Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 18 R 305/15
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 131/16
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 12 KR 50/17 B
Datum
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. März 2016 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 23.870,66 EUR festgesetzt
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der Kläger für seine Ehefrau, der Beigeladenen zu 1., aufgrund deren Tätigkeit für die von ihm betriebene Gaststätte Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten hat.
Der Kläger war alleiniger Inhaber einer Speisegaststätte. Für diesen Betrieb war die Beigeladene zu 1., die seit dem 1. April 1991 bei der Beklagten versichert war/ist, tätig.
Die Beigeladene zu 1. beantragte am 25. September 2005 die versicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Tätigkeit im Betrieb des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. (früher: KKH-Allianz bzw. Kaufmännische Krankenkasse Heilbronn) als Einzugsstelle. Im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens teilte die Beigeladene zu 3. der Beigeladenen zu 2. mit, dass sie die Beigeladene zu 1. als abhängig beschäftigt einstufe. Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 stellte die Beigeladene zu 2. fest, dass die Beigeladene zu 1. seit dem 1. April 1991 als abhängig beschäftigt angesehen werde und der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Dagegen legte die Beigeladene zu 1. Widerspruch ein.
Mit Abhilfebescheid vom 7. August 2008 hob die Beigeladene zu 2. den Bescheid vom 6. Juni 2006 auf. Ab dem 1. April 1991 bestehe keine abhängige Beschäftigung. Ferner wurde mitgeteilt, dass für die Erstattung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung die jeweiligen Sozialversicherungsträger selbst zuständig seien. Die Erstattung sei dort direkt zu beantragen.
Nachdem die Beigeladene zu 3. infolge des Erstattungsantrages der Beigeladenen zu 1. vom 22. August 2006 von der Abhilfeentscheidung erfahren hatte, bat sie die Beigeladene zu 2. um Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2006. Diese erklärte mit Schreiben vom 13. Dezember 2006, dass sie an dem Bescheid festhalte. Daraufhin erhob die Beigeladene zu 3. am 30. Januar 2007 Klage gegen die Beigeladene zu 2. vor dem Sozialgericht Berlin (S 166 KR 558/07). Das Sozialgericht Berlin hob - nach Beiladung der KKH-Pflegekasse, der Bundesanstalt für Arbeit, des Klägers und der Beigeladenen zu 1. - den Bescheid vom 7. August 2006 mit Urteil vom 8. Februar 2010 hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf. Die Beigeladene zu 1. sei bei dem Kläger abhängig beschäftigt gewesen. Hiergegen legten der Kläger und die Beigeladene zu 1. Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein (L 1 KR 78/10).
Nach der Betriebsprüfung am 7. Oktober 2010 (Prüfzeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009) teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 mit, dass die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. streitbefangen sei und eine Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg noch nicht vorliege. Der Kläger solle sicherstellen, dass nach Rechtskraft die sozialgerichtliche Entscheidung auch hinsichtlich des Prüfzeitraums 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 ausgewertet werde. Anlässlich der nächsten Betriebsprüfung würde sie, die Beklagte, die ordnungsgemäße Auswertung überprüfen. Sofern keine Auswertung erfolge, würden ggf. Säumniszuschläge fällig werden.
Mit Beschluss vom 30. August 2011 wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Berufung zurück. Es sei von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1. auszugehen. Daher bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
In der Zeit vom 21. Juli 2014 bis 3. November 2014 fand eine Betriebsprüfung bei der für den Kläger tätigen Steuerberatungsgesellschaft für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011 statt. Dabei stellte die Beklagte fest, dass bis zum Abschluss der Betriebsprüfung am 4. November 2014 keine Auswertung der rechtskräftigen Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vorgenommen worden sei.
