L 8 U 3568/16

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 4137/14
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 U 3568/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31.05.2016 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gemäß § 9 Abs. 4 Sozialgesetzbuch Siebtes Buch (SGB VII) Anspruch auf vorangehende Feststellung der Voraussetzungen einer Berufskrankheit (BK) nach Nr. 2101 der Anl. 1 zur Berufskrankheitenverordnung (BKV) hat.

Die 1952 geborene Klägerin übte seit 01.04.1977 die Tätigkeit einer Physiotherapeutin in Vollzeit aus und gab diese im Jahr 2017 vollständig auf.

Im Mai 2011 wurde die Klägerin unter der Diagnose einer Epicondylitis humeri radialis rechts bei Strecksehnenruptur im Bereich Epicondylitis humeri radialis rechts operiert. Der behandelnde Chirurg/Handchirurg Dr. L. zeigte auf Veranlassung der Klägerin der Beklagten die Erkrankung mit der Bitte um Prüfung einer BK an (Schreiben vom 14.10.2011).

Die Beklagte veranlasste die Angaben der Klägerin vom 17.01.2012 und hörte ihre behandelnden Ärzte an.

Der Orthopäde Dr. W. berichtete in seiner Aussage vom 16.02.2012 über eine Behandlung eines Handgelenksganglions links der Klägerin im Juni 2005 unter Beifügung des radiologischen Befundberichts von Dr. K. vom 23.06.2005 und des Operationsberichts von Dr. L. vom 09.08.2005 über die Operation am 29.07.2005. Der Orthopäde/Unfallchirurg Dr. F. gab an (Schreiben vom 16.02.2012) unter Anschluss seines Befundberichts vom 09.03.2011, die Klägerin seit März 2011 wegen seit mehr als einem halben Jahr spontan aufgetretener rezidivierende Schmerzen am rechten Ellenbogen behandelt zu haben. Die Schmerzen seien erneut bei einem Badmintonspiel Ende Februar 2011 aufgetreten. Dr. L. machte in seinem Schreiben an die Beklagten vom 23.02.2012 ergänzende Angaben unter Vorlage seines Befundberichts vom 23.05.2011 und seines Operationsberichts vom 18.05.2011.

Die Beklagte legte ihre Unterlagen der staatlichen Gewerbeärztin vor, die in ihrer gewerbeärztlichen Stellungnahme vom 30.10.2012 eine BK Nr. 2101 nicht zur Anerkennung vorschlug. Ein berufsbedingter Zusammenhang könne nicht wahrscheinlich gemacht werden. Eine Ruptur des Sehnensanteils, wie er dem OP Bericht entnommen werden könne, falle nicht unter die BK Nr. 2101. Darüber hinaus träten bei der Tätigkeit der Physiotherapeuten Expositionen, wie sie vom Verordnungsgeber definiert seien, selten auf.

Mit Bescheid vom 27.11.2012 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK Nr. 2101 ab, denn Sehnenrisse erfüllten nicht die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen der in der BK Nr. 2101 erfassten Erkrankungen.

Den hiergegen am 03.12.2012 per Fax eingelegten Widerspruch mit der Begründung, es sei von Dr. F. eine Epicondylitis sowohl rechts als auch links diagnostiziert worden (Schreiben des Bevollmächtigten vom 12.04.2013), wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15.05.2013 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 17.06.2013 Klage vor dem Sozialgericht Freiburg (SG) unter dem Aktenzeichen S 3 U 2730/13. Der als sachverständiger Zeuge gehörte Dr. F. gab an, bei der Klägerin liege eine Erkrankung von Sehnen- und Muskelansätzen vor. Die Gesundheitsstörungen könnten zurückgeführt werden auf die berufsbezogene Einwirkung aus der Tätigkeit als Physiotherapeutin im Bereich der Massage, der Bindegewebemassage oder manuellen Lymphdrainage.

Auf Antrag der Beteiligten ordnete das Gericht das Ruhen des Verfahrens an (Beschluss vom 03.02.2014), da bezüglich einer Epicondylitis ulnaris humeri links die Beklagte ebenfalls ein Feststellungsverfahren durchführen und eine Entscheidung treffen werde.

