L 1 JVEG 434/16

Land
Freistaat Thüringen
Sozialgericht
Thüringer LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
1
1. Instanz
-
Aktenzeichen
-
Datum
-
2. Instanz
Thüringer LSG
Aktenzeichen
L 1 JVEG 434/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Entschädigung für das Gutachten vom 18. März 2016 wird auf 2.207,89 Euro festgesetzt. Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt.

Gründe:

I.

Im Berufungsverfahren mit dem Aktenzeichen L 2 R 1911/13 beauftragte die Berichterstatterin des 2. Senats mit Beweisanordnung vom 3. September 2014 den Erinnerungsführer mit der Erstellung eines Gutachtens nach § 106 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).

Unter dem 18. März 2016 erstellte der Erinnerungsführer sein Gutachten. In seiner Kostenrechnung vom gleichen Tage machte er eine Vergütung von 2.866,20 Euro geltend. Hinsichtlich des Stundensatzes wurde ein Satz nach M3 in Höhe von 100,00 Euro in Ansatz gebracht. Des Weiteren war eine Rechnung des Labors B. in J. über 46,04 Euro beigefügt. Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf das Kostenheft Bezug genommen.

Mit Verfügung vom 4. April 2016 kürzte der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle (UdG) die Vergütung auf 2.207,89 Euro. Zur Begründung führte er aus, dass für die Abrechnung des Gutachtens nur ein Stundensatz nach der Honorargruppe M2 in Höhe von 75,00 Euro in Betracht komme. Die Beweisfragen hätten ausschließlich die beim Kläger vorliegenden gesundheitlichen Einschränkungen und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen zum Gegenstand. Schreibauslagen könnten nur in Höhe von 48,60 Euro und Kopien in Höhe von 11,50 Euro erstattet werden.

Dagegen hat der Erinnerungsführer am 11. April 2016 Erinnerung eingelegt. Das vorgelegte Gutachten beschäftige sich mit einer Schmerzproblematik. Im Bewertungsteil seien die entsprechenden AWMF-Leitlinien und eine Einordnung nach dem Mainzer Stadienmodell der Schmerzchronifizierung nach Gerbershagen vorgenommen worden. Für ein solches Gutachten könne die Honorargruppe M3 in Ansatz gebracht werden. Die Anschläge hinsichtlich der abgerechneten Schreibgebühren seien der Zählung des Programms Microsoft Word entnommen. Hinsichtlich der Kopien ergebe seine aktuelle Zählung 27 gefertigte Kopien.

Der Erinnerungsführer beantragt sinngemäß,

die Vergütung für das Gutachten vom 18. März 2016 auf 2.866,20 Euro festzusetzen.

Der Erinnerungsgegner hält die Festsetzung durch den Urkundsbeamten für zutreffend. Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat der Erinnerung nicht abgeholfen und sie dem Senat vorgelegt.

II.

Zuständig für die Entscheidung ist nach § 4 Abs. 7 S. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) und dem Geschäftsverteilungsplan des Thüringer Landessozialgerichts in Verbindung mit dem Geschäftsverteilungsplan des 1. Senats der Berichterstatter.

Auf die nach § 4 Abs. 1 des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes (JVEG) zulässige Erinnerung wird die Entschädigung für das Gutachten vom 18. März 2016 auf 2.207,89 Euro festgesetzt.

Bei der Entscheidung sind alle für die Bemessung der Vergütung maßgeblichen Umstände zu überprüfen, unabhängig davon, ob sie angegriffen worden sind. Bei der Festsetzung ist das Gericht weder an die Höhe der Einzelansätze noch an den Stundenansatz oder an die Gesamthöhe der Vergütung in der Festsetzung durch den UdG oder den Antrag der Beteiligten gebunden. Es kann nur nicht mehr festsetzen, als beantragt ist.

Nach § 8 Abs. 1 JVEG erhalten Sachverständige als Vergütung 1. ein Honorar für ihre Leistungen (§§ 9 bis 11 JVEG), 2. Fahrtkostenersatz (§ 5 JVEG), 3. Entschädigung für Aufwand (§ 6 JVEG) sowie 4. Ersatz für sonstige und besondere Aufwendungen (§§ 7 und 12 JVEG). Soweit das Honorar nach Stundensätzen zu bemessen ist, wird es nach § 8 Abs. 2 JVEG für jede Stunde der erforderlichen Zeit einschließlich notwendiger Reise- und Wartezeiten gewährt (Satz 1); die letzte bereits begonnene Stunde wird voll gerechnet, wenn mehr als 30 Minuten für die Erbringung der Leistung erforderlich war (Satz 2 Halbs. 1).

