgeteilt sind (vgl. die Gesetzesbegründung zum Gesundheits-Strukturgesetz in BT-Drucks. 12/3608, S. 128). Indem der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin mit dem angegriffenen Amtsenthebungsbeschluss von dieser Befugnis Gebrauch machte, nahm er daher eine sicherlich selten anstehende, gleichwohl überragend wichtige Selbstverwaltungsaufgabe wahr. Vorliegend war auch nicht ausnahmsweise gleichwohl ein Ausschluss der Öffentlichkeit geboten, weil im Zuge der Beratung und Beschlussfassung über die Amtsenthebung persönliche Daten des Antragstellers offenbart worden wären, an deren Geheimhaltung er ein schutzwürdiges Interesse gehabt hätte. Vorwürfe, die bei der Beratung über eine "unehrenhafte" Absetzung typischerweise im Raum stehen und erörtert werden, namentlich der Vorwurf der groben Amtspflichtverletzung, der Unfähigkeit zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung und der Umstand des Vertrauensentzugs durch den Verwaltungsrat würden insoweit allerdings nicht ausreichen. Es müssten besondere Umstände hinzutreten, deren öffentliche Beratung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Antragstellers selbst eingedenk der überragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots verletzt hätte. Als Beispiel werden im Schrifttum "gesundheitliche Gegebenheiten" genannt (vgl. Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.2, S. 7). Zu vergleichbaren Besonderheiten im vorliegenden Fall ist von der Antragsgegnerin nichts vorgetragen worden und diese sind dem Senat mit dem Erkenntnisstand im Eilverfahren auch sonst nicht ersichtlich. Schließlich machte der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin auch nicht von der Möglichkeit des § 63 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB IV Gebrauch, den Ausschluss des Öffentlichkeit speziell für die Beratung und ggf. Beschlussfassung über die Amtsenthebung des Antragstellers zu beschließen. Ungeachtet der Frage, ob er dazu überhaupt berechtigt gewesen wäre, nachdem wie ausgeführt die Öffentlichkeit kraft Gesetz gerade nicht ausgeschlossen war, fehlte es jedenfalls an einem wirksamen Beschluss nach § 63 Abs. 3 Satz 3 Halbsatz 1 SGB IV. Hierfür hätte zunächst ein Antrag auf Ausschluss der Öffentlichkeit zu diesem konkreten Beratungspunkt gestellt werden, die Öffentlichkeit für die Dauer der Beratung und Beschlussfassung über diesen Antrag ausgeschlossen und sodann nach Wiederherstellung der Öffentlichkeit der Beschluss über den Ausschluss der Öffentlichkeit bekannt gegeben werden müssen (vgl. zum Ablauf nur Gurgel in Blei/Gitter u.a., Gesamtkommentar Sozialversicherung Bd. 2, § 63 SGB IV Rn. 5). Ausweislich des Protokolls der Sitzung vom 14./15. Mai 2012 hielt der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin dieses Prozedere nicht ein, sondern beschloss aus der öffentlichen Sitzung heraus lediglich pauschal den Ausschluss der Öffentlichkeit. Der Senat lässt dahin stehen, ob der demnach vorliegende Verstoß gegen § 63 Abs. 3 Satz 2 Halbsatz 1 i.V.m. § 33 Abs. 3 Satz 2 SGB IV sogar zur Nichtigkeit des Amtsenthebungsbeschlusses vom 15. Mai 2012 führt (so Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.2, S. 7; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, Juris-PK SGB IV, § 63 Rn. 28). Er macht ihn jedenfalls formell rechtswidrig. Die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots zählt nicht zu den nach § 41 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) heilbaren Verfahrensfehlern und ebenso wenig ist i.S.d. § 42 Satz 1 SGB X offensichtlich, dass der fehlerhafte Ausschluss der Öffentlichkeit die Entscheidung des Verwaltungsrats der Antragsgegnerin in der Sache nicht beeinflusst hat. Da eine öffentliche Beschlussfassung bezogen auf den Amtsenthebungsbeschluss vom 15. Mai 