Die Beklagte holte die unter dem 26.03.2014 gemachten ergänzenden Angaben der Klägerin ein, wonach seit Mitte 2013 sich ihre Tätigkeit von der bisher gewohnten geändert habe, weil sie ihre stark beanspruchte rechte Seite mit der linken Seite kompensiert habe. Dr. F. teilte mit (Auskunft vom 25.04.2014), die Klägerin habe sich einmalig am 11.03.2013 bei ihm wegen des linken Ellenbogens vorgestellt. Anamnestische Angaben zum linken Ellenbogen seien nicht dokumentiert worden. Eine Behandlung sei deswegen nicht erfolgt. Er bezog sich auf seinen beigefügten Befundbericht vom 11.03.2013.

Mit Bescheid vom 25.07.2014 lehnte die Beklagte die Feststellung einer BK Nr. 2101 erneut ab.

Der hiergegen eingelegte Widerspruch der Klägerin vom 18.08.2014 wurde - auf gerichtlichen Hinweis vom 23.12.2014 - mit Widerspruchsbescheid vom 04.02.2015 zurückgewiesen mit der Begründung, dass die Beschwerden am linken Arm keine BK Nr. 2101 begründeten.

Am 02.09.2014 hatte die Beklagte das ruhende Verfahren vor dem SG wieder angerufen (Schriftsatz vom 28.08.2014). Das Verfahren wurde unter dem Aktenzeichen S 3 U 4137/14 unter Einbeziehung des Bescheids vom 25.07.2017 und des Widerspruchsbescheids vom 04.02.2015 fortgeführt. Die Klägerin hat zuletzt beantragt, festzustellen, dass die arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung der BK Nr. 2101 vorliegen und sie gezwungen sei, ihre Tätigkeit als Physiotherapeutin aufzugeben.

Das SG holte das orthopädische Sachverständigengutachten vom 17.04.2015 ein. Der Sachverständige Prof. Dr. C. kam darin zu dem Ergebnis, dass die medizinischen Voraussetzungen zur Anerkennung einer BK 2101 bei der Klägerin vorliege. Zwar bestünde rechtsseitig keine Erkrankung der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes oder Erkrankungen der Sehnen- und Muskelansätze, doch habe wohl ursprünglich eine Epicondylitis radialis humeri vorgelegen, die durch Infiltrationen und Quaddelungen behandelt worden sei, erst danach sei der Partialriss aufgetreten. Auch links sei von einer Epicondylitis radialis und ulnaris auszugehen. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2101 seien aber weder im Bereich des linken Ellenbogens noch im Bereich des rechten Ellenbogens wahrscheinlich zu machen. Keine der in der unfallmedizinischen Literatur genannten biomechanisch relevanten Bewegungsabläufe als Ursache der BK kämen im Fall der Klägerin in Betracht. Außerdem sei nicht erkennbar, dass die Beschwerden relativ kurzfristig nach nicht gewohnt einseitiger Belastung bei entweder fehlender Anpassung oder wegen körperlicher Gegebenheiten aufgetreten seien.

Dieser Einschätzung trat die Klägerin in ihrer Anhörung in der mündlichen Verhandlung vom 25.04.2016 und in ihrer in dieser Sitzung vorgelegten schriftlichen Stellungnahme entgegen. Im Termin haben sich die Beteiligten mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Mit Urteil vom 31.05.2016 hob das SG die angefochtenen Bescheide vom 27.11.2012/Widerspruchsbescheid vom 15.05.2013 und vom 25.07.2014/Widerspruchsbescheid vom 04.02.2015 auf und verurteilte die Beklagte festzustellen, dass bei der Klägerin die arbeitstechnischen und arbeitsmedizinischen Voraussetzungen für die Anerkennung einer BK nach Nr. 2101 vorliegen und ein Zwang zur Unterlassung der gefährdenden Tätigkeit besteht.

