L 12 RF 4/18

Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
12
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 12 RF 4/18
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Kostenbeschluss
Leitsätze
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG muss eine geschlossene, aus sich heraus verständliche Darstellung der Umstände enthalten, auf welche Weise und durch wessen Verschulden die Drei-Monats-Frist versäumt wurde.
Der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen der Geltendmachung der Vergütung für das am 24.7.2017 eingegangene Gutachten wird abgelehnt.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob dem Antragsteller für die Geltendmachung der Vergütung als Sachverständiger Wiedereinsetzung gemäß § 2 Abs. 2 Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG) zu gewähren ist.

Der Antragsteller wurde im Berufungsverfahren unter dem Aktenzeichen vor dem Bayerischen Landessozialgericht (BayLSG) mit Beweisanordnung vom 30.5.2017 zum ärztlichen Sachverständigen ernannt und mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Dem gerichtlichen Schreiben vom 30.5.2017 an den Antragsteller war beigefügt ein "Merkblatt für die/den Sachverständige/n". In diesem Merkblatt wird im dritten Absatz, durch Fettdruck hervorgehoben, auf Folgendes hingewiesen:

"Der Anspruch auf Vergütung erlischt, wenn er nicht binnen drei Monaten nach Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten beauftragt hat, geltend gemacht wird. Die Frist beginnt im Fall der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten beauftragt hat. Bei vorzeitiger Beendigung der Heranziehung oder des Auftrags beginnt die Frist mit der Bekanntgabe der Erledigung an den Berechtigten."

Das vom Antragsteller erstellte Gutachten ging am 24.7.2017 beim BayLSG - Zweigstelle Schweinfurt - ein. Die gerichtliche Nachfrage vom 27.7.2017 zur Beantwortung der Beweisfrage 3. wurde mit dem am 28.8.2017 eingegangenen Schreiben des Antragstellers vom 24.8.2017 beantwortet. Am 29.1.2018 ging beim BayLSG - Zweigstelle Schweinfurt - eine Rechnung der PVS HAG vom 24.1.2018 im Auftrag des Antragstellers ein, mit der Kosten für die Behandlung des Klägers aus dem Verfahren in Höhe von 1.832,80 EUR geltend gemacht wurden.

Mit gerichtlichem Schreiben vom 31.1.2018 wurde der PVS HAG mitgeteilt, dass der Antrag auf Vergütung abzulehnen sei. Der Anspruch auf Vergütung sei am 29.1.2018 beim Gericht eingegangen. Die Zuziehung des Antragstellers sei am 24.7.2017 erfolgt. Der Vergütungsanspruch sei damit erloschen.

Der Antragsteller bat mit Schreiben vom 12.2.2018, beim BayLSG - Zweigstelle Schweinfurt - eingegangen am 15.2.2018, um Überprüfung der Sachlage. Es sei Tatsache, dass die Liquidation für das Gutachten nicht fristgerecht eingereicht worden sei, er bitte um Entschuldigung. Es sei leider erst nach einer mehrwöchigen Erkrankung der zur Rechnungserstellung beauftragten Person möglich gewesen, die Rechnung einzureichen. Eine Bescheinigung könne auf Wunsch vorgelegt werden. Die Aufgabe habe nicht delegiert werden können.

Mit weiterem Schreiben vom 5.4.2018 machte der Antragsteller geltend, dass die beauftragte Person für die Abrechnung der Gutachten sehr lange krank gewesen sei und durch den Betriebsurlaub der Praxis im August habe sich die Sachlage nochmals verlängert. Er sei nur stundenweise in der Praxis tätig, weshalb eine Vertretung schwer zu organisieren und einzulernen gewesen sei.

Das Schreiben des Antragstellers vom 12.2.2018 wurde dem Kostensenat des BayLSG vorgelegt.

Die Akte des Hauptsacheverfahrens wurde zum Verfahren beigezogen.

II.

