L 7 AS 1512/17

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 37 AS 2109/17
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 7 AS 1512/17
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung des Beigeladenen und der Klägerin wird das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.07.2017 geändert. Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 verurteilt, der Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfs vom 01.11.2015 bis 30.11.2016 zu bewilligen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Der Beklagte hat die Kosten der Klägerin in beiden Rechtszügen zu ¾ zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin und der Beigeladene wenden sich im Berufungsverfahren gegen eine Verurteilung des Beigeladenen zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB XII. Die Klägerin begehrt die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II einschließlich Kosten der Unterkunft und Heizung.

Die am 00.00.1990 in M/Slowakei geborene Klägerin ist slowakische Staatsangehörige. Sie reiste im Jahr 1998 gemeinsam mit ihren Eltern in die Bundesrepublik Deutschland ein und besuchte hier die Grund- und Hauptschule. Im Jahr 2007 kehrte sie in die Slowakei zurück. In der Slowakei absolvierte sie eine Friseurlehre und erlangte die Hochschulreife. Im August 2014 reiste die Klägerin erneut nach Deutschland ein. Sie lebt seither im elterlichen Haushalt bei ihrer Mutter, der Zeugin E N, die ebenfalls slowakische Staatsangehörige ist, und ihrem Stiefvater N N. Die Zeugin und ihr Ehemann sind Eigentümer eines Reihenhauses, für das 2015 folgende Kosten anfielen: 700 EUR monatliche Schuldzinsen ohne Tilgungsraten; 1.168,14 EUR jährliche Aufwendungen für Grundsteuer, Abfallgebühren, Trinkwasser etc.; 470,64 EUR jährliche Heizkosten. Die Zeugin war im streitigen Zeitraum im Kosmetikstudio ihres Ehemannes tätig und erhielt hieraus ein monatliches Einkommen iHv 400 EUR (netto: 385,20 EUR). Herr N erhielt im streitigen Zeitraum aus einem Beschäftigungsverhältnis ein monatliches Einkommen iHv 2.096 EUR (netto: 1.644,14 EUR) und erzielte aus dem Betrieb des Kosmetikstudios einen monatlichen Gewinn iHv 200 EUR bis 300 EUR. Im streitigen Zeitraum lebte auch die am 06.11.2003 geborene gemeinsame Tochter N N im Haushalt der Eltern. Von Oktober 2014 bis Dezember 2014 durchlief die Klägerin erneut eine Ausbildung zur Friseurin. Das Ausbildungsverhältnis wurde durch die Ausbildungsstelle gekündigt.

Am 19.02.2015 beantragte die Klägerin bei dem Beklagten Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts. Sie gab an, sie beteilige sich monatlich iHv 220 EUR an den Unterkunftskosten. Dem Antrag fügte die Klägerin eine Erklärung der Zeugin vom 11.03.2015 bei, wonach diese ihre Tochter finanziell nicht unterstütze und die Klägerin eine monatliche Miete iHv 220 EUR zu zahlen habe. Der Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheiden vom 01.04.2015 und 27.04.2015 Leistungen für den Zeitraum von Januar 2015 bis Juni 2015 iH des gesetzlichen Regelbedarfs von 399 EUR zuzüglich Unterkunftskosten iHv 220 EUR monatlich. Von Juni 2015 bis zum 16.10.2015 besuchte die Klägerin eine Friseurfachschule und absolvierte dort einen Vorbereitungslehrgang zur Meisterprüfung im Friseurhandwerk. In dieser Zeit erhielt sie Leistungen nach dem Aufstiegsfortbildungsgesetz iHv 238 EUR monatlich (Bescheid der Bezirksregierung Köln vom 29.09.2015). Der Gesamtbetrag von 1.190 EUR wurde im Oktober 2015 an die Klägerin ausgezahlt. Am 28.10.2015 unterzeichneten die Klägerin und die Zeugin eine Erklärung, nach der die Klägerin eine monatliche Mietzahlung iHv 250 EUR zu entrichten habe. Die Zeugin führte ergänzend aus: "Finanziell unterstütze ich meine Tochter nicht."

Am 28.10.2015 beantragte die Klägerin die Weiterbewilligung der Leistungen ab November 2015. Dem Antrag fügte sie eine Erklärung der Zeugin vom 09.11.2015 bei, wonach diese ihre Tochter finanziell nicht unterstütze und die Klägerin eine monatliche Miete iHv 240 EUR zu zahlen habe. Auf Aufforderung des Beklagten reichten die Eheleute N Lohnabrechnungen für den Zeitraum Mai 2015 bis Oktober 2015 ein.