2012 schließlich nicht nachgeholt werden könnte, sondern der Verwaltungsrat der Antragsgegnerin gegebenenfalls – in öffentlicher Sitzung – einen neuerlichen Beschluss fassen müsste, gebietet schon dieser Verfahrensfehler die Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers." Der Senat schließt sich auch in seiner jetzigen Besetzung den obigen Ausführungen nach eigener Prüfung an. Insbesondere hätte vorliegend – unabhängig davon, ob das Verfahren der Beschlussfassung ordnungsgemäß durchgeführt wurde – die Öffentlichkeit nicht ausgeschlossen werden dürfen, weil keine besonderen Umstände vorgelegen haben bzw. von der Beklagten geltend gemacht werden, deren öffentliche Beratung das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers selbst eingedenk der überragenden Bedeutung des Öffentlichkeitsgebots verletzt hätten oder die ein ähnlich schweres Gewicht gehabt hätten. Die Wahl eines hauptamtlichen Vorstandes – und damit auch dessen Abberufung, denn in beiden Fällen ist der Vorstand als Organ des Versicherungsträgers betroffen – sind öffentlich, da sie eben keine personellen Angelegenheiten, sondern Akte des Verfassungslebens des Versicherungsträgers sind. Die dienstrechtliche Stellung des Vorstandes ist durch die Amtsenthebung zunächst nicht betroffen (Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 35a Nr. 7.1, S. 19). Betroffen ist allein die Organstellung. Nur soweit besondere sachliche Gründe dies gebieten, ist daher der Ausschluss der Öffentlichkeit für einzelne Beratungspunkte zulässig. Er ist nicht in das Belieben des Versicherungsträgers gestellt (Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.3, S. 9). Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil nicht zu verkennen ist, dass die gesetzliche Regelung des § 35a Abs. 7 Satz 2 SGB IV trotz an sich begrüßenswerter Zielsetzung eine Missbrauchsgefahr birgt, der mit der durch das Öffentlichkeitsgebot gewährleisteten Transparenz wirksam begegnet werden kann. Nach der Gesetzesbegründung sollen die zusätzlichen Amtsbeendigungsgründe des § 35a Abs. 7 Satz 2 SGB IV die Aufsichts- und Kontrollfunktion des Verwaltungsrates gegenüber dem Vorstand stärken. Der Vertrauensentzug darf und soll aber keine Handhabe zur Entlassung unbequemer Mitglieder des Vorstandes sein. Wann ein Vertrauensentzug objektivierbar gerechtfertigt ist, lässt sich nicht formelhaft bestimmen. Er wird regelmäßig begründet sein, wenn vorwerfbare Fehlverhaltensweisen des Mitgliedes des Vorstandes von erheblichem Gewicht vorliegen, die als solche gegen die Rechtsordnung verstoßen, also etwa Verstöße gegen die Amtspflichten, vertragsbrüchiges oder deliktisches Verhalten. Vertrauensentzug durch den Verwaltungsrat ist eine einseitige Maßnahme, die nur dann rechtmäßig sein kann, wenn etwaiges Vertrauen des Mitglieds des Vorstandes auf Fortbestand seines Amtes nicht schützenswert ist. Wenn ein Mitglied des Vorstandes seines Amtes enthoben oder von seinem Amt entbunden wird, weil ihm das Vertrauen durch den Verwaltungsrat entzogen worden ist, muss daher feststellbar sein, worin der Vertrauensentzug begründet ist. Der Gesetzgeber selbst hat in § 35 Abs. 7 Satz 2, 2. Halbsatz klargestellt, dass ein Vertrauenszug "aus offenbar unsachlichen Gründen" keine Amtsbeendigung rechtfertigt. Damit steht fest, dass es dem Verwaltungsrat verwehrt ist, den Vertrauensentzug auf Gründe zu stützen, die mit der Ausübung des Vorstandsamtes nichts zu tun haben, wie etwa politische Differenzen zwischen dem Vorstand und Mitgliedern des Verwaltungsrates. Dass offenbar unsachliche Gründe einen Vertrauensentzug nicht rechtfertigen können, beschreibt zunächst eine rechtsstaatliche Selbstverständlichkeit und folgt zwanglos daraus, dass der Vertrauensschutz des Mitglieds des Vorstandes diesen vor einer