Die erforderliche Zeit ist nach einem abstrakten Maßstab zu ermitteln, der sich an dem erforderlichen Zeitaufwand eines Sachverständigen mit durchschnittlicher Befähigung und Erfahrung bei sachgemäßer Auftragserledigung mit durchschnittlicher Arbeitsintensität orientiert (vgl. BVerfG, Beschluss vom 26. Juli 2007 - 1 BvR 55/07; BGH; Beschluss vom 16. Dezember 2003 – X ZR 206/98, beide nach Juris; ThürLSG Beschlüsse vom 5. März 2012 - L 6 SF 1854/11 B und vom 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Hartmann in Kostengesetze, 43. Auflage 2013, § 8 JVEG Rdnr. 35). Zu berücksichtigen sind die Schwierigkeiten der zu beantwortenden Fragen unter Berücksichtigung der Sachkunde auf dem betreffenden Gebiet, der Umfang des Gutachtens und die Bedeutung der Streitsache (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2003 - X ZR 206/98; Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 841). Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass die Angaben des Sachverständigen über die tatsächlich benötigte Zeit richtig sind, wenn sich diese in einem gewissen Toleranzbereich bewegen (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Februar 2018 - L 1 JVEG 1189/16; ThürLSG, Beschluss vom 13. August 2013 - L 6 SF 266/13 E). Die Toleranzgrenze beträgt 15 v. H. Werden die üblichen Erfahrungswerte allerdings um mehr als 15 v. H. überschritten, ist eine Plausibilitätsprüfung anhand der Kostenrechnung und der Angaben des Sachverständigen durchzuführen (vgl. ThürLSG, Beschluss vom 21. Dezember 2006 - L 6 B 22/06 SF; Bayerisches LSG, Beschluss vom 18. Mai 2012 - L 15 SF 104/11, nach Juris).

Hinsichtlich der für die Gutachtenserstellung angegebenen Zeit sind keine Bedenken seitens des Senats ersichtlich. Insoweit ist von einem Stundenansatz von insgesamt 21,5 Stunden auszugehen. Die Vergütung erfolgt in der Honorargruppe M2 (75,00 Euro). Sie wird wie folgt definiert: Beschreibende (Ist-Zustand) Begutachtung nach standardisiertem Schema ohne Erörterung spezieller Kausalzusammenhänge mit einfacher medizinischer Verlaufsprognose und mit durchschnittlichem Schwierigkeitsgrad, zum Beispiel Gutachten in Verfahren nach dem Schwerbehindertengesetz oder zur Minderung der Erwerbsfähigkeit und zur Invalidität. Die Honorargruppe M3 erfordert dagegen Gutachten mit hohem Schwierigkeitsgrad. Als Beispiel nennt die Anlage 1 zu § 9 JVEG Begutachtungen spezieller Kausalitätszusammenhänge und/oder differenzialdiagnostischer Probleme und/oder Beurteilungen der Prognose und/oder Beurteilung strittiger Kausalitätsfragen und führt 17 Beispielsfälle auf.

In der Honorargruppe M2 werden die typischen in der Sozialgerichtsbarkeit eingeholten Gutachten mit durchschnittlicher Schwierigkeit vergütet (vgl. Ulrich, Der gerichtliche Sachverständige, 12. Auflage 2007, Rdnr. 872). Nach dem Beschluss des LSG Baden-Württemberg vom 22. September 2004 (L 12 RJ 3686/04 KO-A; nach juris), erfordern Gutachten der Gruppe M3 umfassende und vielseitige bzw. vielschichtige Überlegungen; die Schwierigkeiten können mit den diagnostischen oder ätiologischen Fragen zusammenhängen (vgl. u.a. ThürLSG, Beschlüsse vom 15. März 2010 - L 6 B 209/09 SF und vom 03. November 2008 – L 6 SF 48/08 –, juris ). Auch andere Gründe sind denkbar, z. B. eine Vielzahl unklarer oder widerspruchsvoller Befunde oder anamnestischer Angaben. Es genügt nicht, wenn - wie in den meisten Gutachten erforderlich - differentialdiagnostische Überlegungen angestellt werden, sie müssen einen hohen Schwierigkeitsgrad haben (vgl. Keller "Die Liquidation von Schmerzgutachten" in Egle/Kappis/Schairer/Stadtland (Hrs.), Begutachtung von Schmerzen, 1. Auflage 2014, S. 175, 179). Dafür besteht hier kein ausreichender Anhalt.

