L 4 SO 28/17

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
4
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 7 SO 301/14
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 4 SO 28/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2017 (S 7 SO 301/14) wird geändert: Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheides vom 24. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2014 verpflichtet, der Klägerin die Aufwendungen für die Notfallbehandlung des C. vom 5. November 2013 bis 7. November 2013 in Höhe von 1.792,93 EUR zu erstatten. 2. Die Beklagte hat der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob die Beklagte der Klägerin die Kosten der Krankenhausbehandlung eines bestimmten Patienten zu erstatten hat.

Die Klägerin betreibt das Krankenhaus G. in H ... Am 5. November 2013 war der i. Staatsangehörige C. von Beamten des Zolls in H. aufgegriffen und wegen illegalen Aufenthalts der H. Polizei in Gewahrsam übergeben worden. Da er über Schmerzen klagte, wurde der C. um 13:12 h in Polizeibegleitung bei der Klä¬gerin zur Behandlung eingeliefert. Dort wurde er zunächst weiterhin von der Polizei bewacht (Wachablösung gegen 13:40 h). Wegen auffälliger Untersuchungsergebnisse nahm die Klägerin den C. stationär auf. Am 7. November 2013 wurde er entlassen.

Da der Patient angab, mittellos und nicht krankenversichert zu sein, zeigte die Klägerin der Beklagten am 6. November 2013 den Behandlungsfall an zwecks Übernahme der Behand-lungskosten aus Sozialhilfemitteln.

Mit Bescheid vom 24. Januar 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine Kostenüber-nahme aus Mitteln der Sozialhilfe sei nicht möglich. Trotz Anforderung habe die Klägerin die zur Antragsbearbeitung notwendigen Nachweise nicht vorgelegt. Der Antrag werde "gem. § 66 Sozialgesetzbuch I abgelehnt".

Die Klägerin erhob Widerspruch, der mit Bescheid vom 22. April 2014 zurückgewiesen wurde: Es fehle an entscheidungsrelevanten Unterlagen, insbesondere einem Nachweis der Iden-tität des Patienten.

Der Widerspruchsbescheid wurde der Klägerin am 24. April 2014 zugestellt. Am 22. Mai 2014 hat sie vor dem Sozialgericht Hamburg Verpflichtungsklage erhoben.

Das Sozialgericht hat die Klage mit Gerichtsbescheid vom 16. März 2017 abgewiesen: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Behandlungskosten in Höhe von 1.792,93 EUR. Die Voraussetzungen des allein als Anspruchsgrundlage in Betracht kommenden § 25 SGB XII lägen nicht vor. Zwar bestünden keine Zweifel an der Notwendig-keit einer sofortigen medizinischen Aufnahme und Behandlung des Patienten C. (medizinischer Eilfall). Jedoch habe die Klägerin hier den Eilfall der Beklagten nicht rechtzeitig angezeigt.

Der Gerichtsbescheid ist der Klägerin am 20. März 2017 zugestellt worden. Am 19. April 2017 hat sie Berufung eingelegt.

Die Klägerin verfolgt ihren materiellen Anspruch weiter.

Sie beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Hamburg vom 16. März 2017 (S 7 SO 301/14) aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 24. Januar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22. April 2014 zu verpflich-ten, ihr die Aufwendungen für die Notfallbehandlung des Herrn C. vom 5. November 2013 bis 7. November 2013 in Höhe von 1.792,93 EUR zu erstatten.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Die Beklagte verteidigt die angefochtenen Entscheidungen.

Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung durch den Berichterstatter als Einzelrichter erklärt.

Die Sachakten der Beklagten, auch der Polizeibehörde, sowie die Patientenakten des C. haben vorgelegen. Auf ihren sowie auf den Inhalt der Prozessakten wird wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhalts ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die nach den Vorschriften des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) sowie nach § 17a Abs. 5 GVG zulässige Berufung der Kläge¬rin hat in der Sache Erfolg. Die Klage hätte im Ergebnis nicht abgewiesen werden dürfen.

Die Klage ist als Verpflichtungsklage zulässig. Der Senat versteht angesichts der Formulierung des Bescheides vom 24. Januar 2014 ("Anspruch wird abgelehnt") im Zusammen-hang mit dem prozessualen Verhalten der Beklagten deren Entscheidungen so, dass sie nicht nur eine Leistung aus formalen Gründen versagen (vgl. § 66 SGB I), sondern vielmehr den Anspruch der Klägerin auch inhaltlich verneinen wollte.

Die so verstandene Klage ist auch begründet. Die Klägerin kann von der beklagten Freien und Hansestadt Hamburg die Erstattung ihrer Aufwendungen verlangen. Das ergibt sich schon daraus, dass sie hier im Auftrag der Polizei der Beklagten tätig geworden ist, in deren Gewahrsam der C. stand, und welche seine Einlieferung in das Krankenhaus und die Behandlung veranlasst, ja sogar das Geschehen dort überwacht hat. Ein etwaiger Nothelfer-anspruch der Klägerin nach § 25 SGB XII mag dadurch zwar bereits vor Ein¬lie¬fe¬rung des Patienten in das Krankenhaus durch einen originären sozialhilferechtlichen Leistungsanspruch des C. nach § 48 SGB XII verdrängt worden sein (vgl. BSG, Urt. v. 30.10.2013, B 7 AY 2/12 R, Rn. 19), indem nämlich die Polizeibeamten der hier beklagten Sozialhilfeträgerin schon zuvor Kenntnis von einem möglichen sozialhilferechtlichen Leistungsfall hatten (vgl. BSG, Urt. v. 23.8.2013, B 8 SO 19/12 R, Rn. 18; Urt. v. 18.11.2014, B 8 SO 9/13 R, Rn. 15). Indes ergibt sich der Anspruch der Klägerin aus einer entsprechenden Anwendung von § 670 BGB, wonach der Beauftragte vom Auftraggeber Aufwendungen, die er den Umständen nach für erforderlich halten darf, erstattet verlangen kann. Auch über diesen Anspruch ist im vorliegenden Rechtsstreit zu entscheiden (§ 17 Abs. 2 Satz 1 GVG).

Was die Höhe der Aufwendungen (1.792,93 EUR) betrifft, hat der Senat keine Bedenken, der Schlussrechnung der Klägerin vom 11. Februar 2014 (Bl. 15 der Prozessakten) zu folgen, zu-mal die Beklagte gegen die Berechnung dieser Kosten nichts vorgebracht hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Die Beklagte ist von der Klägerin als Nothel-fer nach 25 SGB XII in Anspruch genommen worden (vgl. BSG, Urt. v. 12.12.2013, B 8 SO 13/12 R, Rn. 23).

Ein Grund, gem. § 160 Abs. 2 SGG die Revision zuzulassen, ist nicht gegeben.
Rechtskraft
Aus
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