Gegen das der Beklagten am 26.08.2016 zugestellte Urteil hat sie am 23.09.2016 Berufung vor dem Landessozialgericht eingelegt und unter Vorlage einer Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 19.01.2017 zur Begründung ausgeführt, bei der beruflichen Tätigkeit habe es sich nicht um einseitige, monotone, langandauernde, mechanische Tätigkeiten gehandelt, die zur Überbeanspruchung der Finger/Hände und/oder der Arme führten. Das SG habe im angefochtenen Urteil die Angaben der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 25.04.2016 nebst Vorführung der entsprechenden Handbewegungen so wie ihre Darstellung in ihrer schriftlichen Stellungnahme zugrunde gelegt und entgegen der Bewertung des Sachverständigen Prof. Dr. C. diese als geeignet angesehen, beidseitig eine Epicondylitis radialis auszulösen. Aus der Stellungnahme ihres Präventionsdienstes vom 19.01.2017 ergebe sich, dass die von der Klägerin genannten Therapieformen, die sie während ihrer Tätigkeit praktiziere, nicht mit solchen Einwirkungen einhergingen, wie sie für die BK Nr. 2101 verlangt würden. Die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK seien nicht erfüllt. Auch der Aspekt, dass die Beschwerden zeitnah innerhalb des ersten halben Jahres nach der gesundheitsschädigenden Tätigkeit aufgetreten sein müssen, sei vom Gericht übergangen worden. Der vorliegende Zeitraum erstrecke sich über zwei Jahrzehnte und auch nach den erstinstanzlichen Ermittlungen war der Zeitpunkt der auftretenden Symptomatik nicht aufzuklären. Befunde oder sonstige ärztliche Unterlagen fehlten.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31.05.2016 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt zur Begründung aus, die Beklagte stelle hinsichtlich der Vorliegens der arbeitstechnischen Voraussetzungen immer nur auf die akute Form der Epicondylitis ab. Bei ihr liege aber eine chronisch persistierende Epicondylitis radialis und ulnaris humeri beidseitig vor. Durch gute Muskelkraft, gute Koordination und ökonomische und physiologische Arbeitsweise habe sie jahrelang die Überlastung der Muskulatur kompensieren können. Prof. Dr. C. habe nur ihre Zusatzqualifikationen und Behandlungstechniken erfragt. Sie gehe davon aus, dass er als Facharzt für Kinderorthopädie nicht über ausreichende Kenntnisse zu den spezifischen manuellen Techniken in der physiotherapeutischen Behandlung erwachsener Patienten verfüge. Unbestritten sei, dass häufig Cortisoninjektionen zur Zellschädigung von Sehnengewebe führten und somit die Sehnenruptur als Folge der Sehnenansatzentzündung zu interpretieren sei. Die biomechanisch relevanten Bewegungsabläufe, oft in unzweckmäßiger Position und statische Haltearbeiten, kämen bei den meisten von ihr praktizierten Behandlungstechniken vor. Die Klägerin legte hierzu eine bebilderte Stellungnahme vor zu den von ihr angewendeten Therapieformen: Manuelle Therapie, manuelle Lymphdrainage, Triggerpunktbehandlung, Fazilitieren, Propriozeptive Fazilitation (PNF), tiefe Querfriktion, Faszienbehandlung, Traktion, Spastik, Bobaththerapie. Die von der Beklagten beschriebenen fünf biomechanischen Bewegungsabläufe bezögen sich ausschließlich auf die Entstehung einer akuten Epicondylitis, meist durch mangelnde Adaption. Die von ihr dargestellten Behandlungstechniken beinhalteten sehr häufig die fünf biomechanischen Bewegungsabläufe in unterschiedlicher Intensität und Frequenz. Die stellungnehmende Gewerbeärztin und Prof. Dr. C. seien bei ihrer Befundung nicht auf die chronischen, sichtbaren und fassbaren Veränderungen eingegangen.

Der Senat hat die Verwaltungsakten der Beklagten und die Akte des SG beigezogen. Auf diese Unterlagen und auf die vor dem Senat angefallene Berufungsakte wird wegen weiterer Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist gemäß §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässig.

Die Berufung der Beklagten ist auch begründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die vorgehende Feststellung einer BK mit Unterlassungszwang nach § 9 Abs. 4 SGB VII, weshalb das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen war. Auf die inzwischen erfolgte Unterlassung der Tätigkeit kommt es daher nicht an.