Das Gutachten des Erinnerungsführers umfasst 36 Seiten. Auf den Seiten 24 bis 30 erfolgt eine Einordnung der beim Kläger vorliegenden Schmerzerkrankungen und deren Auswirkungen auf die Leistungsfähigkeit. Auf Seite 27 wird eine Konsistenzbeurteilung entsprechend der Leitlinie für die ärztliche Begutachtung von Menschen mit chronischen Schmerzen AWMF-Register Nr. 030/102 und auf Seite 28 eine Prüfung nach dem Mainzer Stadienmodell der Schmerzchronifizierung nach Gerbershagen vorgenommen. Dem kann nicht entnommen werden, dass durch den Sachverständigen äußerst umfangreiche bzw. komplexe differentialdiagnostische Erwägungen angestellt werden mussten. Allein die Benennung und Prüfung der einschlägigen Leitlinien im Gutachten begründet nicht die Annahme eines hohen Schwierigkeitsgrades. Der Sachverständige ist immer gehalten, sein Gutachten auf der Grundlage des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes unter Berücksichtigung der Fachbücher und Standardwerke insbesondere zur Begutachtung im betroffenen Fachgebiet, der jeweiligen Leitlinien der Arbeitsgemeinschaft der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) und ggf. anderer anerkannter Leitlinien und aktueller Veröffentlichungen zu erstellen. Diese verschiedenen Veröffentlichungen sind jeweils kritisch zu würdigen. Umfassende und vielschichtige differentialdiagnostische Erwägungen oder eine vertiefte Auseinandersetzung mit der wissenschaftlichen Literatur lassen sich den Ausführungen nicht entnehmen. Dahinstehen kann, ob dies im Rahmen der Begutachtung erforderlich war. Denn für die Einstufung in die Honorargruppe M 3 ist Voraussetzung, dass eine vertiefende Diskussion und Würdigung des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes tatsächlich vorgenommen wurde. Es verbleibt daher bei der durch den Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erfolgten Einstufung in die Honorargruppe M2.

Zusätzlich hat der Erinnerungsführer einen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten besonderen Leistungen in Höhe von 129,74 Euro. Dies ergibt sich aus § 10 Abs. 1 JVEG i.V. m. der Anlage 2. Erbringt nach dessen Abs. 1 ein Sachverständiger Leistungen, die in Anlage 2 bezeichnet sind, bemisst sich das Honorar nach dieser Anlage. Nach Nr. 307 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG kann der Erinnerungsführer für die Blutentnahme einen Betrag von bis zu 9,00 Euro in Ansatz bringen. Insoweit sind die Ansatz gebrachten 2,33 Euro nicht zu beanstanden. Die unter dieser Position geltend gemachten weiteren Untersuchungen wie EEG, SSEP, ENG und EMG und ein psychometrisches Testverfahren sind als elektrophysiologische Untersuchungen nach Nr. 305 der Anlage 2 zu § 10 Abs. 1 JVEG mit einem Betrag von 15,00 - 135,00 Euro abrechnungsfähig. Insoweit ist der in Ansatz gebracht Betrag von 127,41 Euro nicht zu beanstanden.

Des Weiteren ist die vorgelegte Laborrechnung in Höhe von 46,04 Euro nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 JVEG als notwendige besondere Kosten erstattungsfähig. Nach dieser Vorschrift werden bestimmte für die Vorbereitung und Erstattung des Gutachtens notwendige besondere Kosten gesondert ersetzt, unter anderem zum Beispiel die notwendigen Aufwendungen für eigene Hilfskräfte (soweit ihre Tätigkeit nicht von Anlage 2 oder Abschnitt O des Gebührenverzeichnisses zur GOÄ erfasst sind), die Aufwendungen für die bei der Untersuchung verbrauchten Stoffe und Werkzeuge sowie die Kosten für notwendige Fremduntersuchungen. Dies setzt die Vorlage einer Rechnung voraus, aus der sich nachvollziehen lässt, welcher Betrag dem Gutachten vom 18. März 2016 zugerechnet werden kann. Die ist hier der Fall. Der Rechnung des Labors J. der Firma B. lässt sich entnehmen, dass hier ausschließlich Positionen, die den zu begutachtenden Kläger betrafen, abgerechnet worden sind. Die erforderliche Zuordnung zu dem Kläger des Verfahrens L 2 R 1911/13 ist damit möglich.

Zusätzlich zu erstatten sind die Schreibauslagen (§ 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 JVEG) in Höhe von 48,60 Euro. Die Berechnung durch den Urkundsbeamten ist insoweit nicht zu beanstanden. Sie entspricht den Vorgaben des beigefügten Merkblattes. Danach werden für schriftliche Gutachten je angefangene 1000 Anschläge 0,90 Euro erstattet. Soweit der Erinnerungsführer sich auf die unmittelbare Zählung durch sein Programm Microsoft Word beruft, ist diese unbeachtlich. Die Kosten für Kopien sind nach § 7 Abs. 2 Nr. 1 JVEG erstattungsfähig. Beigefügt waren dem Gutachten 23 Kopien unter Berücksichtigung auf der Rückseite befindlicher Kopien.

Danach errechnet sich die Vergütung wie folgt:

Sachverständigenentschädigung 21,5 Stunden a 75,00 EUR 1.612,50 EUR Besondere Leistungen 129,74 EUR Labor 46,04 EUR Schreibauslagen 48,60 EUR Kopien 11,50 EUR Porto 6,99 EUR

19 % MWSt 352,52 EUR

gesamt: 2.207,89 EUR

Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 4 Abs. 8 JVEG).

Eine Beschwerde an das Bundessozialgericht findet nicht statt (§ 4 Abs. 4 Satz 3 JVEG).
Rechtskraft
Aus
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