Mit Bescheid vom 10.11.2015 lehnte der Beklagte den Antrag ab. Die Klägerin sei von den Leistungen nach dem SGB II gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II ausgeschlossen, da sie sich ausschließlich zum Zwecke der Arbeitsuche in Deutschland aufhalte.

Hiergegen legte die Klägerin am 08.12.2015 Widerspruch ein. Sie sei nicht lediglich zur Arbeitsuche in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Vielmehr habe sie ihr gesamtes Leben - lediglich unterbrochen durch die Ausbildung in der Slowakei aufgrund der Arbeitsmarktlage - hier verbracht. Durch den Bezug von Meister-BAföG habe sie ihre Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt nachgewiesen. Mit Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 wies der Beklagte den Widerspruch zurück. Die Klägerin könne sich in Ermangelung eines Beschäftigungsverhältnisses in Deutschland nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Arbeitnehmerin berufen. Ein Aufenthaltsrecht aus Schulbesuch gemäß Art. 10 Verordnung (EU) 492/11 komme nicht in Betracht, da die Klägerin aktuell keine Schule besuche. Sie könne sich auch nicht auf ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige berufen, da sie das 21. Lebensjahr vollendet habe.

In einem einstweiligen Rechtsschutzverfahren (L 7 AS 955/16 B ER) verpflichtete der Senat den Beklagten mit Beschluss vom 02.06.2016 vorläufig zur Bewilligung des Regelbedarfs für den Zeitraum vom 24.02.2016 bis zum 31.05.2016.

Gegen den am 02.05.2016 zugestellten Widerspruchsbescheid vom 27.04.2016 hat die Klägerin am 02.06.2016 Klage erhoben. Sie sei grundsätzlich zur Zahlung einer Miete iHv 220 EUR an ihre Eltern verpflichtet. Auf die Geltendmachung der Unterkunftskosten habe sie im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur aufgrund der Rechtsprechung zum Anordnungsgrund verzichtet. Sie könne sich auf ein Daueraufenthaltsrecht berufen. Der Aufenthalt in der Slowakei sei nur vorübergehend und zu Ausbildungszwecken erfolgt. Nach ihrer Rückkehr nach Deutschland habe sie die Meisterschule besucht und bereits hierdurch eine Verbindung zum deutschen Arbeitsmarkt nachgewiesen. Sie versuche derzeit auf freiwilliger Basis, Unterricht nachzuholen und die Prüfung zu wiederholen. Sie habe stets ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt und diesen nicht aufgegeben. Sie sei auch während ihres Aufenthalts in der Slowakei in allen schul- und ausbildungsbedingten Freizeiten wieder nach Hause zurückgekehrt und habe bei ihrer Familie gelebt. Ihr Freundeskreis befinde sich in Deutschland. Zudem sei der Leistungsausschluss verfassungswidrig.

Mit Bescheid vom 24.06.2016 hat der Beklagte der Klägerin vorläufig aufgrund des Beschlusses des Senats Leistungen vom 01.06.2016 bis 30.11.2016 in Höhe des Regelbedarfs zzgl. Kosten der Unterkunft iHv 220 EUR monatlich bewilligt. Die Klägerin hat am 21.11.2016 bei dem Beklagten die Fortzahlung der Leistungen ab dem 01.12.2016 beantragt. Diesen Antrag hat der Beklagte mit Bescheid vom 06.12.2016 abgelehnt und sich weiterhin auf den Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II berufen.

Die Klägerin hat nach Beiladung des Kreises W (Beiladungsbeschluss vom 09.11.2016) beantragt,

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchbescheides vom 27.04.2016 und des Bescheides vom 06.12.2016 zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vom 01.10.2015 bis 03.03.2017 zu gewähren, hilfsweise, den Beigeladenen zu verpflichten, Leistungen nach dem SGB XII vom 01.10.2015 bis 03.03.2017 nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen zu gewähren.

Der Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beigeladene hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Der Beklagte hat ausgeführt, ein Aufenthaltsrecht nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 iVm § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU komme nicht in Betracht. Eine Unterhaltsgewährung liege nur vor, wenn die Leistungen es dem Betroffenen ermöglichen, zumindest einen Teil des Lebensunterhalts selbst zu bestreiten und ein tatsächliches Abhängigkeitsverhältnis bestehe. Hieran fehle es. Die Klägerin müsse sogar Miete iHv 220 EUR zahlen. Ein Daueraufenthaltsrecht bestehe ebenfalls nicht. Ein solches könne nach § 4a Abs. 7 FreizügG/EU nur angenommen werden, wenn eine Abwesenheit von weniger als zwei Jahren aus wichtigem Grund bzw. von bis zu zwölf Monaten bei Berufsausbildung vorliege. Die Klägerin sei jedoch insgesamt sieben Jahre in der Slowakei gewesen. Kurzzeitige Besuche und Aufenthalte in Deutschland reichten nicht aus, um das Aufenthaltsrecht zu erhalten. Auch die mögliche Absicht der Klägerin, nach Beendigung der Ausbildung zurückzukehren, sei angesichts der siebenjährigen Abwesenheit nicht entscheidend.

