Land
Hessen
Sozialgericht
SG Kassel (HES)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
S 10 R 196/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 R 236/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 13 R 367/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung der Regelaltersrente ab dem 01.10.2013 und die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für den Sohn C. A.
Die 1948 geborene Klägerin nahm das 1972 geborene Kind C. mit ihrem Ehemann am 28.09.1975 zur Pflege mit dem Ziel einer späteren Adoption auf.
In einem vorausgegangenen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Kassel (Az. S 2 R 122/05) gab die Beklagte ein Anerkenntnis dahingehend ab, dass die Zeit vom 28.09.1975 bis zum 16.08.1982 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung anerkannt werde. Die Klage nahm die Klägerin zurück.
Die Klägerin beantragte am 24.06.2014 Regelaltersrente.
Mit Bescheid vom 13.10.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Regelaltersrente ab dem 01.06.2014. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 05.09.2013 erfüllt. Die Zeit vom 01.09.1973 bis zum 31.08.1974 für C. A., geboren 1972, könne nicht als Kindererziehungszeit anerkannt werden, weil sie weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.11.2014 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.06.2015 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass sie sich bereits Anfang August 2013 um einen Termin zur Antragstellung ihrer Regelaltersrente bemüht habe. Problematisch sei zu diesem Zeitpunkt gewesen, dass sie am 18.10.2013 operiert werden sollte. Sie habe daher telefonischen Kontakt mit der Rentenversicherung aufgenommen und die zuständige Mitarbeiterin hierüber informiert. Gleichwohl habe ihr erst am 24.10.2014 ein Termin zur Antragstellung angeboten werden können. Im Anschluss an die Operation sei eine Rehabilitationsmaßnahme erfolgt und eine Folgeoperation am 28.01.2014. Sie sei fehlerhaft beraten worden, da ihr keine alternativen Möglichkeiten zur Beantragung der Rente und auch kein Ausweichtermin aufgezeigt worden seien. Weiterhin werde auf die Broschüre der Beklagten verwiesen, wo auf Seite 5 ausgeführt werde, dass als Eingangsdatum des Rentenantrags das Datum der ersten Anfrage bei der Beklagten gelte. Die Klägerin fühle sich hinsichtlich der Kindererziehungszeiten benachteiligt und diskriminiert im Vergleich zu leiblichen Eltern. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, dass die Anrechnung bei keinem Berechtigten in Frage komme. Die Gesetzeslage zur Adoption habe damals vorgesehen, dass es erst nach drei Jahren zu einer Adoption kommen konnte, wenn sich die leiblichen Eltern nicht kümmerten und unbekannten Aufenthalts waren. In der Zeit bis zur Adoption sei die Klägerin als "adoptionswillig" angesehen worden. Die Zeit sei nicht als "Pflegschaft" vergütet.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für das Adoptivkind C. für die Zeit ab Geburt, dem xx.xx.1972, eine höhere Regelaltersrente zu gewähren und diese Rente bereits ab dem 01.10.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht, dass eine Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für das Kind C. nicht erfolgen könne, da dieser erst am 28.09.1975 in den Haushalt der Klägerin aufgenommen worden sei. Insoweit habe in den ersten 24 Monaten nach der Geburt des Kindes keine Erziehung durch die Klägerin vorgelegen. Der Rentenantrag sei am 24.06.2014 und somit verspätet gestellt worden. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 25.09.2013 gem. § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) informiert worden, dass sie eine Leistung erhalten könne, wenn sie diese beantragt. Sie sei vor den Terminen der Operationen und während der Rehabilitation nicht willens- und handlungsunfähig und daher nicht außerstande gewesen, zumindest einen formlosen Rentenantrag in schriftlicher Form zu stellen. Ein Beratungsmangel sei nicht nachgewiesen. Unterlagen, dass Anfang August 2013 eine telefonische Beratung erfolgt sei und ein Beratungstermin erst für den 24.10.2014 vereinbart worden sei, seien nicht vorhanden.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Beklagtenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid vom 13.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der Regelaltersrente bereits ab dem 01.10.2013 und auf Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten bereits ab Geburt des Sohnes C. am xx.xx.1972.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Regelaltersrente erst ab dem 01.06.2014. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach Satz 2 der Vorschrift wird bei späterer Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.
