Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 1 SB 2470/16
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 4718/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Einem zweiten Verlegungsantrag muss auch bei geltend gemachter besonderer Qualifikation eines Prozessbevollmächtigten nicht stattgegeben werden, da (insbesondere bei einer insgesamt mandatierten Sozietät von Rechtsanwälten) die Entsendung eines Unterbevollmächtigten aufgrund der wegen des Zeitablaufs gesteigerten Prozessförderungspflicht der Beteiligten erwartet werden kann.
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Karlsruhe vom 17. November 2016 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.
Der 1955 geborene Kläger ist französischer Staatsangehöriger und wohnt in Frankreich. Er ist verheiratet, kinderlos und als Installateur im Kunden- und Wartungsdienst bei einem deutschen Arbeitgeber mit Sitz in B. angestellt. Zwar verrichtet er dort gegenwärtig keine Beschäftigung und wird auch nicht bezahlt, nominell besteht das Arbeitsverhältnis aber mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ungekündigt fort. Von der D.R. R. erhält er aufgrund des Bescheides vom 31. Oktober 2013 eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung seit dem 1. Juli 2010. Wegen eines Dickdarmkarzinoms, das im Jahr 2002 operativ entfernt und mit Chemotherapie behandelt wurde, war bei ihm mit Bescheid vom 11. Mai 2004 der GdB mit 50 seit 1. Dezember 2002 bis zur Aufhebung wegen Eintritts der Heilungsbewährung mit Bescheid vom 17. Februar 2006 festgestellt worden.
Am 28. Mai 2015 beantragte der Kläger wiederum die Feststellung des GdB und machte geltend, unter vielfachen gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere psychischer und viszeralchirurgischer Art zu leiden. Hierzu legte er ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit R. vom 2. März 2011 vor, worin von einer Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 3 Stunden täglich ausgegangen wird, weil es nach einer erfolgreichen Behandlung einer Geschwulsterkrankung zu Narbenbeschwerden mit Hinweisen auf die Entwicklung einer chronischen Schmerzsymptomatik gekommen sei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung stellte das Landratsamt R. mit Bescheid vom 19. August 2015 wegen eines Teilverlusts des Dickdarms und eines chronischen Schmerzsyndroms den GdB mit 20 seit 28. Mai 2015 fest.
Im dagegen mit dem Ziel der Zuerkennung eines GdB von 50 geführten Widerspruchsverfahrens legte der Kläger die im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht S. (S 7 R 1071/11) und Landessozialgericht R. (L 2 R 349/13) um die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Berufungsinstanz eingeholten ärztlichen Gutachten vor.
Prof. Dr. R. (Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie) führte in seinem chirurgischen Gutachten vom 15. Juli 2015 nach klinischer Untersuchung des Klägers am 9. Juli 2015 aus, dass ihm im Jahr 2002 wegen eines Adenokarzinoms ein Teil des Dickdarms entfernt worden sei. Infolge von Infektionen sei es zweimal zu einer Nachoperation gekommen, bis dann eine Chemotherapie über sechs Zyklen durchgeführt worden sei. Im Jahr 2009 sei wegen einer Hernie am linken Narbenpol erneut nachoperiert worden, ein weiteres Mal im Jahr 2010 an der rechten Narbenseite und ein drittes Mal im Jahr 2014. Verblieben sei eine über dem rechten Mittelbauch rechts der Mittellinie horizontal verlaufende 19 cm lange reizlose Narbe. Die wiederholte Palpation sei unauffällig gewesen, zu keinem Zeitpunkt habe ein Narbendehiszenz im Faszienbereich oder gar eine erneute Bruchbildung festgestellt werden können und die Auskultation des Bauchraumes habe keine für einen Ileus typische Symptomatik ergeben. Der Kläger befinde sich in einem weitgehend altersgerechten Zustand. In Bezug auf das Krebsleiden sei es zu einer Rezidivfreiheit gekommen, so dass nach dem heutigen Stand der Wissenschaft insoweit von einer normalen Lebenserwartung ausgegangen werden könne. Er sei aber nicht gänzlich beschwerdefrei. Zwar habe entgegen seiner anamnestischen Angaben keinerlei Hinweis auf eine Rezidivhernie gefunden werden können, es bestünde aber ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychischer Traumatisierung. Zudem läge ein leichter Rundrücken im Bereich der Brustwirbelsäule vor und die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei adipositasbedingt etwas eingeschränkt, aber ohne wesentliche Auffälligkeiten (Finger-Boden-Abstand 20 cm, Zeichen nach Ott 30/31 cm und nach Schober 10/13,5 cm).
In ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 5. Februar 2014 nannte die Neurologin und Psychiaterin Dr. E. nach Untersuchung des Klägers am 23. Januar 2014 als Diagnosen eine Anpassungsstörung (F43.22 ICD-10 GM) sowie eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41 ICD-10 GM). In psychopathologischer Hinsicht stünden bei ihm Ängste vor einer anhaltenden Darmeinklemmung und daraus möglicherweise notwendiger weiterer Bauchoperationen im Vordergrund. Aufgrund dessen komme es zu vermehrter Grübelneigung, zum Auftreten von Zukunftsängsten und zu Schlafstörungen. Er sei bewusstseinsklar und geistesgegenwärtig sowie zu Zeit, Ort, Situation und Person gut orientiert. Die mnestischen Funktionen seien unauffällig, die affektive Schwingungsfähigkeit sei etwas eingeschränkt und zum depressiven Pol verschoben. Der formale Gedankengang sei eingeengt auf die Zukunftsängste, das Schmerzempfinden und die Verbitterung über die Situation, in der er sich ungerecht behandelt fühle, nämlich permanent so als werde ihm gesagt, er würde etwas ausnutzen. Anzeichen für inhaltliche Denkstörungen oder Wahnerleben hätten nicht vorgelegen. Er habe berichtet, generell überhaupt keinen Antrieb mehr zu haben, irgendetwas zu tun, manchmal gar nicht erst ins Bett zu gehen und daher morgens auch nicht aufstehen zu müssen. Dann sitze er den ganzen Tag nur auf dem Sofa, denke nach und weine. Wenn seine Frau da sei, nehme er regelmäßig Mahlzeiten zu sich, wenn sie nicht da sei, esse er nur unregelmäßig. Die Fähigkeiten des Klägers zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, seine Flexibilität, Umstellungsfähigkeit und Fähigkeit zur Initiierung von Spontanaktivitäten seien dadurch leicht eingeschränkt. Mit qualitativen Einschränkungen sei er noch in der Lage, einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Der versorgungsärztliche Dienst wertete die Unterlagen aus und beurteilte den Teilverlust des Dickdarms sowie das chronische Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20, die seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10. insgesamt schlug er einen GdB von 30 vor. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2015 half das Landratsamt R. dem Widerspruch teilweise ab und stellte den GdB mit 30 seit 28. Mai 2015 fest.
Der Kläger überreichte noch das ebenfalls im Rentenverfahren vom Landessozialgericht R. eingeholte gastroenterologische Gutachten von Prof. Dr. J. (Direktor der Medizinischen Klinik C des Klinikums der Stadt L.) vom 1. Dezember 2015, worin der Kläger von intermittierenden Schmerzattacken berichtete, die an manchen Tagen gar nicht und an anderen mehrmals auftreten würden. Die Schmerzen habe er im Bauch, dann müsse er aufstehen und die Schmerzen legten sich daraufhin innerhalb von 15 Minuten. Zu dieser Beschwerdesymptomatik sei es in der klinischen Untersuchung am 1. Oktober 2015 einmalig gekommen. Sonografisch bestünde kongruent zur klinischen Untersuchung der Verdacht auf eine kleine 1,5 cm breite Restnarbenhernie. Für die vom Kläger beschriebenen Schmerzattacken finde sich kein Nachweis von Sekundärphänomenen (Spiegelbildung, weite Darmschlingen) von rezidivierenden Einklemmungen, wie er sie befürchte. Er komme zudem ohne Schmerzmittel aus und führe keine entsprechende analgetische Therapie durch. Es bestünde eine diffuse Durchfallsymptomatik mit breiigen Stühlen nicht regelhaft ein- bis zweimal pro Woche bei einer Durchfallfrequenz von drei bis vier pro Tag. Seine Nachtruhe sei dadurch nicht gestört und diese Beschwerden stünden auch nicht im Vordergrund. Er sei in gutem Allgemeinzustand und habe Übergewicht bei einer Körpergröße von 1,73 m und 90 kg Gewicht (BMI = 30).
Nachdem der versorgungsärztliche Dienst zu dem Ergebnis gekommen war, dass nach diesem Gutachten keine wesentliche gesundheitliche Störung im Bauchraum vorliege, zwar eine kleine Resthernie im Bereich der OP-Narbe bestehe, der Darmbefund an sich aber blande und die Durchfälle nicht anhaltend, eine Auswirkung auf den Kräfte- oder Ernährungszustand bei dem übergewichtigen Kläger vielmehr nicht erkennbar seien, wies das Regierungspräsidium S. den Widerspruch mit am 19. Mai 2016 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2016 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Juni 2016 beim Sozialgericht S. Klage erhoben, das diese mit Beschluss vom 18. Juli 2016 an das Sozialgericht K. (SG) verwiesen hat. Er hat eine Bescheinigung des Psychiaters Dr. Z. über eine Mitte September 2016 begonnene Behandlung wegen einer akuten psychischen Dekompensation vorgelegt. Das SG hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Teilverlust des Dickdarms insbesondere aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens von Prof. Dr. J. unter Einschluss des chronischen Schmerzsyndroms zutreffend mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt worden sei. Auch die Bewertung des Funktionskomplexes "Psyche" sei mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend, da der Kläger nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. E. insgesamt an nur leichtgradig ausgeprägten psychischen Veränderungen leide. Die Bescheinigung von Dr. Z. führe zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich danach um eine akute psychische Dekompensation handele und damit von einer nur vorübergehenden Gesundheitsstörung auszugehen sei. Der Einzel-GdB von 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei nicht zu beanstanden, denn nach den Befunden von Prof. Dr. R. lägen nur geringe funktionelle Auswirkungen an der Lenden- und Brustwirbelsäule des Klägers vor, er stehe zudem nicht in orthopädischer Behandlung.
