L 1 JVEG 480/16

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 480/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung der Erinnerungsführerin anlässlich des Erörterungstermins vom 26. Februar 2016 vor dem Thüringer Landessozialgericht wird auf 77,50 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Die Erinnerungsführerin begehrte im Hauptverfahren einen Zuschuss zu den ungedeckten Kosten der Unterkunft bei Auszubildenden. Als ladungsfähige Anschrift gab sie die Dr.-O.-N.-Straße in G. an. Der Berichterstatter des 7. Senats lud die Erinnerungsführerin und ihre Prozessbevollmächtigte zum Erörterungstermin am 26. Februar 2016 in E.; das persönliche Erscheinen der Erinnerungsführerin wurde angeordnet. In der an die G. Adresse gerichteten Ladung war u.a. folgender Hinweis enthalten: "Falls Sie Ihre Reise zur Verhandlung von einem anderen als dem in Ihrer obigen Anschrift bezeichneten Ort antreten wollen, oder andere Umstände Ihr Erscheinen erheblich verteuern ( ) sind Sie verpflichtet, dies unter Angabe des obigen Aktenzeichens sofort mitzuteilen und weitere Nachricht des Gerichts abzuwarten". Nach erfolgtem Erörterungstermin machte die Erinnerungsführerin mit ihrem Antrag auf Erstattung von Fahrtkosten vom 28. Februar 2016 unter anderem Fahrtkosten für eine Zugfahrt von M. bis G. und zurück in Höhe von 58,50 Euro, für die Benutzung der Straßenbahn in E. 5,00 Euro und Fahrtkosten für 230,00 km (57,50 Euro) für G. nach E. und zurück geltend. Unter dem 2. März 2016 teilte ihr die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle mit, Fahrtkosten von M. nach G. könnten mangels vorheriger Mitteilung und Genehmigung nicht berücksichtigt werden. Erstattet würden nur 57,50 Euro für 230,00 Kilometer (G. - E. hin und zurück) zu je 0,25 Euro.

Am 31. März 2016 hat die Erinnerungsführerin einen Antrag auf richterliche Festsetzung gestellt und angegeben, dass sie sich seit Oktober 2015 in einer Ausbildung in M. befinde. M. sei damit ihr Lebendmittelpunkt, während G. nur zu Besuchen der Eltern genutzt werden würde. Aus diesem Grunde seien ihre Kosten für die Zugverbindung von M. nach G. und zurück in Höhe von 58,50 Euro ebenfalls zu erstatten. Ihre Eltern hätten ihr telefonisch nur den Verhandlungstermin mitgeteilt, die Ladung selbst hätte sie erst einen Tag vor dem Verhandlungstag gelesen. Dann aber sei die Zeit zu kurz gewesen, um eine entsprechende Genehmigung des zuständigen Richters zu erwirken. Am Verhandlungstag selbst sei sie zu aufgeregt gewesen, einen entsprechenden Antrag vor Beginn der Verhandlung zu stellen. Sie sei im Übrigen bereits am 25. Februar 2016 mit dem Zug nach G. gereist, weil es ihr aufgrund der Zugverbindungen sonst nicht möglich gewesen wäre, am 26. Februar 2016 pünktlich zum Gerichtstermin zu erscheinen. Von G. sei sie mit einem PKW nach E. gefahren und habe diesen auf einen öffentlichen Parkplatz in E. abgestellt und sei sodann mit der Straßenbahn zum Gerichtsgebäude gefahren. Hätte man ihr im Vorfeld gesagt, dass ihr persönliches Erscheinen nicht erforderlich gewesen wäre, hätte sie sich die angefallenen Kosten ersparen können. Sie lasse sich nicht vorwerfen, sie wolle sich auf Kosten der Staatskasse bereichern.

Die Erinnerungsführerin beantragt sinngemäß, die Entschädigung für die Teilnahme am Erörterungstermin vom 26. Februar 2016 auf 136,00 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner beantragt, die Entschädigung für die Teilnahme am Erörterungstermin vom 26. Februar 2016 auf 77,50 Euro festzusetzen.

Die von der Erinnerungsführerin begehrte Kostenerstattung für die Zugverbindung komme nicht in Betracht, weil diese ihrer Mitteilungspflicht nicht nachgekommen sei. Die Mehrkosten seien auch nicht aufgrund billigen Ermessens zu erstatten, weil aufgrund der Fahrkarte darauf zu schließen sei, dass diese für eine Familienheimfahrt genutzt worden sei (hin 25. Februar 2016 und zurück 28. Februar 2016).

