L 9 U 5250/15

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 5 U 126/11
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 5250/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Es gibt derzeit keine (neuen) medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung zwischen biopersistenten granulären Staub (sog. inertem Staub) und einer COPD oder einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität, die die Anerkennung einer Wie-Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII rechtfertigen würden.
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21. Oktober 2015 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob bei dem Kläger eine Wie-Berufskrankheit (Wie-BK) gemäß § 9 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) anzuerkennen ist.

Der 1949 geborene Kläger war in der Zeit vom 28.01.1971 bis 31.03.2004 bei der G. GmbH in L. versicherungspflichtig beschäftigt. Eigentlich als Zimmermann eingestellt, hatte er dort sämtliche anfallende Hilfstätigkeiten auszuführen, wobei er überwiegend im Bereich Abbruch und Umbau eingesetzt worden war. In der Zeit vom 01.04.2004 bis 26.11.2005 war der Kläger bei dem Bauunternehmen G. R. in S. versicherungspflichtig beschäftigt. Über diese Firma war er nahezu ausschließlich innerhalb der Firma B. in F. tätig und führte überwiegend Umbauarbeiten durch. Vom 01.03.2006 bis zum Beginn des Altersrentenbezugs im August 2012 war er bei der G. GmbH & Co. KG in P. versicherungspflichtig beschäftigt, wo er nach Auskunft des Arbeitgebers vom 28.04.2008 alle Maurerarbeiten zu verrichten hatte.

Mit Schreiben vom 01.02.2008 stellte der Kläger einen Antrag auf Gewährung einer "Berufsgenossenschaftsrente", da seiner Einschätzung nach bei ihm diverse Berufskrankheiten vorliegen würden, u.a. Berufskrankheiten nach den Nummern (Nrn.) 4301 und 4302 der Anlage 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV; Nr. 4301: Durch allergisierende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen (einschließlich Rhinopathie), die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können; Nr. 4302: Durch chemisch-irritativ oder toxisch wirkende Stoffe verursachte obstruktive Atemwegserkrankungen, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.). Diese seien durch seine Tätigkeit und die damit verbundenen Belastungen auf dem Bau hervorgerufen.

Die Beklagte leitete daraufhin entsprechende Feststellungsverfahren ein.

In dem von der Beklagten übersandten Fragebogen gab der Kläger im Februar 2008 an, dass er selbst an einer COPD (chronic obstructive pulmonary disease; chronisch obstruktive Lungenerkrankung) leide, am Arbeitsplatz Staubeinwirkungen ausgesetzt sei und an arbeitsplatzbezogenen Beschwerden in Form von gelegentlicher Atemnot, Husten und Hustenattacken leide. Die Beschwerden würden durch körperliche Belastung, Kontakt mit Farben/Lösungsmitteln und Staub beeinflusst. Geraucht habe er nie.

Die Beklagte holte Befundberichte des den Kläger behandelnden Internisten/Arztes für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. W. ein. In dem von ihm übersandten Karteikartenauszug sind für den 15.12.1992 eine Pneumonie, Tuberkulose (TBC) sowie am 21.01.1993 und 25.05.1993 "Zustand nach TBC, Zustand nach Pneumonie", am 20.08.1993 "Infektexacerbation, Bronchitis" und am 03.09.1993 "Verdacht auf Schlafapnoesyndrom, obstruktive Bronchitis" notiert. Dr. W. diagnostizierte bei dem Kläger laut den von ihm übersandten Befundberichten überdies am 13.07.2006 eine chronische obstruktive Lungenkrankheit (gesichert, J 5408), ein Asthma bronchiale (Verdacht auf, J 45.9), eine respiratorische Partialinsuffizienz (unter Belastung, J 96.1) sowie einen unklaren Thoraxschmerz (gesichert, R 07.4), am 13.10.2006 eine chronisch obstruktive Lungenkrankheit (gesichert) und ein Asthma bronchiale, am 13.02.2007 eine chronische obstruktive Lungenkrankheit (gesichert) und am 06.12.2007 ein Asthma bronchiale Mischform (gesichert, J 45.8) sowie eine chronische obstruktive Lungenkrankheit (gesichert, J 44.8). Im Befundbericht vom 06.12.2007 führte Dr. W. aus, dass es sich am ehesten um eine Mischform von Asthma/COPD handele.

Gemäß dem beigezogenen Befundbericht des Radiologen Dr. R. vom 13.07.2006 ergab die radiologische Untersuchung des Thorax ein beginnendes Emphysem, ohne Infiltrat sowie ausgeprägte narbige Veränderungen links abical, wahrscheinlich postspezifisch.

Aus dem von der Beklagten beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis der Krankenkasse des Klägers ergeben sich Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen eines viralen Infektes im Februar 1995, im Januar 1997, im Oktober 1997 sowie im Dezember 1999.

Der Präventionsdienst der Beklagten gab am 23.06.2008 eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition bezüglich einer Atemwegserkrankung nach BK Nr. 4301/4302 ab. In seiner zusammenfassenden Beurteilung gelangte er zu dem Ergebnis, dass der Kläger gerade in den Anfangszeiträumen einer teilweise hohen Staubbelastung ausgesetzt gewesen sei. Vor allem bei Flex- und Stemmarbeiten innerhalb von Einhausungen seien die Grenzwerte sicher überschritten gewesen. Eine Belastung durch organische Lösemittel habe nur in sehr geringem Maße bestanden. Eine Exposition gegenüber Teer oder Bitumen habe nicht bestanden. Nach Untersuchung des Klägers am 07.01.2009 erstattete der Facharzt für Lungen- und Bronchialheilkunde Dr. B. am 15.01.2009 im Auftrag der Beklagten ein Gutachten. Er diagnostizierte eine chronisch obstruktive Bronchitis/Asthma bronchiale, eine pulmonale Narbe im Oberlappenbereich links postpneumonisch, eine Chonchiopathie, Nasenmuschelhyperplasie, primäre Nebennierenrindeninsuffizienz (aktuell erhöhter Substitutionsbedarf), anamnestisch Hashimoto-Thyreoiditis (Schilddrüsenhormonsubstitution, Erkrankung des Stütz- und Bewegungsapparates, Polyarthrosen, Osteochondrose und Spondylose der Brustwirbelsäule sowie reizlose Narben nach Apendektomie. Bei dem Kläger bestehe keine atope Konstitution/keine Allergieneigung. Gegenüber inhalativen Allergenen sei er beruflich nicht gefährdend exponiert, auch nicht gegenüber Listenstoffen, welche eine BK nach Nr. 4302 auslösen könnten. Hingegen sei eine langjährige und zeitlich intensive Exposition (ca. 30% der Arbeitszeit in einem Zeitraum von 34 Jahren) gegenüber Baustellenstäuben aufgrund überwiegender Tätigkeit in Einhausungen und im Innenbereich von Fabrikräumen und der damit verbundenen Arbeit unter Überschreitung des allgemeinen Staubgrenzwertes für atembare Stäube über mehrere Jahrzehnte (1971 bis 2005) gesichert. Insofern sei zu diskutieren, ob die langjährige Tätigkeit bei überschrittenem Staubgrenzwert neben Atemwegsinfekten wesentlich mitursächlich für die Entwicklung der obstruktiven Atemwegserkrankung in Betracht komme. Als wesentliche außerberufliche Faktoren bezüglich der Entwicklung bzw. Begünstigung der Entstehung einer chronischen Atemwegserkrankung seien die durchgemachte Pneumonie, welche eine Streifennarbe hinterlassen habe, sowie aktenmäßig festgehaltene virale Infekte, welche allerdings nicht gehäuft dokumentiert seien, zu nennen. Zusammenfassend bestehe beim Kläger eine obstruktive Atemwegserkrankung, welche nach seiner Beurteilung als wahrscheinlich berufsbedingt zu werten sei, zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache. Gefährdende Einwirkungen durch Listenstoffe einer BK Nr. 4302 hätte nicht vorgelegen, sodass letztlich zu prüfen sei, ob eine Anerkennung als BK nach der Öffnungsklausel in Betracht komme. Dr. B. empfahl die Einholung einer gutachterlichen Stellungnahme nach Aktenlage z.B. durch Prof. Dr. N., Institut für Begutachtung in M. Bei Anerkennung einer BK bestünde seiner Einschätzung nach eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von entschädigungspflichtigem Grade.

