S 5 AL 403/99

Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
5
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 5 AL 403/99
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 6 AL 166/00
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen eine Sperrzeit vom 12.04. bis 02.05.1999.

Der 1963 geborene Kläger stand bei der Beklagten ab 07.01.1999 im Arbeitslosengeldbezug (Bewilligungsbescheid vom 26.03.1999). Die Beklagte schlug dem Kläger am 16.03.1999 folgende Eingliederungsmaßnahme vor: "Wege aus der Arbeitslosigkeit, Bewerbungstraining", die vom 12.04. bis zum 15.04.1999 dauerte. Der Kläger nahm an der Eingliederungsmaßnahme nicht teil. In der Erklärung über das Nichtzustandekommen einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme vom 17.04.1999 gab er im Wesentlichen an, er habe schon mehrere Prüfungen in Meisterlehrgängen besucht und erfolgreich abgeschlossen. Am 09.10.1998 habe er die Meisterprüfung abgelegt und hierbei u. a. den Nachweis erbringen müssen, Bewerbungen um ein Stellenangebot zu formulieren. Er finde es überflüssig, nochmals einen Lehrgang zu belegen. In diesem kurzen Zeitraum habe sich keine Erneuerung bei Bewerbungsschreiben ergeben.

Daraufhin stellte die Beklagte mit Bescheid vom 20.04.1999 den Eintritt einer Sperrzeit von 3 Wochen fest: Die Teilnahme an der Maßnahme sei dem Kläger zuzumuten (§ 119 SGB III). Insbesondere habe der Kläger eine verbindliche schriftliche Förderungszusage erhalten, aus der er ersehen konnte, dass während der Dauer der Teilnahme sein Lebensunterhalt mindestens in der Höhe gewährleistet gewesen wäre, in der ihm ohne die Teilnahme Arbeitslosengeld zugestanden hätte. Obwohl er bei der Unterbreitung des Angebots darüber belehrt worden sei, dass er bei einer Verweigerung der Teilnahme ohne wichtigen Grund Anlass zum Eintritt einer Sperrzeit gebe, habe er sich geweigert, an der Maßnahme teilzunehmen.

Hiergegen legte der Kläger am 04.05.1999 Widerspruch ein. Er machte im Wesentlichen geltend, die schriftliche Zusage der beruflichen Eingliederungsmaßnahme sowie die schriftliche Rechtsfolgenbelehrung sei nach dem Akteninhalt nicht gegeben. Im Übrigen lägen die Fördervoraussetzungen im Sinne des § 49 SGB III nicht vor.

Mit Widerspruchsbescheid vom 08.06.1999 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück.

Dagegen richtet sich die Klage vom 02.07.1999. Der Kläger trägt im Wesentlichen vor, dass durch die Trainigsmaßnahme keinerlei neue Kenntnisse über die aktuelle Arbeitsmarktsituation und die beruflichen Entwicklungschancen vermittelt worden wären.

Der Kläger beantragt,
den Bescheid vom 20.04.1999 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.1999 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Sie stützt sich im Wesentlichen auf den Abschlussbericht der Trainingsmaßnahme, den sie mit Schriftsatz vom 16.08.1999 vorgelegt hat.

Das Gericht hat die Verwaltungsakte der Beklagten beigezogen. Wegen des weiteren Sachvortrages der Beteiligten und des Sachverhalts im Einzelnen wird auf den Inhalt der Verwaltungs- und Gerichtsakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht erhobene Klage ist zulässig (§§ 87, 90, 92 SGG). Sie ist jedoch nicht begründet. Der Bescheid vom 20.04.1999 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.06.1999 erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 54 Abs. 2 SGG.