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat zugeleitet.

Auf Anfrage des Berichterstatters hat der für das damalige Hauptsacheverfahren zuständige Berichterstatter des 7. Senats unter dem 12. April 2018 angegeben, er könne nicht erinnern, dass die Erinnerungsführerin ihm vorab mitgeteilt habe, dass sie die Reise von einem anderen als in der Ladung angegeben Ort aus antreten werde. An dem Termin hätte er aber auch bei einer mitgeteilten Anreise aus M. festgehalten. Sofern ein Hinweis bzgl. möglicherweise schwieriger Anreisemodalitäten erfolgt wäre, hätte er diesbezüglich bei der konkreten Sitzungsstunde Rücksicht genommen und ggf. den Termin auch am gleichen Sitzungstag verlegt.

II.

Auf die Erinnerung war die Entschädigung auf 77,50 Euro festzusetzen.

Nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes (JVEG) erfolgt die Festsetzung der Vergütung, der Entschädigung oder des Vorschusses durch gerichtlichen Beschluss, wenn der Berechtigte oder die Staatskasse die gerichtliche Feststellung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält (Satz 1). Zuständig für die Entscheidung ist nach dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts der 1. Senat und nach der senatsinternen Geschäftsverteilung der Berichterstatter; er entscheidet als Einzelrichter (§ 4 Abs. 7 S. 1 JVEG).

Nach § 191 Halbs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden einem Beteiligten, dessen persönliches Erscheinen angeordnet worden ist, auf Antrag bare Auslagen und Zeitverlust wie einem Zeugen vergütet. Zeugen erhalten nach § 19 Abs. 1 S. 1 JVEG als Entschädigung Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG), Entschädigung für sonstige Aufwendungen (§ 8 JVEG), Entschädigung für Zeitversäumnis (§ 20 JVEG), Entschädigung für Nachteile bei der Haushaltsführung (§ 21 JVEG) sowie Entschädigung für Verdienstausfall (§ 22 JVEG). Soweit die Entschädigung nach Stunden zu bemessen ist, wird sie nach § 19 Abs. 2 JVEG für die gesamte Zeit der Heranziehung einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten, jedoch nicht mehr als zehn Stunden je Tag gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet (Satz 2).

Die Entschädigung errechnet sich danach wie folgt:

Der Fahrtkostenersatz beträgt 58,50 Euro. Die Erstattung der darüber hinaus geltend gemachten Fahrtkosten für die Zugverbindung von M. nach G. und zurück kommt nicht in Betracht.

Nach § 5 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 JVEG werden dem Zeugen bei Benutzung eines eigenen oder unentgeltlich zur Nutzung überlassenen Kraftfahrzeugs zur Abgeltung der Betriebskosten sowie zur Abgeltung der Abnutzung des Kraftfahrzeuges 0,25 Euro für jeden gefahrenen Kilometer ersetzt zuzüglich der durch die Benutzung des Kraftfahrzeugs aus Anlass der Reise regelmäßig anfallenden baren Auslagen, insbesondere der Parkentgelte. Wird die Reise zum Ort des Termins von einem anderen als dem in der Ladung oder Terminsmitteilung bezeichneten oder der zuständigen Stelle unverzüglich angezeigten Ort angetreten oder wird zu einem anderen als diesem Ort zurückgefahren, werden Mehrkosten nach billigem Ermessen nur dann ersetzt, wenn der Berechtigte zu diesen Fahrten durch besondere Umstände genötigt war (§ 5 Abs. 5 JVEG). Die Fahrtstrecke von der G. Adresse der Erinnerungsführerin beträgt - auch von der Erinnerungsgegnerin unwidersprochen - 230,00 km (115,00 Kilometer x 2). Hinzu kommen die nachgewiesenen Parkgebühren in Höhe von 1,00 Euro.