Die Beklagte holte eine Stellungnahme nach Aktenlage von dem Facharzt für Arbeitsmedizin und Allergologie Dr. R. und dem Facharzt für Arbeitsmedizin und Allgemeinmedizin Dr. S., beide Berufsgenossenschaftliche Klinik für Berufskrankheiten Bad R., ein. Diese führten in ihrer Stellungnahme vom 17.07.2009 aus, dass der Kläger zweifellos langjährig unter Überschreitung des allgemeinen Staubgrenzwertes beschäftigt gewesen sei. Pathophysiologisch werde bei derartiger Einwirkung über Jahre bis Jahrzehnte eine Überforderung der bronchoalveolären Clearencekapazität mit konsekutiver Entwicklung einer chronischen Entzündung in den Atemwegen angenommen. Dementsprechend sei in der arbeitsmedizinischen Vorsorge auch eine Vorsorgeuntersuchung nach G 104 eingeführt worden. Im Berufskrankheitsrecht hätten diese Erkenntnisse zur Einführung der BK Nr. 4111 der BKV (chronische obstruktive Bronchitis oder Emphysem von Bergleuten untertage im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren) geführt. Die Anerkennung einer staubinduzierten Bronchitis sei derzeit nur nach Untertagetätigkeit im Steinkohlenbergbau bei Nachweis der Einwirkung einer kumulativen Dosis von in der Regel 100 Feinstaubjahren möglich. Neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft, die zu einer Anerkennung nach § 9 Abs. 2 SGB VII führen könnten, lägen derzeit nicht vor. Laut Bericht des Präventionsdienstes hätten Einwirkungen im Sinne einer BK nach Nr. 4301/4302 der BKV nicht bestanden. Somit könne nicht von der konkret drohenden Gefahr der Entstehung dieser Berufskrankheiten ausgegangen werden. Unter Anwendung des Grundsatzes G 104 der berufsgenossenschaftlichen Grundsätze für arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen bestünden bei dem Kläger gesundheitliche Bedenken zur Fortführung der bisherigen Tätigkeit. Eine solche erscheine nur bei Minderung der Staubexposition durch technische Schutzmaßnahmen, organisatorische Schutzmaßnahmen, einem Einsatz an Arbeitsplätzen mit nachgewiesener geringer Konzentration an Stäuben und durch Bereitstellung persönlicher Schutzausrüstung möglich.

Nachdem der Staatliche Gewerbearzt zunächst noch am 06.03.2009 die Anerkennung einer entschädigungspflichtigen BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII vorgeschlagen hatte, nahm er hiervon in seiner Stellungnahme vom 22.10.2009 Abstand und führte aus, dass weder eine BK Nr. 4301 noch eine BK Nr. 4302 noch eine BK im Sinne des § 9 Abs. 2 SGB VII zur Anerkennung vorgeschlagen werde.

Mit Bescheid vom 17.11.2009 entschied die Beklagte, dass eine BK nach Nr. 4301 oder Nr. 4302 der Anlage zur BKV nicht bestehe. Zur Begründung führte sie im Wesentlichen aus, dass die beim Kläger vorliegende chronische obstruktive Bronchitis mit bronchialer Hyperreagibilität die Voraussetzungen einer Atemwegserkrankung in diesem Sinne nicht erfülle. Es bestehe keine Sensibilisierung gegenüber beruflichen Stoffen. Auch sei der Kläger keinen gefährdenden atembaren beruflichen Allergenen im Sinne der BK Nr. 4301 ausgesetzt gewesen. Gleiches gelte für fibrogene Stäube von Stoffen im Sinne der BK Nr. 4302. Eine chronisch obstruktive Bronchitis mit bronchialer Hyperreagibilität durch allgemeine Einwirkung atembarer Stäube am Arbeitsplatz sei nicht in der Liste der Berufskrankheiten aufgeführt und auch von keiner anderen Erkrankung in der Berufskrankheitenliste erfasst. Die Anerkennung einer BK nach § 9 Abs. 1 SGB VII sei somit nicht möglich. Die Erkrankung könne auch nicht nach § 9 Abs. 2 SGB VII wie eine Berufskrankheit anerkannt werden, da keine neuen, wissenschaftlichen gesicherten Erkenntnisse darüber vorlägen, dass Zimmerer und Maurer durch ihre berufliche Arbeit in erheblich höherem Grade als die übliche Bevölkerung an chronisch obstruktiver Bronchitis mit bronchialer Hyperreagibilität leiden würden.

Hiergegen erhob der Kläger am 23.11.2009 Widerspruch, den die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 10.12.2010 als unbegründet zurückwies.

Der Kläger hat am 10.01.2011 Klage zum Sozialgericht Heilbronn (SG) erhoben, die zunächst unter dem Aktenzeichen S 13 U 126/11 und zuletzt unter dem Aktenzeichen S 5 U 126/11 geführt wurde. Zur Begründung hat sich der Kläger zunächst im Wesentlichen auf das Gutachten von Dr. B. bezogen, welcher davon ausgehe, dass die Baustellenstäube zumindest wesentliche Mitursache für seine obstruktive Atemwegserkrankung seien. Des Weiteren würden neue wissenschaftliche Erkenntnisse im Sinne von § 9 Abs. 2 SGB VII vorliegen, wie sich aus der von ihm vorgelegten Dissertation "Berufsbedingte Atemwegsbeschwerden in Ost- und Westdeutschland – eine Querschnittsstudie" von K. B. (Berichterstatter Prof. Dr. med. N., Mitberichterstatter Prof. Dr. Dr. W.) aus dem Jahr 2003 und aus dem Forschungsbericht "Chronisch-obstruktive Atemwegserkrankung (COPD) durch Inhalationen von anorganischen Stäuben am Arbeitsplatz, systematischer Review epidemiologischer Studien und Metaanalyse im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales" vom 15.11.2012 der Autoren B., T., H., W., H. und N. ergebe.

Das SG hat ein Vorerkrankungsverzeichnis des Klägers von dessen Krankenkasse für die Zeit vom 09.04.2003 bis 09.01.2012 beigezogen. Arbeitsunfähigkeitszeiten wegen Atemwegsbeschwerden ergeben sich hieraus nicht.

Das SG hat außerdem Dr. W. als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat mit schriftlicher Auskunft vom 11.01.2012 die im Verwaltungsverfahren bereits vorgelegten Befundberichte übersandt und mitgeteilt, dass der Kläger zwischen 2007 und März 2011 nicht bei ihm in Behandlung gewesen sei. Überdies hat er den Befundbericht vom 12.03.2011 übersandt. Laut diesem diagnostizierte er beim Kläger ein Asthma bronchiale in Mischform sowie eine chronische obstruktive Lungenkrankheit. Im Rahmen der Beurteilung im Befundbericht hat er dort ausgeführt, dass unverändert "eindeutig" ein Asthma bronchiale vorliege.