Mit Bescheid vom 4. November 2014 forderte die Beklagte vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 54.057,94 EUR für die Zeit vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2012 (tatsächlich 2011) nach. Sie verwies auf die Verjährungsregelung in § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Ferner erhob die Beklagte Säumniszuschläge für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Oktober 2014. Der Kläger habe aufgrund der vorherigen Betriebsprüfung Kenntnis von seiner Zahlungspflicht gehabt.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 Widerspruch ein. Die Beigeladene zu 1. sei ab dem 1. September 2006 nicht mehr bei ihm beschäftigt gewesen. Der Betrieb sei zum 31. Dezember 2011 geschlossen worden. Die streitige Beitragsforderung sei verjährt. Frühestens im Oktober 2011 - nach Zustellung des Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg am 5. September 2011 - hätten von ihm die geforderte Auswertung vorgenommen werden können und die Beiträge gezahlt werden müssen. Die Forderung von Säumniszuschlägen bereits ab dem 1. Dezember 2010 könne daher keinen Bestand haben. Auch habe er, der Kläger, sich nicht vorsätzlich oder fahrlässig verhalten. Seine Prozessbevollmächtigte habe sich in mehreren Schreiben im Jahr 2012 an die Beigeladene zu 2. gewandt und darum gebeten, auf die Forderung zu verzichten, ratenfreie Stundung und notfalls Einräumung von Ratenzahlung erbeten. Hierauf habe die Beigeladene zu 2. nicht reagiert. Der Kläger habe zwar nicht davon ausgehen können, dass auf die Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen verzichtet würde. Andererseits habe er aber annehmen dürfen, dass die Angelegenheit sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten noch geprüft werde und daher noch nicht abgeschlossen sei. Soweit er davon ausgegangen sei, dass er zunächst noch nicht zahlen müsse, sei dies möglicherweise fahrlässig gewesen, jedoch nicht vorsätzlich. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 machte er geltend, dass für die Beigeladene zu 1. bis zur Betriebsschließung Beiträge zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung gezahlt worden seien. Möglicherweise habe es sich um freiwillige Beiträge gehandelt. Insoweit könne es jedenfalls nicht sein, dass letztlich doppelt Beiträge gezahlt würden. Der Kläger beantragte unter Hinweis auf seine finanziellen Verhältnisse, die sofortige Vollziehung des Bescheides gemäß § 86a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen. Dem Aussetzungsantrag gab die Beklagte bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens statt.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 verwies die Beklagte den Kläger auf die Prüfmitteilung vom 11. Oktober 2010. Hierdurch habe er Kenntnis von einer etwaigen Zahlungspflicht gehabt, so dass auch hinsichtlich der Jahre 2006 bis 2009 keine Verjährung eingetreten sei. Der Nachberechnungszeitraum sei richtigerweise die Zeit vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2011. Die Jahresangabe 2012 im Bescheid vom 4. November 2014 sei ein Schreibfehler. Aus den Berechnungsgrundlagen gehe hervor, dass Beiträge nur bis zum 31. Dezember 2011 gefordert worden seien.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2015 änderte die Beklagte ihren Bescheid dahingehend ab, dass Säumniszuschläge erst ab November 2011 (Folgemonat nach Fälligkeit der Beiträge aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg) geltend gemacht werden. Daraus ergebe sich eine Nachforderung in Höhe von 50.431,44 EUR inklusive Säumniszuschläge in Höhe von 13.332,50 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. November 2014 - soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 13. März 2015 abgeholfen worden ist - zurück. Nach den Jahreslohnkonten habe die Beigeladene zu 1. bis zum 31. Dezember 2011 Arbeitsentgelt bezogen. Soweit der Kläger angebe, die Beigeladene zu 1. sei nur bis zum 31. August 2006 bei ihm beschäftigt gewesen, könne dies aufgrund der Jahreslohnkonten nicht nachvollzogen werden. Hinsichtlich der Beitragsforderung greife die 30-jährige Verjährungsfrist.
Am 12. Juni 2015 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt (S 18 R 305/15). Die Beitragsforderung für die Jahre 2006 bis 2009 sei verjährt.
Das Sozialgericht hat die Beigeladene zu 1., die Beigeladene zu 2., die KKH-Pflegekasse, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Beigeladene zu 3. beigeladen.
Am 7. Oktober 2015 hat der Kläger vor dem Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Beitragsforderung. Zudem hätte die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Mit Beschluss vom 15. März 2016 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 angeordnet, soweit Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, die Umlage U1, U2 sowie die Umlage nach § 358 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und die darauf entfallenden Säumniszuschläge geltend gemacht würden. Insoweit sei der streitige Bescheid offensichtlich rechtswidrig. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. August 2006 habe die Beigeladene zu 2. festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. insoweit nicht der Beitragspflicht unterliege. Dieser Bescheid sei nur von der Beigeladenen zu 3. hinsichtlich der Feststellungen zur Rentenversicherungspflicht gerichtlich angegriffen und insoweit aufgehoben worden. Im Übrigen seien die Feststellungen zur Versicherungspflicht - trotz Beiladung der betroffenen Versicherungsträger - nicht angegriffen und dazu auch keine Feststellungen getroffen worden. Hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung sowie der darauf entfallenden Säumniszuschläge sei die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen, da der streitige Bescheid rechtmäßig sei. Durch Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. August 2011 sei rechtskräftig festgestellt worden, dass Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für die Beigeladene zu 1. bestehe. Die Beitragsforderung sei für das Jahr 2006 auch nicht verjährt. Es greife die 30-jährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Maßgeblich sei insoweit, dass innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist ein mindestens bedingter Vorsatz auf Vorenthaltung der Beiträge entstanden sei. Bedingt vorsätzlich handele, wer einen Erfolg für möglich halte und ihn billigend in Kauf nehme. Die lange Verjährung müsse damit auch gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Aufgrund des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2010 sowie des ausdrücklichen Hinweises infolge der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 habe der Kläger für möglich halten müssen, dass eine Beitragspflicht zur Rentenversicherung bestehe. Es sei unbeachtlich, dass Säumniszuschläge erst ab November 2011 geltend gemacht würden. Damit bringe die Beklagte lediglich zum Ausdruck, dass im Hinblick auf den Rechtsstreit vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg sowie des Hinweises in der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 diese Beiträge quasi bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gestundet habe. Mit Beschluss vom 4. Mai 2016 hat das Hessische Landessozialgericht die hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen (L 1 KR 115/16 B ER).
Mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2016 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 aufgehoben, soweit Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, die Umlage U1, U2 sowie die Umlage nach § 358 SGB III und die darauf entfallenden Säumniszuschläge geltend gemacht werden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beiträge zur Rentenversicherung habe die Beklagte zutreffend erhoben. Insoweit sei zwischen den Beteiligten durch die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg rechtskräftig festgestellt worden, dass für die Beigeladene zu 1. Versicherungspflicht in der Rentenversicherung aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bestanden habe. Der Kläger könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2006 seien innerhalb des Jahres 2006 fällig geworden, so dass grundsätzlich die 4-jährige Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2010 endete. Innerhalb dieser Frist habe die Beklagte die Beiträge nicht geltend gemacht, sondern erst mit Bescheid vom 4. November 2014. Es greife allerdings die 30-jährige Verjährung § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten danach in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Maßgeblich dafür sei, dass innerhalb der 4-jährigen Verjährungsfrist ein mindestens bedingter Vorsatz auf Vorenthaltung der Beiträge entstanden sei. Vorsätzlich in Form des bedingten Vorsatzes handele, wer einen Erfolg für möglich halte und ihn billigend in Kauf nehme. Die lange Verjährung müsse damit auch gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Der Kläger habe aufgrund des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2010 und seiner dortigen Stellung als Beigeladener sowie des ausdrücklichen Hinweises in der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 für möglich halten müssen, dass eine Beitragspflicht zur Rentenversicherung bestehe. Bei einem solchen Sachverhalt könne ausgehend von den objektiven Umständen nur auf ein billigendes Inkaufnehmen und damit auch ein subjektives Element bei dem Kläger geschlossen werden. Dass Säumniszuschläge erst ab November 2011 geltend gemacht würden, ändere an diesem Umstand nichts. Die Beklagte bringe damit nur zum Ausdruck, dass im Hinblick auf den Rechtsstreit vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg sowie des Hinweises in der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 diese Beiträge von der Beklagten quasi bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gestundet gewesen seien, die Beklagte also auf die Durchsetzung des Anspruchs vorübergehend verzichtet habe.
Der Kläger hat gegen den ihm am 31. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 22. April 2016 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Beitragsforderungen zur Rentenversicherung verjährt seien. Er habe nicht bedingt vorsätzlich, sondern allenfalls fahrlässig die Beiträge vorenthalten. Das gerichtliche Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin habe seinen Abschluss erst im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, zugestellt am 5. September 2011, gefunden. Eine Zustellung im Jahr 2010 – mithin innerhalb der 4 jährigen Verjährungsfrist – sei nicht erfolgt. Konsequenterweise habe die Beklagte sodann nur noch Säumniszuschläge ab November 2011 gefordert. Frühestens zu diesem Zeitpunkt habe überhaupt ein bedingter Vorsatz entstehen können. Im Übrigen seien seine Nachfragen bei der Beigeladenen zu 2. allesamt unbeantwortet geblieben. Zudem habe die Beigeladene zu 1. erfolgreich Widerspruch gegen den Bescheid der Beigeladenen zu 2. über die Versicherungspflicht vom 6. Juni 2006 eingelegt. Der Kläger und die Beigeladene zu 1. hätten auf die Rechtmäßigkeit des Abhilfebescheids vom 7. August 2006 vertrauen dürfen. Sie hätten nicht wissen können, dass diese Entscheidung keinen Bestand haben würde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16. Dezember 2015, B 12 R 11/14 R) sei ein Vorsatz bezüglich der unterlassenen Beitragsentrichtung nicht schon deshalb zu bejahen, weil die naheliegende Möglichkeit bestanden habe, dass Beiträge nachzuzahlen seien. Hinzu käme, dass der Kläger ein "einfacher Gastwirt" sei, von dem nicht erwartet werden könne, dass er die Rechtswidrigkeit einer den Sachverhalt klärenden Entscheidung der Einzugsstelle positiv und vorsatzbegründend erkenne. Jedenfalls aber hätten Säumniszuschläge nicht erhoben werden dürfen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. März 2016 den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 13. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 auch hinsichtlich der Rentenversicherungsbeiträge und der darauf entfallenden Säumniszuschläge aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 18. Januar 2017 die Beiladung der KKH-Pflegekasse und der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids. Sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig.