Gegen die ihm am 25. November 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 20. Dezember 2016 Berufung beim Landessozialgericht B. eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, dass seine Leiden unterbewertet worden seien. Der behandelnde Arzt bescheinige eine mittelschwere psychische Störung, die bei jahrelangem Verlauf, hieraus resultierender Berufsunfähigkeit und ausbleibender Besserung naheliegend sei. Eine Überschneidung mit dem viszeralchirurgischen Leiden vermöge nicht einen Teil-GdB, der in den höheren Bereich zwischen 30 und 40 gehöre, auf einen Teil-GdB von 20 herunterzurechnen. Dabei werde übersehen, dass sich das psychische Leiden verselbstständigt habe. Insgesamt sei deshalb ein GdB von 50 angemessen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 17. November 2016 und die Bescheide vom 19. August 2015 und 23. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 teilweise aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihm den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 28. Mai 2015 festzustellen, hilfsweise ihm für die Antragstellung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und im Rahmen dessen ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. E., Universitätsklinikum F., einzuholen beziehungsweise ihn von Amts wegen zum Beweis der Tatsache, dass bei ihm ein Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 28. Mai 2015 vorliegt, zu begutachten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, dass die klägerischen Einwände keine neuen Gesichtspunkte zum Streitgegenstand beinhalteten.
Der damalige Berichterstatter hat die schriftliche sachverständige Zeugenauskunft des behandelnden Psychiaters Dr. Z. vom 25. März 2017 eingeholt, der darin die Diagnose einer Anpassungsstörung (F43.22 ICD-10 GM) und einer Persönlichkeitsstörung mit ängstlich zwanghaften Zügen (F61.0 ICD-10 GM) gestellt hat. Die psychische Erkrankung könne als mittelschwer bezeichnet werden. Die psychiatrische-psychotherapeutische Betreuung mit Antidepressiva sei wegen der Nebenwirkungen nicht fortgeführt worden. Es werde eine stützende Psychotherapie durchgeführt. Psychopharmaka wegen einer Verschlechterung und schlechter Anpassung an die Therapie würden nicht verabreicht. Behandlungstermine hätten stattgefunden am 12. und 27. September, 11. und 25. Oktober und 21. November 2016 sowie 5. Januar und 7. März 2017.
Zudem hat der damalige Berichterstatter die über den Kläger bei der D.R. R. geführte Rentenakte sowie die Akten zum Rentenverfahren vor dem Sozialgerichts S. und Landessozialgericht R. beigezogen. Darin haben sich zusätzlich das vom Ärztlichen Dienst der D.R. B. durch den Lungenarzt und Sozialmediziner Dr. H. erstellte Gutachten vom 23. Juli 2010 sowie das vom Sozialgericht S. beim Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eingeholte Gutachten vom 9. Juli 2012 und das vom Landessozialgericht R. beim Leitenden Oberarzt der Klink für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie des St. V. und E. Hospitals in M. Dr. M. erhobene Gutachten vom 30. März 2015 befunden. Das Ergebnis in jedem dieser Gutachten hat gelautet, dass der Kläger noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Dr. S. hat zudem mitgeteilt, dass er für eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert keinen Anhalt finde.
Der jetzige Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 17. August 2017 erörtert. Der Kläger hat angegeben, den ganzen Tag nur rumzusitzen, was daher komme, dass er durch das Rentenverfahren belastet sei. Ihm ist für einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Benennung eines Arztes und Einzahlung eines Kostenvorschusses eine Frist von vier Wochen nach Zugang des Protokolls beim Prozessbevollmächtigten gesetzt worden. Dieses ist am 28. August 2017 zugestellt worden. Während der Kostenvorschuss am 22. September 2017 eingegangen ist, hat der Kläger erst am 9. Oktober 2017 Prof. Dr. E. als Wahlgutachter benannt und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Der Punkt "Benennung eines Arztes" sei aufgrund eines Büroversehens nicht im Fristenkalender notiert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m.w.N.) zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Er hat bis aktuell keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 seit dem 28. Mai 2015. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gegenstand der Klage ist im Berufungsverfahren ein Anspruch auf eine erneute Erstfeststellung des GdB mit 50. Diesem Begehren stehen der Bescheid vom 19. August 2015 und 23. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 entgegen, da sie das SG nicht zumindest teilweise aufhob. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), die vorliegend am 22. Februar 2018 stattfand.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers – und seines Bevollmächtigten – aufgrund der mündlichen Verhandlung über seine Berufung entscheiden, da er ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG). Mit der Terminsmitteilung wurde er darüber unterrichtet, dass im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Termin war auch nicht wegen einer Verhinderung des Klägerbevollmächtigten – erneut – zu verlegen. Nachdem bereits der ursprünglich für den 7. Dezember 2017 angesetzte Termin wegen einer Verhinderung aufgehoben worden war, ist der erneute Verlegungsantrag wegen eines – nur behaupteten, aber nicht glaubhaft gemachten – "seit längerer Zeit anberaumten Termins beim Oberlandesgericht K." abzulehnen, da der Klägerbevollmächtigte Mitglied einer Sozietät von Rechtsanwälten ist und der Termin ohne Weiteres von einem anderen Mitglied der mangels ausdrücklich mitgeteilter Beschränkung insgesamt mandatierten Sozietät hätte wahrgenommen werden können (vgl. Schmidt, in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 110 Rz. 5 m.w.N.). Auch liegen keine besonderen Umstände vor, die ausnahmsweise dennoch eine Verlegung erfordern würden. Dies mag zwar hinsichtlich der besonderen Qualifikation eines Prozessbevollmächtigten bei einem ersten Verhinderungsfall wegen einer Terminskollision in Betracht kommen (BSG, Beschluss vom 30. September 2015 - B 3 KR 23/15 B -, juris, Rz. 14), hier handelt es sich jedoch bereits um den zweiten Verlegungsantrag, so dass im Hinblick auf die deshalb aufgrund des Zeitablaufs gesteigerten Prozessförderungspflichten der Beteiligten entweder die Entsendung eines Unterbevollmächtigten zum hiesigen Termin oder ggf. zum kollidierenden erwartet werden kann.
Den Antrag des Klägers, ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG bei Prof. Dr. E. einzuholen, lehnt der Senat nach § 109 Abs. 2 SGG ab, weil sich durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dem Kläger war im Erörterungstermin am 17. August 2017 aufgegeben worden, für einen Antrag nach § 109 SGG binnen vier Wochen nach Zugang des Protokolls beim Prozessbevollmächtigten einen Arzt zu benennen. Obwohl die Zustellung des Protokolls am 28. August 2017 erfolgt ist, hat der Kläger erst am 9. Oktober 2017 Prof. Dr. E. als Arzt benannt und damit die gesetzte Frist nicht eingehalten. Dieses Versäumnis beruht nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten auf dessen grober Nachlässigkeit, da der Punkt "Benennung eines Arztes" aufgrund eines Büroversehens nicht im Fristenkalender notiert worden war. Ein Rechtsanwalt – zumal wie hier Fachanwalt für Sozialrecht – muss wissen, dass ein wirksamer Antrag nach § 109 SGG überhaupt erst vorliegt, wenn ein bestimmter Arzt namentlich bezeichnet worden ist (Keller, a.a.O., § 109 Rz. 4). Die Fristsetzung also nur auf die Einzahlung des Kostenvorschusses zu beziehen und nicht auf die Benennung eines Arztes, ist bereits für sich grob nachlässig. Der Bezug auf ein "Büroversehen" ist darüber hinaus nicht geeignet, den Prozessbevollmächtigten zu exkulpieren, bei dem zumindest das Organisations- und Auswahlverschulden verbleibt, nicht genügend dafür Sorge getragen zu haben, dass der Fristenkalender ordnungsgemäß geführt wird, wozu im Übrigen nichts dargelegt worden ist. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zuzurechnen (Keller, a.a.O., § 109 Rz. 11).
Den zugleich mit der Benennung des Arztes gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnt der Senat ebenfalls ab. Nach § 67 Abs. 1 SGG kann Wiedereinsetzung nur in gesetzliche Fristen gewährt werden, dem Wortlaut nach aber nicht in richterliche (BSG, Beschluss vom 3. Juni 2008 - B 2 U 312/07 B -, juris, Rz. 3), soweit das Gesetz (wie z.B. in § 92 Abs. 2 Satz 3 SGG) nichts Abweichendes anordnet (Keller, a.a.O., § 67 Rz. 2c). Eine Wiedereinsetzung in die richterliche Frist zur Antragstellung nach § 109 SGG scheidet also von vornherein aus. Selbst wenn eine Wiedereinsetzung zudem grundsätzlich in Betracht käme, wäre das Erfordernis eines unverschuldeten Fristversäumnisses nicht gegeben, da die Nichteinhaltung der Frist auf der vorangehend dargestellten groben Nachlässigkeit beruht und mithin verschuldet ist.
Weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen war im Hinblick auf die umfangreich vorliegenden Gutachten aus dem Rentenverfahren nicht veranlasst.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger französischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Frankreich ist. Denn bei behinderten Menschen mit Auslandswohnsitz ist auf Antrag der GdB festzustellen, wenn dem behinderten Menschen trotz seines ausländischen Wohnsitzes aus der Feststellung seines GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können, die keinen Inlandswohnsitz voraussetzen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 2/07 R -, juris, Rz. 20 ff.). Der Kläger hat Rentenanwartschaften bei der D.R. R. erworben und könnte bei Feststellung eines GdB von 50 einen Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geltend machen, der keinen Wohnsitz im Inland voraussetzt. Zudem knüpft § 2 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung für den Schwerbehindertenbegriff neben dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt auch an eine rechtmäßige Beschäftigung oder einen Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches an. Einen solchen Arbeitsplatz hat der Kläger bei seinem Arbeitgeber in B. mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich inne, auch wenn er dort gegenwärtig keine Arbeitsleistung erbringt.
Nach § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Solange diese Rechtsverordnung nicht erlassen ist, gelten nach der Übergangsregelung in § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der auf Grund des § 30 Absatz 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierbei handelt es sich um die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), die unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG regelt (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, Rz. 10 m.w.N. und vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab 28. Mai 2015 mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet sind.
Der Teilverlust des Dickdarms bedingt beim Kläger in Bezug auf das Funktionssystem "Verdauungsorgane" einen Teil-GdB von 20.
Bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals ist gemäß den VG, Teil B, Nr. 10.2 der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Nach den VG, Teil B, Nr. 10.2.2 ist für chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion) ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen ein GdB von 0 bis 10 vorgesehen, mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle, Spasmen) ist ein GdB von 20 bis 30 anzunehmen und mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes ein GdB von 40 bis 50.