Der Beigeladene hat eine Einstandspflicht abgelehnt, da die Klägerin unstreitig zum Kreis der erwerbsfähigen Personen gehöre. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu einer Leistungsbewilligung nach dem SGB XII nach verfestigtem Aufenthalt werde nicht gefolgt.

Mit Urteil vom 13.07.2017 (das der Klägerin am 02.08.2017 und dem Beigeladenen am 01.08.2017 zugestellt worden ist) hat das Sozialgericht den Beigeladenen verurteilt, der Klägerin Leistungen nach dem SGB XII vom 01.10.2015 bis 29.12.2016 in Höhe des Regelbedarfs zuzüglich der Unterkunftskosten zu bewilligen und die Klage im Übrigen abgewiesen. Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Leistungen nach dem SGB II, da ein Aufenthaltsrecht nur zur Arbeitsuche vorliege und sie daher gemäß § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II von Leistungen ausgeschlossen sei. Aufgrund der Abwesenheit von sieben Jahren könne die Klägerin sich nicht auf ein Daueraufenthaltsrecht nach § 4a FreizügG/EU berufen. Allein das Vorliegen eines inländischen Wohnsitzes sei nicht relevant. Entscheidend sei der gewöhnliche Aufenthalt. Auch auf ein fortwirkendes Arbeitnehmerrecht könne die Klägerin sich nicht berufen. Die Ausbildungsstelle, die sie von Oktober 2014 bis Dezember 2014 innegehabt habe, begründe keinen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus für den streitigen Zeitraum. Ein Aufenthaltsrecht aus Schulbesuch gemäß Art. 10 Verordnung (EU) 492/11 liege ebenfalls nicht vor, da die Klägerin im streitigen Zeitraum keine Schule besucht habe. Auf ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 iVm § 3 Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU könne sie sich nicht berufen, da sie bereits das 21. Lebensjahr vollendet habe. Auch ein Aufenthaltsrecht als Verwandte in absteigender Linie nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU bestehe nicht, da eine notwendige Unterhaltsgewährung durch die Mutter nicht vorliege. Die Klägerin habe in der mündlichen Verhandlung auf Nachfrage ausdrücklich klargestellt, dass ihre Mutter sie nicht unterstütze. Die Verurteilung des Beigeladenen folge aus der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Ab dem 29.12.2016 seien Leistungen nicht mehr zu gewähren. Seither sei abschließend geregelt, dass auch nach dem SGB XII lediglich Überbrückungsleistungen möglich seien. Es handele sich um eine abschließende Regelung, die einer Einzelfallbetrachtung nicht zugänglich sei. Da die Klägerin nicht beabsichtige in die Slowakei zurückzukehren, könnten ihr auch Überbrückungsleistungen nicht bewilligt werden.

Der Beigeladene hat am 03.08.2017 Berufung eingelegt. Die Klägerin sei unstreitig erwerbsfähig und daher nicht dem Bereich des SGB XII zuzuordnen. Außerdem könne die Klägerin sich auf einen fortwirkenden Arbeitnehmerstatus wegen Berufsausbildung durch den Besuch des Vorbereitungslehrgangs bis zum 16.10.2015 berufen. Des Weiteren habe sie ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige. Jedenfalls sei die Klägerin nicht hilfebedürftig. Es sei davon auszugehen, dass die Mutter den Bedarf der Klägerin gedeckt habe, weil sie mit dieser in einem gemeinsamen Haushalt lebe.