Lediglich ergänzend wird – wie bereits im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 2016 im Verfahren L 1 KR 115/16 B ER ausgeführt – darauf verwiesen, dass der Kläger in dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin beigeladen und aktiv beteiligt gewesen ist. Er hat durch seine Prozessbevollmächtigte Stellungnahmen abgegeben und in der mündlichen Verhandlung die Abweisung der Klage beantragt. Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 8. Februar 2010 - dem Kläger zugestellt am 17. Februar 2010 - die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. festgestellt. Hiergegen haben der Kläger und die Beigeladene zu 1. Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Kläger hatte damit Kenntnis von dem Rechtsstreit sowie von der Rechtsauffassung der Beklagten und des Sozialgerichts Berlin. Darüber hinaus ist er von der Beklagten mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er die Auswertung der sozialgerichtlichen Entscheidung sicherstellen solle. Damit ist davon auszugehen, dass er bereits im Jahre 2010 seine Beitragspflicht für möglich gehalten und dennoch billigend in Kauf genommen hat, dass die Rentenversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1. nicht entrichtet werden. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der rechtskräftigen Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht an. Ebenso ist unbeachtlich, ob und gegebenenfalls wann er den Ausgang dieses Verfahrens habe voraussehen können. Nicht relevant ist zudem, ob die Beigeladene zu 2. auf seine Nachfrage geantwortet hat. Denn jedenfalls wusste er von dem von der Beklagten anhängig gemachten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin, zu welchem er beigeladen war. Schließlich kann der Kläger sich bereits aufgrund seiner anwaltlichen Prozessvertretung nicht erfolgreich darauf berufen, dass er lediglich ein "einfacher Gastwirt" sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Rechtsstreit eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, war der Streitwert in Höhe der Geldleistung festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG -).
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Der Streitwert wird auf 23.870,66 EUR festgesetzt
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist (noch) streitig, ob der Kläger für seine Ehefrau, der Beigeladenen zu 1., aufgrund deren Tätigkeit für die von ihm betriebene Gaststätte Rentenversicherungsbeiträge zu entrichten hat.
Der Kläger war alleiniger Inhaber einer Speisegaststätte. Für diesen Betrieb war die Beigeladene zu 1., die seit dem 1. April 1991 bei der Beklagten versichert war/ist, tätig.
Die Beigeladene zu 1. beantragte am 25. September 2005 die versicherungsrechtliche Beurteilung ihrer Tätigkeit im Betrieb des Klägers bei der Beigeladenen zu 2. (früher: KKH-Allianz bzw. Kaufmännische Krankenkasse Heilbronn) als Einzugsstelle. Im Rahmen dieses Verwaltungsverfahrens teilte die Beigeladene zu 3. der Beigeladenen zu 2. mit, dass sie die Beigeladene zu 1. als abhängig beschäftigt einstufe. Mit Bescheid vom 6. Juni 2006 stellte die Beigeladene zu 2. fest, dass die Beigeladene zu 1. seit dem 1. April 1991 als abhängig beschäftigt angesehen werde und der Versicherungspflicht in der Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung unterliege. Dagegen legte die Beigeladene zu 1. Widerspruch ein.
Mit Abhilfebescheid vom 7. August 2008 hob die Beigeladene zu 2. den Bescheid vom 6. Juni 2006 auf. Ab dem 1. April 1991 bestehe keine abhängige Beschäftigung. Ferner wurde mitgeteilt, dass für die Erstattung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung die jeweiligen Sozialversicherungsträger selbst zuständig seien. Die Erstattung sei dort direkt zu beantragen.