Dem chirurgischen Gutachten von Prof. Dr. R. – das der Senat als Sachverständigenbeweis gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO verwertet – ist zu entnehmen, dass dem Kläger im Jahr 2002 wegen eines Adenokarzinoms ein Teil des Dickdarms entfernt worden ist. Infolge von Infektionen ist es zweimal zu einer Nachoperation gekommen, bis dann eine Chemotherapie über sechs Zyklen durchgeführt worden ist. Im Jahr 2009 musste wegen einer Hernie am linken Narbenpol erneut nachoperiert werden, ein weiteres Mal im Jahr 2010 an der rechten Narbenseite und ein drittes Mal im Jahr 2014. Verblieben ist allerdings nur eine über dem rechten Mittelbauch rechts der Mittellinie horizontal verlaufende 19 cm lange reizlose Narbe, wie der Sachverständige bei der klinischen Untersuchung des Klägers am 9. Juli 2015 festgestellt hat. Die wiederholte Palpation war unauffällig, zu keinem Zeitpunkt konnte ein Narbendehiszens im Faszienbereich oder gar eine erneute Bruchbildung festgestellt werden und die Auskultation des Bauchraumes ergab keine für einen Ileus typische Symptomatik. Für den Senat nachvollziehbar kommt der Sachverständige daher zu der Beurteilung, dass sich der Kläger in einem weitgehend altersgerechten Zustand befindet. In Bezug auf das Krebsleiden ist es zu einer Rezidivfreiheit gekommen; das Krebsleiden ist mithin ausgeheilt. Der Sachverständige hält den Kläger allerdings nicht gänzlich für beschwerdefrei. Zwar konnte entgegen den anamnestischen Angaben keinerlei Hinweis auf eine Rezidivhernie gefunden werden, der Sachverständige diagnostizierte insoweit aber (allerdings fachfremd) ein "chronisches Schmerzsyndrom mit psychischer Traumatisierung".
Im – ebenfalls als Sachverständigenbeweis gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO verwerteten – gastroenterologischen Gutachten von Prof. Dr. J. berichtet der Kläger denn auch von intermittierenden Schmerzattacken, die an manchen Tagen gar nicht und an anderen mehrmals auftreten. Zudem ergab sich sonografisch kongruent zur klinischen Untersuchung am 1. Oktober 2015 der Verdacht auf eine kleine 1,5 cm breite Restnarbenhernie. Für die vom Kläger beschriebenen Schmerzattacken fand sich allerdings kein Nachweis von Sekundärphänomenen (Spiegelbildung, weite Darmschlingen) von rezidivierenden Einklemmungen. Er gab zudem an, ohne Schmerzmittel auszukommen und eine entsprechende analgetische Therapie wird nicht durchgeführt. Hinsichtlich einer diffusen Durchfallsymptomatik mit breiigen Stühlen gab der Kläger an, dass diese nicht regelhaft bestehe (ein- bis zweimal pro Woche mit einer Durchfallfrequenz von drei bis vier pro Tag). Seine Nachtruhe wird dadurch nach seinen eigenen Angaben nicht gestört und diese Beschwerden stehen für ihn auch nicht im Vordergrund.
Zusammenfassend ist danach ein höherer Teil-GdB als 10 lediglich aufgrund der Schmerzsymptomatik ("chronisches Schmerzsyndrom") begründbar, da der Kräfte- und Ernährungszustand des Klägers nicht gemindert, sondern im Gegenteil kaum beeinträchtigt ist. Nicht nur Prof. Dr. R. beurteilte seinen Zustand als weitestgehend altersgerecht, auch Prof. Dr. J. teilte diese Einschätzung, nannte den Allgemeinzustand sogar gut und stellte beim Kläger darüber hinaus übereinstimmend mit Prof. Dr. R. Übergewicht bei einer Körpergröße von 1,73 m und 90 kg Gewicht (BMI = 30) fest. Die Durchfallsymptomatik hat somit ersichtlich keine durchgreifende Auswirkung auf den Ernährungszustand und stellt auch sonst keine wesentliche Beeinträchtigung dar, da sie weder die Nachtruhe stört noch eine besondere Diätkost erfordert; sie ist auch nicht besonders häufig und steht nach der eigenen Einlassung des Klägers zudem gar nicht im Vordergrund der Beschwerden. Zwar konnten beide Sachverständigen kein organisches Korrelat für die geklagten Schmerzen finden und der Kläger nimmt auch keine entsprechenden Schmerzmittel, aber Anhaltspunkte für Simulation wurden ebenfalls von keinem Sachverständigen berichtet. Stattdessen führte Prof. Dr. J. an, dass es während seiner Untersuchung einmalig zur geschilderten Beschwerdesymptomatik kam, bei der dieser Schmerzen im Bauch hat und deswegen aufstehen muss, bis sich der Schmerz innerhalb von 15 Minuten wieder legt. Unter Berücksichtigung dieser Anfälle und ihres intermittierenden Auftretens (nach den Angaben des Klägers an manchen Tagen mehrmals, an manchen Tagen aber auch gar nicht) ist ein Teil-GdB von 20 gerechtfertigt, aber auch ausreichend.
In Bezug auf das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ist die psychische Störung des Klägers mit einem Teil-GdB von 20 zu beurteilen.
Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 ist für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und die Folgen psychischer Traumen ein GdB von 0 bis 20 anzunehmen, wenn leichtere psychovegetative oder psychische Störungen vorliegen. Ein GdB von 30 bis 40 ist für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit angemessen. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 - B 9 V 12/17 B -, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Urteil des Senats vom 12. Januar 2017 - L 6 VH 2746/15 -, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine "wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der "sozialen Anpassungsschwierigkeiten" fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztliche Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. auch LSG B., Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris, Rz. 31).
Beim Kläger liegt diagnostisch eine Anpassungsstörung (F43.22 ICD-10 GM) vor. Dies entnimmt der Senat dem als Sachverständigenbeweis gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO verwerteten Gutachten von Dr. E ... Auch der behandelnde Psychiater Dr. Z. stellt in seiner Zeugenauskunft vom 25. März 2017 diese Diagnose sowie die einer Persönlichkeitsstörung mit ängstlich zwanghaften Zügen (F61.0 ICD-10 GM). Dr. E. nennt zudem noch die Diagnose einer anhaltenden Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41 ICD-10 GM). Welche genaue diagnostische Einordnung zutrifft, muss der Senat allerdings nicht entscheiden, denn für die Bewertung mit einem GdB sind allein die daraus folgenden Funktionseinbußen relevant.
In diesem Rahmen liegt beim Kläger noch keine wesentliche Einschränkung der Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit vor.
In psychopathologischer Hinsicht stehen beim Kläger Ängste vor einer anhaltenden Darmeinklemmung und daraus möglicherweise notwendiger weiterer Bauchoperationen im Vordergrund. Aufgrund dessen kommt es zu vermehrter Grübelneigung, zum Auftreten von Zukunftsängsten und zu Schlafstörungen. Diese Feststellungen von Dr. E. begründen auf psychisch-emotionaler wie auch auf körperlich-funktioneller Ebene lediglich geringfügige Einbußen. So war der Kläger bei ihrer Untersuchung bewusstseinsklar und geistesgegenwärtig sowie zu Zeit, Ort, Situation und Person gut orientiert. Die mnestischen Funktionen waren unauffällig, die affektive Schwingungsfähigkeit war etwas eingeschränkt und zum depressiven Pol verschoben. Zwar war der formale Gedankengang eingeengt auf die Zukunftsängste, das Schmerzempfinden und die Verbitterung über Situationen, in welchen sich der Kläger ungerecht behandelt fühlt, nämlich permanent so als würde ihm gesagt, er würde etwas ausnutzen. Anzeichen für inhaltliche Denkstörungen oder gar für Wahnerleben lagen aber nicht vor.
Auch auf sozial-kommunikativem Gebiet ist eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht erkennbar. Zwar berichtete der Kläger in der Untersuchung bei Dr. E., dass er generell überhaupt keinen Antrieb mehr hat, irgendetwas zu tun. Er geht manchmal gar nicht erst ins Bett, um morgens auch nicht aufstehen zu müssen. Dann sitzt er den ganzen Tag nur auf dem Sofa, denkt nach und weint. Wenn seine Frau da ist, nimmt er regelmäßig Mahlzeiten zu sich, wenn sie nicht da ist, isst er nur unregelmäßig. Dies deckt sich mit seinen Angaben im Erörterungstermin, wonach er den ganzen Tag nur rumsitzt, was daher kommt, dass er durch das Rentenverfahren belastet ist. In Übereinstimmung mit Dr. E. geht der Senat daher davon aus, dass dadurch die Fähigkeiten des Klägers zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, seine Flexibilität, Umstellungsfähigkeit und Fähigkeit zur Initiierung von Spontanaktivitäten leicht eingeschränkt sind. Dies kann aber noch nicht als wesentlich bezeichnet werden. So geht Dr. E. davon aus, dass der Kläger mit qualitativen Einschränkungen noch einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Diese Einschätzung teilen darüber hinaus sämtliche Ärzte, die den Kläger im Rentenverfahren begutachtet haben (neben Prof. Dr. J. auch Dr. H., Dr. M. und insbesondere Dr. E. Fachkollege Dr. S., der für eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert zudem keinen Anhalt fand und mit dessen Einschätzung Dr. E. ausdrücklich vollinhaltlich übereinstimmt) und deren Gutachten der Senat im Rahmen des Sachverständigenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO) bzw. im Fall des Gutachtens von Dr. H. als Urkundsbeweis (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. ZPO) verwertet. Gegen eine mehr als leichte Einschränkung spricht zudem, dass der Kläger in der Lage ist, planvoll und strukturiert mehrere Rechtsstreitigkeiten jeweils bis in die Berufungsinstanz zu führen.
Bei seiner Einschätzung berücksichtigt der Senat auch, dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7 eine engmaschige psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung voraussetzt (vgl. LSG B., Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris, Rz. 31), die nicht gegeben ist. Zwar ist der Kläger nach der Auskunft seines Psychiaters Dr. Z. bei diesem seit dem 12. September 2016 wieder in psychotherapeutischer Behandlung, es finden jedoch nur unregelmäßige Sitzungen statt, zudem bereits wieder in Abständen von über einem Monat (zwei im September 2016, zwei im Oktober 2016, eine im November 2016, eine Anfang Januar 2016 und die letzte nachgewiesene Anfang März 2017). Eine medikamentöse Behandlung wird gar nicht durchgeführt.
Die beim Kläger wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen bedingen in Bezug auf das Funktionssystem "Rumpf" höchstens einen Teil-GdB von 10.