Die Klägerin hat am 28.08.2017 Berufung gegen das Urteil eingelegt, mit der sie Leistungen nach dem SGB II begehrt. Sie habe bis zum 16.10.2015 die Meisterschule besucht und könne sich daher auf ein nachwirkendes Arbeitnehmerrecht berufen. Würde man den Besuch des Vorbereitungslehrgangs nicht als Zugang zum Arbeitsmarkt anerkennen, ergäbe sich ein Wertungswiderspruch, wenn zwar eine "Grundberufsausbildung" unter die Voraussetzung des § 2 Abs. 2 Nr. 1 FreizügigG/EU falle, eine Fachausbildung aber nicht. Außerdem habe sie ihr Daueraufenthaltsrecht nicht verloren, da sie auch während des Aufenthalts in der Slowakei weiterhin ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland gehabt habe. Allein der Auszug aus der elterlichen Wohnung lasse das Daueraufenthaltsrecht nicht entfallen. Sie habe sich bereits seit dem Kindesalter in Deutschland aufgehalten. Darüber hinaus habe sie bei lebensnaher Auslegung faktisch Unterhaltsleistungen ihrer Mutter erhalten, solange der Beklagte nicht gezahlt habe. Jedenfalls sei der Sozialhilfeträger zu verpflichten. Das Bundessozialgericht habe mit der Entscheidung vom 30.08.2017 - B 14 AS 31/16 klargestellt, es halte bis zur Änderung der Gesetzeslage ab dem 29.12.2016 weiterhin an seiner diesbezüglichen Rechtsprechung fest.

Auf Befragung durch den Senat hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung erklärt, sie habe in der Slowakei bis Juli 2014 gearbeitet. Da habe sie ihr eigenes Einkommen gehabt und keine Unterstützung durch die Zeugin bekommen. Sie sei dann im Spätsommer 2014 nach Deutschland gekommen. Sie sei in den Haushalt der Zeugin und ihres Stiefvaters gezogen. Das Haus sei noch nicht ganz fertig gewesen, als sie eingezogen sei. Sie sei damit einverstanden gewesen, erst einmal auf der Couch zu schlafen. Der Mietvertrag sei auf Initiative des Beklagten zustande gekommen. Sie habe zunächst einmal keine Miete gezahlt. Ihr sei dann bei der Vorsprache durch den Beklagten gesagt worden, um die Unterkunftskosten nachzuweisen, müsse ein Mietvertrag her. Daraufhin sei der Vertrag erstellt worden.

Der Beigeladene beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.07.2017 zu ändern und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 13.07.2017 zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung des Bescheides vom 10.11.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27.04.2016 zu verurteilen, ihr Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem SGB II nach Maßgabe der gesetzlichen Bestimmungen vom 01.11.2015 bis zum 30.11.2016 zu zahlen,
hilfsweise
die Berufung des Beigeladenen zurückzuweisen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufungen des Beigeladenen und der Klägerin zurückzuweisen.

Er bezieht sich hinsichtlich der Berufung der Klägerin auf die Ausführungen des Sozialgerichts.

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung die Mutter der Klägerin Dana N zur Frage der Unterstützung der Klägerin und Mietzahlung durch diese als Zeugin vernommen. Zum Ergebnis der Beweisaufnahme wird auf das Sitzungsprotokoll verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Streit- und die beigezogene Verwaltungsakte des Beklagten sowie die Streitakte L 7 AS 955/16 B ER Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.

Entscheidungsgründe:

Die zulässige Berufung des Beigeladenen ist begründet. Die zulässige Berufung der Klägerin ist teilweise begründet.

Streitgegenstand im Berufungsverfahren sind die Verurteilung des Beigeladenen im tenorierten Umfang und - nachdem die Klägerin im Berufungsverfahren Ansprüche für Oktober 2015 und die Zeit von Dezember 2016 bis März 2017 nicht mehr verfolgt - noch ein Leistungsanspruch für November 2015 bis (einschließlich) November 2016, der Gegenstand des angefochtenen Ablehnungsbescheides des Beklagten ist. Das Sozialgericht hat den Beigeladenen zu Unrecht verpflichtet, der Klägerin Leistungen zu bewilligen. Die Klägerin hat - soweit sie diese noch beansprucht - Anspruch auf Leistungen in Höhe des Regelbedarfs gegen den Beklagten. Leistungen für die Unterkunft stehen der Klägerin hingegen nicht zu.

Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten gemäß § 7 Abs. 1 Satz 1 SGB II Personen, die das 15. Lebensjahr vollendet und die Altersgrenze nach § 7a SGB II noch nicht erreicht haben, erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland haben. Die Klägerin befand sich innerhalb der Altersgrenzen des § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB II und war erwerbsfähig (§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB II iVm § 8 Abs. 1 SGB II). Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum über einen gewöhnlichen Aufenthalt im Bundesgebiet iSd § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 SGB II in Verbindung mit § 30 Abs. 3 Satz 2 SGB I, wonach der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts in erster Linie nach den objektiv gegebenen tatsächlichen Verhältnissen im streitigen Zeitraum zu beurteilen ist (vgl. BSG Urteil vom 29.05.1991 - 4 RA 38/90). Sie hält sich in Deutschland dauerhaft auf und hat den Schwerpunkt ihrer Lebensverhältnisse nach ihrer Wiedereinreise dauerhaft im Inland begründet. Ein zu dem gewöhnlichen Aufenthalt hinzutretendes Anspruchsmerkmal iS des Innehabens einer bestimmten Freizügigkeitsberechtigung nach dem FreizügG/EU bzw. eines bestimmten Aufenthaltstitels nach dem AufenthG ist für die Bejahung des gewöhnlichen Aufenthalts nicht erforderlich (BSG EuGH-Vorlage vom 12.12.2013 - B 4 AS 9/13 R; Urteil vom 30.01.2013 - B 4 AS 54/12 R).

Die Klägerin war hilfebedürftig iSd §§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, 9 SGB II. Danach ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt nicht oder nicht ausreichend aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält. Die Klägerin verfügte im streitigen Zeitraum nicht über bedarfsdeckendes Einkommen oder den Freibetrag übersteigendes Vermögen. Der Hilfebedürftigkeit der Klägerin steht § 9 Abs. 5 SGB II nicht entgegen. Leben Hilfebedürftige in Haushaltsgemeinschaft mit Verwandten und Verschwägerten, so wird hiernach vermutet, dass sie von ihnen Leistungen erhalten, soweit dies nach deren Einkommen und Vermögen erwartet werden kann. Diese Vermutungsregelung findet auch im Verhältnis der Klägerin zu ihrem Stiefvater Anwendung, weil mit der Heirat der Mutter der Klägerin und des Herrn N gem. § 1590 Abs. 1 Satz 1 BGB eine Schwägerschaft entstanden ist (vgl. BSG Urteil vom 18.02.2010 - B 4 AS 5/09 R). Den Eheleuten N stand ein nicht bereinigtes monatliches Nettoeinkommen iHv 2.329,34 EUR zur Verfügung. Der hiervon gem. § 1 Abs. 2 Alg II-V (in der jeweils maßgebenden Fassung) abzuziehende jeweilige doppelte Freibetrag der Eheleute N beträgt 1.456 EUR. Das übersteigende Einkommen liegt bei ca. 900 EUR. Selbst ohne jegliche Berücksichtigung von anteiligen Aufwendungen für Unterkunft und Heizung sowie von Absetzbeträgen nach § 11b SGB II steht im Hinblick auf den weiteren Absetzbetrag von 50 Prozent der den Freibetrag übersteigenden bereinigten Einnahmen (450 EUR) allenfalls ein Betrag von 450 EUR zur Verfügung, der von den Eheleuten N aufgewendet werden muss, um den Bedarf (Regelbedarf und anteilige Kosten der Unterkunft) der vorrangig unterhaltsberechtigten minderjährigen Tochter N zu decken. Eine darüber hinaus gehende bedarfsmindernde Unterhaltsgewährung an die Klägerin war den Eheleuten N im streitigen Zeitraum - wie noch auszuführen sein wird - nur im Umfang der Bereitstellung einer kostenfreien Unterkunft möglich.

Die Klägerin unterfällt dem Leistungsausschluss nach § 7 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB II in den für den streitigen Zeitraum maßgeblichen Fassungen vom 20.11.2011 und 26.07.2016 nicht, weil sich ihr Aufenthaltsrecht nicht allein aus dem Zweck der Arbeitsuche ergibt. Der Klägerin steht ein Aufenthaltsrecht als Familienangehörige nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU iVm § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zu. Familienangehörige sind gem. § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU auch die Verwandten in gerader absteigender Linie der in § 2 Abs. 2 Nr. 1 bis 5 und 7 FreizügG/EU genannten Personen oder ihrer Ehegatten, denen diese Personen oder ihr Ehegatte Unterhalt gewähren. Die Freizügigkeit der Familienangehörigen dient zum einen dem Zweck, die Ausübung der Freizügigkeit durch die Unionsbürger zu erleichtern und zum anderen der Herstellung der Familieneinheit (Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl., § 3 FreizügG Rn. 14). Das Gesetz fordert im Lichte des in Art. 6 Abs. 1 GG und Art. 8 Abs. 1 EMRK verankerten Schutzes der Familie keine ausreichende Unterhaltsgewährung. Vielmehr genügt auch eine nicht bedarfsdeckende Unterhaltszahlung (vgl. Beschlüsse des Senats vom 02.06.2016 - L 7 AS 955/16 B ER, vom 28.05.2015 - L 7 AS 372/15 B ER und vom 15.04.2015 - L 7 AS 428/15 B ER; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl, § 3 FreizügG Rn. 50). Anders als im Falle des § 3 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU, der für Familienangehörige nicht erwerbstätiger Unionsbürger im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 5 FreizügG/EU gilt, ist eine bedarfsdeckende Unterhaltsgewährung gerade nicht Voraussetzung für das Freizügigkeitsrecht (in diesem Sinne auch BVerwG vom 20.10.1993 - 11 C 1/93).