Nicht in Betracht kommt die darüber hinausgehende Erstattung der Fahrtkosten für die Zugfahrt von M. nach G. und zurück. Die Erinnerungsführerin hat - nach eigenem Bekunden - dem Berichterstatter des 7. Senats vor dem Termin ihre Anfahrt von M. nicht mitgeteilt, obwohl sie in der Ladung ausdrücklich auf diese Verpflichtung hingewiesen worden ist. Dass die Erinnerungsführerin - so ihr Vortrag - den Inhalt der Ladung erst einen Tag vor dem Termin zur Kenntnis genommen hat, ist ohne Belang. Die Ladung wurde an die von ihr im Gerichtsverfahren angegebene Anschrift gesandt. Sofern die Erinnerungsführerin an einer solchen mitgeteilten Anschrift Gerichtspost gar nicht oder nur eingeschränkt zur Kenntnis nehmen kann, hat sie entweder Sorge dafür zu tragen, dass sie durch Dritte (hier z.B. die Eltern) über die Gerichtspost und deren Inhalt Kenntnis erlangt oder aber dem Gericht eine andere Anschrift mitzuteilen. Beides liegt allein in der Sphäre der Erinnerungsführerin und ist vorliegend unterblieben. Nachdem die Erinnerungsführerin ihrer Mitteilungsverpflichtung hinsichtlich der Anreise von einem anderen Ort trotz ausdrücklichen Hinweises nicht nachgekommen ist, hat der Senat zu prüfen, ob die Mehrkosten trotzdem zu erstatten sind, weil die Erinnerungsführerin durch besondere, nicht zu vertretende Umstände genötigt war, die Reise von einem anderen als dem in der Ladung bezeichneten Ort anzutreten. Die Entscheidung steht im pflichtgemäßen Ermessen des Senats (vgl. Thüringer Landessozialgericht, Beschluss vom 28. November 2013 – L 6 SF 1212/13 E m.w.N., juris). Bei der Abwägung aller Umstände kommt die Erstattung der beantragten Fahrtkosten vorliegend jedoch nicht in Betracht. Der Berichterstatter des 7. Senats hätte nach seinen Angaben zwar an dem Termin auch bei einer Anreise aus M. festgehalten, jedoch hätte er auf einen entsprechenden Hinweis hin bei der Terminierung Rücksicht auf ggf. schwierige Anreisemodalitäten genommen und den Termin auf einen späteren Zeitpunkt am gleichen Tag verlegt. Das ist nachvollziehbar. Es besteht keine Veranlassung, diese Entscheidung kostenrechtlich zu konterkarieren. Dann aber wären lediglich Kosten für eine Zugfahrt von M. nach E. und zurück zu erstatten gewesen, die wohl gar günstiger als die Fahrtkosten mit dem PKW von G. nach E. gewesen wären. Unter Berücksichtigung dessen ist nicht ersichtlich, warum der Erinnerungsführerin eine Zugfahrt am 25. Februar 2016 von M. nach G., die PKW-Fahrten G. - E. - G. am 26. Februar 2016 und schließlich die Rückfahrt mit dem Zug nach M. am 28. Februar 2016 durch die Staatskasse zu erstatten sein sollte. Bei vernünftiger Betrachtung hätte sich vielmehr sogar auch ohne entsprechende Belehrung eine Direktfahrt von M. nach E. und - sofern tatsächlich keine termingerechte Zugverbindung bestanden haben sollte - ein vorheriger Terminverlegungsantrag aufgedrängt.

Weiter zu ersetzen sind nach § 5 Abs. 1 JVEG die Kosten der Straßenbahn in Höhe von 5,00 Euro. Sie wurden auch von der Erinnerungsgegnerin nicht beanstandet - gleichwohl sie bei Nutzung der Parkmöglichkeiten beim Thüringer Landessozialgericht nicht angefallen wären.

Eine Entschädigung für Aufwand nach § 6 JVEG scheidet aus, weil Übernachtungskosten aus Anlass der Heranziehung nicht notwendig waren. Ein Ersatz für besondere Aufwendungen (§ 7 JVEG) wird nicht geltend gemacht und ist nicht ersichtlich.

Die Entschädigung für Zeitversäumnis wird auf 14,00 Euro festgesetzt. Nach § 20 JVEG beträgt die Entschädigung für Zeitverlust 3,00 Euro je Stunde, soweit weder für einen Verdienstausfall noch für Nachteile bei der Haushaltsführung eine Entschädigung zu gewähren ist, es sei denn, es ist durch die Heranziehung ersichtlich kein Nachteil entstanden. Angesichts der gesetzlichen Vermutung ist von entsprechenden Nachteilen auszugehen. Vorliegend ist von einem Zeitversäumnis von 4 Stunden auszugehen. Diesen Ansatz hat auch die Erinnerungsführerin nicht beanstandet.

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Der Beschluss ist unanfechtbar (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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