Nach den von Prof. Dr. R. festgestellten Bewegungseinschränkungen – auf die zur Beurteilung des GdB primär abzustellen ist – bestehen Beeinträchtigungen in der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule. So beträgt das Zeichen nach Ott 30/31 cm (Normalwert: 30/32 cm) und das Zeichen nach Schober 10/13,5 cm (Normalwert: 10/15 cm). Der Finger-Boden-Abstand, der normalerweise zwischen 0 und 10 cm liegt, beträgt beim Kläger 20 cm. Wesentliche Auffälligkeiten liegen damit nicht vor; die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist vielmehr nur leicht eingeschränkt, wie Prof. Dr. R. ausführt und als Folge der Adipositas bezeichnet. Eine fachorthopädische Behandlung findet zudem nicht statt, so dass deshalb auf einen nur geringen Leidensdruck beim Kläger zu schließen ist.
Vor diesem Hintergrund ist die Bewertung mit einem Teil-GdB von 10 angemessen, denn nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ist ein GdB von 20 erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen, während Wirbelsäulenschäden, die mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einhergehen, lediglich einen GdB von 10 rechtfertigen.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle des Klägers der Gesamt-GdB aus dem Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Verdauungsorgane", aus dem Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" sowie dem Teil-GdB von 10 für das Funktionssystem "Rumpf" zu bilden. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Teil-GdB für das Funktionssystem "Verdauungsorgane" bereits die damit verbundenen üblichen seelischen Begleiterscheinungen berücksichtigt (VG, Teil A, Nr. 2 i), was grundsätzlich auch für die Berücksichtigung von Schmerzen gilt (VG, Teil A, Nr. 2 j). Nur die über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit bzw. ausgeprägte seelische Störungen mit einem eigenen Krankheitswert können insoweit im Rahmen des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche" eigenständige Bedeutung für die Bemessung des GdB erlangen. Vor dem Hintergrund der Überschneidung der dargestellten Leiden in diesen Funktionsbereichen erreicht der Gesamt-GdB daher lediglich 30 seit 28. Mai 2015 bis aktuell.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung des Grades der Behinderung (GdB) mit 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft.
Der 1955 geborene Kläger ist französischer Staatsangehöriger und wohnt in Frankreich. Er ist verheiratet, kinderlos und als Installateur im Kunden- und Wartungsdienst bei einem deutschen Arbeitgeber mit Sitz in B. angestellt. Zwar verrichtet er dort gegenwärtig keine Beschäftigung und wird auch nicht bezahlt, nominell besteht das Arbeitsverhältnis aber mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden ungekündigt fort. Von der D.R. R. erhält er aufgrund des Bescheides vom 31. Oktober 2013 eine unbefristete Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung seit dem 1. Juli 2010. Wegen eines Dickdarmkarzinoms, das im Jahr 2002 operativ entfernt und mit Chemotherapie behandelt wurde, war bei ihm mit Bescheid vom 11. Mai 2004 der GdB mit 50 seit 1. Dezember 2002 bis zur Aufhebung wegen Eintritts der Heilungsbewährung mit Bescheid vom 17. Februar 2006 festgestellt worden.
Am 28. Mai 2015 beantragte der Kläger wiederum die Feststellung des GdB und machte geltend, unter vielfachen gesundheitlichen Beeinträchtigungen insbesondere psychischer und viszeralchirurgischer Art zu leiden. Hierzu legte er ein Gutachten des Ärztlichen Dienstes der Agentur für Arbeit R. vom 2. März 2011 vor, worin von einer Leistungsfähigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 3 Stunden täglich ausgegangen wird, weil es nach einer erfolgreichen Behandlung einer Geschwulsterkrankung zu Narbenbeschwerden mit Hinweisen auf die Entwicklung einer chronischen Schmerzsymptomatik gekommen sei. Nach versorgungsärztlicher Auswertung stellte das Landratsamt R. mit Bescheid vom 19. August 2015 wegen eines Teilverlusts des Dickdarms und eines chronischen Schmerzsyndroms den GdB mit 20 seit 28. Mai 2015 fest.
Im dagegen mit dem Ziel der Zuerkennung eines GdB von 50 geführten Widerspruchsverfahrens legte der Kläger die im Rechtsstreit vor dem Sozialgericht S. (S 7 R 1071/11) und Landessozialgericht R. (L 2 R 349/13) um die Gewährung einer Rente wegen voller Erwerbsminderung in der Berufungsinstanz eingeholten ärztlichen Gutachten vor.
Prof. Dr. R. (Facharzt für Chirurgie/Unfallchirurgie) führte in seinem chirurgischen Gutachten vom 15. Juli 2015 nach klinischer Untersuchung des Klägers am 9. Juli 2015 aus, dass ihm im Jahr 2002 wegen eines Adenokarzinoms ein Teil des Dickdarms entfernt worden sei. Infolge von Infektionen sei es zweimal zu einer Nachoperation gekommen, bis dann eine Chemotherapie über sechs Zyklen durchgeführt worden sei. Im Jahr 2009 sei wegen einer Hernie am linken Narbenpol erneut nachoperiert worden, ein weiteres Mal im Jahr 2010 an der rechten Narbenseite und ein drittes Mal im Jahr 2014. Verblieben sei eine über dem rechten Mittelbauch rechts der Mittellinie horizontal verlaufende 19 cm lange reizlose Narbe. Die wiederholte Palpation sei unauffällig gewesen, zu keinem Zeitpunkt habe ein Narbendehiszenz im Faszienbereich oder gar eine erneute Bruchbildung festgestellt werden können und die Auskultation des Bauchraumes habe keine für einen Ileus typische Symptomatik ergeben. Der Kläger befinde sich in einem weitgehend altersgerechten Zustand. In Bezug auf das Krebsleiden sei es zu einer Rezidivfreiheit gekommen, so dass nach dem heutigen Stand der Wissenschaft insoweit von einer normalen Lebenserwartung ausgegangen werden könne. Er sei aber nicht gänzlich beschwerdefrei. Zwar habe entgegen seiner anamnestischen Angaben keinerlei Hinweis auf eine Rezidivhernie gefunden werden können, es bestünde aber ein chronisches Schmerzsyndrom mit psychischer Traumatisierung. Zudem läge ein leichter Rundrücken im Bereich der Brustwirbelsäule vor und die Beweglichkeit der Wirbelsäule sei adipositasbedingt etwas eingeschränkt, aber ohne wesentliche Auffälligkeiten (Finger-Boden-Abstand 20 cm, Zeichen nach Ott 30/31 cm und nach Schober 10/13,5 cm).
In ihrem nervenärztlichen Gutachten vom 5. Februar 2014 nannte die Neurologin und Psychiaterin Dr. E. nach Untersuchung des Klägers am 23. Januar 2014 als Diagnosen eine Anpassungsstörung (F43.22 ICD-10 GM) sowie eine anhaltende Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41 ICD-10 GM). In psychopathologischer Hinsicht stünden bei ihm Ängste vor einer anhaltenden Darmeinklemmung und daraus möglicherweise notwendiger weiterer Bauchoperationen im Vordergrund. Aufgrund dessen komme es zu vermehrter Grübelneigung, zum Auftreten von Zukunftsängsten und zu Schlafstörungen. Er sei bewusstseinsklar und geistesgegenwärtig sowie zu Zeit, Ort, Situation und Person gut orientiert. Die mnestischen Funktionen seien unauffällig, die affektive Schwingungsfähigkeit sei etwas eingeschränkt und zum depressiven Pol verschoben. Der formale Gedankengang sei eingeengt auf die Zukunftsängste, das Schmerzempfinden und die Verbitterung über die Situation, in der er sich ungerecht behandelt fühle, nämlich permanent so als werde ihm gesagt, er würde etwas ausnutzen. Anzeichen für inhaltliche Denkstörungen oder Wahnerleben hätten nicht vorgelegen. Er habe berichtet, generell überhaupt keinen Antrieb mehr zu haben, irgendetwas zu tun, manchmal gar nicht erst ins Bett zu gehen und daher morgens auch nicht aufstehen zu müssen. Dann sitze er den ganzen Tag nur auf dem Sofa, denke nach und weine. Wenn seine Frau da sei, nehme er regelmäßig Mahlzeiten zu sich, wenn sie nicht da sei, esse er nur unregelmäßig. Die Fähigkeiten des Klägers zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, seine Flexibilität, Umstellungsfähigkeit und Fähigkeit zur Initiierung von Spontanaktivitäten seien dadurch leicht eingeschränkt. Mit qualitativen Einschränkungen sei er noch in der Lage, einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Der versorgungsärztliche Dienst wertete die Unterlagen aus und beurteilte den Teilverlust des Dickdarms sowie das chronische Schmerzsyndrom mit einem Einzel-GdB von 20, die seelische Störung mit einem Einzel-GdB von 20 und die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule mit einem Einzel-GdB von 10. insgesamt schlug er einen GdB von 30 vor. Mit Bescheid vom 23. Dezember 2015 half das Landratsamt R. dem Widerspruch teilweise ab und stellte den GdB mit 30 seit 28. Mai 2015 fest.
Der Kläger überreichte noch das ebenfalls im Rentenverfahren vom Landessozialgericht R. eingeholte gastroenterologische Gutachten von Prof. Dr. J. (Direktor der Medizinischen Klinik C des Klinikums der Stadt L.) vom 1. Dezember 2015, worin der Kläger von intermittierenden Schmerzattacken berichtete, die an manchen Tagen gar nicht und an anderen mehrmals auftreten würden. Die Schmerzen habe er im Bauch, dann müsse er aufstehen und die Schmerzen legten sich daraufhin innerhalb von 15 Minuten. Zu dieser Beschwerdesymptomatik sei es in der klinischen Untersuchung am 1. Oktober 2015 einmalig gekommen. Sonografisch bestünde kongruent zur klinischen Untersuchung der Verdacht auf eine kleine 1,5 cm breite Restnarbenhernie. Für die vom Kläger beschriebenen Schmerzattacken finde sich kein Nachweis von Sekundärphänomenen (Spiegelbildung, weite Darmschlingen) von rezidivierenden Einklemmungen, wie er sie befürchte. Er komme zudem ohne Schmerzmittel aus und führe keine entsprechende analgetische Therapie durch. Es bestünde eine diffuse Durchfallsymptomatik mit breiigen Stühlen nicht regelhaft ein- bis zweimal pro Woche bei einer Durchfallfrequenz von drei bis vier pro Tag. Seine Nachtruhe sei dadurch nicht gestört und diese Beschwerden stünden auch nicht im Vordergrund. Er sei in gutem Allgemeinzustand und habe Übergewicht bei einer Körpergröße von 1,73 m und 90 kg Gewicht (BMI = 30).
