Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 163 U 52/13
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 3 U 202/15
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung wird zurückgewiesen. Die Beklagte erstattet der Klägerin die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Die 1978 geborene Klägerin war als Altenpflegerin beschäftigt, als es am Freitag, dem 08. Juni 2012 gegen 18.30 Uhr zum angeschuldigten Ereignis kam, als die Klägerin beim Versuch, eine Heimpatientin anzuheben, in der rechten Schulter einen ziehenden Schmerz verspürte. Nach dem Vorbringen der Klägerin stellte sich der Ablauf im Einzelnen wie folgt dar: Es war Abendbrotzeit. Eigentlich war nach Kenntnis der Klägerin die etwa 70 kg schwere Patientin in der Lage, beim täglich erforderlichen Transfer vom Rollstuhl ins Bett mitzuarbeiten. Zunächst stand der Rollstuhl der Patientin von der Klägerin aus gesehen rechts neben dem Bett. Die Klägerin selbst stand in einem Ausfallschritt mit dem rechten Bein voran direkt vor dem Rollstuhl und wollte die Patientin von dort auf das links stehende Bett heben. Die Klägerin griff die Patientin mit beiden Armen unter deren Arme und hob sie mit einer Linksbewegung auf das Bett. Wie geplant kam die Patientin zunächst auf der Bettkante zum Sitzen. Für die Klägerin überraschend rutschte die Patientin dann auf einmal von der Bettkante herunter. Die Klägerin fing sie so auf, dass sie rittlings auf ihrem weiterhin im Ausfallschritt befindlichen rechten Knie zum Sitzen kam. Die Arme der Klägerin waren zu diesem Zeitpunkt immer noch bei der Patientin untergegriffen. Die Hauptlast trug in diesem Moment das Knie, und die Klägerin stabilisierte die Patientin mit den Armen. Die Klägerin versuchte nun erneut, mit weiterhin untergreifenden Armen und zusätzlich, indem sie mit den untergreifenden Armen hinten die Hose der Patientin griff, die Patientin aufs Bett zu hieven. Dabei verspürte die Klägerin ein Knacken in der rechten Schulter. Es gelang ihr unter sehr starken Schmerzen noch, die Patientin auf die Bettkante zu setzen und sie dann hinzulegen. Die Klägerin arbeitete weiter und hoffte auf eine spontane Besserung ihrer Beschwerden.
Laut ärztlicher Unfallmeldung vom 13. Juni 2012 begab sich die Klägerin am Montag, dem 11. Juni 2012 in die ärztliche Behandlung beim Orthopäden Dr. P und beklagte dort leichte Schmerzen im Bereich des rechten Schultergelenks mit schmerzbedingter Abduktions- und Anteflexionsaufhebung. Die von Dr. P zwei Tage später veranlasste Röntgenuntersuchung, vgl. Befund des Radiologischen Zentrums Nord, erbrachte eine anteriore Schulterluxation ohne Hinweis für einen knöchernen Defekt des Humeruskopfes, woraufhin die Klägerin in die Erste-Hilfe-Stelle des R-Krankenhauses verwiesen wurde. Dort wurde die Schulter in Lokalanästhesie reponiert und eine Schulterluxation mit einem Weichteilschaden Grad I nach geschlossener Fraktur erstdiagnostiziert, vgl. Durchgangsarztbericht (DAB) von Prof. Dr. H vom 13. Juni 2012, wonach i.Ü. Hergang und Befund nicht gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprächen, und Nachschaubericht von Dr. L vom 28. Juni 2012. Am 14. Juni 2012 begab sich die Klägerin in die Schultersprechstunde, wo folgender Befund erhoben wurde: inspektorisch reizlos, kein Durchschmerz, glenohumeral frei, aktive Flexion 90°, Abduktion 90°, Außenrotation 80°, Rotatorenmanschette und M. deltoideus ohne pathologischen Befund, deutliche Krepitation. Die am 15. Juni 2012 durchgeführte MRT-Untersuchung erbrachte – bei Bewegungsartefakten bzw. eingeschränkter Beurteilbarkeit - keinen wesentlichen Gelenkerguss, keinen Nachweis eines ossären Ödems (bone bruise) als Zeichen einer frischen ossären Verletzung, eine etwas atypische Konfiguration des anterioren inferioren Labrums ohne Hinweis auf eine frische traumatische Genese, eine intakte Rotatorenmanschette ohne Ruptur, etwas Flüssigkeit in der Sehnenscheide des M. biceps. femoris, eine leichte Signalalteration der Supraspinatussehne und eine aktivierte AC-Gelenkarthrose.
Die Beklagte ließ sich unter dem 01. Juli 2012 von der Klägerin den Hergang schildern und lehnte mit Bescheid vom 19. Juli 2012 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Die Klägerin erhob am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete ihn unter dem 07. August 2012, indem sie noch einmal den Ablauf schilderte. Am 09. und 10. Juni 2012 habe sie frei gehabt, so dass sie gedacht habe, dass der Arm bis Montag wieder in Ordnung sei. Am Sonntag habe sie derartige Schmerzen bekommen, dass sie sich für Montag arbeitsunfähig gemeldet und Dr. P aufgesucht habe. Die von ihm veranlasste Röntgenuntersuchung habe einen ausgekugelten Arm ergeben. Die Beklagte erläuterte der Klägerin mit Schreiben vom 15. August 2012 die Gründe für ihre Entscheidung. Der von der Klägerin geschilderte Unfallhergang sei nicht dazu geeignet gewesen, eine Luxation der Schulter zu verursachen. Eine solche werde immer während einer Hebel- oder Drehbewegung des Oberarmkopfes gegen die Gelenkpfanne verursacht. Plötzlich auftretende, besonders große Kräfte seien geeignet, eine Luxation zu verursachen. Demgegenüber sei der von der Klägerin geschilderte Vorgang wie beabsichtigt durchgeführt worden. Der Gesundheitsschaden sei sicherlich am 08. Juni 2012 aufgetreten, er stehe jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem während ihrer beruflichen Tätigkeit eingetretenen Ereignis. Die Klägerin führte mit Schreiben vom 30. August 2012 ergänzend aus, dass die Patientin deutlich übergewichtig gewesen sei und unvorhergesehen zusammengebrochen sei, so dass sie sie schnell und mit großer Kraftanstrengung habe auffangen müssen, weil ansonsten mit Sicherheit ein Sturz eingetreten wäre. Es habe somit kein planmäßiges, willentliches Handeln vorgelegen.
Die Beklagte zog unterdessen ein Vorerkrankungs- bzw. Arbeitsunfähigkeitsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin bei und nahm die Unfallanzeige vom 10. Juni 2012 zu den Akten, ferner die MRT-Befunde vom 15. Juni und 16. August 2012. Sie holte am 06. September 2012 eine mündliche beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. D ein und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2012 als unbegründet zurück. Das Ereignis vom 08. Juni 2012 sei nicht als Arbeitsunfall anzusehen, weil es nicht geeignet gewesen sei, die bei der Klägerin bestehenden Beschwerden im Bereich der rechten Schulter zu verursachen. Vielmehr handele es sich um eine Schmerzattacke bei der alltäglichen Pflegetätigkeit. Die Erstangaben der Klägerin stimmten nicht mit ihren späteren Angaben zum Ereignishergang überein. Die medizinische Würdigung des Sachverhalts führe zum Ergebnis, dass der MRT-Befund vom 15. Juni 2012 keinen Anhalt für frische, traumatische Verletzungen bringe. Es fänden sich jedoch Nachweise degenerativer Veränderungen der Supraspinatussehne und eine entzündlich bedingte Flüssigkeitsansammlung im Bereich der Bizepssehne sowie eine aktivierte Arthrose im Facettengelenk. Die bei der Klägerin anhaltenden Beschwerden stünden daher in keinem Zusammenhang mit dem Ereignis vom 08. Juni 2012.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 18. Januar 2013 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Erbringung weiterer Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere Heilbehandlung geltend gemacht. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern sie den Sachverhalt unterschiedlich geschildert haben solle. Der Gesundheitserstschaden sei jedenfalls mit dem Röntgenbefund im Sinne einer Schulterluxation gesichert. Aus dem von der Beklagten beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis ergebe sich, dass sie zu keiner Zeit wegen Problemen an der rechten Schulter arbeitsunfähig gewesen oder behandelt worden sei. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. H habe im DAB angegeben, dass weder Hergang noch Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprächen. Bei Zweifeln müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Klarzustellen sei, dass sie am Folgetag nicht weitergearbeitet habe. Sie hat ein Attest der Ärzte L vom 11. Juni 2013 vorgelegt, wonach sich die Klägerin dort ab dem 27. Juli 2012 wegen einer traumatischen Schulterluxation in Behandlung befunden habe. Die Beklagte ist der Klage mit dem Vorbringen entgegengetreten, dass eine Schulterluxation nicht bewiesen sei. Auch der Umstand, dass die Klägerin nach dem angeschuldigten Ereignis weitergearbeitet und auch am Folgetag ihre Arbeit aufgenommen habe, spreche gegen eine stattgehabte Schulterluxation.