Nachdem die Beigeladene zu 3. infolge des Erstattungsantrages der Beigeladenen zu 1. vom 22. August 2006 von der Abhilfeentscheidung erfahren hatte, bat sie die Beigeladene zu 2. um Aufhebung des Bescheides vom 7. August 2006. Diese erklärte mit Schreiben vom 13. Dezember 2006, dass sie an dem Bescheid festhalte. Daraufhin erhob die Beigeladene zu 3. am 30. Januar 2007 Klage gegen die Beigeladene zu 2. vor dem Sozialgericht Berlin (S 166 KR 558/07). Das Sozialgericht Berlin hob - nach Beiladung der KKH-Pflegekasse, der Bundesanstalt für Arbeit, des Klägers und der Beigeladenen zu 1. - den Bescheid vom 7. August 2006 mit Urteil vom 8. Februar 2010 hinsichtlich der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf. Die Beigeladene zu 1. sei bei dem Kläger abhängig beschäftigt gewesen. Hiergegen legten der Kläger und die Beigeladene zu 1. Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg ein (L 1 KR 78/10).
Nach der Betriebsprüfung am 7. Oktober 2010 (Prüfzeitraum 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009) teilte die Beklagte dem Kläger mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 mit, dass die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. streitbefangen sei und eine Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg noch nicht vorliege. Der Kläger solle sicherstellen, dass nach Rechtskraft die sozialgerichtliche Entscheidung auch hinsichtlich des Prüfzeitraums 1. Januar 2006 bis 31. Dezember 2009 ausgewertet werde. Anlässlich der nächsten Betriebsprüfung würde sie, die Beklagte, die ordnungsgemäße Auswertung überprüfen. Sofern keine Auswertung erfolge, würden ggf. Säumniszuschläge fällig werden.
Mit Beschluss vom 30. August 2011 wies das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg die Berufung zurück. Es sei von einem abhängigen Beschäftigungsverhältnis der Beigeladenen zu 1. auszugehen. Daher bestehe Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung.
In der Zeit vom 21. Juli 2014 bis 3. November 2014 fand eine Betriebsprüfung bei der für den Kläger tätigen Steuerberatungsgesellschaft für den Zeitraum 1. Januar 2010 bis 31. Dezember 2011 statt. Dabei stellte die Beklagte fest, dass bis zum Abschluss der Betriebsprüfung am 4. November 2014 keine Auswertung der rechtskräftigen Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vorgenommen worden sei.
Mit Bescheid vom 4. November 2014 forderte die Beklagte vom Kläger Sozialversicherungsbeiträge einschließlich Säumniszuschläge in Höhe von 54.057,94 EUR für die Zeit vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2012 (tatsächlich 2011) nach. Sie verwies auf die Verjährungsregelung in § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 Sozialgesetzbuch Viertes Buch (SGB IV). Ferner erhob die Beklagte Säumniszuschläge für die Zeit vom 1. Dezember 2010 bis 31. Oktober 2014. Der Kläger habe aufgrund der vorherigen Betriebsprüfung Kenntnis von seiner Zahlungspflicht gehabt.
Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 3. Dezember 2014 Widerspruch ein. Die Beigeladene zu 1. sei ab dem 1. September 2006 nicht mehr bei ihm beschäftigt gewesen. Der Betrieb sei zum 31. Dezember 2011 geschlossen worden. Die streitige Beitragsforderung sei verjährt. Frühestens im Oktober 2011 - nach Zustellung des Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg am 5. September 2011 - hätten von ihm die geforderte Auswertung vorgenommen werden können und die Beiträge gezahlt werden müssen. Die Forderung von Säumniszuschlägen bereits ab dem 1. Dezember 2010 könne daher keinen Bestand haben. Auch habe er, der Kläger, sich nicht vorsätzlich oder fahrlässig verhalten. Seine Prozessbevollmächtigte habe sich in mehreren Schreiben im Jahr 2012 an die Beigeladene zu 2. gewandt und darum gebeten, auf die Forderung zu verzichten, ratenfreie Stundung und notfalls Einräumung von Ratenzahlung erbeten. Hierauf habe die Beigeladene zu 2. nicht reagiert. Der Kläger habe zwar nicht davon ausgehen können, dass auf die Forderung von Sozialversicherungsbeiträgen verzichtet würde. Andererseits habe er aber annehmen dürfen, dass die Angelegenheit sowohl inhaltlich als auch hinsichtlich der Zahlungsmodalitäten noch geprüft werde und daher noch nicht abgeschlossen sei. Soweit er davon ausgegangen sei, dass er zunächst noch nicht zahlen müsse, sei dies möglicherweise fahrlässig gewesen, jedoch nicht vorsätzlich. Mit Schreiben vom 9. Februar 2015 machte er geltend, dass für die Beigeladene zu 1. bis zur Betriebsschließung Beiträge zur Arbeitslosen- und Krankenversicherung gezahlt worden seien. Möglicherweise habe es sich um freiwillige Beiträge gehandelt. Insoweit könne es jedenfalls nicht sein, dass letztlich doppelt Beiträge gezahlt würden. Der Kläger beantragte unter Hinweis auf seine finanziellen Verhältnisse, die sofortige Vollziehung des Bescheides gemäß § 86a Abs. 3 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auszusetzen. Dem Aussetzungsantrag gab die Beklagte bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens statt.