Der Wortlaut von § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU enthält keine Anhaltspunkte dafür, dass die Anwendung auf die Fälle beschränkt bleiben soll, in denen der Unterhaltsbedarf bereits im Herkunftsland bestanden hat. Auch teleologisch ist eine entsprechende Auslegung nicht geboten. Vielmehr lässt die mit der Vorschrift bezweckte Erleichterung der Ausübung des Freizügigkeitsrechts und die Herstellung der Familieneinheit gerade keinen Raum für eine solche Einschränkung. Für den Familienangehörigen, der den Unionsbürger begleitet oder ihm nachzieht, macht es keinen Unterschied, ob eine Unterhaltsgewährung bereits im Herkunftsland bestanden hat oder erst nach dem Nachzug entsteht. Entscheidend ist ein (ggfs. partielles) Abhängigkeitsverhältnis des Familienangehörigen von dem freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger in der Zeit des Aufenthalts in Deutschland.

Aus der Rechtsprechung des EuGH folgt nichts anderes (wie hier SG Augsburg Urteil vom 20.10.2017 - S 8 AS 1071/17; abweichend Hessischer VGH Beschluss vom 26.06.2014 - 9 B 37/14; Dienelt in Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 12. Aufl, § 3 FreizügG Rn. 48; Ziffer 3.2.2.1 der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundesministeriums des Innern zum FreizügG/EU vom 03.02.2016, GMBl. 2016, Satz 86). Zwar hat der EuGH mit Urteil vom 16.01.2014 - C-423/12 - Rechtssache Reyes - zu dem Begriff des Familienangehörigen in Art. 2 der Richtlinie 2004/38/EG (Freizügigkeitsrichtlinie), die dem hier maßgeblichen § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU zugrunde liegt, ausgeführt: "Insoweit ist festzustellen, dass das Vorliegen eines tatsächlichen Abhängigkeitsverhältnisses nachgewiesen werden muss, damit ein 21 Jahre alter oder älterer Verwandter in gerader absteigender Linie eines Unionsbürgers als Person angesehen werden kann, der von einem Unionsbürger Unterhalt gewährt wird. Diese Abhängigkeit ergibt sich aus einer tatsächlichen Situation, die dadurch gekennzeichnet ist, dass der materielle Unterhalt des Familienangehörigen durch den Unionsbürger, der von der Freizügigkeit Gebrauch gemacht hat, oder durch dessen Ehegatten sichergestellt wird. Um zu ermitteln, ob eine solche Abhängigkeit vorliegt, muss der Aufnahmemitgliedstaat prüfen, ob der 21 Jahre alte oder ältere Verwandte in gerader absteigender Linie eines Unionsbürgers in Anbetracht seiner wirtschaftlichen und sozialen Lage nicht selbst für die Deckung seiner Grundbedürfnisse aufkommt. Der Unterhaltsbedarf muss im Herkunfts- oder Heimatland eines solchen Verwandten in dem Zeitpunkt bestehen, in dem er beantragt, dem Unionsbürger nachzuziehen" (in diesem Sinne auch EuGH Urteil vom 09.01.2007 - C-1/05 - Rechtssache Jia).