Die Klägerin erfüllte die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente zwar bereits ab dem 05.09.2013, da sie zu dem Zeitpunkt 65 Jahre und 2 Monate alt war i.S.d. § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Somit war ein Rentenbezug ab dem 01.10.2013 möglich, wenn die Klägerin spätestens bis Dezember 2013 einen Antrag auf Gewährung der Rente gestellt hätte. Die Rentenantragstellung erfolgte aber erst im Juni 2014, so dass die Rente nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI erst ab diesem Monat zu leisten war. Eine vorherige Antragstellung hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Über das Anfang August 2013 geltend gemachte Telefongespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten existiert kein Vermerk in der Verwaltungsakte der Beklagten. Den Namen der Mitarbeiterin und ein exaktes Datum vermochte die Klägerin nicht zu nennen. Somit ist eine Antragstellung im August 2013 nicht nachgewiesen. Auch folgt aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch keine frühere Antragstellung. Dieses von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut greift - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl. §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 23.10.2014 - B 11 AL 7/14 R; Urteil vom 05.03.2014 - B 12 R 1/12 R; Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R ; Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R). Allerdings vermochte die Klägerin eine fehlerhafte Beratung durch eine Mitarbeiterin der Beklagten in einem Telefongespräch im August 2013 und somit eine Pflichtverletzung nicht nachzuweisen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Schreiben nach § 115 Abs. 6 SGB VI, das am 25.09.2013 verschickt worden ist und dessen Zugang nicht bestritten worden ist, über die Antragstellung informiert worden ist. Es sind keine Gründe ersichtlich, die die Klägerin gehindert hätten, bereits vor der Operation im Oktober 2013 oder während der Rehabilitationsmaßnahme einen schriftlichen Antrag bei der Beklagten zu stellen.
Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf die geltend gemachten Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten bereits ab Geburt des Sohnes C. 1972.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Nach Satz 2 der Vorschrift wird für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Nach § 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI beginnt die Kindererziehungszeit nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten.
Nach § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen.
Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet gem. § 249 Abs. 1 SGB VI 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Bei Pflege- und Adoptiveltern sind nur Erziehungszeiten berücksichtigungsfähig, die in diesen Zeitraum fallen. Diese Regelung ist nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.11.1990 (Az. 4 RA 40/90), deren Erwägungen sich das Gericht anschließt, auch verfassungsgemäß: "Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits zu der gleichliegenden Problematik bei der Gewährung von Bundeserziehungsgeld "vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats" (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes - BErzGG) erkannt, dass die zeitliche Anknüpfung des gesetzlichen Leistungsanspruchs an den Tag der Geburt des Kindes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und insbesondere kein Verstoß gegen die Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 4 und 20 Abs. 3 GG vorliegt (BVerfG SozR 7833 § 1 Nr. 3), ferner auch, dass die Anknüpfung an das Lebensalter des Kindes und nicht an den Zeitpunkt einer Aufnahme in die Familie der Adoptiv- oder