Das SG hat das u.a. auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Kliniken B Dr. J vom 30. Oktober 2013 eingeholt. Darin sind u.a. die Angaben der Klägerin zum Ereignishergang festgehalten worden, ferner, dass die Klägerin nach dem Ereignis nur eingeschränkt weitergearbeitet habe. Der Transfer weiterer Patienten sei nicht möglich gewesen. Sie habe einfache Arbeiten wie das Austeilen von Medikamenten und Hilfestellungen beim Ausziehen von Schuhen und Socken vornehmen können. Am Wochenende habe sie frei gehabt und sich bei zunehmenden Schmerzen beim Arzt vorgestellt. Der Sachverständige ist auf die bereits vorgenannten Befunde und auf die ihm zur Begutachtung vorgelegten Arthroskopieberichte vom 29. August, 23. November 2012 und 26. August 2013 eingegangen. Der von der Klägerin geschilderte Hergang mit dem Nachfassen sei als Auslöser einer Schultergelenksluxation nicht geeignet. Die Stellung des Arms sei in gebeugter Haltung vor dem Körper beschrieben worden. Diese Position sei auch bei Postulation erheblicher Gewichtsbelastung der Patientin nicht geeignet, eine Verrenkung der Schulter zu verursachen, zumal kein von außen auf die Klägerin einwirkendes Ereignis erkennbar sei. Das Verletzungsmuster führe bei traumatischer Erstluxation und normaler Gelenkinstabilität zu Schädigungen an der Gelenkkapsel, dem Bandapparat, dem Pfannenrand und dem Labrum. Die traumatsche Erstluxation der Schulter stelle ein erhebliches Unfallereignis dar. Retrospektiv sei es unwahrscheinlich, dass die Klägerin am 08. Juni 2012 ihre Arbeit habe fortsetzen können und sich erst drei Tage später in ärztliche Behandlung begeben habe. Anhand der zeitnah durchgeführten MRT-Diagnostik vom 15. Juni 2012 seien keine Begleitverletzungen wie ein bone bruise der Oberarmkopfes, Hill-Sachs-Impression oder eine Verletzung der Gelenkpfanne nachgewiesen worden. Aktuell seien keine auf das Ereignis zurückzuführenden Beschwerden oder Funktionseinschränkungen erkennbar. Die Klägerin hat sich unter dem 13. Januar 2014 kritisch mit dem Gutachten auseinandergesetzt, woraufhin das SG Dr. Junter dem 02. April 2014 hat ergänzend Stellung nehmen lassen.
Das SG hat der Klage – im Einverständnis der Beteiligten im Wege schriftlicher Entscheidung – mit Urteil vom 03. November 2015 teilweise stattgegeben und die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, das Ereignis vom 08. Juni 2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls lägen vor. Das Anheben der zuvor abgesackten Patientin stelle ohne Weiteres eine Einwirkung von außen kommender Kräfte auf den Körper der Klägerin dar. Die Schulterluxation sei auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Der Sachverständige habe nicht alle für eine Schulterluxation in Frage kommenden geeigneten Hergänge in Betracht gezogen. Auch der nach dem Ereignis eingetretene klinische Verlauf passe zu einer traumatischen Luxation. Die MRT-Untersuchung vom 15. Juni 2012 habe keine hinreichende Aussagekraft, weil die Aufnahmen nur beschränkt beurteilbar seien. Nur deshalb seien keine Anhaltspunkte für ein bone bruise zu finden gewesen. Woraus der Radiologe geschlossen habe, dass insoweit mit Sicherheit keine Hinweise auf eine traumatische Genese vorlägen, bleibe gänzlich offen. Hiergegen spreche insbesondere der später anlässlich der Operationen erhobene Befund, wobei ältere Einblutungen im gesamten Gelenk zu Tage getreten seien und später auch eine diskrete Hill-Sachs-Delle gefunden worden sei. Hierbei handele es sich gerade um typische Luxationsbegleiterscheinungen. Insgesamt sprächen mehr Indizien für als gegen eine traumatisch bedingte Luxation. Die weitergehende, auf die Gewährung von Heilbehandlungskosten gerichtete Klage hat das SG als unzulässig abgewiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 09. November 2015 zugestellte Urteil am 30. November 2015 Berufung eingelegt und macht geltend, dass die Zusammenhangserwägungen des SG im angefochtenen Urteil sich nicht mit der Unfallschilderung, dem klinischen Verlauf, der radiologischen Diagnostik und den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J in Einklang bringen ließen. Im Übrigen vertieft die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 15. Februar 2017 einen Erörterungstermin mit der Klägerin durchgeführt und diese zum Unfallhergang vortragen lassen sowie das u.a. auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S vom 05. Mai 2017 eingeholt. Dieser hat die bildgebenden Befunde interpretiert und mehr für als gegen eine durch das angeschuldigte Ereignis verursachte Schulterluxation sprechende Indizien festgestellt: Die Klägerin sei vor dem Ereignis offenbar beschwerdefrei gewesen, der Hergang selbst sei als geeigneter Mechanismus allerdings nicht typisch. Die Schulterluxation sei indes zeitnah zum Ereignis röntgenologisch gesichert und reponiert worden. Bei der Arthroskopie vom 29. August 2012 (vgl. Operationsbericht vom 29. August 2012) sei eine Hill-Sachs-Läsion beschrieben worden; intraoperativ hätten sich Residuen einer Blutung gefunden. Gegen die wesentliche Verursachung sprächen das Fehlen typischer Begleitverletzungen und weitgehende Beschwerdefreiheit am Folgetag. Der Klägerin wäre es möglich gewesen, zeitnah bei bestehenden Beschwerden auch am Wochenende eine Notfallambulanz aufzusuchen. Nicht zu klären sei auch, dass die Röntgenuntersuchung nicht schon am 11., sondern erst am 13. Juni 2012 stattgefunden habe. Gleichwohl sei das Unfallereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit (zu 85 %) als Ursache des Gesundheitsschadens anzunehmen. Anders als beim Sachverständigen Dr. J werde das Wegsacken der Patientin als plötzliches und unerwartetes Ereignis in die Zusammenhangserwägungen mit einbezogen. Die Beklagte setzt sich mit dem Gutachten kritisch unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. L vom 04. Juli 2017 auseinander. Eine Schulterluxation sei nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Dr. S selbst habe die Röntgenaufnahmen vom 13. Juni 2012 als deutlich eingeschränkt beurteilbar bezeichnet, zumal die Originalbilder ihm nicht zur Beurteilung vorgelegen hätten. Der Unfallhergang sei nicht geeignet für die Verursachung einer Schulterluxation. Nach den im Erörterungstermin vom 15. Februar 2017 getroffenen Feststellungen habe es sich eindeutig um ein aktives Hochziehen der Patientin auf die Bettkante und nicht um ein Nachfassen gehandelt. Auch sei eine Weiterarbeit mit einer ausgerenkten Schulter nicht denkbar. Auch das Fehlen von Begleitverletzungen spreche gegen eine unfallbedingte Schulterluxation.
Die Klägerin ist der Kritik unter dem 11. September 2017 unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass Dr. S letztlich von einer radiologisch gesicherten, eindeutig nachgewiesenen Schulterluxation ausgegangen sei. Anders als die Beklagte meine, habe sehr wohl ein schnelles Nachfassen bzw. Nachgreifen vorgelegen. Soweit der Sachverständige zwar einen für eine Schulterluxation typischen Hergang verneint habe, habe er nicht ausgeschlossen, dass gerade auch das angeschuldigte Ereignis zu einer Luxation führen könne.
Der Berichterstatter hat Dr. S sodann unter dem 06. Oktober 2017 ergänzend Stellung nehmen lassen. Darin hat er ausgeführt: Nach Aktenlage bestünden keine Zweifel am Vorliegen einer Schulterluxation, auch wenn er die Originalbilder nicht eingesehen habe. Die erstbehandelnden Ärzte hätten nach der Röntgendiagnostik eine Schulterluxation festgestellt und reponiert. Soweit die MRT-Aufnahmen vom 15. Juni 2012 keine knöchernen oder weichteiligen posttraumatischen Veränderungen erbracht hätten, seien solche nicht beweisend für eine stattgehabte Luxation. Auch wenn das Unfallereignis nicht typisch sei, bleibe er dabei, dass mehr Argumente für als gegen eine unfallbedingte Verursachung der Schulterluxation sprächen: Anamnestisch oder anhand ärztlicher Berichte keine Luxationsereignisse vor dem angeschuldigten Unfall, keine sportlichen oder beruflichen Aktivitäten mit daraus resultierenden repetitiven Mikrotraumata, keine Spontanreposition möglich, Reposition durch einen Arzt nach klinischer und ggf. sonographischer oder röntgenologischer Diagnose und Dokumentation, intraoperativ arthroskopisch gesicherte Hill-Sachs-Delle und Blutungsresiduen. Dagegen spreche nur, dass es kein eigentlicher Unfall, sondern Alltagsbewegungen gewesen seien und es an einem Nachweis radiologischer Befunde im Sinne einer Bankart-Läsion oder Hill-Sachs-Läsion fehle, so dass letztlich mehr Argumente dafür als dagegen sprächen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 26. und 27. Oktober 2017 einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats im Wege schriftlicher Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Die Beklagte legt zuletzt eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L vom 01. November 2017 vor. Danach sei selbst Prof. Dr. H nicht von einer gesicherten Schulterluxation ausgegangen, wie sich aus dem MRT-Befund vom 15. Juni 2012 ergebe, wonach ein "Z.n. fraglich anteriorer Schulterlux rechts mit Reposition am 13.06.2012" bestanden habe. Die Beiziehung der Originalaufnahmen werde angeregt. Auch werde angeregt, von der Klägerin eventuell vor dem 08. Juni 2012 gefertigte Röntgenaufnahmen beizuziehen und ein fachradiologisches Gutachten einzuholen. Zu beachten sei, dass auch der erstbehandelnde Arzt Dr. P trotz klinischer Untersuchung und Beschwerdeschilderung der Klägerin keine Schulterluxation diagnostiziert habe. Bei der Arthroskopie am 29. August 2012 sei eine diskrete Hill-Sachs-Läsion befundet worden; da laut MRT vom 15. Juni 2012 keine Verletzungszeichen gesichert worden seien, spreche dies für eine in der Vergangenheit abgelaufene Verrenkung oder Teilverrenkung. Das vorliegende Vorerkrankungsverzeichnis datiere erst ab 2002, so dass ein Vorerkrankungsverzeichnis für die Zeit davor eingeholt werde solle. Die Klägerin könne auch dazu befragt werden, welche Tätigkeiten sie am Wochenende nach dem angeschuldigten Ereignis privat verrichtet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltliche Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 19. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2012 verpflichtet, das Ereignis vom 08. Juni 2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall wesentlich verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht nur eine andere, unfallunabhängige Ursache - wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017 (Schönberger et al.), Kap. 1.8, S. 29).
Fraglos stand die Klägerin im Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses in einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigungsverhältnis. Das angeschuldigte Ereignis stand auch in einem inneren und sachlichen Zusammenhang zur Beschäftigung; die Klägerin nahm pflegerische Verrichtungen vor, als das angeschuldigte Ereignis geschah.
Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass im Wesentlichen ein äußeres Ereignis hier einen Gesundheitserstschaden im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität mit hinreichender Wahrscheinlichkeit herbeiführte. Das angeschuldigte Ereignis liegt hier im Auffangen und Hochhieven einer etwa 70 kg schweren, von der Klägerin mit ihren Armen umfassten Patientin, die unvermittelt von der Bettkante gerutscht, von der Klägerin aufgefangen, stabilisiert worden war und wieder hochgezogen wurde, wobei die Patientin – für die Klägerin überraschend – am Transfer vom Rollstuhl ins Bett nicht mitwirkte. Bei diesem Geschehensablauf, dessen genaue biodynamische Gegebenheiten nicht rekonstruierbar sind, handelt es sich in der Tat um ein äußeres Ereignis. Dabei erstreckt sich das Unfallereignis auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gerade, aber auch nur diejenigen Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Begriff des Unfallereignisses setzt auch nicht ein außergewöhnliches Geschehen voraus. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt vielmehr ein alltäglicher Vorgang, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2011 – B 2 U 10/11 R –, zitiert nach juris Rn. 14). Dementsprechend hat das BSG etwa das versuchte Anheben eines festgefrorenen Steines als eine zeitlich begrenzte Einwirkung von außen angesehen und hierzu ausgeführt, dass für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich ist. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps u.s.w., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg genügt, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten, und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Versicherte auf dem Weg ausgesetzt war. Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor. So ist etwa eine äußere Einwirkung auch bei einer als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation zu bewertenden Arbeit (Hausschlachtung) durch den Versicherten anzunehmen, wenn dies zu erheblicher Atemnot führt, der Versicherte zusammenbricht und innerhalb einer Stunde verstirbt. Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, ist dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung, bei welcher eine äußere Einwirkung vorliegt. Für die Prüfung der oben aufgezeigten Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls bedeutet dies, dass für die äußere Einwirkung nicht ein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen zu fordern ist. Ob eine und welche äußere Einwirkung vorlag, ist in solchen Fällen ggf. nicht ohne die eigentlich erst in einem weiteren Schritt zu prüfende Ursachenbeurteilung festzustellen. Die äußere Einwirkung liegt – z.B. im Fall des Steinanhebens - in der (unsichtbaren) Kraft, die der schwere und festgefrorene Stein dem Versicherten entgegensetzte (vgl. Drittes Newtonsches Gesetz über die gleiche Größe der Gegenwirkung). Der Versicherte, der auf ausdrückliche oder stillschweigende Anordnung seines Arbeitgebers zur Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine derartige Kraftanstrengung unternimmt und - den Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung unterstellt - dabei einen Gesundheitsschaden erleidet, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Gesundheitsschaden ist durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden und ihr zuzurechnen. Dementsprechend führt etwa das beabsichtigte Anheben des Steines und die damit einhergehende Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte zu einer zeitlich begrenzten, äußeren Einwirkung auf bestimmte Teile bzw. Organe des Körpers des Klägers (BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R –, zitiert nach juris Rn. 12 ff.).
Dies zugrunde gelegt kann der vorliegende Fall, in welchem die Klägerin die Patientin zwar sehenden Auges, beabsichtigt auffing und hochhievte, aber dabei deren Gewicht und körperlichem Widerstand bzw. der von ihr ausgehenden, auf sie einwirkenden Kraft gleichwohl in einer nicht willentlich steuerbaren Weise ausgesetzt war, nicht anders beurteilt werden, zumal die Klägerin eine Mitarbeit der Patientin beim Transfer erwartet hatte. Die hiergegen von der Beklagten und insbesondere auch von Dr. J in dessen schriftlichem Sachverständigengutachten vom 30. Oktober 2013 angeführten Zweifel verfangen und binden den Senat nicht.
Es liegt auch ein vollbeweislich i.S.v. § 128 Abs. 1 S. 1 SGG gesicherter Gesundheitserstschaden vor, und zwar in Gestalt einer Schulterluxation. Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Beklagten verfangen ebenfalls nicht. Es wurde am 13. Juni 2012 eine Röntgenuntersuchung durchgeführt, nach deren unmissverständlichem Befund eine anteriore Schulterluxation festgestellt wurde. Dieser Befund wurde dann noch an demselben Tag für eine Reposition der Schulter unter Lokalanästhesie zum Anlass genommen. Auch wenn Dr. S die Originalaufnahmen nicht vorgelegen haben und er – nachvollziehbar – von einer eingeschränkten Beurteilbarkeit der aktenkundigen Kopien ausgegangen ist, so bestehen nach dem aktenkundigen Hergang keine vernünftigen Zweifel am Vorliegen einer Schulterluxation. Zweifel hieran hegen weder Dr. S in seinem für den Senat erstellten schriftlichen Sachverständigengutachten vom 05. Mai 2017 nebst ergänzender Stellungnahme vom 06. Oktober 2017 noch letztlich Dr. J in seinem für das SG erstellten schriftlichen Sachverständigengutachten, worin er ausführt, dass nach der retrospektiven Beurteilung bei der Klägerin am 13. Juni 2012 eine anteriore Luxation des rechten Schultergelenks nachgewiesen wurde. Andere Gesundheitserstschäden sind indes nicht gesichert und können für den Tatbestand eines Unfalls nicht herangezogen werden. Dass die Schulterluxation im Übrigen der dem angeschuldigten Ereignis zuzuordnende Gesundheitserstschaden ist, ergibt sich aus der zeitlichen Nähe und dem Umstand, dass die Klägerin – hieran bestehen keine durchgreifenden Zweifel – nun einmal bei den o.g. pflegerischen Verrichtungen ein Knacken und einschießenden Schmerz verspürte, welcher sie zur Aufgabe weiterer schwerer Verrichtungen veranlasste. Letztlich ist der Senat auch davon überzeugt, dass die Schulterluxation mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen durch das angeschuldigte Ereignis verursacht wurde. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, a.a.O., Rn. 16). Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 20). Hieran gemessen bestehen in der Tat genügend Anhaltspunkte für ein im Wesentlichen auf das angeschuldigte Ereignis rückführbaren Gesundheitserstschaden. Diese Anhaltspunkte verdichten sich zu einer hinreichenden Verursachungswahrscheinlichkeit, dass die Luxation im Wesentlichen auf dem angeschuldigten Ereignis beruht. Nach dem einschlägigen unfallmedizinischen Schrifttum ist bei der Beurteilung von Verrenkungen des Oberarms im Schultergelenk von der Erfahrung auszugehen, dass die Widerstandsfähigkeit eines normalen Schultergelenks so groß ist, dass es besondere Arbeitsbelastungen des täglichen Lebens ohne Schaden erträgt und nur erhebliche Einwirkungen geeignet sind, die Haltevorrichtungen für den Oberarmkopf dergestalt zu verletzen, dass er luxieren kann: Entweder sind die von außen einwirkenden Kräfte stärker als die stabilisierenden Momente oder sie wirken in einem Augenblick auf das Schultergelenk ein, in dem diese Muskeln keine aktive Funktion ausüben. Es handelt sich immer um eine Hebel- oder Drehbewegung des Oberarmkopfes gegen die Pfanne. Der typische Unfallmechanismus ist die Schulterabduktion bis 90° mit zusätzlich von außen einwirkender Außenrotationskraft. Oft sind es indirekte Krafteinwirkungen wie Stürze auf den nach hinten oder vorne ausgestreckten Arm, Hebel- und Drehbewegungen, die den normalen Bewegungsumfang überschreiten (forcierte Außendrehung und Seithebung, wie durch das Eingreifen und Abblocken des Wurfarms im Ballsport), sowie Hängenbleiben bei erheblicher Beschleunigung des Körpers (Unfall bei festgestelltem Skistock, Treppensturz mit der Hand am Geländer) oder an schnell bewegten Maschinenteilen. Grundsätzlich gehört zur unfallbedingten Erstverrenkung eine Weichteilverletzung im Kapsel-Band-Apparat, die den Betroffenen in den ersten 24 Stunden nach der Reposition schmerzbedingt stärker als endgradig im Schultergelenk beeinträchtigt (Schönberger et al., a.a.O. Kap. 8.4.2.1, S. 552 ff.).