Mit Schreiben vom 23. Dezember 2014 verwies die Beklagte den Kläger auf die Prüfmitteilung vom 11. Oktober 2010. Hierdurch habe er Kenntnis von einer etwaigen Zahlungspflicht gehabt, so dass auch hinsichtlich der Jahre 2006 bis 2009 keine Verjährung eingetreten sei. Der Nachberechnungszeitraum sei richtigerweise die Zeit vom 1. September 2006 bis 31. Dezember 2011. Die Jahresangabe 2012 im Bescheid vom 4. November 2014 sei ein Schreibfehler. Aus den Berechnungsgrundlagen gehe hervor, dass Beiträge nur bis zum 31. Dezember 2011 gefordert worden seien.
Mit Bescheid vom 13. Mai 2015 änderte die Beklagte ihren Bescheid dahingehend ab, dass Säumniszuschläge erst ab November 2011 (Folgemonat nach Fälligkeit der Beiträge aufgrund der Rechtskraft des Beschlusses des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg) geltend gemacht werden. Daraus ergebe sich eine Nachforderung in Höhe von 50.431,44 EUR inklusive Säumniszuschläge in Höhe von 13.332,50 EUR.
Mit Widerspruchsbescheid vom 12. Mai 2015 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 4. November 2014 - soweit ihm nicht durch den Bescheid vom 13. März 2015 abgeholfen worden ist - zurück. Nach den Jahreslohnkonten habe die Beigeladene zu 1. bis zum 31. Dezember 2011 Arbeitsentgelt bezogen. Soweit der Kläger angebe, die Beigeladene zu 1. sei nur bis zum 31. August 2006 bei ihm beschäftigt gewesen, könne dies aufgrund der Jahreslohnkonten nicht nachvollzogen werden. Hinsichtlich der Beitragsforderung greife die 30-jährige Verjährungsfrist.
Am 12. Juni 2015 erhob der Kläger Klage vor dem Sozialgericht Darmstadt (S 18 R 305/15). Die Beitragsforderung für die Jahre 2006 bis 2009 sei verjährt.
Das Sozialgericht hat die Beigeladene zu 1., die Beigeladene zu 2., die KKH-Pflegekasse, die Bundesagentur für Arbeit sowie die Beigeladene zu 3. beigeladen.
Am 7. Oktober 2015 hat der Kläger vor dem Sozialgericht die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage beantragt. Es bestünden erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der streitigen Beitragsforderung. Zudem hätte die Vollziehung eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge. Mit Beschluss vom 15. März 2016 hat das Sozialgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 angeordnet, soweit Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, die Umlage U1, U2 sowie die Umlage nach § 358 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III) und die darauf entfallenden Säumniszuschläge geltend gemacht würden. Insoweit sei der streitige Bescheid offensichtlich rechtswidrig. Mit bestandskräftigem Bescheid vom 7. August 2006 habe die Beigeladene zu 2. festgestellt, dass die Beigeladene zu 1. insoweit nicht der Beitragspflicht unterliege. Dieser Bescheid sei nur von der Beigeladenen zu 3. hinsichtlich der Feststellungen zur Rentenversicherungspflicht gerichtlich angegriffen und insoweit aufgehoben worden. Im Übrigen seien die Feststellungen zur Versicherungspflicht - trotz Beiladung der betroffenen Versicherungsträger - nicht angegriffen und dazu auch keine Feststellungen getroffen worden. Hinsichtlich der Beiträge zur Rentenversicherung sowie der darauf entfallenden Säumniszuschläge sei die aufschiebende Wirkung nicht anzuordnen, da der streitige Bescheid rechtmäßig sei. Durch Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 30. August 2011 sei rechtskräftig festgestellt worden, dass Versicherungspflicht in der Rentenversicherung für die Beigeladene zu 1. bestehe. Die Beitragsforderung sei für das Jahr 2006 auch nicht verjährt. Es greife die 30-jährige Verjährung nach § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Maßgeblich sei insoweit, dass innerhalb der vierjährigen Verjährungsfrist ein mindestens bedingter Vorsatz auf Vorenthaltung der Beiträge entstanden sei. Bedingt vorsätzlich handele, wer einen Erfolg für möglich halte und ihn billigend in Kauf nehme. Die lange Verjährung müsse damit auch gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Aufgrund des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2010 sowie des ausdrücklichen Hinweises infolge der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 habe der Kläger für möglich halten müssen, dass eine Beitragspflicht zur Rentenversicherung bestehe. Es sei unbeachtlich, dass Säumniszuschläge erst ab November 2011 geltend gemacht würden. Damit bringe die Beklagte lediglich zum Ausdruck, dass im Hinblick auf den Rechtsstreit vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg sowie des Hinweises in der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 diese Beiträge quasi bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gestundet habe. Mit Beschluss vom 4. Mai 2016 hat das Hessische Landessozialgericht die hiergegen eingelegte Beschwerde zurückgewiesen (L 1 KR 115/16 B ER).