Nachdem der versorgungsärztliche Dienst zu dem Ergebnis gekommen war, dass nach diesem Gutachten keine wesentliche gesundheitliche Störung im Bauchraum vorliege, zwar eine kleine Resthernie im Bereich der OP-Narbe bestehe, der Darmbefund an sich aber blande und die Durchfälle nicht anhaltend, eine Auswirkung auf den Kräfte- oder Ernährungszustand bei dem übergewichtigen Kläger vielmehr nicht erkennbar seien, wies das Regierungspräsidium S. den Widerspruch mit am 19. Mai 2016 zur Post gegebenen Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2016 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Juni 2016 beim Sozialgericht S. Klage erhoben, das diese mit Beschluss vom 18. Juli 2016 an das Sozialgericht K. (SG) verwiesen hat. Er hat eine Bescheinigung des Psychiaters Dr. Z. über eine Mitte September 2016 begonnene Behandlung wegen einer akuten psychischen Dekompensation vorgelegt. Das SG hat nach vorheriger Anhörung der Beteiligten die Klage mit Gerichtsbescheid vom 17. November 2016 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass der Teilverlust des Dickdarms insbesondere aufgrund des Ergebnisses des Gutachtens von Prof. Dr. J. unter Einschluss des chronischen Schmerzsyndroms zutreffend mit einem Einzel-GdB von 20 berücksichtigt worden sei. Auch die Bewertung des Funktionskomplexes "Psyche" sei mit einem Teil-GdB von 20 ausreichend, da der Kläger nach den überzeugenden Darlegungen von Dr. E. insgesamt an nur leichtgradig ausgeprägten psychischen Veränderungen leide. Die Bescheinigung von Dr. Z. führe zu keinem anderen Ergebnis, weil es sich danach um eine akute psychische Dekompensation handele und damit von einer nur vorübergehenden Gesundheitsstörung auszugehen sei. Der Einzel-GdB von 10 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei nicht zu beanstanden, denn nach den Befunden von Prof. Dr. R. lägen nur geringe funktionelle Auswirkungen an der Lenden- und Brustwirbelsäule des Klägers vor, er stehe zudem nicht in orthopädischer Behandlung.
Gegen die ihm am 25. November 2016 zugestellte Entscheidung hat der Kläger am 20. Dezember 2016 Berufung beim Landessozialgericht B. eingelegt und im Wesentlichen vorgetragen, dass seine Leiden unterbewertet worden seien. Der behandelnde Arzt bescheinige eine mittelschwere psychische Störung, die bei jahrelangem Verlauf, hieraus resultierender Berufsunfähigkeit und ausbleibender Besserung naheliegend sei. Eine Überschneidung mit dem viszeralchirurgischen Leiden vermöge nicht einen Teil-GdB, der in den höheren Bereich zwischen 30 und 40 gehöre, auf einen Teil-GdB von 20 herunterzurechnen. Dabei werde übersehen, dass sich das psychische Leiden verselbstständigt habe. Insgesamt sei deshalb ein GdB von 50 angemessen.
Der Kläger beantragt,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts K. vom 17. November 2016 und die Bescheide vom 19. August 2015 und 23. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 teilweise aufzuheben sowie den Beklagten zu verpflichten, bei ihm den Grad der Behinderung mit 50 seit dem 28. Mai 2015 festzustellen, hilfsweise ihm für die Antragstellung nach § 109 Sozialgerichtsgesetz Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren und im Rahmen dessen ein Sachverständigengutachten bei Prof. Dr. E., Universitätsklinikum F., einzuholen beziehungsweise ihn von Amts wegen zum Beweis der Tatsache, dass bei ihm ein Grad der Behinderung von mindestens 50 seit dem 28. Mai 2015 vorliegt, zu begutachten.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung des Klägers zurückzuweisen.
Er trägt im Wesentlichen vor, dass die klägerischen Einwände keine neuen Gesichtspunkte zum Streitgegenstand beinhalteten.
Der damalige Berichterstatter hat die schriftliche sachverständige Zeugenauskunft des behandelnden Psychiaters Dr. Z. vom 25. März 2017 eingeholt, der darin die Diagnose einer Anpassungsstörung (F43.22 ICD-10 GM) und einer Persönlichkeitsstörung mit ängstlich zwanghaften Zügen (F61.0 ICD-10 GM) gestellt hat. Die psychische Erkrankung könne als mittelschwer bezeichnet werden. Die psychiatrische-psychotherapeutische Betreuung mit Antidepressiva sei wegen der Nebenwirkungen nicht fortgeführt worden. Es werde eine stützende Psychotherapie durchgeführt. Psychopharmaka wegen einer Verschlechterung und schlechter Anpassung an die Therapie würden nicht verabreicht. Behandlungstermine hätten stattgefunden am 12. und 27. September, 11. und 25. Oktober und 21. November 2016 sowie 5. Januar und 7. März 2017.
Zudem hat der damalige Berichterstatter die über den Kläger bei der D.R. R. geführte Rentenakte sowie die Akten zum Rentenverfahren vor dem Sozialgerichts S. und Landessozialgericht R. beigezogen. Darin haben sich zusätzlich das vom Ärztlichen Dienst der D.R. B. durch den Lungenarzt und Sozialmediziner Dr. H. erstellte Gutachten vom 23. Juli 2010 sowie das vom Sozialgericht S. beim Arzt für Innere Medizin, Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. S. eingeholte Gutachten vom 9. Juli 2012 und das vom Landessozialgericht R. beim Leitenden Oberarzt der Klink für Allgemein-, Viszeral- und Gefäßchirurgie des St. V. und E. Hospitals in M. Dr. M. erhobene Gutachten vom 30. März 2015 befunden. Das Ergebnis in jedem dieser Gutachten hat gelautet, dass der Kläger noch in der Lage sei, mindestens sechs Stunden täglich auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt erwerbstätig zu sein. Dr. S. hat zudem mitgeteilt, dass er für eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert keinen Anhalt finde.
Der jetzige Berichterstatter hat die Sach- und Rechtslage mit den Beteiligten am 17. August 2017 erörtert. Der Kläger hat angegeben, den ganzen Tag nur rumzusitzen, was daher komme, dass er durch das Rentenverfahren belastet sei. Ihm ist für einen Antrag nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) unter Benennung eines Arztes und Einzahlung eines Kostenvorschusses eine Frist von vier Wochen nach Zugang des Protokolls beim Prozessbevollmächtigten gesetzt worden. Dieses ist am 28. August 2017 zugestellt worden. Während der Kostenvorschuss am 22. September 2017 eingegangen ist, hat der Kläger erst am 9. Oktober 2017 Prof. Dr. E. als Wahlgutachter benannt und zugleich einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gestellt. Der Punkt "Benennung eines Arztes" sei aufgrund eines Büroversehens nicht im Fristenkalender notiert worden.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und die Verwaltungsakte des Beklagten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung des Klägers ist form- und fristgerecht (§ 151 Abs. 1 SGG) eingelegt worden sowie im Übrigen zulässig, insbesondere statthaft (§ 105 Abs. 2 Satz 1, § 143, § 144 Abs. 1 SGG), aber unbegründet. Das SG hat die als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage (§ 54 Abs. 1 Satz 1 SGG, vgl. zur Klageart BSG, Urteil vom 17. April 2013 - B 9 SB 6/12 R -, juris, Rz. 25 m.w.N.) zulässige Klage zu Recht abgewiesen. Er hat bis aktuell keinen Anspruch auf Feststellung eines höheren GdB als 30 seit dem 28. Mai 2015. Daher ist die angefochtene Verwaltungsentscheidung rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
Gegenstand der Klage ist im Berufungsverfahren ein Anspruch auf eine erneute Erstfeststellung des GdB mit 50. Diesem Begehren stehen der Bescheid vom 19. August 2015 und 23. Dezember 2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2016 entgegen, da sie das SG nicht zumindest teilweise aufhob. Die gerichtliche Nachprüfung richtet sich, bezogen auf die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, in Fällen einer kombinierten Anfechtungs- und Verpflichtungsklage grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz (Keller, in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, Kommentar zum SGG, 12. Aufl. 2017, § 54 Rz. 34), die vorliegend am 22. Februar 2018 stattfand.
Der Senat konnte in Abwesenheit des Klägers – und seines Bevollmächtigten – aufgrund der mündlichen Verhandlung über seine Berufung entscheiden, da er ordnungsgemäß zum Termin geladen worden war (§ 110 Abs. 1 Satz 1 SGG). Mit der Terminsmitteilung wurde er darüber unterrichtet, dass im Falle seines Ausbleibens verhandelt und entschieden werden kann (§ 110 Abs. 1 Satz 2 SGG).
Der Termin war auch nicht wegen einer Verhinderung des Klägerbevollmächtigten – erneut – zu verlegen. Nachdem bereits der ursprünglich für den 7. Dezember 2017 angesetzte Termin wegen einer Verhinderung aufgehoben worden war, ist der erneute Verlegungsantrag wegen eines – nur behaupteten, aber nicht glaubhaft gemachten – "seit längerer Zeit anberaumten Termins beim Oberlandesgericht K." abzulehnen, da der Klägerbevollmächtigte Mitglied einer Sozietät von Rechtsanwälten ist und der Termin ohne Weiteres von einem anderen Mitglied der mangels ausdrücklich mitgeteilter Beschränkung insgesamt mandatierten Sozietät hätte wahrgenommen werden können (vgl. Schmidt, in Mayer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, a.a.O., § 110 Rz. 5 m.w.N.). Auch liegen keine besonderen Umstände vor, die ausnahmsweise dennoch eine Verlegung erfordern würden. Dies mag zwar hinsichtlich der besonderen Qualifikation eines Prozessbevollmächtigten bei einem ersten Verhinderungsfall wegen einer Terminskollision in Betracht kommen (BSG, Beschluss vom 30. September 2015 - B 3 KR 23/15 B -, juris, Rz. 14), hier handelt es sich jedoch bereits um den zweiten Verlegungsantrag, so dass im Hinblick auf die deshalb aufgrund des Zeitablaufs gesteigerten Prozessförderungspflichten der Beteiligten entweder die Entsendung eines Unterbevollmächtigten zum hiesigen Termin oder ggf. zum kollidierenden erwartet werden kann.