Das SG hat sodann den Arzt für Arbeitsmedizin, Sozialmedizin, Umweltmedizin Prof. Dr. Dr. K., Institut für Medizinische Begutachtung und Prävention K. mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Dieser kam nach Untersuchung des Klägers am 07.07.2015 in seinem Gutachten vom 14.07.2015 zu dem Ergebnis, dass bei dem Kläger eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität bei bronchialen Infektexacerbationen, ein Zustand nach Pneumonie (1992) und ein Zustand nach Lungentuberkulose (1992) vorliege. Im Rahmen von bronchialen Infektexacerbationen sei es bezüglich der unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität zu episodischen Verschlimmerungen gekommen. Eine mehrfach von pulmologischer Seite diagnostizierte chronisch-obstruktive Lungenerkrankung existiere beim Kläger definitiv nicht. Eine Exposition gegenüber Listenstoffen der BK Nrn. 4301/4302 habe nicht objektiviert werden können. Eine obstruktive Ventilationsstörung habe beim Kläger nicht nachgewiesen werden können, weshalb diese Berufskrankheiten nicht vorlägen. Auch lägen die Kriterien hinsichtlich einer Wie-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGBVII nicht vor. Insbesondere gebe es seit der letzten Änderungsverordnung zur BKV aus dem Jahr 2009 keine neueren gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse dahingehend, dass Baustaub zu einem maßgeblich erhöhten beruflichen Risiko von Bauarbeitern hinsichtlich der Entwicklung einer obstruktiven Ventilationsstörung führe. Die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität sei mit Wahrscheinlichkeit zumindest teilursächlich auf eine 1992/1993 durchgemachte Lungentuberkulose zurückzuführen.

Nachdem im Klageverfahren zunächst die Frage der Verwertbarkeit der von der Beklagten eingeholten "Stellungnahme nach Aktenlage" der Dres. R. und S. vom 17.07.2009 diskutiert wurde, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 21.10.2015 ausdrücklich auf sein Rügerecht verzichtet. In der mündlichen Verhandlung hat er zudem zuletzt nur noch die Abänderung der angefochtenen Bescheide sowie die Verpflichtung der Beklagten beantragt, die bei ihm bestehende Atemwegskrankheit wie eine Berufskrankheit gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.

Das SG hat die Klage mit Urteil vom 21.10.2015 abgewiesen. Da der Kläger zuletzt allein die Anerkennung einer Wie-BK gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII beantragt habe, würden sich Ausführungen zu den Listenberufskrankheiten Nrn. 4301 und 4302 erübrigen. Eine Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII sei nicht anzuerkennen, da die hierfür erforderlichen Tatbestandsmerkmale nicht erfüllt seien. Der Kläger sei aufgrund seiner versicherten Tätigkeit als Beschäftigter und seiner Zugehörigkeit zur Berufsgruppe der Bauarbeiter besonderen Einwirkungen durch Baustellenstäube in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen. Bei dem Kläger bestehe auch eine Atemwegserkrankung, die als BK im Sinne des § 9 Abs. 1 SGB VII zugrunde gelegt werden könnte, wobei hier dahinstehen könne, ob es sich um eine chronisch obstruktive Atemwegserkrankung oder eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität, wie im Gutachten von Prof. Dr. Dr. K. ausgeführt, handele. Eine Wie-BK liege jedenfalls deswegen nicht vor, weil es am generellen Ursachenzusammenhang zwischen der Atemwegserkrankung und der besonderen Einwirkung fehle. Ob eine Krankheit innerhalb einer bestimmten Personengruppe im Rahmen der versicherten Tätigkeit häufiger auftrete als bei der übrigen Bevölkerung, erfordere in der Regel den Nachweis einer Fülle gleichartiger Gesundheitsbeeinträchtigungen und eine langfristige zeitliche Überwachung der Krankheitsbilder. Mit wissenschaftlichen Methoden und Überlegungen müsse zu begründen sein, dass bestimmte Einwirkungen die generelle Eignung besitzen würden, eine bestimmte Krankheit zu verursachen. Erst dann lasse sich anhand von gesicherten "Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft" im Sinne des § 9 Abs. 2 SGBVII nachvollziehen, dass die Ursache für die Krankheit in einem schädigenden Arbeitsleben liegt. Diese Voraussetzung sei vorliegend nicht erfüllt. Der Sachverständige Prof. Dr. Dr. K. habe in seinem Gutachten vom 14.07.2015 nach gründlicher Recherche zur Überzeugung des SG schlüssig dargelegt, dass gegenwärtig eine herrschende Meinung in dem vorgenannten Sinn nicht existiere, dass Baustaub zu einem maßgeblich erhöhten beruflichen Risiko hinsichtlich der Entwicklung einer obstruktiven Ventilationsstörung führe. Soweit sich der Kläger auf die von ihm vorgelegte Dissertation und den Forschungsbericht beziehe, reiche es nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nicht aus, dass überhaupt medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse zu dem jeweils relevanten Problemfeld existieren. Soweit der Kläger gegen das Gutachten noch einwende, dass der Gutachter die Atemwegserkrankung unzutreffend auch auf die Lungentuberkulose in den Neunziger Jahren zurückführe, sei darauf hinzuweisen, dass dies die Frage der Krankheitsverursachung durch die versicherte Tätigkeit im Einzelfall betreffe, auf die es aus den vorgenannten Gründen nicht entscheidend ankomme. Allerdings könne die Lungentuberkulose mit Begleitpneumonie in den Neunziger Jahren bei dieser Prüfung nicht unberücksichtigt bleiben. Ausführungen zur Verwertbarkeit der von der Beklagten eingeholten Stellungnahme nach Aktenlage der Dres. R. und S. vom 17.07.2009 würden sich bereits wegen des in der öffentlichen Sitzung am 21.10.2015 ausdrücklich erklärten Verzichts auf das Rügerecht erübrigen. Im Übrigen stütze sich das Gericht bei seiner Entscheidung auch nicht auf diese Stellungnahme nach Aktenlage. Der Kläger hat gegen das ihm am 30.11.2015 zugestellte Urteil am 17.12.2015 Berufung zum Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) eingelegt und sein Klagevorbringen im Wesentlichen vertieft. Seine Atemwegserkrankung werde dann als Wie-BK anerkannt, wenn es eine herrschende Meinung unter den medizinischen Sachverständigen gebe, dass diese Stäube, die er bei seiner Tätigkeit als Bauarbeiter habe einatmen müssen, zu der Lungenerkrankung geführt hätten. Hierbei stütze er sich auf eine Metaanalyse vom Dezember 2012, die das Bundesministerium für Arbeit und Soziales in Auftrag gegeben habe unter der Projektleitung von Prof. Dr. W. Darin sei man zu dem Ergebnis gekommen, dass der Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten auf der Basis dieser Studie zur weiteren Beratung aufnehmen werde, ob unter den besonderen Bedingungen des Berufskrankheitenrechts die gesetzlichen Voraussetzungen für die Einführung neuer oder die Erweiterung bestehender Berufskrankheiten zur COPD durch anorganische Stäube erfüllt seien. Der Beirat hätte diese Beratung nicht aufgenommen, wenn es nicht bereits eine herrschende Meinung gäbe. Dies sei vom Sachverständigen Prof. Dr. Dr. K. bestritten worden. Die Metaanalyse gehe von einer generellen Geeignetheit von biopersistenten, granulären Stäuben für die Entwicklung einer berufsbedingten COPD aus. Er habe damit den Nachweis geführt, dass bei ihm eine sogenannte Wie-BK vorliege.