Mit Gerichtsbescheid vom 17. März 2016 hat das Sozialgericht den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in der Fassung des Änderungsbescheides vom 13. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 aufgehoben, soweit Beiträge zur Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung, die Umlage U1, U2 sowie die Umlage nach § 358 SGB III und die darauf entfallenden Säumniszuschläge geltend gemacht werden. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Die Beiträge zur Rentenversicherung habe die Beklagte zutreffend erhoben. Insoweit sei zwischen den Beteiligten durch die Entscheidung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg rechtskräftig festgestellt worden, dass für die Beigeladene zu 1. Versicherungspflicht in der Rentenversicherung aufgrund eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses bestanden habe. Der Kläger könne sich nicht auf die Einrede der Verjährung berufen. Gemäß § 25 Abs. 1 Satz 1 SGB IV verjährten Ansprüche auf Beiträge in 4 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Die Beiträge für die Zeit vom 1. Januar 2006 bis 30. November 2006 seien innerhalb des Jahres 2006 fällig geworden, so dass grundsätzlich die 4-jährige Verjährungsfrist zum 31. Dezember 2010 endete. Innerhalb dieser Frist habe die Beklagte die Beiträge nicht geltend gemacht, sondern erst mit Bescheid vom 4. November 2014. Es greife allerdings die 30-jährige Verjährung § 25 Abs. 1 Satz 2 SGB IV. Ansprüche auf vorsätzlich vorenthaltene Beiträge verjährten danach in 30 Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem sie fällig geworden seien. Maßgeblich dafür sei, dass innerhalb der 4-jährigen Verjährungsfrist ein mindestens bedingter Vorsatz auf Vorenthaltung der Beiträge entstanden sei. Vorsätzlich in Form des bedingten Vorsatzes handele, wer einen Erfolg für möglich halte und ihn billigend in Kauf nehme. Die lange Verjährung müsse damit auch gegen sich gelten lassen, wer als Beitragspflichtiger seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen habe. Der Kläger habe aufgrund des Urteils des Sozialgerichts Berlin vom 8. Februar 2010 und seiner dortigen Stellung als Beigeladener sowie des ausdrücklichen Hinweises in der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 für möglich halten müssen, dass eine Beitragspflicht zur Rentenversicherung bestehe. Bei einem solchen Sachverhalt könne ausgehend von den objektiven Umständen nur auf ein billigendes Inkaufnehmen und damit auch ein subjektives Element bei dem Kläger geschlossen werden. Dass Säumniszuschläge erst ab November 2011 geltend gemacht würden, ändere an diesem Umstand nichts. Die Beklagte bringe damit nur zum Ausdruck, dass im Hinblick auf den Rechtsstreit vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg sowie des Hinweises in der Betriebsprüfung vom 11. Oktober 2010 diese Beiträge von der Beklagten quasi bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung gestundet gewesen seien, die Beklagte also auf die Durchsetzung des Anspruchs vorübergehend verzichtet habe.