Das Urteil war nicht bereits wegen eines schwerwiegenden Verfahrensmangels aufzuheben. In der Niederschrift vom 25.04.2016 ist die Einverständniserklärung beider Beteiligten mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung festgehalten, so dass diese Prozesserklärungen nachgewiesen sind. Für den Gang der mündlichen Verhandlung ist dagegen deren Art der Beendigung als wesentliche Förmlichkeit der Niederschrift nicht zu entnehmen, weshalb es an der Beweiskraft für die Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung fehlt (§ 122 SGG i.V.m. § 165 ZPO). Der Niederschrift zur mündlichen Verhandlung am 25.04.2016 ist weder zu entnehmen, dass der Rechtsstreit vertagt noch, dass ein Termin zur Verkündung einer Entscheidung bestimmt wurde. Das unter dem 31.05.2016 ergangene Urteil unter Mitwirkung anderer ehrenamtlicher Richter als diejenigen, die am Termin zur mündlichen Verhandlung am 25.04.2016 teilgenommen haben, ist zur Überzeugung des Senats jedenfalls unter der faktischen Vertagung – ohne die erforderliche Entscheidung durch die Kammer (nicht der Vorsitzenden , vgl. Hüßtege in Thomas/Putzo, ZPO, 38. Aufl., § 227 Rn. 29) – zur erneuten Sachbehandlung und Entscheidung ohne – weitere – mündliche Verhandlung durch die zum Termin am 31.05.2016 berufene Richterbank entschieden worden. Dies ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift vom 31.05.2016 (mit abweichender Angabe einer mitwirkenden ehrenamtlichen Richterin W. ) und dem Rubrum des angefochtenen Urteils, das als Entscheidungszeitpunkt den 31.05.2016 und die zu diesem Sitzungstag berufenen ehrenamtlichen Richter als mitwirkend ausweist. Die Einhaltung der Förmlichkeit dieser Sitzung ist bei divergierenden Angaben zu mitwirkenden Richtern in Protokoll und Urteil damit ebenfalls nicht nachgewiesen (§ 165 ZPO). Eine bloße Verkündung des bereits am 25.04.2016 gefällten Urteils ist dem Rubrum des angefochtenen Urteils jedoch nicht zu entnehmen. Unter diesen Voraussetzungen war das Gericht bei Erlass des Urteils vom 31.05.2016 ordnungsgemäß besetzt, denn im schriftlichen Verfahren wirken die Richter mit, die nach dem Geschäftsverteilungsplan an dem Beratungstag heranzuziehen sind und nicht diejenigen, welche an einer früheren mündlichen Verhandlung teilgenommen haben (herrschende Meinung; vgl. BSG 26.08.2005 – B 9a V 13/05 B – juris, Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG, 12. Aufl., § 124 Rn. 4b m.w.N.). Vorliegend haben die im Freibeweisverfahren vom SG beigezogenen Unterlagen (Tagesordnung der 3. Kammer vom 31.05.2016, Empfangsbestätigungen der Ladung der ehrenamtl. Richter K. und W. ) ergeben, dass das Rubrum des Urteils vom 31.05.2016 noch den am Sitzungstag verhinderten ehrenamtlichen Richter und nicht die deswegen kurzfristig herangezogene ehrenamtliche Richterin W. ausweist und daher unrichtig ist. Daher ist die Sitzungsniederschrift vom 31.05.2016 korrekt.

Trotz des Verfahrensmangels der abweichenden Angaben zur Besetzung der Richterbank am 31.05.2016 und der fehlenden Darlegung der Einhaltung der notwendigen Förmlichkeiten der mündlichen Verhandlung am 25.04.2016 war eine Aufhebung des Urteils und Zurückverweisung an das SG nach § 159 Abs. 1 Nr. 2 SGG nicht vorzunehmen, denn das Nachholen einer umfangreichen und aufwändigen Beweisaufnahme durch das SG war zur Überzeugung des Senats nicht geboten.

Der Senat hat nicht feststellen können, dass die Klägerin bei ihrer Tätigkeit als Physiotherapeutin seit 1977 Tätigkeiten ausgeübt hat, die geeignet waren, die in der BK Nr. 2101 umschriebenen Gesundheitsstörungen hervorzurufen. Ein Anspruch der Klägerin auf vorgehende Feststellung der Tatbestandsmerkmale dieser BK ohne Aufgabe der schädigenden Tätigkeit nach § 9 Abs. 4 SGB VII bestand nicht; daher ist der Versicherungsfall der BK Nr. 2101 auch jetzt nach Tätigkeitsaufgabe nicht eingetreten.

Nach § 9 Abs. 4 SGB VII haben die Unfallversicherungsträger bei Berufskrankheiten, die das Unterlassen aller für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlichen Tätigkeiten voraussetzen, vor Unterlassung einer noch verrichteten gefährdenden Tätigkeit darüber zu entscheiden, ob die übrigen Voraussetzungen für die Anerkennung einer Berufskrankheit erfüllt sind.