Der Senat hat auf Antrag und Kosten des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) Dr. B., Ärztin für Arbeitsmedizin am Institut für Epidemiologie I, H.zentrum M. in N., mit der Erstattung eines Gutachtens beauftragt. Nachdem diese eine aktuelle Lungenfunktionsdiagnostik für notwendig hielt, die sie am eigenen Institut nicht durchführen konnte, hat der Senat auf Anraten von Dr. B. und auf Antrag und Kosten des Klägers den arbeitsmedizinisch-pneumologischen Befundbericht von Prof. Dr. N., Facharzt für Allgemeinmedizin, Internist/Lungen- und Bronchialheilkunde, Direktor des Instituts und der Polyklinik für Arbeits-, Sozial- und Umweltmedizin der Universität M. vom 23.12.2016 veranlasst, der den Kläger am 14.12.2016 lungenfunktionsanalytisch gemeinsam mit der Fachärztin für Arbeitsmedizin Dr. O. untersucht hat. In ihrer zusammenfassenden Beurteilung haben die Ärzte in diesem Befundbericht ausgeführt, dass auch nach maximaler Bronchospasmolyse bei dem Kläger eine nicht vollständig reversible bronchiale Obstruktion zu diagnostizieren sei. Unter regelmäßiger antientzündlicher inhalativer Therapie liege derzeit keine bronchiale Hyperreagibilität vor. Das exalierte Stickstoffmonoxid habe mit dem 90. Perzentil noch im Normbereich gelegen, auch die Diffusionskapazität sei normwertig. Nach unauffälligem Ruhe-EKG sei eine spiroergometrische Belastungsuntersuchung durchgeführt worden. Diese habe eine weitgehend fixierte bronchiale Obstruktion mit beginnender pulmonaler Ausbelastung bei grundsätzlich gutem Trainingszustand mit hoher Herzfrequenzreserve und hohem Sauerstoffpuls, welcher ohne diese pulmonale Limitierung eine weitere Belastung auch über die gewichtsadaptierte Mindestsollleistung wahrscheinlich gemacht hätte, bestätigt. Da die Diffusionskapazität weder in Ruhe noch unter spiroergometrischer Belastung eingeschränkt gewesen sei, liege kein Hinweis auf ein relevantes Lungenemphysem vor. Die beim Kläger zu konstatierende kaum reversible bronchiale Obstruktion sei in der Querschnittsbetrachtung kompatibel mit dem Krankheitsbild einer COPD. Eine COPD sei durch irreversible strukturelle Veränderungen an den mittleren und kleinen Bronchien bedingt. Grundsätzlich könne ein vergleichbarer Befund auch infolge eines über viele Jahre nicht adäquat therapierten Asthma bronchiale auftreten. Die diesbezügliche Differenzierung sei nur in Betrachtung des longitudinalen Verlaufs der Lungenfunktionsmesswerte unter Berücksichtigung der Medikation und des longitudinalen anamnestischen Verlaufs möglich. Sollten zu Beginn der Beschwerdesymptomatik asthmatypische Beschwerden mit intermittierendem Husten, intermittierender bronchialer Enge im Wechsel mit Zeiten der Beschwerdefreiheit aufgetreten sein, so sei – falls parallel eine bronchiale Hyperreagibilität dokumentiert worden sei – von der primären Diagnose eines Asthma bronchiale auszugehen. Sollte das Asthma bronchiale zeitnah zum Auftreten der Erstsymptomatik adäquat therapiert worden sein, so seien die jetzt erhobenen Befunde nicht auf ein schlecht eingestelltes Asthma bronchiale zurückzuführen, sondern müssten als ein neues Krankheitsbild der COPD gewertet werden, welche zusätzlich zu einem Asthma bronchiale jederzeit auftreten könne. Sollte die Beschwerdesymptomatik von Beginn an schleichend mit im Vordergrund stehender Belastungsdyspnoe aufgetreten sein, so sei die Diagnose einer COPD ohne asthmatische Begleiterkrankung zu stellen. Grundsätzlich könne auch bei einer COPD eine bronchiale Hyperreagibilität mit einer gewissen Reversibilität der bronchialen Obstruktion vorliegen. Wäre die aktuelle dokumentierte bronchiale Obstruktion im Sinne einer Berufskrankheit nach dem Reichenhaller Merkblatt bezüglich der MdE einzuschätzen, so ergäbe sich aufgrund der geringgradigen obstruktiven Ventilationsstörung und der anamnestisch berichteten Atemwegsbeschwerden trotz adäquater Therapie eine MdE von 30 v.H.