Pflegeeltern weder willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG) noch mit dem Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Abs. 1 GG) unvereinbar ist (Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats vom 6. Oktober 1988 - 2 BvR 1328/88). Das hält der Senat auch im Blick auf Versicherungszeiten wegen Kindererziehung für zutreffend. Hauptzweck des BErzGG ist es zu ermöglichen oder zu erleichtern, dass sich ein Elternteil der Betreuung und Erziehung des Kindes in dessen erster Lebensphase, die der Gesetzgeber für besonders wichtig erachtet hat, widmet. Durch die Gewährung von Erziehungsgeld soll für diesen Zeitraum ein bestimmter wirtschaftlicher Nachteil beseitigt oder gemindert werden, der - in typisierender und generalisierender Betrachtung - geeignet ist, einen Vater oder eine Mutter von der vollzeitigen persönlichen Betreuung und Erziehung eines Kleinstkindes abzuhalten. Er besteht darin, dass während der Betreuung eines Kindes die Möglichkeit, ein volles Erwerbseinkommen zu erzielen, eingeschränkt ist. Zukunftsbezogen ist somit tragender Sachgrund des BErzGG die Förderung der Fürsorge für das Kind in dessen erstem Lebensjahr, nicht etwa die abstrakte - "Anerkennung" (Honorierung) von Erziehungsleistungen. Derselbe Sachgrund prägt auch die - zeitgleich mit dem BErzGG eingeführte - Pflichtversicherung bei Kindererziehung i.S. von § 2a AVG. Die Zuwendung zum Kind durch Erziehung in der ersten Lebensphase unter "Verzicht" (vgl. BSG, Urteile vom 27. September 1990 - 4 REg 27/89 und 4 REg 30/89, zur Veröffentlichung vorgesehen) auf eine rentenanwartschaftsbegründende oder - steigernde Erwerbstätigkeit soll durch die Pflichtversicherung in einem Mindestumfang (§ 32 Abs. 6a AVG) wie eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit anerkannt und dadurch gefördert werden."
Die Aufnahme des Kindes in einen Haushalt indiziert bei leiblichen und Adoptiveltern den Tatbestand der Erziehung (Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 56 SGB VI Rn. 28). Da der Sohn C. erst am 28.09.1975 in den Haushalt der Klägerin aufgenommen worden ist, konnte erst ab diesem Zeitpunkt eine Erziehung durch diese erfolgen. Dieses ist von der Beklagten mit Anerkenntnis vom 18.05.2005 auch umgesetzt worden. Die Klägerin hat demgemäß keinen Anspruch auf die geltend gemachten Zeiten von der Geburt des Sohnes C. an bis zu der Aufnahme in den Haushalt der Klägerin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Gewährung der Regelaltersrente ab dem 01.10.2013 und die Berücksichtigung von Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten für den Sohn C. A.
Die 1948 geborene Klägerin nahm das 1972 geborene Kind C. mit ihrem Ehemann am 28.09.1975 zur Pflege mit dem Ziel einer späteren Adoption auf.
In einem vorausgegangenen Rechtsstreit vor dem Sozialgericht Kassel (Az. S 2 R 122/05) gab die Beklagte ein Anerkenntnis dahingehend ab, dass die Zeit vom 28.09.1975 bis zum 16.08.1982 als Berücksichtigungszeit wegen Kindererziehung anerkannt werde. Die Klage nahm die Klägerin zurück.
Die Klägerin beantragte am 24.06.2014 Regelaltersrente.
Mit Bescheid vom 13.10.2014 bewilligte die Beklagte der Klägerin daraufhin Regelaltersrente ab dem 01.06.2014. Die Anspruchsvoraussetzungen seien ab dem 05.09.2013 erfüllt. Die Zeit vom 01.09.1973 bis zum 31.08.1974 für C. A., geboren 1972, könne nicht als Kindererziehungszeit anerkannt werden, weil sie weder nachgewiesen noch ausreichend glaubhaft gemacht sei.
Hiergegen legte die Klägerin am 07.11.2014 Widerspruch ein.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2015 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.06.2015 Klage vor dem Sozialgericht Kassel erhoben.