Versicherungsfälle sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Berufskrankheiten sind Krankheiten, die die Bundesregierung durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates als Berufskrankheiten bezeichnet und die Versicherte infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit erleiden. Die Bundesregierung ist ermächtigt, in der Rechtsverordnung solche Krankheiten als Berufskrankheiten zu bezeichnen, die nach den Erkenntnissen der medizinischen Wissenschaft durch besondere Einwirkung verursacht sind, denen bestimmte Personengruppen durch ihre versicherte Tätigkeit in erheblich höherem Grade als die übrige Bevölkerung ausgesetzt sind. Aufgrund der Ermächtigung in § 9 Abs. 1 SGB VII hat die Bundesregierung die Berufskrankheiten Verordnung (BKV) vom 31.10.1997 (BGBl I, Seite 2623) erlassen, in der die derzeit als Berufskrankheiten anerkannten Krankheiten aufgeführt sind.

Bei einer Listenberufskrankheit lassen sich im Regelfall folgende Tatbestandsmerkmale ableiten, die gegebenenfalls bei einzelnen Listenberufskrankheiten einer Modifikation bedürfen (vgl. BSG SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 3): Die Verrichtung einer - grundsätzlich - versicherten Tätigkeit (sachlicher Zusammenhang) muss zu Einwirkungen von Belastungen, Schadstoffen oder ähnlichem auf den Körper geführt haben (Einwirkungskausalität), und die Einwirkungen müssen eine Krankheit verursacht haben (haftungsbegründende Kausalität). Dass die berufsbedingte Erkrankung ggf. den Leistungsfall auslösende Folgen nach sich zieht (haftungsausfüllende Kausalität), ist keine Voraussetzung einer Listen-BK. Wie bei einem Arbeitsunfall müssen die "versicherte Tätigkeit", die "Verrichtung", die "Einwirkungen" und die "Krankheit" im Sinne des Vollbeweises - also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit - vorliegen. Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt indes die hinreichende Wahrscheinlichkeit, allerdings nicht die bloße Möglichkeit (vgl. u.a. BSG SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 3101 Nr. 4, RdNr. 16 m.w.N.; BSG SozR 4-2700 § 9 Nr. 14, RdNr. 9 m.w.N.; BSG, UV-Recht Aktuell 2012, 412; BSG, NZS 2012, 151; BSG SozR 4-5671 Anl. 1 Nr. 4111 Nr. 3 sowie BSG vom 04.07.2013 - B 2 U 11/12 R - (Juris)).

Zu den vom Verordnungsgeber bezeichneten Berufskrankheiten gehören nach Nr. 2101 der BKV Erkrankungen der Sehnenscheiden oder des Sehnengleitgewebes sowie der Sehnen- oder Muskelansätze, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen haben, die für die Entstehung, die Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können.