Dr. B. ist in ihrem Gutachten vom 26.01.2017 zu dem Ergebnis gekommen, dass die arbeitsmedizinisch-pneumologische Untersuchung vom Dezember 2016 mit einer absoluten Einsekundenkapazität sowie einem Tifineauwert jeweils unterhalb der Sollwert-Untergrenze den Befund einer geringgradigen bronchialen Obstruktion, die auch bei maximaler Bronchospasmolyse kaum reversibel gewesen sei, zeige. Der Befund sei kompatibel mit dem Krankheitsbild einer COPD, bedingt durch irreversible strukturelle Veränderungen an den kleinen und mittleren Bronchien. Eine Atemwegsobstruktion könne aber auch durch Asthma bronchiale hervorgerufen werden. Hierbei komme es zu anfallsweiser Atemnot durch eine Atemwegsverengung, verursacht durch vermehrte Sekretion von Schleim, Verkrampfung der Bronchialmuskulatur und Bildung von Ödemen der Bronchialschleimhaut. Für die Diagnose einer COPD in Abgrenzung zum Asthma bronchiale würden beim Kläger die folgenden Charakteristika sprechen, die in der Krankheitsanamnese erhoben worden seien und teilweise auch im longitudinalen Krankheitsverlauf in den Akten dokumentiert seien: Während Asthma häufig mit Episoden von anfallsweiser Luftnot beginne, habe die Beschwerdesymptomatik bei dem Kläger (Belastungsdyspnoe, nächtliche Atemnot und Husten) allmählich eingesetzt und über die Jahre an Schwere zugenommen, wie es für die COPD typisch sei. Bei Asthma bronchiale seien auch beschwerdefreie Intervalle zu erwarten gewesen, die von dem Kläger anamnestisch aber nicht angegeben worden seien. Das Krankheitsbild einer COPD sei erstmals am 13.07.2006 durch Dr. W. im Vollbeweis gesichert worden. Der damals durchgeführte Bronchospasmolysetest bestätige ein Stadium II nach den Gold-Kriterien. Im Gegensatz zur COPD sei eine bronchiale Obstruktion aufgrund eines Asthma bronchiale durch Therapie rückbildungsfähig. Die bei dem Kläger zu konstatierende Atemwegsobstruktion sei auch heute noch nach maximaler Bronchospasmolyse durch inhalative Gabe von Atrovent und Sultanol kaum reversibel. Im unspezifischen Methacholin-Provokationstest habe sich keine bronchiale Hyperreagibilität, wie sie für die Symptomatik des Bronchialasthmas typisch sei, gezeigt. Da der Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung im Dezember 2016 jedoch dauerhaft auch unter antientzündlicher und bronchial erweiternder inhalativer Therapie gestanden habe, sei dieser Test nur eingeschränkt aussagefähig. Zusammengefasst liege bei dem Kläger das Krankheitsbild einer COPD vor mit schleichendem Beginn, den typischen Symptomen einer chronischen Belastungsdyspnoe und Husten, sowie einer progredienten und auch medikamentös kaum reversiblen Atemwegsobstruktion. Als Beginn der Erkrankung könne die Lungenfunktionsprüfung durch Dr. W. am 13.07.2006 herangezogen werden. Diese Atemwegserkrankung sei mit hinreichender Wahrscheinlichkeit auf die berufliche Tätigkeit des Klägers zurückzuführen, da er nach den Ermittlungen des Präventionsdienstes der Beklagten einer hohen Staubbelastung ausgesetzt gewesen sei, insbesondere bei der Firma G. in den Jahren 1971 bis 2004. Insgesamt hätten diese staubenden Tätigkeiten einen zeitlichen Anteil von ca. 30% der gesamten Arbeitszeit über insgesamt 34 Jahre eingenommen. Epidemiologisch seien 15 bis 20% der COPD-Erkrankungen auf eine berufliche Exposition gegenüber Stäuben, Gasen und Dämpfen zurückzuführen. Während in den Studien nur Nichtraucher untersucht würden, läge der Anteil der COPD-Erkrankungen, die auf eine berufliche Exposition zurückzuführen seien, noch höher. Dies sei das Fazit der European Respiratory Society auf der Grundlage zahlreicher Studien. Eine Überlastung der mukoziliaren Clearance könne sowohl lokal in den Atemwegen als auch systemisch einen chronischen Entzündungsprozess in Gang setzen. In den Atemwegen führe diese chronische Entzündung zu den oben beschriebenen Umbauprozessen. Um dieser Gefährdung Rechnung zu tragen, seien die Arbeitsplatzgrenzwerte für alveolengängigen Staub in den technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS 900) herabgesetzt worden. Seit Ende des Jahres 2001 habe in Deutschland ein Grenzwert von 3 mg/m³ für diese Staubfraktion (A-Staub) gegolten. Dieser Grenzwert sei von der Deutschen Forschungsgemeinschaft 2011 deutlich verschärft worden und liege jetzt bei 0,3 mg/m³ (Mack- und BAT-Werte-Liste, 2011). Er gelte für biopersistente granuläre Stäube mit einer Dichte 1g/cm³. Diese Grenzwerte seien, wie der Technische Aufsichtsdienst ermittelt hatte, am Arbeitsplatz des Klägers mit Sicherheit überschritten worden. Berufsunabhängige Ursachen kämen nicht in Betracht, da der Kläger zeitlebens Nichtraucher gewesen sei. Eine BK Nr. 4301 liege nicht vor. Zwar schließe diese Listen-BK eine obstruktive Atemwegserkrankung ein, allerdings sei die bei dem Kläger nicht durch allergisierende Stoffe verursacht. Eine berufliche Allergenexposition sei nicht gesichert worden, der Kläger sei negativ auf Allergien getestet worden. Auch eine BK nach Nr. 4302 liege nicht vor, da gefährdende Einwirkungen durch die dort genannten Listenstoffe nach den Ermittlungen des Technischen Aufsichtsdienstes nicht erfolgt seien. Die Erkrankung sei aber als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen. Sie selbst habe auf Veranlassung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales mit weiteren Wissenschaftlern einen systematischen Review der medizinisch-wissenschaftlichen Literatur zur Verursachung von COPD durch die Inhalation von anorganischem Staub durchgeführt. Darüber hinaus sei eine statistische Metaanalyse der spirometrischen Untersuchungsergebnisse vorgenommen worden, um die Evidenz für einen kausalen Zusammenhang zu prüfen. Eine Metaanalyse erlaube es, viele teilweise auch divergierenden Studienergebnisse zu einer quantitativen Gesamtaussage zusammenzufassen. Für die Metaanalyse seien Studien herangezogen worden, welche die Auswirkungen einer Exposition gegenüber biopersistenten granulären Stäuben untersucht hätten. Der Review und die Metaanalyse würden zeigen, dass sowohl in longitudinalen als auch in Querschnittsanalysen zwischen der inhalativen Belastung mit biopersistenten granulären Stäuben am Arbeitsplatz und dem Vorhandensein einer FEV 1-Erniedrigung als Zeichen der Atemwegsobstruktion ein statistisch signifikanter positiver Zusammenhang bestehe. Damit sei die generelle Geeignetheit von biopersistenten granulären Stäuben für den überproportionalen Verlust von FEV 1 und damit der Entwicklung einer berufsbedingten COPD zu bejahen. Diese Ergebnisse seien auch in einer Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Ihres Erachtens lägen somit neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft vor dahingehend, dass die Entwicklung einer berufsbedingten COPD durch biopersistente granuläre Stäube am Arbeitsplatz verursacht werden könne. Der Kläger habe zu einer Personengruppe gehört, die durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade diesen Stäuben ausgesetzt gewesen sei als die übrige Bevölkerung. Zwar seien im Review und der Metaanalyse die Staubbelastung und ihre Auswirkungen auf die Lungenfunktion nicht getrennt nach Berufsgruppen untersucht worden, es gebe aber auch einige neuere Studien aus dem Baubereich, die ein erhöhtes COPD-Risiko für die Beschäftigten zeigten. Insoweit hat Dr. B. auf zwei amerikanische Studien von Dement, Welch, Ringen et al. aus den Jahren 2014 und 2015 und auf eine schwedische Studie von Toren/Järvholm aus dem Jahr 2014 verwiesen. Da der Kläger oft eingehaust und ohne Frischluftzufuhr mit Abbrucharbeiten beschäftigt gewesen sei, könne man davon ausgehen, dass er stärker staubexponiert gewesen sei als es für diese Berufsgruppe typisch sei und damit noch stärker gefährdet gewesen war, eine COPD zu entwickeln. Ziel des Reviews und der Metaanalyse sei es gewesen, den derzeitigen Wissensstand kompakt zusammenzufassen und damit als Basis für die weitere Bewertung durch das Bundesministerium für Arbeit und Soziales und dessen ärztlichen Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten zur Prüfung neuer Berufskrankheiten zu dienen. Diese Prüfung sei ihres Wissens noch nicht abgeschlossen. Der Einschätzung von Prof. Dr. Dr. K. könne sie nicht folgen, da eine COPD Stadium II erstmalig am 13.07.2006 vollbeweislich gesichert sei und auch durch die nachfolgenden Lungenfunktionsprüfungen wiederholt trotz regelmäßiger Therapie dem Schweregrad II entsprochen habe. Prof. Dr. Dr. K. stütze seine Beurteilung allein auf die teilweise fehlerhafte Zusammenstellung früherer Untersuchungsergebnisse von Dr. W. und Dr. B., ohne selbst eine Lungenfunktionsmessung durchgeführt zu haben. Dr. W. und auch Dr. B. hätten aber aufgrund der damals durchgeführten Lungenfunktionsanalyse eine leichtgradige obstruktive Ventilationsstörung festgestellt. Sofern Prof. Dr. Dr. K. die Diagnose einer COPD mit dem Hinweis darauf ablehne, dass der maßgebliche Parameter für die Objektivierung einer zentralen obstruktiven Ventilationsstörung die totale Resistance (ist) sei, die Normgrenze bei 0,30 kPa x Sek/l. sei und im Zeitraum von 2006 bis 2014 dieser Wert nur einmal überschritten worden sei, werde diese Einschätzung nicht von der pneumologischen Fachgesellschaft geteilt. Maßgeblich für die COPD seien die irreversiblen strukturellen Veränderungen an den mittleren und kleinen Bronchien und nicht die Einengung des zentralen Hauptbronchus bzw. der abgehenden großen Bronchien und der damit einhergehenden Zunahme der Resistance. Darüber hinaus wirke die atemwegserweiternde inhalative Medikation hauptsächlich auf die großen Atemwege, da sich die Aerosole des Medikaments beim Inhalationsvorgang vor allem dort ablagern würden. Auch mit optimalem Inhalieren erreichten die Aerosole meist nicht die tieferen Atemwege. Insofern sei für die Diagnose einer COPD nicht die total-Resistance relevant, sondern die Abnahme der Einsekundenkapazität im Verhältnis zur Vitalkapazität nach Gabe einer Bronchospasmolyse. Sofern Prof. Dr. Dr. K. die Ablehnung neuerer gesicherter wissenschaftlicher Erkenntnisse damit begründe, dass er im Literaturportal Pubmed unter den Suchbegriff "COPD construction worker" nur fünf Publikationen recherchiert habe, überzeuge dies nicht. Setze man nämlich als Suchbegriff "COPD construction workers" ein, so erziele man ganze 46 Treffer. Zwar seien nicht alle 46 Treffer im Kontext der hiesigen Fragestellung relevant, einige aber sehr wohl. In diesem Zusammenhang verweise sie auf den Forschungsbericht und die Metaanalyse.