Allein der Umstand, dass es nach dem insofern übereinstimmenden Urteil beider Sachverständiger an einem für die Auskugelung einer gesunden Schulter typischen Unfallmechanismus fehlt, schließt nach den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung die hinreichende Wahrscheinlichkeit noch nicht aus, dass die Luxation gleichwohl im Wesentlichen durch das angeschuldigte Ereignis herbeigeführt wurde. Dies deckt sich insbesondere mit den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S, der in Kenntnis der einschlägigen unfallmedizinischen Erfahrungswerte dem angeschuldigten Ereignis zwar die Typik, aber nicht von vornherein die Eignung abspricht. Dr. J tut dies in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten letztlich unter der unzutreffenden Prämisse, dass ohnehin schon kein von außen auf die Klägerin einwirkendes Ereignis vorliegt. Der Sachverständige Dr. J – und mit ihm die Beklagte mit ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen - übersieht bei alldem, dass das einschlägige unfallmedizinische Schrifttum im vorliegenden Zusammenhang von Erfahrungswerten ausgeht und hiervon ausgehend eine Typik an Unfallmechanismen herausarbeitet, aber keine Negativliste ungeeigneter Hergänge formuliert. Soweit das o.g. unfallmedizinische Schrifttum teilweise (vgl. Schönberger et al., a.a.O.) im Grundsatz, mithin nicht ausnahmslos, eine Weichteilverletzung im Kapsel-Band-Sehnenbereich postuliert, führen andere Stimmen nur knöcherne Verletzungsfolgen als Positivindizien an (vgl. Thomann/ Schröter/ Grosser, Handbuch der orthopädisch-unfallchirurgischen Begutachtung, 1. Aufl. 2009, S. 184). Eben solche wurden zwar nicht bereits in der MRT-Untersuchung vom 15. Juni 2012 aufgedeckt. Es fanden sich aber Anzeichen sowohl von Weichteil- als auch von knöchernen Verletzungen anlässlich der noch in einem zeitlichen Zusammenhang zum angeschuldigten Ereignis stehenden Arthroskopie vom 29. August 2012 (neben diskreter Hill-Sachs-Läsion ältere Blutauflagerungen). Eben hierauf weist Dr. S in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten nachvollziehbar hin. Demgegenüber legt die Beklagte etwa zuletzt aufgrund der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 01. November 2012 unkritisch den MRT-Befund vom 15. Juni 2012 zugrunde, der für sich betrachtet in der Tat keine frischen Verletzungsanzeichen vermittelt. Dabei misst die Beklagte dem MRT-Befund vorschnell eine größere Aussagekraft als der nachgehenden Arthroskopie bei, obwohl die Radiologen auf dem MRT-Befund vermerkten, dass dieser wegen Bewegungsartefakten nur eingeschränkt beurteilbar ist. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine besonders hohe diagnostische Richtigkeitsgewähr bietende MRT in Kontrastmitteltechnik (vgl. Rompe/ Erlenkämper/ Schiltenwolf/ Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 9. Aufl. 2009, Kap. 2.4, S. 457) durchgeführt wurde. Für das tatsächliche Bestehen einer Weichteilverletzung spricht auch der am 14. Juni 2012 bei der Nachuntersuchung erhobene klinische Befund mit mehr als nur endgradigen Beeinträchtigungen (aktive Flexion nur bis 90°, Abduktion nur bis 90°, Oberarmrotation nur 80°, deutliche Krepitation). Weitere, wenngleich schwächere Positivindizien nennt Dr. S unter Hinweis auf eine anamnestisch bestehende prätraumatische Beschwerdefreiheit, das Fehlen sportlicher oder beruflicher Aktivitäten mit hieraus folgenden repetitiven Mikrotraumata. Insbesondere ergibt sich aus dem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis, welches immerhin bis ins Jahr 2002 zurückgeht, kein einschlägiger Vorschaden bzw. keine hierauf beruhende Arbeitsunfähigkeit, obwohl die Klägerin seit 2008 im Rahmen der Pflegetätigkeit immer wieder mit schweren körperlichen Tätigkeiten beim Patiententransfer belastet war. Zudem ließen sich bei den Untersuchungen der Sachverständigen keine Hinweise für eine habituelle Instabilität beider Schultergelenke finden. Gewichtige Positivindizien sind ferner die Unmöglichkeit einer Spontanreposition und die erforderliche Reposition durch einen Arzt nach klinischer und röntgenologischer Diagnose und Dokumentation. Für eine unfallbedingte Verursachung der Schulterluxation spricht ferner, dass die Reposition nur unter Schmerzausschaltung bewerkstelligt werden konnte (vgl. Thomann et al., a.a.O.). Bei alldem sieht sich der Senat auch eingedenk der ihm aus § 103 SGG obliegenden Untersuchungsmaxime nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gedrängt. Insbesondere ist ein weiterer Aufklärungsbedarf zum tatsächlichen Vorliegen einer Schulterluxation nicht zu erkennen, auch wenn die Beklagte unter Bezugnahme auf die letzten beratungsärztlichen Stellungnahmen das Vorliegen einer Luxation nach wie vor bestreitet und damit sich im Übrigen in Widerspruch zu ihrer anfänglichen Beurteilung der medizinischen Sachlage setzt, vgl. das Schreiben der Beklagten vom 15. August 2012, worin sie den in der Luxation bestehenden Gesundheitsschaden noch der Sache nach einräumte. Mithin erscheint die anlässlich seiner Begutachtung formulierte Annahme von Dr. S plausibel, dass mehr für als gegen eine Verursachung der Luxation durch das angeschuldigte Ereignis vom 08. Juni 2012 spricht. Er kann sich – gerichtsbekannt - auf die Erfahrung einer Vielzahl von unfallmedizinischen Begutachtungen bzw. auf sein umfassendes klinisches Erfahrungswissen berufen und ist dem Senat aus vielen Berufungsverfahren als verlässlich und streng prüfender Sachverständiger bekannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Revisionszulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
Tatbestand:
Die Klägerin begehrt die Anerkennung eines Ereignisses als Arbeitsunfall.
Die 1978 geborene Klägerin war als Altenpflegerin beschäftigt, als es am Freitag, dem 08. Juni 2012 gegen 18.30 Uhr zum angeschuldigten Ereignis kam, als die Klägerin beim Versuch, eine Heimpatientin anzuheben, in der rechten Schulter einen ziehenden Schmerz verspürte. Nach dem Vorbringen der Klägerin stellte sich der Ablauf im Einzelnen wie folgt dar: Es war Abendbrotzeit. Eigentlich war nach Kenntnis der Klägerin die etwa 70 kg schwere Patientin in der Lage, beim täglich erforderlichen Transfer vom Rollstuhl ins Bett mitzuarbeiten. Zunächst stand der Rollstuhl der Patientin von der Klägerin aus gesehen rechts neben dem Bett. Die Klägerin selbst stand in einem Ausfallschritt mit dem rechten Bein voran direkt vor dem Rollstuhl und wollte die Patientin von dort auf das links stehende Bett heben. Die Klägerin griff die Patientin mit beiden Armen unter deren Arme und hob sie mit einer Linksbewegung auf das Bett. Wie geplant kam die Patientin zunächst auf der Bettkante zum Sitzen. Für die Klägerin überraschend rutschte die Patientin dann auf einmal von der Bettkante herunter. Die Klägerin fing sie so auf, dass sie rittlings auf ihrem weiterhin im Ausfallschritt befindlichen rechten Knie zum Sitzen kam. Die Arme der Klägerin waren zu diesem Zeitpunkt immer noch bei der Patientin untergegriffen. Die Hauptlast trug in diesem Moment das Knie, und die Klägerin stabilisierte die Patientin mit den Armen. Die Klägerin versuchte nun erneut, mit weiterhin untergreifenden Armen und zusätzlich, indem sie mit den untergreifenden Armen hinten die Hose der Patientin griff, die Patientin aufs Bett zu hieven. Dabei verspürte die Klägerin ein Knacken in der rechten Schulter. Es gelang ihr unter sehr starken Schmerzen noch, die Patientin auf die Bettkante zu setzen und sie dann hinzulegen. Die Klägerin arbeitete weiter und hoffte auf eine spontane Besserung ihrer Beschwerden.
Laut ärztlicher Unfallmeldung vom 13. Juni 2012 begab sich die Klägerin am Montag, dem 11. Juni 2012 in die ärztliche Behandlung beim Orthopäden Dr. P und beklagte dort leichte Schmerzen im Bereich des rechten Schultergelenks mit schmerzbedingter Abduktions- und Anteflexionsaufhebung. Die von Dr. P zwei Tage später veranlasste Röntgenuntersuchung, vgl. Befund des Radiologischen Zentrums Nord, erbrachte eine anteriore Schulterluxation ohne Hinweis für einen knöchernen Defekt des Humeruskopfes, woraufhin die Klägerin in die Erste-Hilfe-Stelle des R-Krankenhauses verwiesen wurde. Dort wurde die Schulter in Lokalanästhesie reponiert und eine Schulterluxation mit einem Weichteilschaden Grad I nach geschlossener Fraktur erstdiagnostiziert, vgl. Durchgangsarztbericht (DAB) von Prof. Dr. H vom 13. Juni 2012, wonach i.Ü. Hergang und Befund nicht gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprächen, und Nachschaubericht von Dr. L vom 28. Juni 2012. Am 14. Juni 2012 begab sich die Klägerin in die Schultersprechstunde, wo folgender Befund erhoben wurde: inspektorisch reizlos, kein Durchschmerz, glenohumeral frei, aktive Flexion 90°, Abduktion 90°, Außenrotation 80°, Rotatorenmanschette und M. deltoideus ohne pathologischen Befund, deutliche Krepitation. Die am 15. Juni 2012 durchgeführte MRT-Untersuchung erbrachte – bei Bewegungsartefakten bzw. eingeschränkter Beurteilbarkeit - keinen wesentlichen Gelenkerguss, keinen Nachweis eines ossären Ödems (bone bruise) als Zeichen einer frischen ossären Verletzung, eine etwas atypische Konfiguration des anterioren inferioren Labrums ohne Hinweis auf eine frische traumatische Genese, eine intakte Rotatorenmanschette ohne Ruptur, etwas Flüssigkeit in der Sehnenscheide des M. biceps. femoris, eine leichte Signalalteration der Supraspinatussehne und eine aktivierte AC-Gelenkarthrose.
Die Beklagte ließ sich unter dem 01. Juli 2012 von der Klägerin den Hergang schildern und lehnte mit Bescheid vom 19. Juli 2012 die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall ab. Die Klägerin erhob am 26. Juli 2012 Widerspruch und begründete ihn unter dem 07. August 2012, indem sie noch einmal den Ablauf schilderte. Am 09. und 10. Juni 2012 habe sie frei gehabt, so dass sie gedacht habe, dass der Arm bis Montag wieder in Ordnung sei. Am Sonntag habe sie derartige Schmerzen bekommen, dass sie sich für Montag arbeitsunfähig gemeldet und Dr. P aufgesucht habe. Die von ihm veranlasste Röntgenuntersuchung habe einen ausgekugelten Arm ergeben. Die Beklagte erläuterte der Klägerin mit Schreiben vom 15. August 2012 die Gründe für ihre Entscheidung. Der von der Klägerin geschilderte Unfallhergang sei nicht dazu geeignet gewesen, eine Luxation der Schulter zu verursachen. Eine solche werde immer während einer Hebel- oder Drehbewegung des Oberarmkopfes gegen die Gelenkpfanne verursacht. Plötzlich auftretende, besonders große Kräfte seien geeignet, eine Luxation zu verursachen. Demgegenüber sei der von der Klägerin geschilderte Vorgang wie beabsichtigt durchgeführt worden. Der Gesundheitsschaden sei sicherlich am 08. Juni 2012 aufgetreten, er stehe jedoch in keinem ursächlichen Zusammenhang mit dem während ihrer beruflichen Tätigkeit eingetretenen Ereignis. Die Klägerin führte mit Schreiben vom 30. August 2012 ergänzend aus, dass die Patientin deutlich übergewichtig gewesen sei und unvorhergesehen zusammengebrochen sei, so dass sie sie schnell und mit großer Kraftanstrengung habe auffangen müssen, weil ansonsten mit Sicherheit ein Sturz eingetreten wäre. Es habe somit kein planmäßiges, willentliches Handeln vorgelegen.