Den Antrag des Klägers, ein Gutachten nach § 109 Abs. 1 Satz 1 SGG bei Prof. Dr. E. einzuholen, lehnt der Senat nach § 109 Abs. 2 SGG ab, weil sich durch die Zulassung die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und der Antrag aus grober Nachlässigkeit nicht früher vorgebracht worden ist. Dem Kläger war im Erörterungstermin am 17. August 2017 aufgegeben worden, für einen Antrag nach § 109 SGG binnen vier Wochen nach Zugang des Protokolls beim Prozessbevollmächtigten einen Arzt zu benennen. Obwohl die Zustellung des Protokolls am 28. August 2017 erfolgt ist, hat der Kläger erst am 9. Oktober 2017 Prof. Dr. E. als Arzt benannt und damit die gesetzte Frist nicht eingehalten. Dieses Versäumnis beruht nach dem Vortrag des Prozessbevollmächtigten auf dessen grober Nachlässigkeit, da der Punkt "Benennung eines Arztes" aufgrund eines Büroversehens nicht im Fristenkalender notiert worden war. Ein Rechtsanwalt – zumal wie hier Fachanwalt für Sozialrecht – muss wissen, dass ein wirksamer Antrag nach § 109 SGG überhaupt erst vorliegt, wenn ein bestimmter Arzt namentlich bezeichnet worden ist (Keller, a.a.O., § 109 Rz. 4). Die Fristsetzung also nur auf die Einzahlung des Kostenvorschusses zu beziehen und nicht auf die Benennung eines Arztes, ist bereits für sich grob nachlässig. Der Bezug auf ein "Büroversehen" ist darüber hinaus nicht geeignet, den Prozessbevollmächtigten zu exkulpieren, bei dem zumindest das Organisations- und Auswahlverschulden verbleibt, nicht genügend dafür Sorge getragen zu haben, dass der Fristenkalender ordnungsgemäß geführt wird, wozu im Übrigen nichts dargelegt worden ist. Das Verschulden des Prozessbevollmächtigten ist dem Kläger gemäß § 73 Abs. 6 Satz 7 SGG i.V.m. § 85 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) zuzurechnen (Keller, a.a.O., § 109 Rz. 11).
Den zugleich mit der Benennung des Arztes gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand lehnt der Senat ebenfalls ab. Nach § 67 Abs. 1 SGG kann Wiedereinsetzung nur in gesetzliche Fristen gewährt werden, dem Wortlaut nach aber nicht in richterliche (BSG, Beschluss vom 3. Juni 2008 - B 2 U 312/07 B -, juris, Rz. 3), soweit das Gesetz (wie z.B. in § 92 Abs. 2 Satz 3 SGG) nichts Abweichendes anordnet (Keller, a.a.O., § 67 Rz. 2c). Eine Wiedereinsetzung in die richterliche Frist zur Antragstellung nach § 109 SGG scheidet also von vornherein aus. Selbst wenn eine Wiedereinsetzung zudem grundsätzlich in Betracht käme, wäre das Erfordernis eines unverschuldeten Fristversäumnisses nicht gegeben, da die Nichteinhaltung der Frist auf der vorangehend dargestellten groben Nachlässigkeit beruht und mithin verschuldet ist.
Weitere Sachverhaltsaufklärung von Amts wegen war im Hinblick auf die umfangreich vorliegenden Gutachten aus dem Rentenverfahren nicht veranlasst.
Der Anspruch des Klägers richtet sich nach § 152 Abs. 1 und 3 Sozialgesetzbuch Neuntes Buch (SGB IX) in der aktuellen, seit 1. Januar 2018 geltenden Fassung durch Art. 1 und 26 Abs. 1 des Gesetzes zur Stärkung der Teilhabe und Selbstbestimmung von Menschen mit Behinderungen (Bundesteilhabegesetz - BTHG) vom 23. Dezember 2016 (BGBl. I S. 3234). Dem Anspruch steht nicht entgegen, dass der Kläger französischer Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Frankreich ist. Denn bei behinderten Menschen mit Auslandswohnsitz ist auf Antrag der GdB festzustellen, wenn dem behinderten Menschen trotz seines ausländischen Wohnsitzes aus der Feststellung seines GdB in Deutschland konkrete Vorteile erwachsen können, die keinen Inlandswohnsitz voraussetzen (BSG, Urteil vom 5. Juli 2007 - B 9/9a SB 2/07 R -, juris, Rz. 20 ff.). Der Kläger hat Rentenanwartschaften bei der D.R. R. erworben und könnte bei Feststellung eines GdB von 50 einen Anspruch auf Altersrente für schwerbehinderte Menschen nach § 236a Sechstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI) geltend machen, der keinen Wohnsitz im Inland voraussetzt. Zudem knüpft § 2 Abs. 2 SGB IX in der seit dem 1. Januar 2018 geltenden Fassung für den Schwerbehindertenbegriff neben dem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt auch an eine rechtmäßige Beschäftigung oder einen Arbeitsplatz i.S.d. § 156 SGB IX im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches an. Einen solchen Arbeitsplatz hat der Kläger bei seinem Arbeitgeber in B. mit einer Arbeitszeit von 38,5 Stunden wöchentlich inne, auch wenn er dort gegenwärtig keine Arbeitsleistung erbringt.
Nach § 152 Abs. 1 und 3 SGB IX stellen auf Antrag des Menschen mit Behinderung die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) zuständigen Behörden das Vorliegen einer Behinderung und den GdB zum Zeitpunkt der Antragstellung fest (§ 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX). Auf Antrag kann festgestellt werden, dass ein GdB bereits zu einem früheren Zeitpunkt vorgelegen hat (§ 152 Abs. 1 Satz 2 SGB IX). Menschen mit Behinderungen sind nach § 2 Abs. 1 SGB IX Menschen, die körperliche, seelische, geistige oder Sinnesbeeinträchtigungen haben, die sie in Wechselwirkung mit einstellungs- und umweltbedingten Barrieren an der gleichberechtigten Teilhabe an der Gesellschaft mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate hindern können (Satz 1). Eine Beeinträchtigung nach Satz 1 liegt vor, wenn der Körper- und Gesundheitszustand von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweicht (Satz 2). Menschen sind gemäß § 2 Abs. 2 SGB IX im Sinne des Teils 3 des SGB IX schwerbehindert, wenn bei ihnen ein GdB von wenigstens 50 vorliegt und sie ihren Wohnsitz, ihren gewöhnlichen Aufenthalt oder ihre Beschäftigung auf einem Arbeitsplatz im Sinne des § 156 SGB IX rechtmäßig im Geltungsbereich dieses Gesetzbuches haben. Die Auswirkungen der Behinderung auf die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft werden als GdB nach Zehnergraden abgestuft festgestellt (§ 152 Abs. 1 Satz 5 SGB IX).
Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) ist ermächtigt, durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates die Grundsätze aufzustellen, die für die Bewertung des GdB maßgebend sind, die nach Bundesrecht im Schwerbehindertenausweis einzutragen sind (§ 153 Abs. 2 SGB IX). Solange diese Rechtsverordnung nicht erlassen ist, gelten nach der Übergangsregelung in § 241 Abs. 5 SGB IX – wie bisher schon – die Maßstäbe des § 30 Abs. 1 Bundesversorgungsgesetz (BVG) und der auf Grund des § 30 Absatz 16 BVG erlassenen Rechtsverordnungen entsprechend. Hierbei handelt es sich um die zum 1. Januar 2009 in Kraft getretene Verordnung zur Durchführung des § 1 Abs. 1 und 3, des § 30 Abs. 1 und des § 35 Abs. 1 BVG (Versorgungsmedizin-Verordnung - VersMedV) vom 10. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2412), die unter anderem die maßgebenden Grundsätze für die medizinische Bewertung von Schädigungsfolgen und die Feststellung des Grades der Schädigungsfolgen im Sinne des § 30 Abs. 1 BVG regelt (vgl. § 1 VersMedV). Die zugleich in Kraft getretene, auf der Grundlage des aktuellen Standes der medizinischen Wissenschaft unter Anwendung der Grundsätze der evidenzbasierten Medizin erstellte und fortentwickelte Anlage "Versorgungsmedizinische Grundsätze" (VG) zu § 2 VersMedV ist an die Stelle der bis zum 31. Dezember 2008 heranzuziehenden "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im Sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" (AHP) getreten. In den VG wird der medizinische Kenntnisstand für die Beurteilung von Behinderungen wiedergegeben (BSG, Urteile vom 16. Dezember 2014 - B 9 SB 2/13 R -, SozR 4-3250 § 69 Nr. 18, Rz. 10 m.w.N. und vom 1. September 1999 - B 9 V 25/98 R -, SozR 3-3100 § 30 Nr. 22). Hierdurch wird eine für den Menschen mit Behinderung nachvollziehbare, dem medizinischen Kenntnisstand entsprechende Festsetzung des GdB ermöglicht.
Allgemein gilt, dass der GdB auf alle Gesundheitsstörungen, unabhängig ihrer Ursache, final bezogen ist. Der GdB ist ein Maß für die körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Auswirkungen einer Funktionsbeeinträchtigung aufgrund eines Gesundheitsschadens. Ein GdB setzt stets eine Regelwidrigkeit gegenüber dem für das Lebensalter typischen Zustand voraus. Dies ist insbesondere bei Kindern und älteren Menschen zu beachten. Physiologische Veränderungen im Alter sind bei der Beurteilung des GdB nicht zu berücksichtigen. Als solche Veränderungen sind die körperlichen und psychischen Leistungseinschränkungen anzusehen, die sich im Alter regelhaft entwickeln, also für das Alter nach ihrer Art und ihrem Umfang typisch sind. Demgegenüber sind pathologische Veränderungen, also Gesundheitsstörungen, die nicht regelmäßig und nicht nur im Alter beobachtet werden können, bei der Beurteilung des GdB auch dann zu berücksichtigen, wenn sie erstmalig im höheren Alter auftreten oder als "Alterskrankheiten" (etwa "Altersdiabetes" oder "Altersstar") bezeichnet werden (VG, Teil A, Nr. 2 c). Erfasst werden die Auswirkungen in allen Lebensbereichen und nicht nur die Einschränkungen im allgemeinen Erwerbsleben. Da der GdB seiner Natur nach nur annähernd bestimmt werden kann, sind beim GdB nur Zehnerwerte anzugeben. Dabei sollen im Allgemeinen Funktionssysteme zusammenfassend beurteilt werden (VG, Teil A, Nr. 2 e). Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird nach § 152 Abs. 3 SGB IX der GdB nach den Auswirkungen der Beeinträchtigungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt. Bei mehreren Funktionsbeeinträchtigungen sind zwar zunächst Teil-GdB anzugeben; bei der Ermittlung des Gesamt-GdB durch alle Funktionsbeeinträchtigungen dürfen jedoch die einzelnen Werte nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind für die Bildung eines Gesamt-GdB ungeeignet. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Teil-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Die Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander können unterschiedlich sein. Die Auswirkungen der einzelnen Funktionsbeeinträchtigungen können voneinander unabhängig sein und damit ganz verschiedene Bereiche im Ablauf des täglichen Lebens betreffen. Eine Funktionsbeeinträchtigung kann sich auf eine andere besonders nachteilig auswirken, vor allem dann, wenn Funktionsbeeinträchtigungen paarige Gliedmaßen oder Organe betreffen. Funktionsbeeinträchtigungen können sich überschneiden. Eine hinzutretende Gesundheitsstörung muss die Auswirkung einer Funktionsbeeinträchtigung aber nicht zwingend verstärken. Von Ausnahmefällen abgesehen, führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung. Dies gilt auch dann, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen.