Prof. Dr. Dr. K. hat hierzu im Auftrag des LSG seine ergänzende arbeitsmedizinische Stellungnahme vom 10.08.2017 abgegeben. In dieser hat er im Wesentlichen unter nochmaliger tabellarischer Darstellung der im gesamten Verlauf erhobenen lungenfunktionsanalytischen Ergebnisse vom 13.07.2006 bis zuletzt am 14.12.2016 sowie unter Berücksichtigung des Beschäftigungszeitraums des Klägers von 1971 bis 2012 mit daraus abgeleiteten 41 staubgefährdenden Jahren ausgeführt, dass die Kurvenverläufe der Atemstoßkurve und der Fluss-Volumen-Kurve für eine ausreichende Mitarbeit des Klägers bei der stark abhängigen Lungenfunktionsprüfung mittels Spirometrie sprächen, gleichwohl zum selben Untersuchungstermin Schwankungen der Messergebnisse aufträten. Überdies sei anhand der ganzkörperplethysmographisch ermittelten totalen Resistance über den gesamten Zeitraum von 2006 bis 2016 keine obstruktive Ventilationsstörung nachgewiesen, da zu keiner Zeit der Grenzwert von 0,3 kPa x Sek./l. überschritten sei mit einmaliger Ausnahme im März 2011. Auch anhand des zweiten, für die Identifikation einer obstruktiven Ventilationsstörung maßgeblichen Parameters der relativen Einsekundenausatmungskapazität (FEV 1/VC) könne im Längsschnitt bis 2016 keine obstruktive Ventilationsstörung konstatiert werden. Im Zeitraum von Juli 2006 bis März 2011 sei der Wert von 70% nicht unterschritten worden (mit einmaliger Ausnahme im Februar 2007 mit 69%). Erstmals bei der Messung am 14.12.2016 seien Werte zwischen 58 und 62% erreicht worden, was 78 bis 83% des Sollwertes entspreche. Allerdings sei der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits seit dreieinhalb Jahren in Altersrente und mithin nicht mehr staubexponiert gewesen worden. Der letzte aktenkundige sei derzeit der vor der Berentung im März 2011, der bei 88% gelegen habe. Somit sei es zu einer maßgeblichen Verschlechterung der relativen Einsekundenausatmungskapazität erst gekommen, nachdem der Kläger die staubgefährdende berufliche Tätigkeit eingestellt habe. Anhand der Ermittlungsergebnisse der Beklagten sei davon auszugehen, dass der Baustaub, gegenüber dem der Kläger exponiert gewesen sei, aus der Bearbeitung von Mauerwerk, Betonwänden und Estrichen bestanden habe, es sich also um sogenannten inerten Staub gehandelt habe. Über die Einwirkung von Quarz- oder Asbeststaub existierten keine Ergebnisse in der Expositionsanalyse. Quarz- und Asbeststaubeinwirkungen würden auch noch bronchopulmonale pathogene Effekte nach Ende der beruflichen Exposition durch immunologische Mechanismen bzw. durch Faserpersistenz erzielen. Diese würden im Falle der inhalativen Asbestbelastung zur Schädigung der Makrophagen mit Bildung von freien Radikalen führen. Derartige Pathomechanismen seien für den inerten Baustaub nicht bekannt. Die valideste Methode zur Objektivierung einer obstruktiven Ventilationsstörung sei die ganzkörperplethysmographische Bestimmung der totalen Resistance. Prof. Dr. N. stütze die Diagnose der obstruktiven Ventilationsstörung auf die erniedrigten Werte für die relative Einsekundenausatmungskapazität. Diese biete aber nur im ganzen Umfang die Möglichkeit, Ventilationsstörungen zu diagnostizieren und zu differenzieren. Die angloamerikanische Literatur basiere fast ausschließlich auf der Lungenfunktionsanalyse mittels Spirometrie und der so gewonnenen Messung von absoluter und relativer FEV 1. Die Ganzkörperplethysmographie und der mit ihr gewonnene Wert der Total Resistance seien aber zuverlässiger, auch wenn diese Technik aufwändiger und platzfordernder mittels druckstabiler Patientenkabine seien, was möglicherweise ein Grund dafür sei, dass diese keinen Eingang in den Goldscore der COPD gefunden habe. Die ganzkörperplethysmographischen Resistanceschleifen in der aktuellen Lohnfunktionsanalyse vom 14.12.2016 würden keine Veränderungen zeigen, die auf instabile Atemwege schließen lassen könnten und damit Hinweise auf ein Lungenemphysem wären. Eine Lungenüberblähung sei bei dem Kläger auszuschließen. Auch der Normalbefund hinsichtlich der Diffusionskapazität sei dahingehend zu interpretieren, dass bei dem Kläger kein ausgeprägtes Lungenemphysem vorliege. Der Informationsgehalt der Flussvolumenkurve sei bis auf eine Ausnahme nicht wesentlich höher zu veranschlagen als derjenige der Atemstoßkurve mit Ausnahme der Aufdeckung einer sogenannten Small Airways Dysfunktion, worunter eine Obstruktion der kleinen Atemwege mit einem Durchmesser geringer als zwei mm verstanden werde. Eine solche Small Airways Dysfunktion ergebe sich eindeutig aus den Messwerten bei der Untersuchung am 14.12.2016. Eine solche trete oft bei Rauchern auf. Über die Assoziation von COPD und Small Airways Dysfunktion allgemein existierten nur wenige Mitteilungen in der medizinischen Literatur. Bei dem Kläger bestehe keineswegs eine fixierte obstruktive Ventilationsstörung, wie sie bei einer COPD typischerweise auftrete. Nur komme es bei dem Kläger nach Inhalation eines Bronchospasmolytikums nicht zu einer Bronchodilatation, sondern paradoxerweise zu einer Bronchokonstriktion. Dieses außerordentlich seltene Phänomen zeige sich in der Lungenfunktionsübersicht im Gutachten von Dr. B. Die Messungen der Parameter zeigten für die Untersuchungen in den Jahren 2006, 2007 und 2011 allerdings übereinstimmend vor Bronchospasmolyse deutlich höhere Werte als nach Bronchospasmolyse. Insofern seien die Ergebnisse des jüngsten Bronchospasmolysetests vom 14.12.2016 nicht im Sinne einer nur teilreversiblen obstruktiven Ventilationsstörung zu werten. Die Voruntersuchungen am 13.07.2006, 05.12.2007 und 07.01.2009 zeigten lediglich bronchiale Hyperreagibilität. Zusammenfassend sei damit auszuführen, dass bis zum Ende der beruflichen Staubexposition Mitte 2012 bei dem Kläger weder eine obstruktive Ventilationsstörung noch ein Lungenemphysem funktionsanalytisch habe nachgewiesen werden können. Somit würden die maßgeblichen Kennzeichen einer COPD fehlen. Darüber hinaus sei auch die Fehlermessung negativ gewesen. Somit könne auch eine Entzündung im bronchialen Bereich ausgeschlossen werden, die bei Bestehen einer COPD zu erwarten gewesen wäre. Beim Kläger lägen aus der pulmonologischen Anamnese Vorerkrankungen vor, die für die spätere Entwicklung einer COPD prädestinierend seien, insbesondere die Lungentuberkulose, die Pneumonie und die Infektexacerbationen im Bronchialsystem. Im Übrigen sei der Forschungsbericht von Dr. B. und anderen am 15.11.2012 publiziert worden. Die Untersuchung sei im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Sozialordnung durchgeführt worden. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse der Studie auch im ärztlichen Sachverständigenbeirat Berufskrankheiten des BMAS diskutiert worden seien. Dieser Beirat sei dem Ministerium beigeordnet. Außerdem sei Prof. Dr. N. Koautor der Metaanalyse und gleichzeitig Mitglied im vorgenannten Ausschuss. Offensichtlich seien die Studienergebnisse für die Etablierung einer Listen-BK als nicht ausreichend eingestuft worden. Jedenfalls habe der Sachverständigenbeirat im September 2016, also ca. vier Jahre nach Erscheinen der Studie, die Empfehlung für vier neue Berufskrankheiten ausgesprochen. Die COPD durch die bioresistenten Stäube sei nicht dabei gewesen. Die aktuelle Literaturrecherche über Pubmed habe jedenfalls keine gesicherten wissenschaftlichen Erkenntnisse über die Zusammenhänge zwischen Baustaub und COPD erbracht.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 21.Oktober 2015 aufzuheben, den Bescheid der Beklagten vom 17. November 2009 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Dezember 2010 abzuändern und die Beklagte zu verpflichten, die bei ihm bestehende Atemwegserkrankung wie eine Berufskrankheit nach § 9 Abs. 2 SGB VII anzuerkennen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf das Urteil des SG sowie auf das Gutachten von Prof. Dr. Dr. K. und dessen ergänzende Stellungnahme.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vortrags der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen und auf die von der Beklagten beigezogenen Verwaltungsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Feststellung einer Atemwegserkrankung als Wie-BK nach § 9 Abs. 2 SGB VII hat.