Rechtsgrundlage für die Verwaltungsentscheidung der Beklagten ist § 144 Abs. 1 Nr. 4 in Verbindung mit Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGB III. § 144 SGB III regelt die Tatbestände, bei denen der Anspruch auf Arbeitslosengeld wegen Eintritts einer Sperrzeit ruht. Diese beruht auf dem Grundgedanken, dass sich die Versichertengemeinschaft bzw. bei Arbeitslosenhilfebeziehern die Allgemeinheit gegen Risikofälle wehren muss, deren Eintritt der Versicherte selbst zu vertreten hat oder zu deren Behebung er unbegründet nicht mithilft (BSG NZA 1990, 791). Die Sperrzeit soll die Gemeinschaft der Beitragszahler davor schützen, dass das Risiko der Arbeitslosigkeit manipuliert wird, indem sie dem Arbeitslosen einen Teil der Aufwendungen aufbürdet, die er der Versichertengemeinschaft bzw. Allgemeinheit durch sein Verhalten verursacht (BSG SozR 4100 § 119 Nr. 21 S. 104). Sie ist keine Strafe (BT-Drucks V/2291 S. 83), auch wenn sie von den Betroffenen häufig als solche empfunden wird. Nach BSG (NZA 1986, 141) soll sie ein der Vertragsstrafe ähnlicher versicherungsrechtlicher Ausgleich standardisierten Umfangs sein. Eine Sperrzeit tritt nach § 144 Abs. 1 Nr. 3 unter folgenden Voraussetzungen ein:
- Ablehnung einer beruflichen Eingliederungsmaßnahme,
- die Maßnahme ist zumutbar,
- schriftliche Zusage,
- ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung,
- kein wichtiger Grund für die Ablehnung.
Vorab ist darauf hinzuweisen, dass zur Überzeugung des Gerichts die Voraussetzungen für die Verhängung einer Sperrzeit "schriftliche Zusage" sowie "ordnungsgemäße Rechtsfolgenbelehrung" entgegen der Auffassung des Klägers erfüllt sind. Dass dies nicht aktenkundig dokumentiert ist, steht einer entsprechenden Feststellung nicht im Wege. Denn ausweislich des Sperrzeitbescheides vom 20.04.1999 sind diese Voraussetzungen sehr wohl erfüllt. Hinzu kommt, dass die Beklagte mit Schriftsatz vom 16.08.1999 unwidersprochen vorgetragen hat, dass dem Kläger die Kostenübernahme anlässlich der Teilnahme an der Trainingsmaßnahme schriftlich zugesagt worden ist, gleichzeitig mit dem Angebot der Maßnahme am 23.02.1999. Bezeichnenderweise stützt sich der Kläger selbst in seiner Erklärung über das Nichtzustandekommen der beruflichen Eingliederungsmaßnahme vom 17.04.1999 auch nicht auf diese Gesichtspunkte.

§ 144 Abs. 1 Nr. 3 setzt zunächst voraus, dass sich der Arbeitslose geweigert hat, an einer der in der Vorschrift genannten beruflichen Eingliederungsmaßnahmen teilzunehmen. Dabei kann die Ablehnung u. a. von Trainingsmaßnahmen, d. h. die in § 48 SGB III genannten Maßnahmen, zu einer Sperrzeit führen. Bei der angebotenen Eingliederungsmaßnahme handelte es sich um eine Maßnahme im Sinne des § 48 SGB III. Denn die Trainingsmaßnahme war geeignet und angemessen, die Eingliederungsaussichten zu verbessern (§ 48 Nr. 1 SGB III). Das Gesetz knüpft an die Verbesserung der Eingliederungsaussichten an, womit deutlich gemacht wird, dass es ausreicht, wenn durch die Maßnahme die Chancen, einen Arbeitsplatz zu finden, überhaupt steigen. Nicht gefordert wird, dass die Prognose einer erfolgreichen Eingliederung bedingt durch die Trainingsmaßnahme gestellt werden muss. Insbesondere wird nicht, wie bei FbW-Maßnahmen nach § 77 Abs. 1 Nr. 1 SGB III, gefordert, dass die Teilnahme an der Maßnahme notwendig ist, damit der Antragsteller beruflich eingegliedert wird. Eine Verbesserung liegt immer dann vor, wenn bei einer Saldierung die Wahrscheinlichkeit, die Arbeitslosigkeit zu beenden, nach der Trainingsmaßnahme höher als vor dieser ist. Zu beachten ist jedoch, dass bei zahlreichen Einzelmaßnahmen, vor allem den bereits im Gesetzeskatalog genannten Feststellungs- und Bewerbungstrainingsmaßnahmen (§ 49 Abs. 1 Nr. 1 und 2 SGB III), allerdings typisierend ohne vertiefte Prüfung unterstellt werden kann, dass sie zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten beitragen (Gagel SGB III, § 48 Rd. Nr. 38). Gerade im Hinblick auf den von der Beklagten vorgelegten Abschlussbericht der Trainingsmaßnahme vom 12.04. bis 15.04.1999 ist davon auszugehen, dass sie einen Beitrag zur Verbesserung der Eingliederungsaussichten leistet. Nach Ansicht des Gerichts stellte die Maßnahme - dies scheint der Kläger insbesondere in seiner Erklärung vom 17.04.1999 anzudeuten - auch keinen wesentlichen sozialen Abstieg dar. Die Maßnahme selbst dauerte nur 4 Tage. Darüber hinaus war gerade nicht beabsichtigt, dem Kläger Fachkenntnisse zu vermitteln, wobei unterstellt wird, dass er über diese verfügt. Vielmehr sollte er eine erleichterte Möglichkeit der Bewerbung finden. Ein solches Ansinnen war auch gerade dem Kläger zuzumuten. Insbesondere Form, Ausdrucksweise sowie Orthografie seiner eigenen Stellungnahme vom 17.04.1999 legen diesen Schluss dringend nahe.

Das Gericht konnte darüber hinaus keinen wichtigen Grund für die Nichtteilnahme an der Maßnahme erkennen. Dementsprechend war im Hinblick auf die kurze Dauer der Maßnahme eine Sperrzeit von 3 Wochen (§ 144 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 SGG) festzusetzen.

Die Kostenentscheidung erfolgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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