Die Klägerin trägt im Wesentlichen vor, dass sie sich bereits Anfang August 2013 um einen Termin zur Antragstellung ihrer Regelaltersrente bemüht habe. Problematisch sei zu diesem Zeitpunkt gewesen, dass sie am 18.10.2013 operiert werden sollte. Sie habe daher telefonischen Kontakt mit der Rentenversicherung aufgenommen und die zuständige Mitarbeiterin hierüber informiert. Gleichwohl habe ihr erst am 24.10.2014 ein Termin zur Antragstellung angeboten werden können. Im Anschluss an die Operation sei eine Rehabilitationsmaßnahme erfolgt und eine Folgeoperation am 28.01.2014. Sie sei fehlerhaft beraten worden, da ihr keine alternativen Möglichkeiten zur Beantragung der Rente und auch kein Ausweichtermin aufgezeigt worden seien. Weiterhin werde auf die Broschüre der Beklagten verwiesen, wo auf Seite 5 ausgeführt werde, dass als Eingangsdatum des Rentenantrags das Datum der ersten Anfrage bei der Beklagten gelte. Die Klägerin fühle sich hinsichtlich der Kindererziehungszeiten benachteiligt und diskriminiert im Vergleich zu leiblichen Eltern. Zu beachten sei in diesem Zusammenhang, dass die Anrechnung bei keinem Berechtigten in Frage komme. Die Gesetzeslage zur Adoption habe damals vorgesehen, dass es erst nach drei Jahren zu einer Adoption kommen konnte, wenn sich die leiblichen Eltern nicht kümmerten und unbekannten Aufenthalts waren. In der Zeit bis zur Adoption sei die Klägerin als "adoptionswillig" angesehen worden. Die Zeit sei nicht als "Pflegschaft" vergütet.
Die Klägerin beantragt,
den Bescheid vom 13.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2015 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin unter Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für das Adoptivkind C. für die Zeit ab Geburt, dem xx.xx.1972, eine höhere Regelaltersrente zu gewähren und diese Rente bereits ab dem 01.10.2013 zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte ist im Wesentlichen der Ansicht, dass eine Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Kinderberücksichtigungszeiten für das Kind C. nicht erfolgen könne, da dieser erst am 28.09.1975 in den Haushalt der Klägerin aufgenommen worden sei. Insoweit habe in den ersten 24 Monaten nach der Geburt des Kindes keine Erziehung durch die Klägerin vorgelegen. Der Rentenantrag sei am 24.06.2014 und somit verspätet gestellt worden. Die Klägerin sei mit Schreiben vom 25.09.2013 gem. § 115 Abs. 6 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch (SGB VI) informiert worden, dass sie eine Leistung erhalten könne, wenn sie diese beantragt. Sie sei vor den Terminen der Operationen und während der Rehabilitation nicht willens- und handlungsunfähig und daher nicht außerstande gewesen, zumindest einen formlosen Rentenantrag in schriftlicher Form zu stellen. Ein Beratungsmangel sei nicht nachgewiesen. Unterlagen, dass Anfang August 2013 eine telefonische Beratung erfolgt sei und ein Beratungstermin erst für den 24.10.2014 vereinbart worden sei, seien nicht vorhanden.
Wegen des Sach- und Streitstandes im Einzelnen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Beklagtenakte, welche Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig, aber unbegründet.
Der Bescheid vom 13.10.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung der Regelaltersrente bereits ab dem 01.10.2013 und auf Berücksichtigung von Kindererziehungs- und Berücksichtigungszeiten bereits ab Geburt des Sohnes C. am xx.xx.1972.
Die Klägerin hat einen Anspruch auf Regelaltersrente erst ab dem 01.06.2014. Gemäß § 99 Abs. 1 Satz 1 SGB VI wird eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, zu dessen Beginn die Anspruchsvoraussetzungen für die Rente erfüllt sind, wenn die Rente bis zum Ende des dritten Kalendermonats nach Ablauf des Monats beantragt wird, in dem die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. Nach Satz 2 der Vorschrift wird bei späterer Antragstellung eine Rente aus eigener Versicherung von dem Kalendermonat an geleistet, in dem die Rente beantragt wird.