Der Gesamt-GdB ist nicht nach starren Beweisregeln, sondern aufgrund richterlicher Erfahrung, gegebenenfalls unter Hinzuziehung von Sachverständigengutachten, in freier richterlicher Beweiswürdigung festzulegen (vgl. BSG, Urteil vom 11. November 2004 - B 9 SB 1/03 R -, juris, Rz. 17 m.w.N.). Dabei ist zu berücksichtigen, dass die auf der ersten Prüfungsstufe zu ermittelnden nicht nur vorübergehenden Gesundheitsstörungen und die sich daraus abzuleitenden Teilhabebeeinträchtigungen ausschließlich auf der Grundlage ärztlichen Fachwissens festzustellen sind. Bei den auf zweiter und dritter Stufe festzustellenden Teil- und Gesamt-GdB sind über die medizinisch zu beurteilenden Verhältnisse hinaus weitere Umstände auf gesamtgesellschaftlichem Gebiet zu berücksichtigen (vgl. BSG, Beschluss vom 9. Dezember 2010 - B 9 SB 35/10 B -, juris, Rz. 5).
Eine rechtsverbindliche Entscheidung nach § 152 Abs. 1 Satz 1 SGB IX umfasst nur die Feststellung einer unbenannten Behinderung und des Gesamt-GdB. Die dieser Feststellung im Einzelfall zugrunde liegenden Gesundheitsstörungen, die daraus folgenden Funktionsbeeinträchtigungen und ihre Auswirkungen dienen lediglich der Begründung des Verwaltungsaktes und werden nicht bindend festgestellt (BSG, Urteil vom 24. Juni 1998 - B 9 SB 17/97 R -, juris, Rz. 13). Der Teil-GdB ist somit keiner eigenen Feststellung zugänglich. Er erscheint nicht im Verfügungssatz des Verwaltungsaktes und ist nicht isoliert anfechtbar. Es ist somit auch nicht entscheidungserheblich, ob von Seiten des Beklagten oder der Vorinstanz Teil-GdB-Werte in anderer Höhe als im Berufungsverfahren vergeben worden sind, wenn der Gesamt-GdB hierdurch nicht beeinflusst wird.
In Anwendung dieser durch den Gesetz- und Verordnungsgeber vorgegebenen Grundsätze und unter Beachtung der höchstrichterlichen Rechtsprechung steht zur Überzeugung des Senats fest, dass die behinderungsbedingten Funktionseinschränkungen des Klägers ab 28. Mai 2015 mit einem GdB von 30 ausreichend bewertet sind.
Der Teilverlust des Dickdarms bedingt beim Kläger in Bezug auf das Funktionssystem "Verdauungsorgane" einen Teil-GdB von 20.
Bei organischen und funktionellen Krankheiten des Magen-Darmkanals ist gemäß den VG, Teil B, Nr. 10.2 der GdB nach dem Grad der Beeinträchtigung des Allgemeinzustandes, der Schwere der Organstörung und nach der Notwendigkeit besonderer Diätkost zu beurteilen. Nach den VG, Teil B, Nr. 10.2.2 ist für chronische Darmstörungen (irritabler Darm, Divertikulose, Divertikulitis, Darmteilresektion) ohne wesentliche Beschwerden und Auswirkungen ein GdB von 0 bis 10 vorgesehen, mit stärkeren und häufig rezidivierenden oder anhaltenden Symptomen (z.B. Durchfälle, Spasmen) ist ein GdB von 20 bis 30 anzunehmen und mit erheblicher Minderung des Kräfte- und Ernährungszustandes ein GdB von 40 bis 50.
Dem chirurgischen Gutachten von Prof. Dr. R. – das der Senat als Sachverständigenbeweis gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO verwertet – ist zu entnehmen, dass dem Kläger im Jahr 2002 wegen eines Adenokarzinoms ein Teil des Dickdarms entfernt worden ist. Infolge von Infektionen ist es zweimal zu einer Nachoperation gekommen, bis dann eine Chemotherapie über sechs Zyklen durchgeführt worden ist. Im Jahr 2009 musste wegen einer Hernie am linken Narbenpol erneut nachoperiert werden, ein weiteres Mal im Jahr 2010 an der rechten Narbenseite und ein drittes Mal im Jahr 2014. Verblieben ist allerdings nur eine über dem rechten Mittelbauch rechts der Mittellinie horizontal verlaufende 19 cm lange reizlose Narbe, wie der Sachverständige bei der klinischen Untersuchung des Klägers am 9. Juli 2015 festgestellt hat. Die wiederholte Palpation war unauffällig, zu keinem Zeitpunkt konnte ein Narbendehiszens im Faszienbereich oder gar eine erneute Bruchbildung festgestellt werden und die Auskultation des Bauchraumes ergab keine für einen Ileus typische Symptomatik. Für den Senat nachvollziehbar kommt der Sachverständige daher zu der Beurteilung, dass sich der Kläger in einem weitgehend altersgerechten Zustand befindet. In Bezug auf das Krebsleiden ist es zu einer Rezidivfreiheit gekommen; das Krebsleiden ist mithin ausgeheilt. Der Sachverständige hält den Kläger allerdings nicht gänzlich für beschwerdefrei. Zwar konnte entgegen den anamnestischen Angaben keinerlei Hinweis auf eine Rezidivhernie gefunden werden, der Sachverständige diagnostizierte insoweit aber (allerdings fachfremd) ein "chronisches Schmerzsyndrom mit psychischer Traumatisierung".
Im – ebenfalls als Sachverständigenbeweis gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO verwerteten – gastroenterologischen Gutachten von Prof. Dr. J. berichtet der Kläger denn auch von intermittierenden Schmerzattacken, die an manchen Tagen gar nicht und an anderen mehrmals auftreten. Zudem ergab sich sonografisch kongruent zur klinischen Untersuchung am 1. Oktober 2015 der Verdacht auf eine kleine 1,5 cm breite Restnarbenhernie. Für die vom Kläger beschriebenen Schmerzattacken fand sich allerdings kein Nachweis von Sekundärphänomenen (Spiegelbildung, weite Darmschlingen) von rezidivierenden Einklemmungen. Er gab zudem an, ohne Schmerzmittel auszukommen und eine entsprechende analgetische Therapie wird nicht durchgeführt. Hinsichtlich einer diffusen Durchfallsymptomatik mit breiigen Stühlen gab der Kläger an, dass diese nicht regelhaft bestehe (ein- bis zweimal pro Woche mit einer Durchfallfrequenz von drei bis vier pro Tag). Seine Nachtruhe wird dadurch nach seinen eigenen Angaben nicht gestört und diese Beschwerden stehen für ihn auch nicht im Vordergrund.
Zusammenfassend ist danach ein höherer Teil-GdB als 10 lediglich aufgrund der Schmerzsymptomatik ("chronisches Schmerzsyndrom") begründbar, da der Kräfte- und Ernährungszustand des Klägers nicht gemindert, sondern im Gegenteil kaum beeinträchtigt ist. Nicht nur Prof. Dr. R. beurteilte seinen Zustand als weitestgehend altersgerecht, auch Prof. Dr. J. teilte diese Einschätzung, nannte den Allgemeinzustand sogar gut und stellte beim Kläger darüber hinaus übereinstimmend mit Prof. Dr. R. Übergewicht bei einer Körpergröße von 1,73 m und 90 kg Gewicht (BMI = 30) fest. Die Durchfallsymptomatik hat somit ersichtlich keine durchgreifende Auswirkung auf den Ernährungszustand und stellt auch sonst keine wesentliche Beeinträchtigung dar, da sie weder die Nachtruhe stört noch eine besondere Diätkost erfordert; sie ist auch nicht besonders häufig und steht nach der eigenen Einlassung des Klägers zudem gar nicht im Vordergrund der Beschwerden. Zwar konnten beide Sachverständigen kein organisches Korrelat für die geklagten Schmerzen finden und der Kläger nimmt auch keine entsprechenden Schmerzmittel, aber Anhaltspunkte für Simulation wurden ebenfalls von keinem Sachverständigen berichtet. Stattdessen führte Prof. Dr. J. an, dass es während seiner Untersuchung einmalig zur geschilderten Beschwerdesymptomatik kam, bei der dieser Schmerzen im Bauch hat und deswegen aufstehen muss, bis sich der Schmerz innerhalb von 15 Minuten wieder legt. Unter Berücksichtigung dieser Anfälle und ihres intermittierenden Auftretens (nach den Angaben des Klägers an manchen Tagen mehrmals, an manchen Tagen aber auch gar nicht) ist ein Teil-GdB von 20 gerechtfertigt, aber auch ausreichend.
In Bezug auf das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" ist die psychische Störung des Klägers mit einem Teil-GdB von 20 zu beurteilen.