Der Antrag auf Wiedereinsetzung wegen der Vergütung für die Beauftragung des Antragstellers, über den gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 JVEG "das Gericht", hier also der Kostensenat des BayLSG, zu entscheiden hat, ist abzulehnen. Denn der Antragsteller hat einen Wiedereinsetzungsgrund für die Beantragung der Vergütung nicht glaubhaft gemacht.

1. Der Vergütungsanspruch für die Beauftragung des Antragstellers im Verfahren war bereits erloschen, als er am 29.1.2018 beim BayLSG geltend gemacht wurde.

Der Anspruch auf Entschädigung erlischt gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG, wenn er nicht binnen drei Monaten bei der Stelle geltend gemacht wird, die den Berechtigten herangezogen oder beauftragt hat. Die Frist beginnt im Fall der schriftlichen Begutachtung mit Eingang des Gutachtens bei der Stelle, die den Berechtigten beauftragt hat, § 2 Abs. 1 Nr. 1 JVEG. Das Gutachten ist am 24.7.2017 beim BayLSG als der Stelle, die den Antragsteller beauftragt hat, eingegangen. Die dreimonatige Frist zur Geltendmachung des dafür entstandenen Entschädigungsanspruchs ist dementsprechend am 24.10.2017 abgelaufen. Würde ein Eingang des Gutachtens erst mit Eingang der Ergänzung am 28.8.2017 angenommen, wäre die dreimonatige Frist am 28.11.2017 abgelaufen.

Eines weiteren Hinweises des Gerichts auf den bevorstehenden Ablauf der Frist oder einer Aufforderung zur Bezifferung der Entschädigungsforderung bedurfte es nicht (ständige Rspr. des LSG, vgl. z.B. Beschluss vom 12.09.2013, Az.: L 15 SF 190/13 - m.w.N.).

Der Entschädigungsantrag ist erst am 29.1.2018 und damit nach Fristablauf eingegangen.

2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand scheitert daran, dass der Antragsteller keinen Wiedereinsetzungsgrund für die Geltendmachung des Vergütungsanspruchs glaubhaft gemacht hat.

Gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG ist einem Anspruchsteller nach dem JVEG bei Versäumung der Frist gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 JVEG Wiedereinsetzung nur dann zu gewähren, wenn er innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses für die (rechtzeitige) Antragstellung einen Wiedereinsetzungsantrag stellt, einen Wiedereinsetzungsgrund glaubhaft macht und den Entschädigungsanspruch beziffert sowie sich das Gericht bei weiteren, von Amts wegen durchgeführten Ermittlungen vom glaubhaften, d.h. überwiegend wahrscheinlichen Vorliegen des Wiedereinsetzungsgrunds überzeugt hat (vgl. Beschluss des LSG vom 13.11.2012, Az.: L 15 SF 168/12). Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zu gewähren, wenn die anspruchsberechtigte Person glaubhaft macht, dass sie ohne eigenes Verschulden nicht in der Lage war, die Frist einzuhalten und den Anspruch zu beziffern (Meyer/Höver/Bach/Oberlack/Jahnke, JVEG, Kommentar, 27. Auflage 2018, § 2 Rn. 5).

Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 7 i.V.m. § 4 Abs. 6 Satz 1 JVEG sind die im Rahmen des Wiedereinsetzungsantrags erforderlichen Erklärungen (Wiedereinsetzungsantrag, Glaubhaftmachung des Wiedereinsetzungsgrunds und Bezifferung des Vergütungs- oder Entschädigungsanspruchs) zu Protokoll der Geschäftsstelle des Gerichts abzugeben oder schriftlich einzureichen. a) Das Schreiben des Antragstellers vom 12.2.2018 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG auszulegen. Er hat in diesem Schreiben einen Wiedereinsetzungsgrund - die Erkrankung der mit der Rechnungserstellung beauftragten Person - geltend gemacht. b) Ob der Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand fristgerecht gestellt wurde, kann nicht entschieden werden. Denn der Antragsteller hat nicht mitgeteilt, in welchem Zeitraum die von ihm mit der Rechnungsstellung beauftragte Person wegen Erkrankung an der Geltendmachung der Vergütung für den Antragsteller gehindert war. Darauf kommt es jedoch nicht an, da auch bei einem fristgerecht gestellten Antrag ein Wiedereinsetzungsgrund nicht glaubhaft gemacht wurde. c) Das Fehlen des Verschuldens an der Versäumung der Frist ist nicht nach § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG zu vermuten, da der Antragsteller bei der Beauftragung mit Übersendung des Merkblattes deutlich und unmissverständlich über die geltende Drei-Monats-Frist für die Beantragung der Vergütung entsprechend § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG belehrt wurde. d) Ein Wiedereinsetzungsgrund wurde vom Antragsteller nicht glaubhaft gemacht. Die zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrages vorgetragenen Umstände sind für eine Glaubhaftmachung der unverschuldeten Versäumung der Frist nicht ausreichend.

§ 2 Abs. 2 S. 1 JVEG fordert, dass der Antragsteller innerhalb von zwei Wochen nach Beseitigung des Hindernisses für die fristgerechte Antragstellung Tatsachen glaubhaft macht, welche die Wiedereinsetzung begründen. Bereits mit dem Antrag ist ein Sachverhalt zu schildern, der ohne weitere Nachfragen durch das Gericht einen Wiedereinsetzungsgrund begründen könnte. Die Umstände, die für die Frage von Bedeutung sind, auf welche Weise und durch wessen Verschulden es zur Versäumung der Frist gekommen ist, müssen, soweit möglich, durch eine geschlossene, aus sich heraus verständliche Schilderung der tatsächlichen Abläufe dargelegt werden (Greger, in: Zöller, Zivilprozessordnung, § 26 Rn. 6 unter Verweis auf BGH MDR 2016, 110; NJW 2008, 3501; 2006, 567 mwN). Pauschale Angaben genügen nicht, vielmehr sind konkrete Angaben zu Art, Dauer, Auswirkungen und Behebung des Hinderungsgrundes erforderlich.

Die im Schreiben vom 5.4.2018 vorgetragenen Umstände sind damit jedenfalls verspätet.

Das Gericht hat anhand der mit dem Wiedereinsetzungsantrag vorgetragen Umstände zu prüfen, ob eine Fristversäumung ohne Verschulden des Antragstellers als glaubhaft anzusehen ist. Dabei ist der Sachverhalt zugrunde zu legen, wie er im Wiedereinsetzungsantrag vom Antragsteller dargelegt wurde.

Die Anforderungen an die Wiedereinsetzung im Rahmen der freien Beweiswürdigung des Gerichts bei der Prüfung, ob eine für die Wiedereinsetzung erforderliche Tatsache glaubhaft gemacht ist, dürfen nicht überspannt werden, um den in Art. 19 Abs. 4 Grundgesetz (GG) verankerten Justizgewährungsanspruch nicht ins Leere laufen zu lassen oder unzulässig einzuschränken (ständige Rechtsprechung des BVerfG, z.B. Beschlüsse vom 02.07.1974, Az.: 2 BvR 32/74, vom 03.06.1975, Az.: 2 BvR 457/74, vom 15.04.1980, Az.: 2 BvR 461/79, vom 26.04.2004, Az.: 1 BvR 1819/00, vom 04.05.2004, Az.: 1 BvR 1892/03, vom 27.09.2012, Az.: 2 BvR 1766/12, und vom 18.10.2012, Az.: 2 BvR 2776/10). Im Rahmen der freien richterlichen Beweiswürdigung im Sinn des § 128 Abs. 1 S. 1 SGG hat sich das Gericht die Überzeugung davon zu bilden, ob der geltend gemachte Wiedereinsetzungsgrund überwiegend wahrscheinlich ist, also die gute Möglichkeit besteht, dass sich das Geschehen tatsächlich so zugetragen hat, wie dies der die Wiedereinsetzung Begehrende vorgetragen hat. Die rechtzeitige Stellung des Vergütungsantrags nach § 2 Abs. 1 S. 1 JVEG ist eine Obliegenheit des Antragstellers, zu deren Erfüllung er sich anderer Personen bedienen darf. Beauftragt der Antragsteller eine andere Person mit der Berechnung der geltend zu machenden Vergütung und/oder der Stellung des Vergütungsantrages, so obliegt es ihm, die rechtzeitige Erledigung zu überwachen und bei Verhinderung der beauftragten Person den Vergütungsantrag selbst zu stellen oder eine andere Person zu beauftragen.