Der Kläger hat gegen den ihm am 31. März 2016 zugestellten Gerichtsbescheid am 22. April 2016 vor dem Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, dass die Beitragsforderungen zur Rentenversicherung verjährt seien. Er habe nicht bedingt vorsätzlich, sondern allenfalls fahrlässig die Beiträge vorenthalten. Das gerichtliche Verfahren vor dem Sozialgericht Berlin habe seinen Abschluss erst im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg, zugestellt am 5. September 2011, gefunden. Eine Zustellung im Jahr 2010 – mithin innerhalb der 4 jährigen Verjährungsfrist – sei nicht erfolgt. Konsequenterweise habe die Beklagte sodann nur noch Säumniszuschläge ab November 2011 gefordert. Frühestens zu diesem Zeitpunkt habe überhaupt ein bedingter Vorsatz entstehen können. Im Übrigen seien seine Nachfragen bei der Beigeladenen zu 2. allesamt unbeantwortet geblieben. Zudem habe die Beigeladene zu 1. erfolgreich Widerspruch gegen den Bescheid der Beigeladenen zu 2. über die Versicherungspflicht vom 6. Juni 2006 eingelegt. Der Kläger und die Beigeladene zu 1. hätten auf die Rechtmäßigkeit des Abhilfebescheids vom 7. August 2006 vertrauen dürfen. Sie hätten nicht wissen können, dass diese Entscheidung keinen Bestand haben würde. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 16. Dezember 2015, B 12 R 11/14 R) sei ein Vorsatz bezüglich der unterlassenen Beitragsentrichtung nicht schon deshalb zu bejahen, weil die naheliegende Möglichkeit bestanden habe, dass Beiträge nachzuzahlen seien. Hinzu käme, dass der Kläger ein "einfacher Gastwirt" sei, von dem nicht erwartet werden könne, dass er die Rechtswidrigkeit einer den Sachverhalt klärenden Entscheidung der Einzugsstelle positiv und vorsatzbegründend erkenne. Jedenfalls aber hätten Säumniszuschläge nicht erhoben werden dürfen.
Der Kläger beantragt,
unter Abänderung des Gerichtsbescheides des Sozialgerichts Darmstadt vom 17. März 2016 den Bescheid der Beklagten vom 4. November 2014 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 13. März 2015 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. Mai 2015 auch hinsichtlich der Rentenversicherungsbeiträge und der darauf entfallenden Säumniszuschläge aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.
Die Beigeladenen haben keine Anträge gestellt.
Der Senat hat mit Beschluss vom 18. Januar 2017 die Beiladung der KKH-Pflegekasse und der Bundesagentur für Arbeit aufgehoben.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Entscheidung konnte durch die Berichterstatterin und ohne mündliche Verhandlung ergehen, da sich die Beteiligten mit dieser Vorgehensweise einverstanden erklärt haben, §§ 155 Abs. 3 und 4, 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen.
Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat insoweit gemäß § 153 Abs. 2 SGG Bezug auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Gerichtsbescheids. Sie sind überzeugend und würdigen die fallentscheidenden Aspekte vollständig.
Lediglich ergänzend wird – wie bereits im Beschluss des Hessischen Landessozialgerichts vom 4. Mai 2016 im Verfahren L 1 KR 115/16 B ER ausgeführt – darauf verwiesen, dass der Kläger in dem Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin beigeladen und aktiv beteiligt gewesen ist. Er hat durch seine Prozessbevollmächtigte Stellungnahmen abgegeben und in der mündlichen Verhandlung die Abweisung der Klage beantragt. Das Sozialgericht Berlin hat mit Urteil vom 8. Februar 2010 - dem Kläger zugestellt am 17. Februar 2010 - die Rentenversicherungspflicht der Beigeladenen zu 1. festgestellt. Hiergegen haben der Kläger und die Beigeladene zu 1. Berufung vor dem Landessozialgericht Berlin-Brandenburg eingelegt. Der Kläger hatte damit Kenntnis von dem Rechtsstreit sowie von der Rechtsauffassung der Beklagten und des Sozialgerichts Berlin. Darüber hinaus ist er von der Beklagten mit Schreiben vom 11. Oktober 2010 ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass er die Auswertung der sozialgerichtlichen Entscheidung sicherstellen solle. Damit ist davon auszugehen, dass er bereits im Jahre 2010 seine Beitragspflicht für möglich gehalten und dennoch billigend in Kauf genommen hat, dass die Rentenversicherungsbeiträge für die Beigeladene zu 1. nicht entrichtet werden. Entgegen der Auffassung des Klägers kommt es nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme der rechtskräftigen Entscheidung über die Rentenversicherungspflicht an. Ebenso ist unbeachtlich, ob und gegebenenfalls wann er den Ausgang dieses Verfahrens habe voraussehen können. Nicht relevant ist zudem, ob die Beigeladene zu 2. auf seine Nachfrage geantwortet hat. Denn jedenfalls wusste er von dem von der Beklagten anhängig gemachten Klageverfahren vor dem Sozialgericht Berlin, zu welchem er beigeladen war. Schließlich kann der Kläger sich bereits aufgrund seiner anwaltlichen Prozessvertretung nicht erfolgreich darauf berufen, dass er lediglich ein "einfacher Gastwirt" sei.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i.V.m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen von § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Gemäß § 197a Abs. 1 Satz 1 SGG werden, wenn in einem Verfahren weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten kostenrechtlich privilegierten Personen gehört, Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben. Da der Rechtsstreit eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt betrifft, war der Streitwert in Höhe der Geldleistung festzusetzen (§§ 47, 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz – GKG -).
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