Die Beklagte zog unterdessen ein Vorerkrankungs- bzw. Arbeitsunfähigkeitsverzeichnis der Krankenkasse der Klägerin bei und nahm die Unfallanzeige vom 10. Juni 2012 zu den Akten, ferner die MRT-Befunde vom 15. Juni und 16. August 2012. Sie holte am 06. September 2012 eine mündliche beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. D ein und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2012 als unbegründet zurück. Das Ereignis vom 08. Juni 2012 sei nicht als Arbeitsunfall anzusehen, weil es nicht geeignet gewesen sei, die bei der Klägerin bestehenden Beschwerden im Bereich der rechten Schulter zu verursachen. Vielmehr handele es sich um eine Schmerzattacke bei der alltäglichen Pflegetätigkeit. Die Erstangaben der Klägerin stimmten nicht mit ihren späteren Angaben zum Ereignishergang überein. Die medizinische Würdigung des Sachverhalts führe zum Ergebnis, dass der MRT-Befund vom 15. Juni 2012 keinen Anhalt für frische, traumatische Verletzungen bringe. Es fänden sich jedoch Nachweise degenerativer Veränderungen der Supraspinatussehne und eine entzündlich bedingte Flüssigkeitsansammlung im Bereich der Bizepssehne sowie eine aktivierte Arthrose im Facettengelenk. Die bei der Klägerin anhaltenden Beschwerden stünden daher in keinem Zusammenhang mit dem Ereignis vom 08. Juni 2012.
Die Klägerin hat ihr Begehren mit der am 18. Januar 2013 zum Sozialgericht Berlin (SG) erhobenen Klage weiterverfolgt und die Anerkennung des Ereignisses als Arbeitsunfall und die Erbringung weiterer Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung, insbesondere Heilbehandlung geltend gemacht. Es sei nicht ersichtlich, inwiefern sie den Sachverhalt unterschiedlich geschildert haben solle. Der Gesundheitserstschaden sei jedenfalls mit dem Röntgenbefund im Sinne einer Schulterluxation gesichert. Aus dem von der Beklagten beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis ergebe sich, dass sie zu keiner Zeit wegen Problemen an der rechten Schulter arbeitsunfähig gewesen oder behandelt worden sei. Der Durchgangsarzt Prof. Dr. H habe im DAB angegeben, dass weder Hergang noch Befund gegen die Annahme eines Arbeitsunfalls sprächen. Bei Zweifeln müsse ein Sachverständigengutachten eingeholt werden. Klarzustellen sei, dass sie am Folgetag nicht weitergearbeitet habe. Sie hat ein Attest der Ärzte L vom 11. Juni 2013 vorgelegt, wonach sich die Klägerin dort ab dem 27. Juli 2012 wegen einer traumatischen Schulterluxation in Behandlung befunden habe. Die Beklagte ist der Klage mit dem Vorbringen entgegengetreten, dass eine Schulterluxation nicht bewiesen sei. Auch der Umstand, dass die Klägerin nach dem angeschuldigten Ereignis weitergearbeitet und auch am Folgetag ihre Arbeit aufgenommen habe, spreche gegen eine stattgehabte Schulterluxation.
Das SG hat das u.a. auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten des Chefarztes der Klinik für Unfallchirurgie und Orthopädie der Kliniken B Dr. J vom 30. Oktober 2013 eingeholt. Darin sind u.a. die Angaben der Klägerin zum Ereignishergang festgehalten worden, ferner, dass die Klägerin nach dem Ereignis nur eingeschränkt weitergearbeitet habe. Der Transfer weiterer Patienten sei nicht möglich gewesen. Sie habe einfache Arbeiten wie das Austeilen von Medikamenten und Hilfestellungen beim Ausziehen von Schuhen und Socken vornehmen können. Am Wochenende habe sie frei gehabt und sich bei zunehmenden Schmerzen beim Arzt vorgestellt. Der Sachverständige ist auf die bereits vorgenannten Befunde und auf die ihm zur Begutachtung vorgelegten Arthroskopieberichte vom 29. August, 23. November 2012 und 26. August 2013 eingegangen. Der von der Klägerin geschilderte Hergang mit dem Nachfassen sei als Auslöser einer Schultergelenksluxation nicht geeignet. Die Stellung des Arms sei in gebeugter Haltung vor dem Körper beschrieben worden. Diese Position sei auch bei Postulation erheblicher Gewichtsbelastung der Patientin nicht geeignet, eine Verrenkung der Schulter zu verursachen, zumal kein von außen auf die Klägerin einwirkendes Ereignis erkennbar sei. Das Verletzungsmuster führe bei traumatischer Erstluxation und normaler Gelenkinstabilität zu Schädigungen an der Gelenkkapsel, dem Bandapparat, dem Pfannenrand und dem Labrum. Die traumatsche Erstluxation der Schulter stelle ein erhebliches Unfallereignis dar. Retrospektiv sei es unwahrscheinlich, dass die Klägerin am 08. Juni 2012 ihre Arbeit habe fortsetzen können und sich erst drei Tage später in ärztliche Behandlung begeben habe. Anhand der zeitnah durchgeführten MRT-Diagnostik vom 15. Juni 2012 seien keine Begleitverletzungen wie ein bone bruise der Oberarmkopfes, Hill-Sachs-Impression oder eine Verletzung der Gelenkpfanne nachgewiesen worden. Aktuell seien keine auf das Ereignis zurückzuführenden Beschwerden oder Funktionseinschränkungen erkennbar. Die Klägerin hat sich unter dem 13. Januar 2014 kritisch mit dem Gutachten auseinandergesetzt, woraufhin das SG Dr. Junter dem 02. April 2014 hat ergänzend Stellung nehmen lassen.
Das SG hat der Klage – im Einverständnis der Beteiligten im Wege schriftlicher Entscheidung – mit Urteil vom 03. November 2015 teilweise stattgegeben und die Beklagte unter Änderung der angefochtenen Bescheide verpflichtet, das Ereignis vom 08. Juni 2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls lägen vor. Das Anheben der zuvor abgesackten Patientin stelle ohne Weiteres eine Einwirkung von außen kommender Kräfte auf den Körper der Klägerin dar. Die Schulterluxation sei auch mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen auf das Unfallgeschehen zurückzuführen. Der Sachverständige habe nicht alle für eine Schulterluxation in Frage kommenden geeigneten Hergänge in Betracht gezogen. Auch der nach dem Ereignis eingetretene klinische Verlauf passe zu einer traumatischen Luxation. Die MRT-Untersuchung vom 15. Juni 2012 habe keine hinreichende Aussagekraft, weil die Aufnahmen nur beschränkt beurteilbar seien. Nur deshalb seien keine Anhaltspunkte für ein bone bruise zu finden gewesen. Woraus der Radiologe geschlossen habe, dass insoweit mit Sicherheit keine Hinweise auf eine traumatische Genese vorlägen, bleibe gänzlich offen. Hiergegen spreche insbesondere der später anlässlich der Operationen erhobene Befund, wobei ältere Einblutungen im gesamten Gelenk zu Tage getreten seien und später auch eine diskrete Hill-Sachs-Delle gefunden worden sei. Hierbei handele es sich gerade um typische Luxationsbegleiterscheinungen. Insgesamt sprächen mehr Indizien für als gegen eine traumatisch bedingte Luxation. Die weitergehende, auf die Gewährung von Heilbehandlungskosten gerichtete Klage hat das SG als unzulässig abgewiesen.
Die Beklagte hat gegen das ihr am 09. November 2015 zugestellte Urteil am 30. November 2015 Berufung eingelegt und macht geltend, dass die Zusammenhangserwägungen des SG im angefochtenen Urteil sich nicht mit der Unfallschilderung, dem klinischen Verlauf, der radiologischen Diagnostik und den Ausführungen des Sachverständigen Dr. J in Einklang bringen ließen. Im Übrigen vertieft die Beklagte ihr bisheriges Vorbringen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 03. November 2015 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Berichterstatter hat am 15. Februar 2017 einen Erörterungstermin mit der Klägerin durchgeführt und diese zum Unfallhergang vortragen lassen sowie das u.a. auf einer ambulanten Untersuchung der Klägerin beruhende schriftliche Sachverständigengutachten des Orthopäden und Unfallchirurgen Dr. S vom 05. Mai 2017 eingeholt. Dieser hat die bildgebenden Befunde interpretiert und mehr für als gegen eine durch das angeschuldigte Ereignis verursachte Schulterluxation sprechende Indizien festgestellt: Die Klägerin sei vor dem Ereignis offenbar beschwerdefrei gewesen, der Hergang selbst sei als geeigneter Mechanismus allerdings nicht typisch. Die Schulterluxation sei indes zeitnah zum Ereignis röntgenologisch gesichert und reponiert worden. Bei der Arthroskopie vom 29. August 2012 (vgl. Operationsbericht vom 29. August 2012) sei eine Hill-Sachs-Läsion beschrieben worden; intraoperativ hätten sich Residuen einer Blutung gefunden. Gegen die wesentliche Verursachung sprächen das Fehlen typischer Begleitverletzungen und weitgehende Beschwerdefreiheit am Folgetag. Der Klägerin wäre es möglich gewesen, zeitnah bei bestehenden Beschwerden auch am Wochenende eine Notfallambulanz aufzusuchen. Nicht zu klären sei auch, dass die Röntgenuntersuchung nicht schon am 11., sondern erst am 13. Juni 2012 stattgefunden habe. Gleichwohl sei das Unfallereignis mit hoher Wahrscheinlichkeit (zu 85 %) als Ursache des Gesundheitsschadens anzunehmen. Anders als beim Sachverständigen Dr. J werde das Wegsacken der Patientin als plötzliches und unerwartetes Ereignis in die Zusammenhangserwägungen mit einbezogen. Die Beklagte setzt sich mit dem Gutachten kritisch unter Vorlage einer beratungsärztlichen Stellungnahme des Chirurgen und Unfallchirurgen Dr. L vom 04. Juli 2017 auseinander. Eine Schulterluxation sei nicht im Vollbeweis nachgewiesen. Dr. S selbst habe die Röntgenaufnahmen vom 13. Juni 2012 als deutlich eingeschränkt beurteilbar bezeichnet, zumal die Originalbilder ihm nicht zur Beurteilung vorgelegen hätten. Der Unfallhergang sei nicht geeignet für die Verursachung einer Schulterluxation. Nach den im Erörterungstermin vom 15. Februar 2017 getroffenen Feststellungen habe es sich eindeutig um ein aktives Hochziehen der Patientin auf die Bettkante und nicht um ein Nachfassen gehandelt. Auch sei eine Weiterarbeit mit einer ausgerenkten Schulter nicht denkbar. Auch das Fehlen von Begleitverletzungen spreche gegen eine unfallbedingte Schulterluxation.