Die letztgenannte Einschränkung ist indes für die Auslegung von § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU bereits deshalb für den Zuzug von Unionsbürgern nicht relevant, weil für diese gem. § 2 Abs. 4 Satz 1 FreizügG/EU ein Antrag auf Nachzug nicht erforderlich ist. Insoweit unterscheidet sich der vorliegende Fall von den Fallgestaltungen, die den Entscheidungen des EuGH in den Rechtssachen Reyes und Jia zugrunde lagen. Dort waren jeweils Drittstaatsangehörige betroffen. Für Unionsbürger, die sich ohne ein Antragsverfahren in einem anderen Mitgliedstaat niederlassen können, würde eine entsprechende Einschränkung bedeuten, dass diese erst einige Zeit in einer Bedarfssituation in dem Herkunftsstaat verbleiben müssen oder zunächst wieder in den Herkunftsstaat zurückkehren müssen, sich dort von dem in Deutschland lebenden freizügigkeitsberechtigten Unionsbürger unterstützen lassen müssen, um sich anschließend bei ihrer Einreise oder Rückkehr nach Deutschland dann mit Erfolg auf ein Freizügigkeitsrecht nach § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU berufen zu können. Eine solches, wie ausgeführt weder vom Wortlaut nach vom Sinn und Zweck der Vorschrift gedecktes Auslegungsergebnis aufgrund einer EuGH-Rechtsprechung, die zu einem anders gelagerten Sachverhalt ergangen ist, hält der Senat bereits im Hinblick auf Art. 18 Abs. 1 AEUV, wonach unbeschadet besonderer Bestimmungen der Verträge in ihrem Anwendungsbereich jede Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit verboten ist, nicht für zulässig. Soweit die Ausländerbehörde gem. § 5a Abs. 2 Nr. 1 FreizügG/EU von Familienangehörigen verlangen darf, dass diese einen urkundlichen Nachweis über die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 FreizügG/EU erbringen, folgt auch aus dieser Verfahrensbestimmung keine sich aus dem Wortlaut nicht ergebende Einschränkung von § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU. Eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Herkunftsstaats, in der bestätigt wird, dass der erforderliche Unterhalt gewährt wird, ist zwar zum Beleg des Freizügigkeitsrechts als Familienangehöriger besonders geeignet, aber auch nach der Rechtsprechung des EuGH nicht zwingend erforderlich (EuGH Urteil vom 09.01.2007 - C-1/05 - Rechtssache Jia; Harms in Kommentar zum Zuwanderungsrecht, 2. Auflage 2008, § 3 FreizügG/EU Rn. 7). Daher ist jedenfalls bei Unionsbürgern der Nachweis einer Unterhaltsgewährung nach der Einreise für die Annahme eines Aufenthaltsrechts als Familienangehöriger nach § 2 Abs. 2 Nr. 6 FreizügG/EU iVm § 3 Abs. 2 Nr. 2 FreizügG/EU ausreichend.

Nach diesen Maßgaben ist vorliegend von einer Unterhaltsgewährung auszugehen, indem die Zeugin die Klägerin bei ihr kostenfrei hat wohnen lassen. Zwar behauptet die Klägerin, sie schulde ihrer Mutter im streitigen Zeitraum die Entrichtung einer monatlichen Miete iHv 220 EUR. Dies setzt voraus, dass sie einer wirksamen und nicht dauerhaft gestundeten Mietzinsforderung ausgesetzt gewesen ist. Es muss ein rechtlicher Bindungswille der Beteiligten bestehen (BSG Urteil vom 07.05.2009 - B 14 AS 31/07 R). Dies beurteilt sich auch bei einem Mietverhältnis zwischen Familienangehörigen nach den Umständen des Einzelfalls. Ausgangspunkt für die Frage, ob eine wirksame Mietzinsverpflichtung des Hilfebedürftigen vorliegt, ist dabei in erster Linie der Mietvertrag, mit dem der geschuldete Mietzins vertraglich vereinbart worden ist (BSG Urteil vom 03.03.2009 - B 4 AS 37/08 R).