Nach dem Merkblatt zur BK Nr. 2101 (BArbBl. Fachteil Arbeitsschutz 1963, 24 in der Fassung vom 01.12.2007, GMBl. 2008 Seite 2) können die genannten Erkrankungen durch einseitige, langdauernde mechanische Beanspruchung und ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung entstehen, überwiegend sind die oberen Extremitäten, insbesondere die Unterarme, betroffen. Aus arbeitsmedizinischer Sicht (vgl. Mehrtens/Brandenburg, Die Berufskrankheitenverordnung, Kommentar, M 2101 Anm. 4.1; Schönberger-Mehrtens-Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage, Seite 1240 f.) sind danach folgende erkrankungsrelevante Tätigkeiten konkretisierbar, wie sie auch vom Präventionsdienste der Beklagten in seiner Stellungnahme vom 19.01.2017 beschrieben worden sind: 1. Kurzzyklische, repetitive, feinmotorische Handtätigkeiten mit sehr hoher Bewegungsfrequenz (mindestens 10.000 Bewegungsabläufe/Stunde), bei denen im Handbereich dieselben Muskeln und Sehnen unter gleichartiger Belastung betätigt werden wie z.B. beim Maschinenschreiben und Klavierspielen, 2. Hochfrequente, gleichförmige, feinmotorische Tätigkeiten bei unphysiologischer, achsenungünstiger Auslenkung des Handgelenks wie z.B. beim Stricken, Handnähen, Stopfen, 3. Überbeanspruchung durch ungewohnte Arbeiten aller Art bei fehlender oder gestörter Anpassung bzw. bei repetitiver Arbeitsverrichtung, bei denen eine einseitige, von der Ruhestellung stark abweichende Haltung der Gliedmaßen erforderlich ist, mit hoher Auslenkung des Handgelenks bei gleichzeitiger hoher Kraftanwendung wie z.B. beim Drehen, Montieren, Bügeln oder Obstpflücken, 4. Forcierte Dorsalextension der Hand wie z.B. Rückhandschlag beim Tennis, Hämmern und 5. monoton wiederholte oder plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehungen der Hand und des Vorderarmes z.B. beim Betätigen eines Schraubendrehers. Die teilweise geforderte arbeitstägliche Dauer dieser Einwirkungen von jeweils mindestens 3 Stunden bei einer Gesamtbelastungszeit in der Regel von fünf Jahren ist umstritten und wird aus pathologischer Sicht als zu hoch bewertet (vgl. Mehrtens/Brandenburg, a.a.O. Anm. 4.6 m.w.N.). Langjährige Schwerarbeit bzw. "eintönige Fließbandarbeit" kommen als arbeitstechnische Voraussetzungen nicht in Betracht, sofern es sich dabei nicht um unphysiologische Bewegungsabläufe bzw. unnatürliche Haltungen der beteiligten Gliedmaßen handelt. Hier ist eine rasche Gewöhnung (Trainingseffekt) zu erwarten, die eine Störung des Anpassungsgleichgewichts verhindert. Dies entspricht auch den Ausführungen des Präventionsdienstes der Beklagten in der Stellungnahmen zur Arbeitsplatzexposition vom 19.01.2017. Die entzündlichen Veränderungen treten relativ kurzfristig nach den nicht gewohnten einseitigen Belastungen bei entweder fehlender Anpassung oder aber aufgrund körperlicher Gegebenheiten auf (vgl. Senatsurteil vom 24.04.2015 – L 8 U 338/13 – unveröffentlicht; so auch Mehrtens/Brandenburg, a.a.O. Anm. 4.1 bis 4.5; Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Aufl., S. 1241 f).

Diese arbeitsmedizinischen Grundsätze geben den derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft wieder, denn dass seit der Änderung vom Dezember 2007 hiervon abweichende oder entgegenstehende Erkenntnisse zur herrschenden medizinisch wissenschaftlichen Meinung geworden sind, ist nicht ersichtlich. Insbesondere in der Neuauflage, Stand 2017, von Schönberger/Mehrtens/Valentin (vgl. oben) wird nach wie vor auf diese Grundsätze abgestellt und der Sachverständige Prof. Dr. C. hat sie seiner Beurteilung auch zugrunde gelegt. Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang wenig verständlich ausführt, die Überprüfung der arbeitstechnischen Voraussetzungen anhand der "Checkliste nach Barrot" sei ungeeignet, da diese nur die akute Form der Epicondylitis berücksichtige, ist dieser Einwand nicht geeignet, diese im Merkblatt aufgeführten gesundheitsschädigenden Arbeitsabläufe als Entstehungs- oder Verschlimmerungsursachen der Gesundheitsstörungen nach der BK Nr. 2101 in Zweifel zu ziehen.

Für den Senat hat der Präventionsdienst der Beklagten überzeugend die von der Klägerin genannten Therapieformen mit diesen biomechanisch gesundheitsschädigend wirkenden Handlungsabläufen verglichen und nachvollziehbar dargelegt, dass die nach arbeitsmedizinischer Erkenntnis fünf zu unterscheidenden, gesundheitsgefährdenden Bewegungsabläufe bei den Therapieanwendungen der Klägerin nicht vorkommen. Anders als bei der Massage gehört es zur Aufgabe des Physiotherapeuten Patienten zu unterstützen bei der Erhaltung, Wiederherstellung und Verbesserung ihrer Beweglichkeit und anderer körperlichen Funktionen. Die Therapieformen sind deshalb darauf gerichtet, gezielte Einzel- oder Gruppentherapien durch z.B. Übungen mit Geräten und Behandlungen durchzuführen. Dabei beraten die Physiotherapeuten ihre Patienten hinsichtlich der Wirkungsweise, geeignete Hilfsmittel, motivieren sie zu Eigenaktivität und Ausdauer und leiten sie zur selbstständigen Durchführung von krankengymnastischen Übungen an.