Aus dem Vortrag des Antragstellers im Schreiben vom 12.2.2018 ist nicht ersichtlich, wen er mit der Stellung des Vergütungsantrages beauftragt, wie lange die beauftragte Person im Drei-Monats-Zeitraum vom 25.7.2017 bis 24.10.2017 wegen Krankheit an der Berechnung der geltend zu machenden Vergütung und der Stellung des Vergütungsantrages gehindert war und warum nicht die Beauftragung einer anderen Person möglich gewesen wäre. Aus dem Vortrag des Antragstellers ist nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen, dass bereits allein die Erkrankung einer von ihm mit der Rechnungserstellung beauftragten Person die Versäumung der Frist verursacht hat. Maßgebend dafür ist unter anderem Folgendes:

Die am 29.1.2018 beim BayLSG - Zweigstelle Schweinfurt - eingegangene Rechnung vom 24.1.2018 wurde von der PVS HAG erstellt. Dabei handelt es sich nach den Angaben auf der Homepage der PVS HAG um ein Unternehmen für die Privatabrechnung von niedergelassenen Ärzten, Chefärzten und Krankenhäusern, welches über ein Team von Spezialisten mit langjähriger Erfahrung im Bereich der Privatliquidation verfügt. Die auf der Homepage der PVS HAG angegebenen Konditionen sehen eine Abrechnungsbearbeitung innerhalb von zwei Arbeitstagen vor.

Mangels anderweitiger Angaben im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand - und nur diese sind relevant - ist davon auszugehen, dass der Antragsteller die Berechnung der geltend zu machenden Vergütung und die Stellung des Vergütungsantrages an die PVS HAG abgegeben hat. Wenn bei der PVS HAG aber ein ganzes Team von Abrechnungsspezialisten tätig ist, ist nicht nachvollziehbar, warum die Krankheit eines einzelnen Mitarbeiters über einen Zeitraum von 3 Monaten die Stellung des Vergütungsantrages verhindert, zumal vertraglich entsprechend der auf der Homepage der PVS HAG veröffentlichten Konditionen eine Bearbeitung binnen zwei Arbeitstagen vorgesehen ist. Ursache der Versäumung der Frist können damit auch eine verspätete Abgabe der Angelegenheit an die PVS HAG, ein Überwachungsverschulden des Antragstellers oder dem Antragsteller zuzurechnende Organisationsmängel bei der PVS HAG sein, die mangels Angaben im Wiedereinsetzungsantrag vom 12.2.2018 nicht ausgeschlossen werden können. Eine schuldlose Versäumung der Drei-Monats-Frist für die Geltendmachung der Vergütung ist damit nicht glaubhaft gemacht. Die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 2 Abs. 2 S. 1 JVEG liegen nicht vor.

Das LSG hat über den Antrag auf Wiedereinsetzung als Einzelrichter zu entscheiden gehabt (§ 2 Abs. 2 Satz 7, § 4 Abs. 7 Satz 1 JVEG).

Die Entscheidung ist unanfechtbar (§ 2 Abs. 2 Satz 7, § 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).

Sie ergeht kosten- und gebührenfrei (§ 2 Abs. 2 Satz 7, § 4 Abs. 8 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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