offenbar unsachlich begründeten Entlassung bewahrt (Erfmeyer/Dudda, KrV 2009, 197f.). Dass der Verwaltungsrat bei dieser Entscheidung einer Kontrolle durch die Öffentlichkeit unterliegt, gewährleistet ein faires Verfahren, ein materiell-rechtlich vertretbares Ergebnis und eine gewisse Rechtssicherheit. Aus alledem folgt, dass das Öffentlichkeitsgebot insbesondere auch bei einer Amtsenthebung nach § 35a Abs. 7 SGB IV keine Marginalie ist, sondern dass damit dem demokratischen Informationsbedürfnis, dem Gebot der Transparenz der Entscheidungen von Selbstverwaltungsorganen und der Kontrollfunktion der Öffentlichkeit und der Beitragszahler Genüge getan wird. Dies gilt insbesondere auch hinsichtlich der Frage, ob und welche Verstöße gegen die Amtspflichten als Organ der Krankenkasse vorgelegen haben, ob die Gründe, auf die der Vertrauensentzug gestützt wird, tragfähig sind oder ob sie offenbar unsachlich sind und welche Art der Geschäftsführung für die Zukunft zu erwarten ist. Die Gründe für einen zulässigen Ausschluss der Öffentlichkeit müssen daher den Gründen vergleichbar sein, die für den Ausschluss der Öffentlichkeit bei der Behandlung personeller Angelegenheiten, von Grundstücksgeschäften und strafrechtlich geschützter Tatsachen maßgebend sind. Hierbei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die vertrauliche Beratung hat dabei vor allem das Ziel, eine Schädigung des Versicherungsträgers oder der betroffenen Personen zu verhindern. Derartige Gründe sind nicht vorgetragen und auch sonst nicht ersichtlich. Die Frage der ordnungsgemäßen Aufgabenwahrnehmung des Vorstandes und die Einschätzung, ob dieser in der Lage sei, zukünftig dem Wohl der Beklagten dienende Verwaltungsentscheidungen zu treffen, betrafen das Kerngeschäft des Klägers in seiner Organfunktion und stellten damit keine personelle Angelegenheit dar. Besondere persönlichen Umstände des Klägers waren – über die genannte Frage hinaus, die aber eben gerade seine Organstellung betrafen – nicht berührt. Es handelte sich auch nicht um ein Grundstücksgeschäft. Zwar sind Grundstücksgeschäfte in diesem Sinne auch Vermietungen und Verpachtungen. Hintergrund ist, dass in diesem regelmäßig mit hohen Ausgaben verbundenen Bereich durch frühzeitige öffentliche Kenntnis der Auffassung des Versicherungsträgers keine unangemessenen Verhandlungsnachteile entstehen sollen, beispielsweise weil ein Kaufentschluss an sich feststeht, man im Verhandlungswege aber noch gerne den Kaufpreis reduzieren würde (vgl. Palsherm in Juris-PK SGB IV, § 63 Rn. 30). Vorliegend war ein Mietgeschäft jedoch nur mittelbar mitbetroffen. Verhandlungsnachteile für die Beklagte waren dabei nicht zu befürchten, da das mitbetroffene Mietgeschäft bereits in der Vergangenheit lag. Der Amtsenthebungsbeschluss der Beklagten vom 4. März 2010 ist mithin nichtig (ebenso Becher/Plate, Selbstverwaltungsrecht der Sozialversicherung, E § 63 Nr. 3.2, S. 7; I. Palsherm in Schlegel/Voelzke, Juris-PK SGB IV, § 63 Rn. 28), wenigstens jedoch formell rechtswidrig. Die Verletzung des Öffentlichkeitsgebots zählt nicht zu den nach § 41 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) heilbaren Verfahrensfehlern und ebenso wenig ist i.S.d. § 42 Satz 1 SGB X offensichtlich, dass der fehlerhafte Ausschluss der Öffentlichkeit die Entscheidung des Verwaltungsrats der Antragsgegnerin in der Sache nicht beeinflusst hat. Auf die Frage der materiellen Rechtmäßigkeit des Amtsenthebungsbeschlusses, also darauf, ob überhaupt Gründe für eine Amtsenthebung vorgelegen haben, kommt es daher nicht mehr an. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG iVm § 154 Abs. 1 VwGO. Gründe für eine Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.
Rechtskraft
Aus
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