BKen sind nach § 9 Abs. 1 SGB VII Krankheiten, welche die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als BKen bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche BKen zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkungen verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind, wobei sie bestimmen kann, dass Krankheiten nur dann BKen sind, wenn sie durch Tätigkeiten in bestimmten Gefährdungsbereichen verursacht worden sind oder wenn sie zur Unterlassung aller Tätigkeiten geführt haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können (§ 9 Abs. 2 Satz 2, 1. und 2. Hs. SGB VII).

Gemäß § 9 Abs. 2 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger eine Krankheit, die nicht in der Rechtsverordnung bezeichnet ist oder bei der die dort bestimmten Voraussetzungen nicht vorliegen, wie eine BK als Versicherungsfall anzuerkennen, sofern im Zeitpunkt der Entscheidung nach neuen Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft die Voraussetzungen für eine Bezeichnung nach Abs. 1 Satz 2 erfüllt sind.

Nach § 9 Abs. 2 SGB VII müssen für die Feststellung der Wie-BK folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

1. Ein Versicherter muss die Feststellung einer bestimmten Krankheit als Wie-BK beanspruchen. 2. Die Voraussetzungen einer der in Anl. 1 zur BKV bezeichneten Krankheiten dürfen nicht erfüllt sein. 3. Die Voraussetzungen für die Bezeichnung der geltend gemachten Krankheit als Listen-BK durch den Verordnungsgeber nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII müssen vorliegen; es muss eine bestimmte Personengruppe durch die versicherte Tätigkeit besonderen Einwirkungen in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt (gewesen) sein, und es müssen medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung vorliegen. 4. Diese medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse müssen neu sein. 5. Im Einzelfall müssen die abstrakten Voraussetzungen der Wie-BK konkret erfüllt sein (BSG, Urteile vom 20.7.2010 - B 2 U 19/09 R - und vom 13.02.2013 - B 2 U 33/11 R -, Juris).

Für die Atemwegserkrankung des Klägers lagen weder im Zeitpunkt der Entscheidung der Beklagten noch der Entscheidung des SG nach neuen medizinischen Erkenntnissen die Voraussetzungen für eine Bezeichnung als BK vor. Dies ist auch zum Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht der Fall.

Der Kläger war bei seiner Tätigkeit als Bauarbeiter nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versichert. Er hat mit der Atemwegserkrankung auch eine bestimmte Krankheit genannt, deren Anerkennung er als Wie-BK begehrt. Insofern kommt es nicht darauf an, ob die Atemwegserkrankung hier diagnostisch als COPD oder als eine unspezifische bronchiale Hyperreagibilität einzustufen ist. Denn die Merkmale einer Listen-BK sind in jedem Fall nicht erfüllt, wie die Beklagte in den angefochtenen Bescheiden festgestellt hat und was auch der Kläger nicht mehr bestreitet.

Jedoch sind die zuvor genannten Voraussetzungen zu Ziffer 3 und 4 nicht erfüllt.

Zwar sind sich die Beteiligten darüber einig, dass der Kläger in seiner versicherten Tätigkeit als Bauarbeiter besonderen Einwirkungen durch Baustaub in erheblich höherem Maße als die übrige Bevölkerung ausgesetzt gewesen war. Dies hat auch das SG festgestellt. Dem schließt sich der Senat nach eigener Überzeugungsbildung an. Vorliegend fehlen jedoch neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung zwischen dem sog. inerten Baustaub/biopersistenten granulären Staub und einer COPD sowie einer unspezifischen bronchialen Hyperreagibilität.

Mit der Vorschrift des § 9 Abs. 1 SGB VII hat der Gesetzgeber das "Listensystem" als Grundprinzip des Berufskrankheitenrechts der gesetzlichen Unfallversicherung festgelegt. Mit der Einführung der Wie-BK in § 551 Abs. 2 RVO durch das Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz vom 30.04.1963 (BGBl. I S. 241) wurde eine Ausnahme vom Listenprinzip nur für den Fall zugelassen, dass der Verordnungsgeber wegen der regelmäßig notwendigen mehrjährigen Intervalle zwischen den Anpassungen der BKV an die neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse nicht rechtzeitig tätig wird (BSG, Urteile vom 18.06.2013 - B 2 U 6/12 R -, Juris und vom 25.08.1994 - 2 RU 42/93 -, BSGE 75, 51, 54 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 6 S. 14). Die Vorschrift dient gerade nicht dazu, bei fehlender sog. BK-Reife eine im Einzelfall durch die versicherte Tätigkeit verursachte Krankheit zu entschädigen, etwa zum Ausgleich einer individuellen Härte (vgl. BSG, Urteile vom 13.02.2013 - B 2 U 33/11 R -, Juris, vom 14.11.1996 - 2 RU 9/96-, BSGE 79,250 = SozR 3-2200 § 551 Nr. 9). Sinn des § 9 Abs. 2 SGB VII (§ 551 Abs. 2 RVO) ist es vielmehr, ausnahmsweise vom Listensystem abweichen zu können, um solche durch die Arbeit verursachten Krankheiten wie eine BK zu entschädigen, die nur deshalb nicht in die Liste der BKen aufgenommen worden sind, weil die Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft über die besondere Gefährdung bestimmter Personengruppen in ihrer Arbeit bei der letzten Fassung der Liste noch nicht vorhanden waren oder vom Verordnungsgeber nicht hinreichend berücksichtigt wurden oder trotz Nachprüfung noch nicht ausreichten (vgl. BSG, Urteile vom 18.06.2013, a.a.O. und vom 04.08.1981 - 5a/5 RKnU 1/80 -, SozR 2200 § 551 Nr. 18 S 27). Die Anerkennung einer Wie-BK knüpft damit an dieselben materiellen Voraussetzungen an, die der Verordnungsgeber auch nach § 9 Abs. 1 Satz 2 SGB VII (§ 551 Abs. 1 Satz 3 RVO) für die Aufnahme einer Erkrankung in die Liste zu beachten hat. In diesem Zusammenhang nicht ausreichend ist, dass überhaupt neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen, sondern es muss sich hinsichtlich der neuen Erkenntnisse eine herrschende Meinung im einschlägigen medizinischen Fachgebiet bereits gebildet haben (BSG, Urteil vom 04.06.2002 - B 2 U 16/01 R -, Juris). Solche Erkenntnisse liegen in der Regel dann vor, wenn die Mehrheit der medizinischen Sachverständigen, die auf den jeweils in Betracht kommenden Gebieten über besondere Erfahrungen und Kenntnisse verfügen, zu derselben wissenschaftlich fundierten Meinung gelangt ist. Es muss sich um gesicherte Erkenntnisse handeln; nicht erforderlich ist, dass diese Erkenntnisse die einhellige Meinung aller Mediziner sind. Andererseits reichen vereinzelte Meinungen einiger Sachverständiger grundsätzlich nicht aus (BSG, Urteil vom 04.06.2002 - B 2 U 20/01 R -, Juris). Neu in diesem Sinne sind die Erkenntnisse, wenn sie bei der letzten Änderung der BKV noch nicht berücksichtigt sind. Das ist der Fall, wenn die Erkenntnisse erst nach dem Erlass der letzten Änderung der BKV gewonnen worden oder zu diesem Zeitpunkt im Ansatz vorhanden waren, sich aber erst danach zur BK-Reife verdichtet haben bzw. wenn die Erkenntnisse dem Verordnungsgeber entgangen sind und er deshalb eine Änderung der BKVO überhaupt nicht erwogen hat (vgl. LSG Baden-Württemberg, Urteil vom 26.02.2013 - L 9 U 2651/11 -).