Die Klägerin ist der Kritik unter dem 11. September 2017 unter Hinweis darauf entgegengetreten, dass Dr. S letztlich von einer radiologisch gesicherten, eindeutig nachgewiesenen Schulterluxation ausgegangen sei. Anders als die Beklagte meine, habe sehr wohl ein schnelles Nachfassen bzw. Nachgreifen vorgelegen. Soweit der Sachverständige zwar einen für eine Schulterluxation typischen Hergang verneint habe, habe er nicht ausgeschlossen, dass gerade auch das angeschuldigte Ereignis zu einer Luxation führen könne.
Der Berichterstatter hat Dr. S sodann unter dem 06. Oktober 2017 ergänzend Stellung nehmen lassen. Darin hat er ausgeführt: Nach Aktenlage bestünden keine Zweifel am Vorliegen einer Schulterluxation, auch wenn er die Originalbilder nicht eingesehen habe. Die erstbehandelnden Ärzte hätten nach der Röntgendiagnostik eine Schulterluxation festgestellt und reponiert. Soweit die MRT-Aufnahmen vom 15. Juni 2012 keine knöchernen oder weichteiligen posttraumatischen Veränderungen erbracht hätten, seien solche nicht beweisend für eine stattgehabte Luxation. Auch wenn das Unfallereignis nicht typisch sei, bleibe er dabei, dass mehr Argumente für als gegen eine unfallbedingte Verursachung der Schulterluxation sprächen: Anamnestisch oder anhand ärztlicher Berichte keine Luxationsereignisse vor dem angeschuldigten Unfall, keine sportlichen oder beruflichen Aktivitäten mit daraus resultierenden repetitiven Mikrotraumata, keine Spontanreposition möglich, Reposition durch einen Arzt nach klinischer und ggf. sonographischer oder röntgenologischer Diagnose und Dokumentation, intraoperativ arthroskopisch gesicherte Hill-Sachs-Delle und Blutungsresiduen. Dagegen spreche nur, dass es kein eigentlicher Unfall, sondern Alltagsbewegungen gewesen seien und es an einem Nachweis radiologischer Befunde im Sinne einer Bankart-Läsion oder Hill-Sachs-Läsion fehle, so dass letztlich mehr Argumente dafür als dagegen sprächen.
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 26. und 27. Oktober 2017 einer Entscheidung durch den Berichterstatter anstelle des Senats im Wege schriftlicher Entscheidung ohne mündliche Verhandlung zugestimmt.
Die Beklagte legt zuletzt eine weitere beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. L vom 01. November 2017 vor. Danach sei selbst Prof. Dr. H nicht von einer gesicherten Schulterluxation ausgegangen, wie sich aus dem MRT-Befund vom 15. Juni 2012 ergebe, wonach ein "Z.n. fraglich anteriorer Schulterlux rechts mit Reposition am 13.06.2012" bestanden habe. Die Beiziehung der Originalaufnahmen werde angeregt. Auch werde angeregt, von der Klägerin eventuell vor dem 08. Juni 2012 gefertigte Röntgenaufnahmen beizuziehen und ein fachradiologisches Gutachten einzuholen. Zu beachten sei, dass auch der erstbehandelnde Arzt Dr. P trotz klinischer Untersuchung und Beschwerdeschilderung der Klägerin keine Schulterluxation diagnostiziert habe. Bei der Arthroskopie am 29. August 2012 sei eine diskrete Hill-Sachs-Läsion befundet worden; da laut MRT vom 15. Juni 2012 keine Verletzungszeichen gesichert worden seien, spreche dies für eine in der Vergangenheit abgelaufene Verrenkung oder Teilverrenkung. Das vorliegende Vorerkrankungsverzeichnis datiere erst ab 2002, so dass ein Vorerkrankungsverzeichnis für die Zeit davor eingeholt werde solle. Die Klägerin könne auch dazu befragt werden, welche Tätigkeiten sie am Wochenende nach dem angeschuldigten Ereignis privat verrichtet habe.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten und beigezogenen Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen und inhaltliche Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Der Senat kann im schriftlichen Verfahren ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung entscheiden, nachdem die Beteiligten hierzu ihr Einverständnis erklärt haben, vgl. § 153 Abs. 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG).
Die zulässige Berufung der Beklagten ist unbegründet. Das SG hat zu Recht die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 19. Juli 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 18. Dezember 2012 verpflichtet, das Ereignis vom 08. Juni 2012 als Arbeitsunfall anzuerkennen.
Versicherungsfälle sind gemäß § 7 Abs. 1 des Siebten Buchs des Sozialgesetzbuchs (SGB VII) Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten. Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 SGB VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit. Für einen Arbeitsunfall ist danach erforderlich, dass die Verrichtung des Versicherten zur Zeit des Unfalls der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist (innerer bzw. sachlicher Zusammenhang), dass diese Verrichtung zu dem zeitlich begrenzten von außen auf den Körper einwirkenden Ereignis - dem Unfallereignis - geführt hat (Unfallkausalität) und dass das Unfallereignis einen Gesundheitsschaden oder den Tod des Versicherten verursacht hat (haftungsbegründende Kausalität); das Entstehen von Unfallfolgen aufgrund des Gesundheitsschadens (haftungsausfüllende Kausalität) ist keine Voraussetzung für die Anerkennung eines Arbeitsunfalls (etwa Bundessozialgericht (BSG), Urteil vom 02. April 2009 – B 2 U 29/07 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Hinsichtlich des Beweismaßstabes gilt, dass die Merkmale "versicherte Tätigkeit", "Verrichtung zur Zeit des Unfalls", "Unfallereignis" sowie "Gesundheitserst- bzw. Gesundheitsfolgeschaden" im Wege des Vollbeweises, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, für das Gericht feststehen müssen (etwa BSG, a.a.O., Rn. 16). Für die nach der Theorie der wesentlichen Bedingung zu beurteilenden Ursachenzusammenhänge genügt die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit (etwa BSG, Urteil vom 27. Juni 2006 - B 2 U 20/04 R –, zitiert nach juris Rn. 15). Ein Zusammenhang ist hinreichend wahrscheinlich, wenn nach herrschender ärztlich-wissenschaftlicher Lehrmeinung mehr für als gegen ihn spricht und ernste Zweifel an einer anderen Ursache ausscheiden (vgl. BSG a.a.O., auch Rn. 18 und 20). Ob der Gesundheitsschaden eines Versicherten durch einen Arbeitsunfall wesentlich verursacht wurde, entscheidet sich - bei Vorliegen einer Kausalität im naturwissenschaftlich-philosophischen Sinne - danach, ob das Unfallereignis selbst - und nicht nur eine andere, unfallunabhängige Ursache - wesentliche Bedingung für den Eintritt des Gesundheitsschadens war (BSG, Urteil vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 13 ff.). Soweit das Gesetz in § 8 Abs. 1 S. 2 SGB VII eine äußere Ursache für den Gesundheitsschaden fordert, lösen im Umkehrschluss solche Gesundheitsschäden keinen Anspruch aus, welche auf so genannten inneren Ursachen beruhen. Dies sind körpereigene Ursachen infolge krankhafter Erscheinungen oder der Konstitution des Betroffenen (Schönberger/ Mehrtens/ Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 9. Auflage 2017 (Schönberger et al.), Kap. 1.8, S. 29).
Fraglos stand die Klägerin im Zeitpunkt des angeschuldigten Ereignisses in einem nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 SGB VII versicherten Beschäftigungsverhältnis. Das angeschuldigte Ereignis stand auch in einem inneren und sachlichen Zusammenhang zur Beschäftigung; die Klägerin nahm pflegerische Verrichtungen vor, als das angeschuldigte Ereignis geschah.