Mit dem zwischen der Klägerin und der Zeugin geschlossenen "Mietvertrag" lässt sich eine ernsthafte Verpflichtung der Klägerin zur Zahlung eines monatlichen Mietzinses nicht belegen. Unter Berücksichtigung des Vortrags der Klägerin, der Zeugenvernehmung vom 22.03.2018 und des Akteninhalts ist der Senat vielmehr davon überzeugt, dass es sich bei diesem "Mietvertrag" um ein Scheingeschäft iSd § 117 Abs. 1 BGB handelt. Ein Scheingeschäft liegt vor, wenn die Vertragsparteien einverständlich nur den äußeren Schein eines Rechtsgeschäftes hervorrufen, dagegen die mit dem Geschäft verbundenen Rechtsfolgen nicht eintreten lassen wollen. Dies ist hier hinsichtlich des zwischen der Klägerin und ihrer Mutter geschlossenen "Mietvertrages" anzunehmen. Für ein Scheingeschäft und gegen eine ernsthaft vereinbarte Mietzinsforderung spricht bereits, dass die Klägerin hinsichtlich des Mietzinses unterschiedliche Angaben gemacht hat. So hat sie im Rahmen ihrer Antragstellung am 19.02.2015 mitgeteilt, sie beteilige sich an den monatlichen Kosten der Unterkunft iHv 220 EUR und hierüber eine entsprechende Erklärung der Zeugin vom 11.03.2015 vorgelegt. Im Mietvertrag vom 28.10.2015 haben die Klägerin und ihre Mutter hingegen angeblich einen monatlichen Mietzins iHv 250 EUR vereinbart. Anlässlich der Antragstellung im Oktober 2015 hat die Klägerin dann eine Erklärung der Zeugin vom 09.11.2015 vorgelegt, wonach sie einen monatlichen Mietzins iHv 240 EUR zu zahlen habe. Im Rahmen der Prozesskostenhilfebewilligung im Verfahren L 7 AS 955/16 B ER hat die Klägerin in einer Erklärung vom 23.02.2016 wiederum angegeben, sie habe für ein Zimmer einen Mietzins iHv monatlich 220 EUR zu entrichten. Zudem kann nicht festgestellt werden, dass von der Klägerin tatsächlich Mietzahlungen geleistet worden sind. Den in den Akten befindlichen Kontoauszügen sind entsprechende Überweisungen an die angebliche Vermieterin nicht zu entnehmen. Die Klägerin hat auch keine sonstigen Nachweise wie z.B. Quittungen über den Erhalt der Mietzahlungen vorgelegt. Gegen eine ernsthaft vereinbarte Mietzinsforderung spricht ferner, dass die Zeugin es hingenommen haben will, dass die Klägerin über einen verhältnismäßig langen Zeitraum keine hinreichenden Mietzahlungen geleistet hat, ohne dass dies zu mietrechtlichen Konsequenzen geführt hat. Im Rahmen ihrer Vernehmung durch den Senat hat sie darüber hinaus angegeben, sie habe keine Vorstellung davon, wie viel Miete ihre Tochter ihr schulde. Sie gehe nicht davon aus, dass die Klägerin auch bei vorhandenem Einkommen die rückständige Miete nachzahlt, da sie sich beruflich entwickeln solle. Damit ist belegt, dass die angebliche Vermieterin selbst nicht von einer rechtlich verbindlichen Verpflichtung der Klägerin zur Mietzahlung ausgeht. Umgekehrt spricht gegen einen rechtsverbindlichen Mietvertrag auch, dass die Klägerin es hingenommen hat, wegen noch nicht erfolgter Fertigstellung ihres Raumes zunächst "auf der Couch" zu schlafen. Diese Bereitschaft ist gänzlich untypisch für ein ernsthaftes Mietverhältnis und vielmehr typisch für ein gemeinsames familiäres Wohnen unter einem Dach ohne wechselseitigen Rechtsbindungswillen.

Da die Klägerin mithin keinem Leistungsausschluss unterlag, bestand gem. § 21 Satz 1 SGB XII kein Anspruch auf Leistungen für den Lebensunterhalt nach dem SGB XII, war die Berufung des Beigeladenen begründet und die Klage insoweit abzuweisen.

Zurückzuweisen war die Berufung der Klägerin hinsichtlich der Unterkunftskosten. Da der Klägerin im streitigen Zeitraum keine Unterkunftskosten entstanden sind, hat sie keinen Anspruch auf entsprechende Leistungen gem. § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II. Zwar besteht die grundsätzliche Möglichkeit, dass die Klägerin verpflichtet war, zumindest die auf sie entfallenden laufenden Betriebs- und Verbrauchskosten (Kosten für Wasser, Abwasser, Heizung, Strom, Abfallentsorgung etc.) zu tragen und ihr daher Kosten der Unterkunft in (anteiliger) Höhe der tatsächlich angefallenen Betriebs- und sonstigen Nebenkosten zustünden (in diesem Sinne auch LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 09.03.2017 - L 4 AS 818/13). Unabhängig davon, ob eine solche Abrede oder Forderung der Mutter der Klägerin tatsächlich bestanden hat, kommt eine entsprechende Verurteilung des Beklagten nicht in Betracht, da die Klägerin zu keinem Zeitpunkt einen entsprechenden Bedarf mitgeteilt und konkrete Angaben zur Höhe der im streitigen Zeitraum auf sie entfallenden Betriebs- und Verbrauchskosten gemacht hat. Damit ist davon auszugehen, dass auch diese Kosten von der Unterhaltsgewährung durch die Zeugin abgedeckt waren.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG. Sie berücksichtigt, dass die Berufung der Klägerin im Hinblick auf die Verurteilung des Beklagten zur Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II in Höhe des Regelbedarfs erfolgreich und hinsichtlich der Bewilligung von Kosten der Unterkunft nicht erfolgreich war.

Gründe für eine Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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