Die Klägerin erfüllte die Anspruchsvoraussetzungen für eine Regelaltersrente zwar bereits ab dem 05.09.2013, da sie zu dem Zeitpunkt 65 Jahre und 2 Monate alt war i.S.d. § 235 Abs. 2 Satz 2 SGB VI. Somit war ein Rentenbezug ab dem 01.10.2013 möglich, wenn die Klägerin spätestens bis Dezember 2013 einen Antrag auf Gewährung der Rente gestellt hätte. Die Rentenantragstellung erfolgte aber erst im Juni 2014, so dass die Rente nach § 99 Abs. 1 Satz 2 SGB VI erst ab diesem Monat zu leisten war. Eine vorherige Antragstellung hat die Klägerin nicht nachgewiesen. Über das Anfang August 2013 geltend gemachte Telefongespräch mit einer Mitarbeiterin der Beklagten existiert kein Vermerk in der Verwaltungsakte der Beklagten. Den Namen der Mitarbeiterin und ein exaktes Datum vermochte die Klägerin nicht zu nennen. Somit ist eine Antragstellung im August 2013 nicht nachgewiesen. Auch folgt aus dem sozialrechtlichen Herstellungsanspruch keine frühere Antragstellung. Dieses von der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts ergänzend zu den gesetzlich geregelten Korrekturmöglichkeiten bei fehlerhaftem Verwaltungshandeln entwickelte Rechtsinstitut greift - im Sinne eines öffentlich-rechtlichen Nachteilsausgleichs - ein, wenn ein Sozialleistungsträger durch Verletzung einer ihm aus dem Sozialrechtsverhältnis obliegenden Pflicht, insbesondere zur Beratung und Betreuung (vgl. §§ 14, 15 Sozialgesetzbuch Erstes Buch), nachteilige Folgen für die Rechtsposition des Betroffenen herbeigeführt hat und diese Folgen durch ein rechtmäßiges Verwaltungshandeln wieder beseitigt werden können (vgl. BSG, Urteil vom 23.10.2014 - B 11 AL 7/14 R; Urteil vom 05.03.2014 - B 12 R 1/12 R; Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 14/12 R ; Urteil vom 19.12.2013 - B 2 U 17/12 R). Allerdings vermochte die Klägerin eine fehlerhafte Beratung durch eine Mitarbeiterin der Beklagten in einem Telefongespräch im August 2013 und somit eine Pflichtverletzung nicht nachzuweisen. Zudem ist zu berücksichtigen, dass die Klägerin im Schreiben nach § 115 Abs. 6 SGB VI, das am 25.09.2013 verschickt worden ist und dessen Zugang nicht bestritten worden ist, über die Antragstellung informiert worden ist. Es sind keine Gründe ersichtlich, die die Klägerin gehindert hätten, bereits vor der Operation im Oktober 2013 oder während der Rehabilitationsmaßnahme einen schriftlichen Antrag bei der Beklagten zu stellen.
Darüber hinaus besteht kein Anspruch auf die geltend gemachten Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten bereits ab Geburt des Sohnes C. 1972.
Nach § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VI sind Kindererziehungszeiten Zeiten der Erziehung eines Kindes in dessen ersten drei Lebensjahren. Nach Satz 2 der Vorschrift wird für einen Elternteil (§ 56 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 und Abs. 3 Nr. 2 und 3 Erstes Buch) eine Kindererziehungszeit angerechnet, wenn 1. die Erziehungszeit diesem Elternteil zuzuordnen ist, 2. die Erziehung im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland erfolgt ist oder einer solchen gleichsteht und 3. der Elternteil nicht von der Anrechnung ausgeschlossen ist. Nach § 56 Abs. 5 Satz 1 SGB VI beginnt die Kindererziehungszeit nach Ablauf des Monats der Geburt und endet nach 36 Kalendermonaten.
Nach § 57 Satz 1 SGB VI ist die Zeit der Erziehung eines Kindes bis zu dessen vollendetem zehnten Lebensjahr bei einem Elternteil eine Berücksichtigungszeit, soweit die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Kindererziehungszeit auch in dieser Zeit vorliegen.