Ausgehend von diesen Grundsätzen und unterstellt, beim Kläger läge diagnostisch eine COPD vor, liegen gerade keine neuen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse über das Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung zwischen dem sog. inerten Baustaub/biopersistenten granulären Staub und der COPD vor. Dr. B. beruft sich in ihrem Gutachten auf den von ihr miterarbeiteten Forschungsbericht (Review und Metaanalyse), in dem die Autoren zu der Auffassung gelangt waren, dass zwischen der inhalativen Belastung mit biopersistenten granulären Stäuben am Arbeitsplatz und dem Vorhandensein einer FEV1-Erniedrigung und damit einer obstruktiven Ventilationsstörung ein statistisch signifikanter positiver Zusammenhang bestehe. An diesem Bericht haben zwar mehrere Mediziner mitgearbeitet. Ungeachtet dessen, dass es sich hierbei jedoch noch nicht um eine Mehrheit der Mediziner im zuvor dargestellten Sinne handelt, ist folgendes ganz entscheidungserheblich: Der Forschungsbericht wurde im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) Ende des Jahres 2012/Anfang des Jahres 2013 abgeschlossen und veröffentlicht. Er wurde dem dort beim BMAS angesiedelten Ärztlichen Sachverständigenbeirat "Berufskrankheiten", der das BMAS in medizinisch-wissenschaftlichen Fragen bei seiner Entscheidungsfindung unterstützt und dem auch Prof. Dr. N. angehört, vorgelegt. Der Beirat gibt dem Ministerium auf Basis bestehender Erkenntnisse Empfehlungen zu neuen Berufskrankheiten und Stellungnahmen zu bestehenden Berufskrankheiten ab. In einer sog. Vorprüfung prüft der Beirat kursorisch, ob eine hinreichende wissenschaftliche Evidenz für einen Ursachenzusammenhang zwischen einer potentiell schädigenden Einwirkung und der Entstehung einer bestimmten Krankheit besteht. Ist dies zu bejahen, beschließt der Beirat, Beratungen aufzunehmen. Im Rahmen der Beratungen prüft der Beirat dann die generelle Geeignetheit, d.h. das Vorliegen medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse über den grundsätzlichen Ursachenzusammenhang zwischen der potentiell schädigenden Einwirkung und der Entstehung der Krankheit. Ist die generelle Geeignetheit festgestellt, wird das Vorliegen der sog. gruppentypischen Risikoerhöhung, d.h. das Vorliegen medizinisch-wissenschaftlicher Erkenntnisse über ein erheblich höheres Erkrankungsrisiko der in ihrer versicherten Tätigkeit der schädigenden Einwirkung ausgesetzten Personen gegenüber der Allgemeinbevölkerung geprüft. Kommt der Beirat zu einem positiven Ergebnis, spricht er eine Empfehlung für eine neue Berufskrankheit aus. Die wissenschaftlichen Empfehlungen des Sachverständigenbeirats werden vom Ministerium veröffentlicht. Sie bilden die wissenschaftliche Grundlage für die Entscheidung der Bundesregierung über die Aufnahme neuer Erkrankungen in die Berufskrankheitenliste und die Anerkennung als Berufskrankheit im Einzelfall durch die gesetzlichen Unfallversicherungsträger. Vor dem Hintergrund dieses Beratungsverlaufs zur Erarbeitung von Empfehlungen muss davon ausgegangen werden, dass die Ergebnisse des Forschungsberichts aus dem Jahr 2012 im ärztlichen Sachverständigenbeirat diskutiert worden sind. Der Sachverständigenbeirat hat zuletzt im Juli 2016, also ca. dreieinhalb Jahre nach Erscheinen des Forschungsberichtes, die Empfehlung für drei neue Berufskrankheiten (1320, 1321 und 2115) ausgesprochen, die dann auch mit der Vierten Verordnung zur Änderung der BKV vom 10.07.2017 (BGBl. I S. 2299) in Anpassung an neue Erkenntnisse der medizinischen Wissenschaft in die Anlage 1 der BKV aufgenommen wurden und die zum 01.08.2017 in Kraft getreten ist. Hier ist die COPD durch die bioresistenten granulären Stäube nicht dabei gewesen. Daher ist davon auszugehen, dass dem Sachverständigenbeirat die in diesem Forschungsbericht gewonnenen medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse zur Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung zwischen biopersistenten granulären Staub und einer COPD gerade nicht genügt haben, um die Empfehlung für eine neue Listen-BK auszusprechen. Hierauf weist der Sachverständige Prof. Dr. Dr. K. zu Recht hin. Auch ergibt sich aus den vom Sachverständigenbeirat veröffentlichen, aktuell zu prüfenden Beratungsthemen, dass die COPD durch sog. inerten/biopersistenten granulären Staub nicht geprüft wird (vgl. http://www.bmas.de/DE/Themen/Soziale-Sicherung/Gesetzliche-Unfallversicherung/der-aerztliche-sachverstaendigenbeirat-berufskrankheiten.html). In der Vorprüfung bzw. Beratung zur Empfehlung für neue BKen befinden sich im Zusammenhang mit einer Lungenerkrankung derzeit allein Krebserkrankungen durch kobalthaltige Hartmetallstäube, Lungenkrebs durch Dieselmotoremissionen, COPD durch Quarzstaub und Lungenkrebs durch Passivrauchen. Hinsichtlich der Stellungnahmen zu bestehenden BKen befindet sich in diesem Zusammenhang derzeit allein die BK Nr. 4112 - Lungenkrebs durch Quarzstaub - hinsichtlich der Dosis-Wirkungs-Beziehung in Prüfung. Damit liegen offensichtlich auch keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse vor, die erst nach dem Erlass der letzten Änderung der BKV gewonnen worden sind. Vor diesem Hintergrund konnte sich der Senat nicht davon überzeugen, dass es vorliegend neue medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse in dem zuvor dargestellten Sinne zwischen einer COPD und beruflich bedingter Einwirkung durch biopersistenten granulären bzw. sog. inerten Staub gibt, die die Anerkennung einer Wie-BK rechtfertigen. Im Hinblick auf die unspezifische bronchiale Hyperreagibilität und dem Bestehen einer Einwirkungs- und Verursachungsbeziehung durch sog. inerten Staub/biopersistenten granulären Staub sind keine medizinisch-wissenschaftlichen Erkenntnisse bekannt. Auch hierauf verweist der Sachverständige Prof. Dr. Dr. K.

Nach alledem war die Berufung zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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