In der Stellungnahme des Präventionsdienstes vom 19.01.2017 ist hinsichtlich der Therapieformen: Manuelle Therapie, Lymphdrainage, Fazilieren/PNF, Querfriktionen, Faszienbehandlung, Traktion, Statische Haltearbeiten bei neurologischen Behandlungen sowie Bobath-Therapie im einzelnen ausgeführt, dass bei manchen Therapieformen sowohl passive Techniken als auch aktive Übungen zur Anwendung kommen. Bei der manuellen Therapie werden durch sanfte Techniken die Gelenksmechanik oder die Muskelfunktion mobilisiert, bei der Lymphdrainage werden ganz sanfte kreisende Bewegungen auf der Haut zur Beseitigung der Schwellungen angewendet. Die Triggerbehandlung erfordert einen Druck des Behandlers auf die Schmerzlokalisation des Muskels und kann durch spezielle Streichungen und Dehnungen ergänzt werden. PNF stimuliert durch aktive oder passive Techniken die Wahrnehmung für Bewegungsorganisation und aktiviert vorrangig die Mitarbeit des Patienten. Auch bei den anderen Anwendungen kommt neben Dehnungsübungen und leichten Sprungübungen oder Geräteanwendung, was eine Aktivität des Patienten erfordert, ein leichtes Drücken oder Ziehen der Wirbelsäule bzw. Extremitäten oder auch kurzes Kneten von Muskelpartien in Betracht. Auch die bei neurologisch gestellten Diagnosen zur Anwendung kommende Bobaththerapie unterstützt den betroffenen Patienten in einem individuellen Lernprozess zur Stimulation der Eigenaktivität des Patienten. Die Hände des Therapeuten unterstützen den Patienten nur soweit nötig. Hieraus ergibt sich für den Senat nachvollziehbar, dass die arbeitstechnischen Voraussetzungen der BK 2101 nicht vorliegen. Dies gilt auch, soweit die Klägerin im Berufungsverfahren geltend gemacht hatte, viele ihrer Patienten seien rollstuhlpflichtig und könnten nicht mittels Übungsanweisung behandelt werden. Denn insoweit sind die zusätzlichen Bewegungen und Griffe jeweils nur kurz andauernd und auch nicht einseitig.

Dies ist für die Tätigkeit als Masseur, der anders als der Physiotherapeut ausschließlich am passiven Patienten arbeitet, bereits von verschiedenen Obergerichten ebenso entschieden worden (Bayerisches Landessozialgericht, 08.04.1997- L 17 U 206/94 -, juris; Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen 20.02.2003 – L 2 U 67/02 –, juris). Die Einwendungen der Klägerin gegen die Stellungnahme des Präventionsdienstes der Beklagten führen zu keiner anderen Beurteilung. Sie hat den Ausführungen grundsätzlich nicht widersprochen, sondern legt mit ihrer bebilderten Stellungnahme vom 28.03.2017 die einzelnen Greif- und Haltefunktionen der Arme, Hände und Finger des Physiotherapeuten dar. Daraus ergibt sich aber keine kurzzyklische, repetetive feinmotorische, hochfrequente oder hochfrequente gleichförmige Tätigkeit bei unphysiologischer achsenungünstiger Auslenkung im Handgelenk, keine Überbeanspruchung durch ungewohnte Arbeiten, eine forcierte Dorsalextension der Hand, wie beim Rückhandschlag beim Tennis oder beim Hämmern, oder monotone wiederholte und plötzlich einsetzende Aus- und Einwärtsdrehung der Hand und des Vorderarms wie beispielsweise das Betätigen eines Schraubendrehers.