Zur Überzeugung des Senats steht auch fest, dass im Wesentlichen ein äußeres Ereignis hier einen Gesundheitserstschaden im Sinne einer haftungsbegründenden Kausalität mit hinreichender Wahrscheinlichkeit herbeiführte. Das angeschuldigte Ereignis liegt hier im Auffangen und Hochhieven einer etwa 70 kg schweren, von der Klägerin mit ihren Armen umfassten Patientin, die unvermittelt von der Bettkante gerutscht, von der Klägerin aufgefangen, stabilisiert worden war und wieder hochgezogen wurde, wobei die Patientin – für die Klägerin überraschend – am Transfer vom Rollstuhl ins Bett nicht mitwirkte. Bei diesem Geschehensablauf, dessen genaue biodynamische Gegebenheiten nicht rekonstruierbar sind, handelt es sich in der Tat um ein äußeres Ereignis. Dabei erstreckt sich das Unfallereignis auch auf Geschehnisse, die im Rahmen der versicherten Tätigkeit "üblich" sind. Die gesetzliche Unfallversicherung schützt gerade, aber auch nur diejenigen Verrichtungen, die in einem inneren Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit stehen. Der Begriff des Unfallereignisses setzt auch nicht ein außergewöhnliches Geschehen voraus. Nach der ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung genügt vielmehr ein alltäglicher Vorgang, wie das Stolpern über die eigenen Füße oder das Aufschlagen auf den Boden, weil auch hierdurch ein Teil der Außenwelt auf den Körper einwirkt (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 2011 – B 2 U 10/11 R –, zitiert nach juris Rn. 14). Dementsprechend hat das BSG etwa das versuchte Anheben eines festgefrorenen Steines als eine zeitlich begrenzte Einwirkung von außen angesehen und hierzu ausgeführt, dass für das von außen auf den Körper einwirkende, zeitlich begrenzte Ereignis kein besonderes, ungewöhnliches Geschehen erforderlich ist. Es dient der Abgrenzung zu Gesundheitsschäden aufgrund von inneren Ursachen, wie Herzinfarkt, Kreislaufkollaps u.s.w., wenn diese während der versicherten Tätigkeit auftreten, sowie zu vorsätzlichen Selbstschädigungen. Ein schlichter Sturz auf einem versicherten Weg genügt, es sei denn, der Unfall ist infolge einer nichtbetriebsbedingten krankhaften Erscheinung eingetreten, und zur Schwere der Verletzung hat keine Gefahr mitgewirkt, der der Versicherte auf dem Weg ausgesetzt war. Ist eine innere Ursache nicht feststellbar, liegt ein Arbeitsunfall vor. So ist etwa eine äußere Einwirkung auch bei einer als außergewöhnliche Anstrengung in einer betriebsbezogenen Stresssituation zu bewertenden Arbeit (Hausschlachtung) durch den Versicherten anzunehmen, wenn dies zu erheblicher Atemnot führt, der Versicherte zusammenbricht und innerhalb einer Stunde verstirbt. Die Unfreiwilligkeit der Einwirkung bei dem, den das Geschehen betrifft, ist dem Begriff des Unfalls immanent, weil ein geplantes, willentliches Herbeiführen einer Einwirkung dem Begriff des Unfalls widerspricht. Hiervon zu unterscheiden sind jedoch die Fälle eines gewollten Handelns mit einer ungewollten Einwirkung, bei welcher eine äußere Einwirkung vorliegt. Für die Prüfung der oben aufgezeigten Voraussetzungen eines Arbeitsunfalls bedeutet dies, dass für die äußere Einwirkung nicht ein äußerliches, mit den Augen zu sehendes Geschehen zu fordern ist. Ob eine und welche äußere Einwirkung vorlag, ist in solchen Fällen ggf. nicht ohne die eigentlich erst in einem weiteren Schritt zu prüfende Ursachenbeurteilung festzustellen. Die äußere Einwirkung liegt – z.B. im Fall des Steinanhebens - in der (unsichtbaren) Kraft, die der schwere und festgefrorene Stein dem Versicherten entgegensetzte (vgl. Drittes Newtonsches Gesetz über die gleiche Größe der Gegenwirkung). Der Versicherte, der auf ausdrückliche oder stillschweigende Anordnung seines Arbeitgebers zur Ausübung seiner versicherten Tätigkeit eine derartige Kraftanstrengung unternimmt und - den Ursachenzusammenhang nach der Theorie der wesentlichen Bedingung unterstellt - dabei einen Gesundheitsschaden erleidet, steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Denn der Gesundheitsschaden ist durch die versicherte Tätigkeit verursacht worden und ihr zuzurechnen. Dementsprechend führt etwa das beabsichtigte Anheben des Steines und die damit einhergehende Kraftanstrengung aufgrund der mit ihr verbundenen Gegenkräfte zu einer zeitlich begrenzten, äußeren Einwirkung auf bestimmte Teile bzw. Organe des Körpers des Klägers (BSG, Urteil vom 12. April 2005 – B 2 U 27/04 R –, zitiert nach juris Rn. 12 ff.).
Dies zugrunde gelegt kann der vorliegende Fall, in welchem die Klägerin die Patientin zwar sehenden Auges, beabsichtigt auffing und hochhievte, aber dabei deren Gewicht und körperlichem Widerstand bzw. der von ihr ausgehenden, auf sie einwirkenden Kraft gleichwohl in einer nicht willentlich steuerbaren Weise ausgesetzt war, nicht anders beurteilt werden, zumal die Klägerin eine Mitarbeit der Patientin beim Transfer erwartet hatte. Die hiergegen von der Beklagten und insbesondere auch von Dr. J in dessen schriftlichem Sachverständigengutachten vom 30. Oktober 2013 angeführten Zweifel verfangen und binden den Senat nicht.
Es liegt auch ein vollbeweislich i.S.v. § 128 Abs. 1 S. 1 SGG gesicherter Gesundheitserstschaden vor, und zwar in Gestalt einer Schulterluxation. Die hiergegen vorgebrachten Argumente der Beklagten verfangen ebenfalls nicht. Es wurde am 13. Juni 2012 eine Röntgenuntersuchung durchgeführt, nach deren unmissverständlichem Befund eine anteriore Schulterluxation festgestellt wurde. Dieser Befund wurde dann noch an demselben Tag für eine Reposition der Schulter unter Lokalanästhesie zum Anlass genommen. Auch wenn Dr. S die Originalaufnahmen nicht vorgelegen haben und er – nachvollziehbar – von einer eingeschränkten Beurteilbarkeit der aktenkundigen Kopien ausgegangen ist, so bestehen nach dem aktenkundigen Hergang keine vernünftigen Zweifel am Vorliegen einer Schulterluxation. Zweifel hieran hegen weder Dr. S in seinem für den Senat erstellten schriftlichen Sachverständigengutachten vom 05. Mai 2017 nebst ergänzender Stellungnahme vom 06. Oktober 2017 noch letztlich Dr. J in seinem für das SG erstellten schriftlichen Sachverständigengutachten, worin er ausführt, dass nach der retrospektiven Beurteilung bei der Klägerin am 13. Juni 2012 eine anteriore Luxation des rechten Schultergelenks nachgewiesen wurde. Andere Gesundheitserstschäden sind indes nicht gesichert und können für den Tatbestand eines Unfalls nicht herangezogen werden. Dass die Schulterluxation im Übrigen der dem angeschuldigten Ereignis zuzuordnende Gesundheitserstschaden ist, ergibt sich aus der zeitlichen Nähe und dem Umstand, dass die Klägerin – hieran bestehen keine durchgreifenden Zweifel – nun einmal bei den o.g. pflegerischen Verrichtungen ein Knacken und einschießenden Schmerz verspürte, welcher sie zur Aufgabe weiterer schwerer Verrichtungen veranlasste. Letztlich ist der Senat auch davon überzeugt, dass die Schulterluxation mit hinreichender Wahrscheinlichkeit im Wesentlichen durch das angeschuldigte Ereignis verursacht wurde. Für die wertende Entscheidung über die Wesentlichkeit einer Ursache hat die Rechtsprechung folgende Grundsätze herausgearbeitet: Es kann mehrere rechtlich wesentliche Mitursachen geben. Sozialrechtlich ist allein relevant, ob das Unfallereignis wesentlich war. Ob eine konkurrierende Ursache es war, ist unerheblich. "Wesentlich" ist nicht gleichzusetzen mit "gleichwertig" oder "annähernd gleichwertig". Auch eine nicht annähernd gleichwertige, sondern rechnerisch verhältnismäßig niedriger zu bewertende Ursache kann für den Erfolg rechtlich wesentlich sein, solange die andere(n) Ursache(n) keine überragende Bedeutung hat (haben). Ist jedoch eine Ursache oder sind mehrere Ursachen gemeinsam gegenüber einer anderen von überragender Bedeutung, so ist oder sind nur die erstgenannte(n) Ursache(n) "wesentlich" und damit Ursache(n) im Sinne des Sozialrechts. Die andere Ursache, die zwar naturwissenschaftlich ursächlich ist, aber (im zweiten Prüfungsschritt) nicht als "wesentlich" anzusehen ist und damit als Ursache nach der Theorie der wesentlichen Bedingung und im Sinne des Sozialrechts ausscheidet, kann in bestimmten Fallgestaltungen als "Gelegenheitsursache" oder Auslöser bezeichnet werden. Für den Fall, dass die kausale Bedeutung einer äußeren Einwirkung mit derjenigen einer bereits vorhandenen krankhaften Anlage zu vergleichen und abzuwägen ist, ist darauf abzustellen, ob die Krankheitsanlage so stark oder so leicht ansprechbar war, dass die "Auslösung" akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte, sondern dass jedes andere alltäglich vorkommende Ereignis zu derselben Zeit die Erscheinung ausgelöst. Bei der Abwägung kann der Schwere des Unfallereignisses Bedeutung zukommen (vgl. Urteil des BSG vom 09. Mai 2006 – B 2 U 1/05 R -, zitiert nach juris Rn. 15). Gesichtspunkte für die Beurteilung der besonderen Beziehung einer versicherten Ursache zum Erfolg sind neben der versicherten Ursache bzw. dem Ereignis als solchem, einschließlich der Art und des Ausmaßes der Einwirkung, die konkurrierende Ursache unter Berücksichtigung ihrer Art und ihres Ausmaßes, der zeitliche Ablauf des Geschehens - aber eine Ursache ist nicht deswegen wesentlich, weil sie die letzte war -, weiterhin Rückschlüsse aus dem Verhalten des Verletzten nach dem Unfall, den Befunden und Diagnosen des erstbehandelnden Arztes sowie der gesamten Krankengeschichte. Ergänzend kann der Schutzzweck der Norm heranzuziehen sein (BSG, a.a.O., Rn. 16). Wenn auch die Theorie der wesentlichen Bedingung im Unterschied zu der an der generellen Geeignetheit einer Ursache orientierten Adäquanztheorie auf den Einzelfall abstellt, bedeutet dies nicht, dass generelle oder allgemeine Erkenntnisse über den Ursachenzusammenhang bei der Theorie der wesentlichen Bedingung nicht zu berücksichtigen oder bei ihr entbehrlich wären. Die Kausalitätsbeurteilung hat auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes über die Möglichkeit von Ursachenzusammenhängen zwischen bestimmten Ereignissen und der Entstehung bestimmter Krankheiten zu erfolgen. Das schließt eine Prüfung ein, ob ein Ereignis