Die Kindererziehungszeit für ein vor dem 1. Januar 1992 geborenes Kind endet gem. § 249 Abs. 1 SGB VI 24 Kalendermonate nach Ablauf des Monats der Geburt. Bei Pflege- und Adoptiveltern sind nur Erziehungszeiten berücksichtigungsfähig, die in diesen Zeitraum fallen. Diese Regelung ist nach dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 28.11.1990 (Az. 4 RA 40/90), deren Erwägungen sich das Gericht anschließt, auch verfassungsgemäß: "Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat bereits zu der gleichliegenden Problematik bei der Gewährung von Bundeserziehungsgeld "vom Tag der Geburt bis zur Vollendung des 12. Lebensmonats" (§ 4 Abs. 1 Satz 1 des Bundeserziehungsgeldgesetzes - BErzGG) erkannt, dass die zeitliche Anknüpfung des gesetzlichen Leistungsanspruchs an den Tag der Geburt des Kindes verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden ist und insbesondere kein Verstoß gegen die Art. 3 Abs. 1, 6 Abs. 4 und 20 Abs. 3 GG vorliegt (BVerfG SozR 7833 § 1 Nr. 3), ferner auch, dass die Anknüpfung an das Lebensalter des Kindes und nicht an den Zeitpunkt einer Aufnahme in die Familie der Adoptiv- oder Pflegeeltern weder willkürlich (Art. 3 Abs. 1 GG) noch mit dem Schutz von Ehe und Familie (Art 6 Abs. 1 GG) unvereinbar ist (Beschluss der 3. Kammer des 2. Senats vom 6. Oktober 1988 - 2 BvR 1328/88). Das hält der Senat auch im Blick auf Versicherungszeiten wegen Kindererziehung für zutreffend. Hauptzweck des BErzGG ist es zu ermöglichen oder zu erleichtern, dass sich ein Elternteil der Betreuung und Erziehung des Kindes in dessen erster Lebensphase, die der Gesetzgeber für besonders wichtig erachtet hat, widmet. Durch die Gewährung von Erziehungsgeld soll für diesen Zeitraum ein bestimmter wirtschaftlicher Nachteil beseitigt oder gemindert werden, der - in typisierender und generalisierender Betrachtung - geeignet ist, einen Vater oder eine Mutter von der vollzeitigen persönlichen Betreuung und Erziehung eines Kleinstkindes abzuhalten. Er besteht darin, dass während der Betreuung eines Kindes die Möglichkeit, ein volles Erwerbseinkommen zu erzielen, eingeschränkt ist. Zukunftsbezogen ist somit tragender Sachgrund des BErzGG die Förderung der Fürsorge für das Kind in dessen erstem Lebensjahr, nicht etwa die abstrakte - "Anerkennung" (Honorierung) von Erziehungsleistungen. Derselbe Sachgrund prägt auch die - zeitgleich mit dem BErzGG eingeführte - Pflichtversicherung bei Kindererziehung i.S. von § 2a AVG. Die Zuwendung zum Kind durch Erziehung in der ersten Lebensphase unter "Verzicht" (vgl. BSG, Urteile vom 27. September 1990 - 4 REg 27/89 und 4 REg 30/89, zur Veröffentlichung vorgesehen) auf eine rentenanwartschaftsbegründende oder - steigernde Erwerbstätigkeit soll durch die Pflichtversicherung in einem Mindestumfang (§ 32 Abs. 6a AVG) wie eine außerhäusliche Erwerbstätigkeit anerkannt und dadurch gefördert werden."
Die Aufnahme des Kindes in einen Haushalt indiziert bei leiblichen und Adoptiveltern den Tatbestand der Erziehung (Schuler-Harms in: Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB VI, 2. Aufl. 2013, § 56 SGB VI Rn. 28). Da der Sohn C. erst am 28.09.1975 in den Haushalt der Klägerin aufgenommen worden ist, konnte erst ab diesem Zeitpunkt eine Erziehung durch diese erfolgen. Dieses ist von der Beklagten mit Anerkenntnis vom 18.05.2005 auch umgesetzt worden. Die Klägerin hat demgemäß keinen Anspruch auf die geltend gemachten Zeiten von der Geburt des Sohnes C. an bis zu der Aufnahme in den Haushalt der Klägerin.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.
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