Nach den VG, Teil B, Nr. 3.7 ist für Neurosen, Persönlichkeitsstörungen und die Folgen psychischer Traumen ein GdB von 0 bis 20 anzunehmen, wenn leichtere psychovegetative oder psychische Störungen vorliegen. Ein GdB von 30 bis 40 ist für stärker behindernde Störungen mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit angemessen. Die funktionellen Auswirkungen einer psychischen Erkrankung, insbesondere wenn es sich um eine affektive oder neurotische Störung nach F30.- oder F40.- ICD-10 GM handelt, manifestieren sich dabei im psychisch-emotionalen, körperlich-funktionellen und sozial-kommunikativen Bereich (vgl. Philipp, Vorschlag zur diagnoseunabhängigen Ermittlung der MdE bei unfallbedingten psychischen bzw. psychosomatischen Störungen, MedSach 6/2015, S. 255 ff.). Diese drei Leidensebenen hat auch das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung angesprochen (vgl. BSG, Beschluss vom 10. Juli 2017 - B 9 V 12/17 B -, juris, Rz. 2). Dabei ist für die GdB-Bewertung, da diese die Einbußen in der Teilhabe am Leben in der (allgemeinen) Gesellschaft abbilden soll, vor allem die sozial-kommunikative Ebene maßgeblich (vgl. Urteil des Senats vom 12. Januar 2017 - L 6 VH 2746/15 -, juris, Rz. 61). Bei dieser Beurteilung ist auch der Leidensdruck zu würdigen, dem sich der behinderte Mensch ausgesetzt sieht, denn eine "wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit" meint schon begrifflich eher Einschränkungen in der inneren Gefühlswelt, während Störungen im Umgang mit anderen Menschen eher unter den Begriff der "sozialen Anpassungsschwierigkeiten" fallen, der ebenfalls in den VG genannt ist. Die Stärke des empfundenen Leidensdrucks äußert sich nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch und maßgeblich in der Behandlung, die der Betroffene in Anspruch nimmt, um das Leiden zu heilen oder seine Auswirkungen zu lindern. Hiernach kann bei fehlender ärztliche Behandlung in der Regel nicht davon ausgegangen werden, dass ein diagnostiziertes seelisches Leiden über eine leichtere psychische Störung hinausgeht und bereits eine stärker behindernde Störung im Sinne der GdB-Bewertungsgrundsätze darstellt (vgl. auch LSG B., Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris, Rz. 31).
Beim Kläger liegt diagnostisch eine Anpassungsstörung (F43.22 ICD-10 GM) vor. Dies entnimmt der Senat dem als Sachverständigenbeweis gemäß § 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO verwerteten Gutachten von Dr. E ... Auch der behandelnde Psychiater Dr. Z. stellt in seiner Zeugenauskunft vom 25. März 2017 diese Diagnose sowie die einer Persönlichkeitsstörung mit ängstlich zwanghaften Zügen (F61.0 ICD-10 GM). Dr. E. nennt zudem noch die Diagnose einer anhaltenden Schmerzstörung mit somatischen und psychischen Faktoren (F45.41 ICD-10 GM). Welche genaue diagnostische Einordnung zutrifft, muss der Senat allerdings nicht entscheiden, denn für die Bewertung mit einem GdB sind allein die daraus folgenden Funktionseinbußen relevant.
In diesem Rahmen liegt beim Kläger noch keine wesentliche Einschränkung der Gestaltungs- und Erlebnisfähigkeit vor.
In psychopathologischer Hinsicht stehen beim Kläger Ängste vor einer anhaltenden Darmeinklemmung und daraus möglicherweise notwendiger weiterer Bauchoperationen im Vordergrund. Aufgrund dessen kommt es zu vermehrter Grübelneigung, zum Auftreten von Zukunftsängsten und zu Schlafstörungen. Diese Feststellungen von Dr. E. begründen auf psychisch-emotionaler wie auch auf körperlich-funktioneller Ebene lediglich geringfügige Einbußen. So war der Kläger bei ihrer Untersuchung bewusstseinsklar und geistesgegenwärtig sowie zu Zeit, Ort, Situation und Person gut orientiert. Die mnestischen Funktionen waren unauffällig, die affektive Schwingungsfähigkeit war etwas eingeschränkt und zum depressiven Pol verschoben. Zwar war der formale Gedankengang eingeengt auf die Zukunftsängste, das Schmerzempfinden und die Verbitterung über Situationen, in welchen sich der Kläger ungerecht behandelt fühlt, nämlich permanent so als würde ihm gesagt, er würde etwas ausnutzen. Anzeichen für inhaltliche Denkstörungen oder gar für Wahnerleben lagen aber nicht vor.
Auch auf sozial-kommunikativem Gebiet ist eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit nicht erkennbar. Zwar berichtete der Kläger in der Untersuchung bei Dr. E., dass er generell überhaupt keinen Antrieb mehr hat, irgendetwas zu tun. Er geht manchmal gar nicht erst ins Bett, um morgens auch nicht aufstehen zu müssen. Dann sitzt er den ganzen Tag nur auf dem Sofa, denkt nach und weint. Wenn seine Frau da ist, nimmt er regelmäßig Mahlzeiten zu sich, wenn sie nicht da ist, isst er nur unregelmäßig. Dies deckt sich mit seinen Angaben im Erörterungstermin, wonach er den ganzen Tag nur rumsitzt, was daher kommt, dass er durch das Rentenverfahren belastet ist. In Übereinstimmung mit Dr. E. geht der Senat daher davon aus, dass dadurch die Fähigkeiten des Klägers zur Planung und Strukturierung von Aufgaben, seine Flexibilität, Umstellungsfähigkeit und Fähigkeit zur Initiierung von Spontanaktivitäten leicht eingeschränkt sind. Dies kann aber noch nicht als wesentlich bezeichnet werden. So geht Dr. E. davon aus, dass der Kläger mit qualitativen Einschränkungen noch einer mindestens sechsstündigen Erwerbstätigkeit nachgehen kann. Diese Einschätzung teilen darüber hinaus sämtliche Ärzte, die den Kläger im Rentenverfahren begutachtet haben (neben Prof. Dr. J. auch Dr. H., Dr. M. und insbesondere Dr. E. Fachkollege Dr. S., der für eine Persönlichkeitsstörung mit Krankheitswert zudem keinen Anhalt fand und mit dessen Einschätzung Dr. E. ausdrücklich vollinhaltlich übereinstimmt) und deren Gutachten der Senat im Rahmen des Sachverständigenbeweises (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. § 411a ZPO) bzw. im Fall des Gutachtens von Dr. H. als Urkundsbeweis (§ 118 Abs. 1 Satz 1 SGG i.V.m. §§ 415 ff. ZPO) verwertet. Gegen eine mehr als leichte Einschränkung spricht zudem, dass der Kläger in der Lage ist, planvoll und strukturiert mehrere Rechtsstreitigkeiten jeweils bis in die Berufungsinstanz zu führen.
Bei seiner Einschätzung berücksichtigt der Senat auch, dass eine wesentliche Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit im Sinne der VG, Teil B, Nr. 3.7 eine engmaschige psychiatrische oder psychotherapeutische Behandlung voraussetzt (vgl. LSG B., Urteil vom 17. Dezember 2010 - L 8 SB 1549/10 -, juris, Rz. 31), die nicht gegeben ist. Zwar ist der Kläger nach der Auskunft seines Psychiaters Dr. Z. bei diesem seit dem 12. September 2016 wieder in psychotherapeutischer Behandlung, es finden jedoch nur unregelmäßige Sitzungen statt, zudem bereits wieder in Abständen von über einem Monat (zwei im September 2016, zwei im Oktober 2016, eine im November 2016, eine Anfang Januar 2016 und die letzte nachgewiesene Anfang März 2017). Eine medikamentöse Behandlung wird gar nicht durchgeführt.
Die beim Kläger wegen der Gesundheitsstörungen an den Haltungs- und Bewegungsorganen vorliegenden Funktionsbehinderungen bedingen in Bezug auf das Funktionssystem "Rumpf" höchstens einen Teil-GdB von 10.
Nach den von Prof. Dr. R. festgestellten Bewegungseinschränkungen – auf die zur Beurteilung des GdB primär abzustellen ist – bestehen Beeinträchtigungen in der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule. So beträgt das Zeichen nach Ott 30/31 cm (Normalwert: 30/32 cm) und das Zeichen nach Schober 10/13,5 cm (Normalwert: 10/15 cm). Der Finger-Boden-Abstand, der normalerweise zwischen 0 und 10 cm liegt, beträgt beim Kläger 20 cm. Wesentliche Auffälligkeiten liegen damit nicht vor; die Beweglichkeit der Wirbelsäule ist vielmehr nur leicht eingeschränkt, wie Prof. Dr. R. ausführt und als Folge der Adipositas bezeichnet. Eine fachorthopädische Behandlung findet zudem nicht statt, so dass deshalb auf einen nur geringen Leidensdruck beim Kläger zu schließen ist.
Vor diesem Hintergrund ist die Bewertung mit einem Teil-GdB von 10 angemessen, denn nach den VG, Teil B, Nr. 18.9 ist ein GdB von 20 erst bei mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt (Verformung, häufig rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität mittleren Grades, häufig rezidivierende und über Tage andauernde Wirbelsäulensyndrome) vorgesehen, während Wirbelsäulenschäden, die mit geringen funktionellen Auswirkungen (Verformung, rezidivierende oder anhaltende Bewegungseinschränkung oder Instabilität geringen Grades, seltene und kurzdauernd auftretende leichte Wirbelsäulensyndrome) einhergehen, lediglich einen GdB von 10 rechtfertigen.
Unter Berücksichtigung der Grundsätze für die Bildung des Gesamt-GdB, wonach insbesondere einzelne Teil-GdB-Werte nicht addiert werden dürfen (VG, Teil A, Nr. 3 a) und grundsätzlich leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung führen (VG, Teil A, Nr. 3 d ee), ist im Falle des Klägers der Gesamt-GdB aus dem Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Verdauungsorgane", aus dem Teil-GdB von 20 für das Funktionssystem "Gehirn einschließlich Psyche" sowie dem Teil-GdB von 10 für das Funktionssystem "Rumpf" zu bilden. Dabei ist insbesondere auch zu berücksichtigen, dass der Teil-GdB für das Funktionssystem "Verdauungsorgane" bereits die damit verbundenen üblichen seelischen Begleiterscheinungen berücksichtigt (VG, Teil A, Nr. 2 i), was grundsätzlich auch für die Berücksichtigung von Schmerzen gilt (VG, Teil A, Nr. 2 j). Nur die über das übliche Maß hinausgehende Schmerzhaftigkeit bzw. ausgeprägte seelische Störungen mit einem eigenen Krankheitswert können insoweit im Rahmen des Funktionssystems "Gehirn einschließlich Psyche" eigenständige Bedeutung für die Bemessung des GdB erlangen. Vor dem Hintergrund der Überschneidung der dargestellten Leiden in diesen Funktionsbereichen erreicht der Gesamt-GdB daher lediglich 30 seit 28. Mai 2015 bis aktuell.
Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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