nach wissenschaftlichen Maßstäben überhaupt geeignet ist, eine bestimmte körperliche oder seelische Störung hervorzurufen. Maßgebend ist, dass die Beurteilung medizinischer Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge auf dem aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstand aufbauen muss (BSG, a.a.O., Rn. 17). Dies erfordert nicht, dass es zu jedem Ursachenzusammenhang statistisch-epidemiologische Forschungen geben muss, weil dies nur eine Methode zur Gewinnung wissenschaftlicher Erkenntnisse ist und sie im Übrigen nicht auf alle denkbaren Ursachenzusammenhänge angewandt werden kann und braucht. Gibt es keinen aktuellen allgemeinen wissenschaftlichen Erkenntnisstand zu einer bestimmten Fragestellung, kann in Abwägung der verschiedenen Auffassungen einer nicht nur vereinzelt vertretenen Auffassung gefolgt werden (BSG, a.a.O., Rn. 18). Dieser wissenschaftliche Erkenntnisstand ist jedoch kein eigener Prüfungspunkt bei der Prüfung des Ursachenzusammenhangs, sondern nur die wissenschaftliche Grundlage, auf der die geltend gemachten Gesundheitsstörungen des konkreten Versicherten zu bewerten sind. Bei dieser einzelfallbezogenen Bewertung kann nur auf das individuelle Ausmaß der Beeinträchtigung des Versicherten abgestellt werden, aber nicht so wie er es subjektiv bewertet, sondern wie es objektiv ist. Die Aussage, der Versicherte ist so geschützt, wie er die Arbeit antritt, ist ebenfalls diesem Verhältnis von individueller Bewertung auf objektiver, wissenschaftlicher Grundlage zuzuordnen: Die Ursachenbeurteilung im Einzelfall hat "anhand" des konkreten individuellen Versicherten unter Berücksichtigung seiner Krankheiten und Vorschäden zu erfolgen, aber auf der Basis des aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnisstandes (BSG, a.a.O., Rn. 19). Beweisrechtlich ist zu beachten, dass der je nach Fallgestaltung ggf. aus einem oder mehreren Schritten bestehende Ursachenzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den Unfallfolgen als anspruchsbegründende Voraussetzung positiv festgestellt werden muss. Dies wird häufig bei einem klar erkennbaren Ursache-Wirkungs-Zusammenhang, vor allem wenn es keine feststellbare konkurrierende Ursache gibt, kein Problem sein. Aber es gibt im Bereich des Arbeitsunfalls keine Beweisregel, dass bei fehlender Alternativursache die versicherte naturwissenschaftliche Ursache automatisch auch eine wesentliche Ursache ist, weil dies bei komplexem Krankheitsgeschehen zu einer Beweislastumkehr führen würde (BSG, a.a.O., Rn. 20). Hieran gemessen bestehen in der Tat genügend Anhaltspunkte für ein im Wesentlichen auf das angeschuldigte Ereignis rückführbaren Gesundheitserstschaden. Diese Anhaltspunkte verdichten sich zu einer hinreichenden Verursachungswahrscheinlichkeit, dass die Luxation im Wesentlichen auf dem angeschuldigten Ereignis beruht. Nach dem einschlägigen unfallmedizinischen Schrifttum ist bei der Beurteilung von Verrenkungen des Oberarms im Schultergelenk von der Erfahrung auszugehen, dass die Widerstandsfähigkeit eines normalen Schultergelenks so groß ist, dass es besondere Arbeitsbelastungen des täglichen Lebens ohne Schaden erträgt und nur erhebliche Einwirkungen geeignet sind, die Haltevorrichtungen für den Oberarmkopf dergestalt zu verletzen, dass er luxieren kann: Entweder sind die von außen einwirkenden Kräfte stärker als die stabilisierenden Momente oder sie wirken in einem Augenblick auf das Schultergelenk ein, in dem diese Muskeln keine aktive Funktion ausüben. Es handelt sich immer um eine Hebel- oder Drehbewegung des Oberarmkopfes gegen die Pfanne. Der typische Unfallmechanismus ist die Schulterabduktion bis 90° mit zusätzlich von außen einwirkender Außenrotationskraft. Oft sind es indirekte Krafteinwirkungen wie Stürze auf den nach hinten oder vorne ausgestreckten Arm, Hebel- und Drehbewegungen, die den normalen Bewegungsumfang überschreiten (forcierte Außendrehung und Seithebung, wie durch das Eingreifen und Abblocken des Wurfarms im Ballsport), sowie Hängenbleiben bei erheblicher Beschleunigung des Körpers (Unfall bei festgestelltem Skistock, Treppensturz mit der Hand am Geländer) oder an schnell bewegten Maschinenteilen. Grundsätzlich gehört zur unfallbedingten Erstverrenkung eine Weichteilverletzung im Kapsel-Band-Apparat, die den Betroffenen in den ersten 24 Stunden nach der Reposition schmerzbedingt stärker als endgradig im Schultergelenk beeinträchtigt (Schönberger et al., a.a.O. Kap. 8.4.2.1, S. 552 ff.).
Allein der Umstand, dass es nach dem insofern übereinstimmenden Urteil beider Sachverständiger an einem für die Auskugelung einer gesunden Schulter typischen Unfallmechanismus fehlt, schließt nach den Grundsätzen der gesetzlichen Unfallversicherung die hinreichende Wahrscheinlichkeit noch nicht aus, dass die Luxation gleichwohl im Wesentlichen durch das angeschuldigte Ereignis herbeigeführt wurde. Dies deckt sich insbesondere mit den nachvollziehbaren Ausführungen von Dr. S, der in Kenntnis der einschlägigen unfallmedizinischen Erfahrungswerte dem angeschuldigten Ereignis zwar die Typik, aber nicht von vornherein die Eignung abspricht. Dr. J tut dies in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten letztlich unter der unzutreffenden Prämisse, dass ohnehin schon kein von außen auf die Klägerin einwirkendes Ereignis vorliegt. Der Sachverständige Dr. J – und mit ihm die Beklagte mit ihren beratungsärztlichen Stellungnahmen - übersieht bei alldem, dass das einschlägige unfallmedizinische Schrifttum im vorliegenden Zusammenhang von Erfahrungswerten ausgeht und hiervon ausgehend eine Typik an Unfallmechanismen herausarbeitet, aber keine Negativliste ungeeigneter Hergänge formuliert. Soweit das o.g. unfallmedizinische Schrifttum teilweise (vgl. Schönberger et al., a.a.O.) im Grundsatz, mithin nicht ausnahmslos, eine Weichteilverletzung im Kapsel-Band-Sehnenbereich postuliert, führen andere Stimmen nur knöcherne Verletzungsfolgen als Positivindizien an (vgl. Thomann/ Schröter/ Grosser, Handbuch der orthopädisch-unfallchirurgischen Begutachtung, 1. Aufl. 2009, S. 184). Eben solche wurden zwar nicht bereits in der MRT-Untersuchung vom 15. Juni 2012 aufgedeckt. Es fanden sich aber Anzeichen sowohl von Weichteil- als auch von knöchernen Verletzungen anlässlich der noch in einem zeitlichen Zusammenhang zum angeschuldigten Ereignis stehenden Arthroskopie vom 29. August 2012 (neben diskreter Hill-Sachs-Läsion ältere Blutauflagerungen). Eben hierauf weist Dr. S in seinem schriftlichen Sachverständigengutachten nachvollziehbar hin. Demgegenüber legt die Beklagte etwa zuletzt aufgrund der beratungsärztlichen Stellungnahme vom 01. November 2012 unkritisch den MRT-Befund vom 15. Juni 2012 zugrunde, der für sich betrachtet in der Tat keine frischen Verletzungsanzeichen vermittelt. Dabei misst die Beklagte dem MRT-Befund vorschnell eine größere Aussagekraft als der nachgehenden Arthroskopie bei, obwohl die Radiologen auf dem MRT-Befund vermerkten, dass dieser wegen Bewegungsartefakten nur eingeschränkt beurteilbar ist. Es ist auch nichts dafür ersichtlich, dass eine besonders hohe diagnostische Richtigkeitsgewähr bietende MRT in Kontrastmitteltechnik (vgl. Rompe/ Erlenkämper/ Schiltenwolf/ Hollo, Begutachtung der Haltungs- und Bewegungsorgane, 9. Aufl. 2009, Kap. 2.4, S. 457) durchgeführt wurde. Für das tatsächliche Bestehen einer Weichteilverletzung spricht auch der am 14. Juni 2012 bei der Nachuntersuchung erhobene klinische Befund mit mehr als nur endgradigen Beeinträchtigungen (aktive Flexion nur bis 90°, Abduktion nur bis 90°, Oberarmrotation nur 80°, deutliche Krepitation). Weitere, wenngleich schwächere Positivindizien nennt Dr. S unter Hinweis auf eine anamnestisch bestehende prätraumatische Beschwerdefreiheit, das Fehlen sportlicher oder beruflicher Aktivitäten mit hieraus folgenden repetitiven Mikrotraumata. Insbesondere ergibt sich aus dem von der Beklagten im Verwaltungsverfahren beigezogenen Vorerkrankungsverzeichnis, welches immerhin bis ins Jahr 2002 zurückgeht, kein einschlägiger Vorschaden bzw. keine hierauf beruhende Arbeitsunfähigkeit, obwohl die Klägerin seit 2008 im Rahmen der Pflegetätigkeit immer wieder mit schweren körperlichen Tätigkeiten beim Patiententransfer belastet war. Zudem ließen sich bei den Untersuchungen der Sachverständigen keine Hinweise für eine habituelle Instabilität beider Schultergelenke finden. Gewichtige Positivindizien sind ferner die Unmöglichkeit einer Spontanreposition und die erforderliche Reposition durch einen Arzt nach klinischer und röntgenologischer Diagnose und Dokumentation. Für eine unfallbedingte Verursachung der Schulterluxation spricht ferner, dass die Reposition nur unter Schmerzausschaltung bewerkstelligt werden konnte (vgl. Thomann et al., a.a.O.). Bei alldem sieht sich der Senat auch eingedenk der ihm aus § 103 SGG obliegenden Untersuchungsmaxime nicht zu weiteren Ermittlungen von Amts wegen gedrängt. Insbesondere ist ein weiterer Aufklärungsbedarf zum tatsächlichen Vorliegen einer Schulterluxation nicht zu erkennen, auch wenn die Beklagte unter Bezugnahme auf die letzten beratungsärztlichen Stellungnahmen das Vorliegen einer Luxation nach wie vor bestreitet und damit sich im Übrigen in Widerspruch zu ihrer anfänglichen Beurteilung der medizinischen Sachlage setzt, vgl. das Schreiben der Beklagten vom 15. August 2012, worin sie den in der Luxation bestehenden Gesundheitsschaden noch der Sache nach einräumte. Mithin erscheint die anlässlich seiner Begutachtung formulierte Annahme von Dr. S plausibel, dass mehr für als gegen eine Verursachung der Luxation durch das angeschuldigte Ereignis vom 08. Juni 2012 spricht. Er kann sich – gerichtsbekannt - auf die Erfahrung einer Vielzahl von unfallmedizinischen Begutachtungen bzw. auf sein umfassendes klinisches Erfahrungswissen berufen und ist dem Senat aus vielen Berufungsverfahren als verlässlich und streng prüfender Sachverständiger bekannt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision ist mangels Revisionszulassungsgrunds gemäß § 160 Abs. 2 SGG nicht zuzulassen.
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