Gegen den beruflichen Zusammenhang spricht auch, dass nachweisbare Beschwerden der Klägerin am Arm und am Handgelenk nicht in einem überschaubaren Zeitraum von annähernd sechs Monaten nach Aufnahme der Tätigkeit als Physiotherapeutin festgestellt werden können. Soweit die Klägerin darauf verweist, bei ihr liege eine chronische Epicondylitis an beiden Armen vor, mag dies in Übereinstimmung mit den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. C. zutreffen. Denn auch er hat die im Mai 2011 operierte Partialruptur rechts auf vorausgegangene rezidivierende Sehnenentzündungen und deren Behandlung zurückgeführt und letztlich für beide Arme Gesundheitsstörungen im Sinne der BK 2101 angenommen. Aber auch er hat den Zusammenhang dieser Sehnenerkrankungen mit der beruflichen Tätigkeit unter dem Gesichtspunkt verneint, dass eine hierzu passende medizinische Klinik mit Aufnahme der hierfür verantwortlich gemachten Tätigkeit als Physiotherapeuten nicht frühzeitig zu belegen ist. Soweit die Klägerin selbst behandelte Beschwerden geltend gemacht hat, hat sie dies nicht überzeugend für den maßgebenden Zeitraum ab 1977 behauptet. Sie hat vielmehr in ihren unter dem 17.01.2012 gemachten Angaben im Vordruck der Beklagten ausgeführt, sie sei seit 01.04.1977 ständig in Vollzeit tätig und diese Tätigkeit habe sich im letzten halben Jahr vor dem erstmaligen Auftreten der Beschwerden nicht geändert. Gegenüber Dr. F. hatte sie bei der Behandlung im März 2011 zur Anamnese berichtet, seit mehr als einem halben Jahr seien spontan rezidivierende Schmerzen radial am rechten Ellenbogen aufgetreten und bei einem Badmintonspiel in der vergangenen Woche erneut entstanden. Dies lässt sich mit ihren Angaben seit noch längerer Zeit an Schmerzen an beiden Unterarmen gelitten zu haben, nicht vereinbaren, geschweige denn dass hierzu eine Erstmanifestation der Beschwerden passend einem Zeitraum zugeordnet werden kann, ab dem erstmals eine - ggfs. neue - entsprechende geeignete berufliche Exposition zur Entstehung der Sehnenentzündung festzustellen wäre. Selbst in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hat sie nochmals angegeben, einen genauen Zeitpunkt des Erkrankungsbeginns nicht benennen zu können. Einschneidende Änderungen bei den angewendeten Therapien im Laufe ihrer Berufstätigkeit hat die Klägerin nicht vorgetragen.

Soweit die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erneut auf eine Langzeitbelastung abgestellt und auf eine entsprechende Veröffentlichung verwiesen hat, führt dies zu keiner anderen Beurteilung. Weder ist diesem Vorbringen zu entnehmen, dass wissenschaftlich hinreichend abgesichert ist, dass unabhängig von der Art der Einwirkung nur die Dauer einer irgendwie gearteten Einwirkung für die Entstehung der einschlägigen Erkrankungen ausreichend ist, noch ergibt sich, dass dieser – unterstellte – Erkenntnisstand bereits als allgemein gültiger Erfahrungssatz anzusehen ist und mithin als derzeitige herrschende Lehrmeinung, auf die es maßgebend ankommt (vgl. BSG, 24.07.2012 – B 2 U 9/11R -, juris), zugrunde zu legen ist. Prof. Dr. C. hat unter Bezugnahme auf das Merkblatt die aktuellen Erfahrungstatsachen für seine Bewertung berücksichtigt und diesen Maßstab als den derzeitigen Standard angewendet. Der Senat hat insoweit keinen Anlass, an seiner gutachterlichen Einschätzung zu zweifeln.

Die Darlegungen von Prof. Dr. C. stehen im Einklang mit den Darlegungen des Präventionsdienstes der Beklagten, weshalb der Senat keinen Anlass zu weiteren Ermittlungen gesehen hat. Der Senat hat auch keine Zweifel an der fachlichen Eignung des Sachverständigen Prof. Dr. C ... Prof. Dr. C. ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie sowie Facharzt für Physikalische und Rehabilitative Medizin und als Oberarzt und Bereichsleiter für Kinderorthopädie und Wirbelsäulenerkrankungen am Klinikum M. , B., auch durchaus geeignet, die äußeren Entstehungsursachen einer chronischen Sehnenentzündung aber auch die Belastungen der Extremitäten eines Physiotherapeuten zu beurteilen. Gerade bei Wirbelsäulenerkrankungen treten sowohl orthopädische wie auch neurologische Probleme mit Indikation für physiotherapeutische Behandlung auf. Dies gilt aber auch für die orthopädisch zu beurteilenden Erkrankungen von Kindern, wie z.B. Wirbelsäulenskoliose oder Haltungsschäden aus Morbus Scheuermann, bei denen ebenso eine physiotherapeutische Behandlung indiziert sein kann. Substantielle sachliche Einwände gegen das Gutachten von Prof. Dr. C. sind nicht erhoben worden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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